HOPE Kongress 2010 - Hope Congress Munich 2010
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7th European <strong>HOPE</strong> <strong>Congress</strong> <strong>2010</strong><br />
der nachgehenden Betreuung neben dem klassischen Krankenunterricht<br />
in den Mittelpunkt stellen, können stabilisierend wirken. Außerdem plädiere<br />
ich auch dafür, dass Schulen für Kranke Maßnahmen des Hausunterrichts<br />
nicht nur anregen und koordinieren, sondern sie auch eigenverantwortlich<br />
durchführen können sollten, wo dies im Sinne der Stabilisierung<br />
von fragilen Lehrer-Kind-.Beziehungen angezeigt ist.<br />
Meine Damen und Herren,<br />
aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass die Pädagogen, die sich mit<br />
Menschen in besonderen Lebenslagen konfrontiert sehen, Sicherheit<br />
im Hinblick auf den Bildungsbegriff gewinnen, der ihrem Handeln zugrunde<br />
liegt.<br />
Sie müssen sich sicher sein, dass das Sich-Einlassen auf besondere Lebens-<br />
und Lernerfordernisse und auf existenziell geprägte Fragestellungen<br />
unter weitgehender Hintanstellung allgemein formulierter Bildungsstandards,<br />
den Grundanliegen des klassischen Bildungsbegriffs voll und<br />
ganz entspricht.<br />
Nach Hartmut von Hentig gilt:<br />
„Bildung soll junge Menschen in der Entfaltung und Stärkung der gesamten<br />
Person fördern – so, dass sie am Ende dieses Prozesses das Subjekt<br />
dieses Vorganges sind“ (Bildungspläne Baden-Württemberg, 2004)<br />
Für die Sonderpädagogik hat eine Gruppe um den Reutlinger Sonderpädagogen<br />
Hans-Jörg Kautter ein Förderkonzept für behinderte Kinder entwickelt,<br />
in dem diese sich als „Akteure ihrer eigenen Entwicklung“ entfalten<br />
können sollen.<br />
Von Hentig formuliert nichts anderes, als es auch Wilhelm von Humboldt<br />
getan hat:<br />
„Der wahre Zweck des Menschen ist die höchste und proportionierlichste<br />
Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen Bildung muss die natürliche<br />
Einseitigkeit einer jeden Kraft mit der anderer Kräfte vermitteln,<br />
ohne sie dadurch zu schwächen!“<br />
Was täte die Deutschlehrerin unserer Dichterin anderes, wenn sie unserer<br />
jungen Dichterin Raum und Zeit für Beziehungserfahrung und Selbstfi ndung<br />
geben könnte, anstatt sie in die Jagd nach fremdbestimmten Zielen<br />
zu hetzen?<br />
Meine Damen und Herren,<br />
ich bleibe dabei, dass Bildung am ehesten geschieht, wo sie den Lebensbedürfnissen<br />
des einzelnen Menschen folgt. Wo sie sich in die Hetzjagd<br />
eines vordergründigen Effi zienz-oder Erfolgsstrebens begibt, verkommt<br />
sie zu kurzatmigem Aktionismus. Schließlich gilt Goethes Wort gerade in<br />
grenzwertigen Situationen:<br />
„Der Sinn des Lebens liegt im Leben selbst!“<br />
Wo wir das Leben – auch in seinen schwierigsten Situationen – zulassen,<br />
öffnen wir der Menschenbildung den ihr zukommenden Raum!<br />
Mit Friedrich Fröbel gesprochen weist diese Botschaft über sich hinaus:<br />
„Die Bestimmung jedes Dings und die besondere Bestimmung und der Beruf<br />
des Menschen ist: Sein Wesen, das Göttliche in ihm, zu entwickeln und<br />
darzustellen; die Behandlung des Menschen zu diesem Ziel ist Erziehung<br />
Die Erziehung bewirkt die Darstellung des Göttlichen im Menschen<br />
