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SÜDKURIER NR. 4 | BS<br />
SAMSTAG, 5. JANUAR 2013<br />
Tapsis letzte Reise Die<br />
VON STEVE PRZYBILLA<br />
................................................<br />
Der Hun<strong>de</strong>himmel fängt mit<br />
Bon Jovi an. „It’s My Life“<br />
du<strong>de</strong>lt aus <strong>de</strong>m Lautsprecher<br />
im Empfangsraum: leise,<br />
keineswegs aufdringliche, aber doch<br />
unverkennbare Radiomusik. An <strong>de</strong>n<br />
weiß getünchten, mit Toskana-Motiven<br />
verzierten Wän<strong>de</strong>n hängt ein selbst gemalter<br />
Gol<strong>de</strong>n Retriever, daneben ein<br />
West-Highland-White-Terrier. Autozeitschriften<br />
warten neben zwei Polstersesseln<br />
darauf, gelesen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine außergewöhnliche Atmosphäre,<br />
bei <strong>de</strong>r nach gewisser Zeit ein unterschwelliger<br />
Duft in die Nase steigt – eine<br />
Mischung aus Kamin, offenem Feuer<br />
und Süßholz. So riecht es also, wenn ein<br />
Tierleben zu En<strong>de</strong> geht.<br />
In Schramberg im Schwarzwald<br />
steigt eine helle Rauchwolke auf. Mitten<br />
im Gewerbegebiet steht eines von 16<br />
<strong>de</strong>utschen Tierkrematorien – vor zehn<br />
Jahren gab es nur eine einzige solche<br />
Einrichtung in München. Wer seinen<br />
Liebling nicht beim Tierarzt lassen o<strong>de</strong>r<br />
im heimischen Garten vergraben<br />
möchte, bringt Wuffi o<strong>de</strong>r Minka zu<br />
Thomas Schindler. Ein kräftiger Hän<strong>de</strong>druck,<br />
dann kommt <strong>de</strong>r Kremierer<br />
gleich zur Sache: Welche Urne darf’s<br />
<strong>de</strong>nn sein?<br />
Zur Auswahl steht so ziemlich alles,<br />
was das Herz und Portemonnaie <strong>de</strong>s<br />
Tierfreunds hergibt: Das kleinste Mo<strong>de</strong>ll,<br />
in <strong>de</strong>m die sterblichen Überreste<br />
eines Meerschweinchens Platz fin<strong>de</strong>n,<br />
kostet 30 Euro. „Nach oben hin gibt es<br />
fast keine Grenzen“, sagt Schindler und<br />
zeigt auf die Urnen, die in einem Regal<br />
zur Auswahl stehen: schlichte, einfarbige<br />
Mo<strong>de</strong>lle, Urnen in Katzenform, mit<br />
Pfötchen-Abdruck und stilisierten Blättern.<br />
O<strong>de</strong>r die Version mit Bil<strong>de</strong>rrahmen,<br />
in <strong>de</strong>r die Erinnerung noch lebendiger<br />
bleibt.<br />
Wer im Tierkrematorium ankommt,<br />
kann sich erst einmal akklimatisieren.<br />
die südkurier-köche<br />
Pollo alla Romana<br />
Zutaten: (für 4 Personen)<br />
1 junges fleischiges Huhn<br />
1 Stück rote Pfefferschote<br />
6 EL Olivenöl extra vergine<br />
1 Knoblauchzehe<br />
Salz<br />
2 Zweige frischer Rosmarin<br />
400 g Tomaten<br />
1 Glas (1cl) Weißwein<br />
Zubereitung:<br />
Das Huhn waschen und<br />
trocken tupfen. Mit einer<br />
Geflügelschere in 10 bis 12<br />
Teile zerschnei<strong>de</strong>n, dabei das<br />
Rückgrat heraustrennen. Die<br />
Pfefferschote in feine Streifen<br />
schnei<strong>de</strong>n. Das Olivenöl in<br />
einer tiefen Pfanne erhitzen<br />
und die Knoblauchzehe darin<br />
anrösten. Die Hühnerstücke<br />
hinzufügen und von allen<br />
Seiten knusprig braun braten.<br />
Salzen, die Rosmarinzweige<br />
und die Pfefferschotenstreifen<br />
hinzufügen. Bei starker Hitze<br />
