Sperber 3/10 - St.Galler Natur
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Neue invasive Arten<br />
Aktuell<br />
Neue invasive Arten - eine Rundschau<br />
Jonas Barandun<br />
Nicht nur die pflanzlichen Neophyten<br />
stellen ein Problem dar. Noch rascher<br />
nimmt die Zahl invasiver Neozoen (Tierarten)<br />
und Krankheitserreger zu.<br />
Ursache für die Ausbreitung von Arten<br />
sind der globale Verkehr und Handel.<br />
Hinzu kommen begünstigende Bedingungen<br />
durch den Klimawandel. Invasionen<br />
sind grundsätzlich nur unter<br />
besonders günstigen Umständen möglich.<br />
Einerseits muss die Art selbst<br />
sich rasch ausbreiten können. Zudem<br />
müssen Regulatoren wie Krankheiten<br />
oder Räuber fehlen und die Boden- Klima-<br />
und Nahrungsbedingungen müssen<br />
günstig sein.<br />
Was gegenwärtig stattfindet, ist erstmalig<br />
in der Erdgeschichte. Noch nie<br />
wurden verschiedenste Lebewesen innert<br />
weniger Jahrzehnte über alle Kontinente<br />
verteilt und damit jahrmillionenalte<br />
fein ausgewogene Ökosysteme neu<br />
durchmischt. Die Folgen sind vor allem<br />
auf Inseln verheerend, weil sich dort in<br />
der Regel spezialisierte Abhängigkeiten<br />
entwickelt haben. Auf manchen Inseln<br />
im Pazifik oder in der Karibik sind als<br />
Folge davon innert kurzer Zeit bis zu einem<br />
Drittel aller heimischen Arten ausgestorben.<br />
Auf den Kontinenten sind vor<br />
allem grosse und eher artenarme Lebensräume<br />
gefährdet. Beispielsweise<br />
wurden Grasländer in Nordamerika vom<br />
europäischen Blutweiderich erobert. Er<br />
hat dort auf Flächen von mehreren Quadratkilometern<br />
die heimische Vegetation<br />
verdrängt. Berühmt sind die katastrophalen<br />
Folgen von eingeschleppten<br />
Arten in Australien. Die Plage durch die<br />
einst absichtlich eingeführte Agakröte<br />
ist für uns unvorstellbar.<br />
Im Vergleich mit der Entwicklung auf Inseln<br />
und in anderen Kontinenten ist die<br />
Situation in der Schweiz harmlos. Das<br />
hängt einerseits damit zusammen,<br />
dass wir unsere Landschaft schon vor<br />
langer Zeit fast durchgehend kultiviert<br />
haben und sensible Lebensräume weitgehend<br />
verschwunden sind.<br />
Andererseits bietet die kleinräumig<br />
strukturierte Landschaft der Alpen und<br />
Voralpen wenig Potenzial für grossflächige<br />
Massenentwicklungen. Schliesslich<br />
ist das mitteleuropäische Artengefüge<br />
durch jahrtausendealte ständige<br />
Veränderungen offenbar besser gerüstet<br />
gegen „Eindringlinge“ als in anderen<br />
Gegenden. Ein grosses Schadenpotenzial<br />
besteht in land- und forstwirtschaftlichen<br />
Flächen sowie in unseren Gewässern.<br />
Denken wir an die Ausbreitung<br />
des Feuerbrandes! Obwohl das<br />
Bakterium nur sehr spezifische, begrenzte<br />
Schäden anrichtet, hat die Invasion<br />
nachhaltige Veränderungen unserer<br />
Landschaft bewirkt. Im Bodensee<br />
wird seit etwa zehn Jahren die ganze<br />
Lebensgemeinschaft völlig neu geordnet.<br />
So besteht der Seegrund stellenweise<br />
bis zu 90% aus neuen Arten. Die<br />
Folgen sind nicht voraussehbar. Schon<br />
die Invasion der Wandermuschel in den<br />
1960er Jahren hat bekanntlich zu einer<br />
markanten Zunahme von Wasservögeln<br />
geführt. Prägende Veränderungen ste-<br />
2 Der <strong>Sperber</strong> 3/<strong>10</strong>