und die Erkenntnis desselben in der Natur durch den Menschen. Sie führt<br />
den Menschen zum Frieden mit Gott, mit sich und den Menschen und mit<br />
der Natur…“<br />
Unsere junge Dichterin ist für ihre Bildung (also Gestaltwerdung) auf die<br />
Freiheit dieses Friedens wahrlich angewiesen.<br />
Unsere Dichterin wurde in eine Parallelklasse versetzt um die „Störungen<br />
und Ablenkungen“ abzubauen, die für ihren schulischen Lernfortschritt<br />
vom Zusammensein mit ihrer einzig verbliebenen Freundin in der bisher<br />
gemeinsamen Klasse ausgegangen waren.<br />
Krebs bei Kindern – Was kommt nach der Heilung?<br />
Therapiefortschritte und Partizipation der Schule<br />
Prof. Dr. med. Stefan Burdach<br />
Direktor der Klinik und Chefarzt, Kinderklinik München Schwabing<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
„Every society honors its living conformists<br />
and its dead troublemakers“<br />
Mignon McLaughlin (1913-1983)<br />
Apropos troublemaker:<br />
Die gute Nachricht lautet: wir können Kinder mit tödlichen Krankheiten heilen<br />
Die schlechte Nachricht lautet: weil sie gesund werden, müssen wir uns<br />
um sie kümmern.<br />
19<br />
Das ist das Motto unserer Klinik.<br />
Ich möchte zur Verdeutlichung zunächst einen Kontrapunkt setzen: Eine<br />
Gesellschaft, die sich von ihren Kindern verabschiedet, verabschiedet sich<br />
von ihrer Zukunft.<br />
Heute geht es mir um drei Herausforderungen für die Schule für Kranke:<br />
1. Medizinische<br />
2. Psychologische<br />
3. Soziale<br />
II. Vorträge<br />
Ich möchte beginnen mit zwei Thesen zum Unterschied zwischen Pädiatrie<br />
und Erwachsenenmedizin, um die medizinischen Rahmenbedingungen der<br />
Schule für Kranke abzustecken:<br />
1. Die Pädiatrie ist ein kuratives Fach und<br />
2. Im Unterschied zur Erwachsenenmedizin, die sich überwiegend mit der<br />
symptomatischen Behandlung von Alters- und Verschleißerkrankungen<br />
befassen muss -ein sehr wichtiges Thema in unserer Altersgesellschaftgeht<br />
es in der Kinder- und Jugendmedizin überwiegend um Heilung oder<br />
zumindest um langfristiges Überleben mit chronischer Erkrankung.<br />
Bei Krebs bei Kindern, geht es um Heilung. Es ist ja oft gefragt worden,<br />
was hat die Medizin eigentlich für Fortschritte gemacht? Sind es technische<br />
Fortschritte oder sind es Fortschritte, die wirklich zur Heilung von<br />
Krankheiten führen? Da lohnt sich ein Blick auf die Kinder- und Jugendmedizin.<br />
„Wird Krebs selten geheilt?“ Ein immer noch verbreitetes Vorurteil,<br />
eine verbreitete Auffassung: Es sei eine tödliche Diagnose. Hier<br />
die Ergebnisse der letzten 20 Jahre anhand von ca. 26.000 behandelten<br />
Kindern in Deutschland, die an Krebs erkrankt waren. Sie sehen, dass sie<br />
insgesamt vier von fünf Kindern mit Krebs heilen können. Am besten sind<br />
die Ergebnisse bei Leukämie und Lymphomen. Bei anderen Heilungsraten<br />
etwas niedriger. „Krebs bei Kindern wird meist geheilt!“ Die Antwort<br />
„selten geheilt“ wäre falsch. Für einzelne Erkrankungen sind die Behandlungserfolge<br />
besonders beeindruckend. Ich möchte hier eine Erkrankung<br />
herausgreifen, mit der wir uns besonders befassen, das Ewing Sarkom. Ein<br />
besonders bösartiger Knochentumor, 1940 die Heilungsrate noch unter 10<br />
%, ist sie heute deutlich über 60 %.