unter gelegentlichem Wen<strong>de</strong>n<br />
10 Minuten weiterbraten. Die<br />
Tomaten mit kochen<strong>de</strong>m<br />
Wasser überbrühen, abziehen<br />
und in kleine Stückchen<br />
schnei<strong>de</strong>n. Die Tomatenstückchen<br />
zum Geflügel geben und<br />
in weiteren 15 Minuten gar<br />
schmoren lassen, bis sich das<br />
Hühnerfleisch leicht von <strong>de</strong>n<br />
Knochen lösen lässt. Wenn<br />
die Tomaten anzusetzen<br />
beginnen, mit etwas Wein<br />
aufgießen. Dazu passt am<br />
besten frisches Weißbrot.<br />
Nach einer Tasse Kaffee geleitet Schindler<br />
seine Kun<strong>de</strong>n dann in <strong>de</strong>n Abschiedsraum,<br />
von <strong>de</strong>m aus ein Fenster<br />
<strong>de</strong>n direkten Blick auf <strong>de</strong>n Eingang <strong>de</strong>s<br />
Ofens freigibt: ein nagelneues Mo<strong>de</strong>ll,<br />
in <strong>de</strong>m von morgens bis abends bei 850<br />
Grad die Flammen lo<strong>de</strong>rn – das gleiche<br />
Gerät, wie es auch bei Menschen verwen<strong>de</strong>t<br />
wird.<br />
Letzte Ruhestätte Wal<strong>de</strong>srand<br />
Insgesamt 1,3 Millionen Euro hat<br />
Schindler zusammen mit seinem Bru<strong>de</strong>r<br />
investiert, um das Krematorium zu<br />
realisieren. „Die I<strong>de</strong>e ist mir gekommen,<br />
als mein eigener Hund vor vier<br />
Jahren gestorben ist“, sagt <strong>de</strong>r frühere<br />
Lagerist. „Um ihm ein würdiges En<strong>de</strong> zu<br />
ermöglichen, bin ich bis ins Münsterland<br />
zu einem Tierkrematorium gefahren.<br />
Hier in <strong>de</strong>r Gegend gab es so etwas<br />
damals überhaupt noch nicht.“<br />
Nach jahrelanger Planung eröffneten<br />
die Brü<strong>de</strong>r im Mai 2011schließlich ihren<br />
Betrieb – und haben seither weit über<br />
1000 Hun<strong>de</strong>, Katzen, Meerschweinchen,<br />
Kaninchen und Vögel verbrannt.<br />
Das lassen sich die Tierbesitzer einiges<br />
kosten: 245 Euro kostet das Verbrennen<br />
eines 16,1 bis 22 Kilo schweren Hun<strong>de</strong>s,<br />
bezahlt wird nach Gewicht. „Es gibt<br />
aber auch Sammeleinäscherungen, die<br />
günstiger sind“, betont Schindler. „Deren<br />
Überreste verstreuen wir dann am<br />
Wal<strong>de</strong>srand, wozu wir eigens eine städtische<br />
Genehmigung haben.“<br />
Doch was treibt Haustierbesitzer eigentlich<br />
dazu, ihre Vierbeiner wie einen<br />
Menschen zu bestatten? „Ich wollte<br />
meine Tapsi einfach auf keinen Fall<br />
beim Tierarzt lassen“, sagt Tierliebhaberin<br />
Elke Hertel (46), als sie das mo<strong>de</strong>rne<br />
Schwarzwaldhäuschen betritt. Sie ist<br />
mit ihrer Neufundlän<strong>de</strong>r-Hündin direkt<br />
nach <strong>de</strong>m Einschläfern ins Tierkrematorium<br />
gekommen – zusammen mit<br />
einer Freundin, weil sie die 48 Kilo<br />
schwere Tapsi allein niemals tragen<br />
könnte. Sprachlosigkeit, Tränen, Trau-<br />
Das Huhn in <strong>de</strong>r<br />
Pfanne macht ihn<br />
verrückt: Markus<br />
Waibel.<br />
klassische Beerdigung für Hun<strong>de</strong> und<br />
Katzen im Garten ist out. Heute kann man Tiere<br />
auch in speziellen Krematorien verbrennen<br />
lassen<br />
er. Ihr einziger Trost: die beruhigen<strong>de</strong>n<br />
Steh-Kerzen im Abschiedsraum, ein<br />
langes Gespräch mit Schindler, die letzten<br />
