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Kommunikation - VSETH - ETH Zürich

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Polykum Nr. 3/08–09<br />

«Frauen reden im normalfall weniger ausführlich als Männer», weiss Prof. Angelika Linke und widerlegt damit ein Klischee.<br />

heissen, dass Frauen über ein Gesprächsverhalten<br />

verfügen, das dazu führt, dass sich die<br />

Leute wohl fühlen. Das kann auch eine Ressource<br />

sein.<br />

die aber der gruppe zugute kommt<br />

und nicht der einzelnen Frau.<br />

Es sei denn, sie nutzt diese Sprachkompetenz<br />

aus. Je nachdem kann eine Frau sich durch<br />

diese Qualitäten in eine bestimmte Position<br />

bringen. Etwa in Betrieben, wo die Vorgesetzten<br />

ein Klima schaffen, in dem die Angestellten<br />

gern arbeiten kommen, weil sie sich<br />

wohl fühlen. Da können weibliche <strong>Kommunikation</strong>sstrategien<br />

von Vorteil sein. Wobei<br />

auch Männer ein entsprechendes Gesprächsverhalten<br />

haben können, genauso wie es viele<br />

Frauen gibt, die sich in Unterhaltungen nicht<br />

gerade angenehm verhalten.<br />

In flachen Hierarchien haben Frauen<br />

tatsächlich eine anständige Quote. in<br />

Kaderpositionen aber sind sie in der<br />

Minderheit.<br />

Ja, das stimmt. Man hat in der Soziolinguistik<br />

vielfach belegt, dass beruflicher Erfolg<br />

auch mit bestimmten Redeweisen zusammenhängt.<br />

Dass in der Schweiz auch heute noch<br />

prozentual weniger Arbeiterkinder die Matura<br />

machen als Kinder aus Akademikerfamilien,<br />

hat auch mit Sprachfertigkeiten zu tun,<br />

die Akademikerkinder schon zuhause lernen.<br />

Dass Frauen seltener beruflich erfolgreich<br />

sind als Männer, hat aber wohl sehr komplexe<br />

Gründe. Einer davon ist sicher auch die weibliche<br />

Selbstwahrnehmung.<br />

inwiefern?<br />

Frauen haben zum Beispiel sehr oft und sehr<br />

schnell das Gefühl, bereits viel zu viel gesagt<br />

zu haben – obwohl dies, gerade in öffentlichen<br />

Situationen, objektiv betrachtet meist<br />

gar nicht stimmt.<br />

an der universität <strong>Zürich</strong> ist ein rhetorik-Kurs<br />

ausgeschrieben – ausschliesslich<br />

für Frauen.<br />

Solange die Frauen das Gefühl haben, dass<br />

sie eine rhetorische Stütze brauchen, ist es<br />

wichtig, dass sie diese auch erhalten. Aber<br />

auch eine Frau, die einen Rhetorik-Kurs besucht<br />

hat, wird in gewissen Situationen vielleicht<br />

darauf verzichten, all das anzuwenden,<br />

was sie sich angeeignet hat. Man hat immer<br />

eine soziale Rolle zu erfüllen. Gleichzeitig<br />

kann man sich auch aktiv eine gewisse Identität<br />

geben, indem man in einer bestimmten<br />

Art und Weise verbal auftritt. Man stilisiert<br />

sich im Gespräch sozusagen ständig.<br />

geschieht diese Stilisierung bewusst?<br />

Im Normalfall ziemlich unbewusst. Insofern<br />

ist es natürlich positiv, dass das Thema heute<br />

vermehrt behandelt wird. Die Frauen müssen<br />

lernen, dass das nicht ihr persönliches Problem<br />

ist, sondern eben mit gesellschaftlichen<br />

Gegebenheiten und mit Gruppenverhalten zusammenhängt.<br />

KOMMuniKatiOn<br />

11<br />

Sie selbst sind deutsche, sprechen<br />

aber Schweizer Mundart. das ist ungewöhnlich.<br />

Ich stamme aus dem Schwäbischen, wo man<br />

einen Dialekt spricht, der dem Schweizerdeutschen<br />

näher ist als nördlichere Mundarten.<br />

Ausserdem bin ich bereits als Schülerin<br />

in die Schweiz gekommen. Schweizerdeutsch<br />

lernte ich aus lauter Verzweiflung. Erstens<br />

deshalb, weil ich merkte, dass alle so komisch<br />

mit mir sprechen. Zum anderen wird man<br />

sofort ausgeschlossen, wenn man nicht die<br />

gleiche Sprache spricht. Also tut man alles,<br />

um dazuzugehören.<br />

die Bezugsgruppe erschliesst sich<br />

über einen gemeinsamen Jargon?<br />

Ja. Wer die Sprache teilt, gehört dazu.<br />

Sprache ist – genauso wie Mode – Teil unseres<br />

sozialen Auftritts. Wie Kleidung, die man<br />

wählt, so wählt man auch eine bestimmte<br />

Sprache. Wobei man in der Sprache wie gesagt<br />

nicht ganz so frei ist wie in der Kleidung.<br />

Sprachen kann man sich nicht kaufen, nur aneigenen.<br />

Und vieles geschieht hier unbewusst.<br />

Aber wenn man sich ein Bewusstsein von der<br />

Funktion der Sprache erarbeitet, dann ist bereits<br />

ein grosser Schritt getan.<br />

Das vollständige Interview erscheint am 21. November im<br />

Strassenmagazin Surprise.<br />

das interview führten ivana Leiseder und reto aschwanden.<br />

Ivana Leiseder ist Redaktionsleiterin des Polykum<br />

und Reto Aschwanden Redaktor des Surprise. leiseder@polykum.ethz.ch<br />

/ r.aschwanden@strassenmagazin.ch

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