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Barmherzigkeit - Misericordia GmbH Krankenhausträgergesellschaft

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zigkeit<br />

rzigkeit<br />

nur instinktive Abwehr des<br />

schwierig. Leid ist weder angenehm<br />

noch macht es häufig<br />

einen erkennbaren Sinn. Aber<br />

das Leid bleibt oft bestehen<br />

und auch ohne Sinn verdient<br />

das Leid Mitleid. Stefan Zweig<br />

schriebt in seinem Roman<br />

„Ungeduld des Herzens“: „Es<br />

gibt eben zweierlei Mitleid. Das<br />

eine, schwachmütige und sentimentale,<br />

das eigentlich nur<br />

Ungeduld des Herzens ist,<br />

sich möglichst schnellfrei zu<br />

machen von der peinlichen<br />

Ergriffenheit vor einem fremden<br />

Unglück, jenes Mitleid, das<br />

gar nicht Mitleiden ist, sondern<br />

fremden Leidens von der eigenen<br />

Seele. Und das andere, das<br />

einzig zählt – das unsentimentale,<br />

aber schöpferische Mitleid,<br />

das weiß was es will, und<br />

entschlossen ist, geduldig und<br />

mitduldend alles durchzustehen,<br />

bis zum Letzten seiner<br />

Kraft und noch über dies Letzte<br />

hinaus.“<br />

Mehr aufmerksame Präsenz ist<br />

gefragt, mehr Fürsorge als<br />

Betrübtheit, mehr Geduld und<br />

Zuhören als Leidenschaft. Das<br />

ist <strong>Misericordia</strong>! Spinoza fasst<br />

es so zusammen: „Mitleid<br />

(misericordia) ist Liebe, sofern<br />

die den Menschen bestimmt,<br />

über das Glück eines anderen<br />

sich zu freuen und dagegen<br />

über das Unglück eines anderen<br />

sich zu betrüben.“<br />

Auch weiß jeder, dass es sich<br />

ohne Mitleid bequemer leben<br />

lässt – doch ist Bequemlichkeit<br />

das Ziel des Lebens?<br />

Hannah Arendt hält uns im<br />

Bewusstsein, wie wichtig Konkretion<br />

ist, das heißt, dass es<br />

beim Mitleid um Mit-leiden des<br />

Einzelnen geht. Mitleid kann<br />

abstrakt, verallgemeinernd,<br />

wortreich sein; das Mit-leiden<br />

ist konkret, auf den einzelnen<br />

bezogen, am liebsten wortlos,<br />

eine Tat. Und es ist horizontal,<br />

es realisiert eine Gleichheit zwischen<br />

dem der leidet, und<br />

dem, der neben ihm auf der<br />

selben Ebene steht und das<br />

Leid mit ihm teilt – Hilfe zum<br />

Leben. Das Leben Jesu ist eine<br />

einzige Geschichte von der mitfühlenden<br />

Nächstenliebe. Er<br />

war, wie wir häufig in den<br />

Evangelien lesen können, von<br />

Mitleid ergriffen. Das hat ihn<br />

handeln lassen.<br />

Das Mitleid ist nicht zu verwechseln<br />

mit Gönnerhaftigkeit.<br />

Gegen manches Elend<br />

muss politisch, nicht mildtätig<br />

angegangen werden. Ein soziales<br />

Problem verlangt nach einer<br />

sozialen Antwort.<br />

Mitleid ist ein Gefühl, dass sich<br />

nicht herbeizitieren lässt, man<br />

kann nicht beschließen, es zu<br />

haben, aber man kann es kultivieren<br />

und die Pflicht in sich<br />

wachsen lassen, in sich die<br />

Fähigkeit zum Mitleid zu entwickeln.<br />

Augustinus hat das<br />

wunderbare Wort hinterlassen:<br />

„Liebe und tue, was du willst.“<br />

Die realistische und leichtere<br />

Botschaft lautet: Habe Mitleid<br />

und tue, was du sollst.<br />

Viele Anregungen habe ich<br />

dem empfehlenswerten Buch<br />

von Andre Comte-Sponville<br />

„Anmerkungen zu einem<br />

unzeitgemäßen Leben“ entnommen.<br />

Im Gegensatz zum<br />

eingangs zitierten Freund fällt<br />

mir noch mehr zum Thema<br />

<strong>Barmherzigkeit</strong> ein. Mir kommen<br />

die Generationen von Clemensschwestern<br />

in den Sinn,<br />

TITEL<br />

die vieles von den oben<br />

genannten theoretischen Überlegungen<br />

in den praktischen<br />

Alltag umgesetzt haben. Ich<br />

denke an die Kollegin, die als<br />

Stationsschwester großherzig<br />

Geld aus der Gemeinschaftskasse<br />

herausgibt, damit ich es<br />

für soziale Belange von Patienten<br />

in Notsituationen weiterleiten<br />

kann.<br />

Da gibt es den Krankenpfleger,<br />

der sagt : „Für's Freundlichsein<br />

werde ich hier nicht bezahlt –<br />

Gott sei Dank.“<br />

Da gibt es das Bemühen von<br />

zahlreichen Mitarbeiterinnen<br />

trotz mancher Hindernisse an<br />

Fortbildungen teilzunehmen,<br />

weil es ihnen darum geht, ihre<br />

Arbeit zum Wohle der anderen<br />

noch besser zu machen. Ich<br />

denke daran, dass es im Krankenhaus<br />

viele Seelsorgerinnen<br />

gibt, die durch ihre Präsenz<br />

und ihre Art, ihre Fürsorge mit<br />

Herz, mit ihrer Geduld und<br />

ihrem Zuhörenkönnen all das<br />

verkörpern, was die Begriffe<br />

Vergebung, Mitleid, <strong>Barmherzigkeit</strong><br />

in all ihrer Unmodernität<br />

und ewig zeitgemäßen<br />

Lebendigkeit verkörpern. Das<br />

und noch viel mehr stimmt<br />

mich froh und lässt mich an<br />

der <strong>Barmherzigkeit</strong> als Leitwort<br />

festhalten.<br />

Frank Schüssleder<br />

Raphaelsklinik<br />

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