ungestörten Minuten mit Tapsi.<br />
Nach zweieinhalb Stun<strong>de</strong>n ist alles vorbei.<br />
Bleibt nur noch die Frage nach <strong>de</strong>r<br />
richtigen Urne. Hertel entschei<strong>de</strong>t sich<br />
für ein Mo<strong>de</strong>ll, das genauso gut eine<br />
Keksdose sein könnte: eine auberginenfarbene,<br />
schlichte Urne mit glatter<br />
Oberfläche. Wie teuer die Verbrennung<br />
ist, fragt Elke Hertel erst gar nicht – viel<br />
zu sehr ist sie von ihrer Trauer ergriffen.<br />
Am En<strong>de</strong> bezahlt sie 299 Euro für die<br />
Einäscherung und noch einmal 125 Euro<br />
für die Urne. Der Preis ist für sie in<br />
diesem Moment nicht wichtig: „Das<br />
war mir Tapsi einfach wert.“<br />
Nicht alle reagieren im Tierkrematorium<br />
so gefasst wie Elke Hertel. „Vor<br />
kurzem war ein Zwei-Meter-Mann hier,<br />
<strong>de</strong>r am Eingang noch Witze gerissen<br />
hat“, erzählt Schindler. „Als er dann <strong>de</strong>n<br />
Abschiedsraum betrat, war plötzlich alles<br />
vorbei. Da ist er komplett in Tränen<br />
ausgebrochen.“ Der skurrilste Fall, <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Tierkremierer bisher erlebt hat, war<br />
die Beerdigung eines französischen Armeehun<strong>de</strong>s.<br />
Zunächst musste Schindler<br />
zusammen mit <strong>de</strong>m Besitzer die<br />
französische Fahne über <strong>de</strong>m toten Tier<br />
spannen. „Das Heftigste war <strong>de</strong>r Soldat,<br />
The Dark Si<strong>de</strong> of the Huhn<br />
Brust o<strong>de</strong>r Keule? Diese Frage<br />
stellte Louis <strong>de</strong> Funès 1976 in <strong>de</strong>r<br />
gleichnamigen französischen<br />
Filmkomödie. Als großer Hühner-Fan<br />
fällt mir die Antwort schwer. Ob zartes<br />
Brustfleisch o<strong>de</strong>r leckere Schlegel – in<br />
je<strong>de</strong>r Variation bin ich nach Huhn in <strong>de</strong>r<br />
Pfanne verrückt. Der Klassiker ist aber<br />
natürlich das Grill-Hähnchen, bei <strong>de</strong>m<br />
man sich zu<strong>de</strong>m nicht zwischen Brust<br />
und Keule entschei<strong>de</strong>n muss, son<strong>de</strong>rn<br />
die komplette Auswahl hat.<br />
Im Sommer stellt sich mir auch die<br />
Frage nach <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Zubereitung<br />
nicht: Das „Beer Butt Chicken“, bei <strong>de</strong>m<br />
das Hähnchen auf eine Bierdose o<strong>de</strong>r<br />
noch besser auf einen mit Bier gefüllten<br />
„Hähnchenthron“ aus Porzellan gesetzt<br />
wird, ist kaum zu toppen. Das Geflügelfleisch<br />
wird durch die Flüssigkeit<br />
Grenzenlos 3<br />
in <strong>de</strong>r Dose o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m „Hähnchenthron“<br />
von innen sanft dampfgegart<br />
und aromatisiert. Und die Haut wird auf<br />
<strong>de</strong>m Grill schön knusprig. Im Backofen<br />
dagegen wollte mir bisher noch kein<br />
perfektes Grill-Hähnchen gelingen.<br />
Entwe<strong>de</strong>r das magere Brustfleisch war<br />
zu trocken o<strong>de</strong>r die Haut zu labberig.<br />
Und dabei ist „the Dark Si<strong>de</strong> of the<br />
Huhn“, die dunkle Knusperhaut, doch<br />
das Beste.<br />
Jetzt habe ich endlich nach langer Recherche<br />
im Internet die Lösung für dieses<br />
Problem gefun<strong>de</strong>n: Kon<strong>de</strong>nsmilch.<br />
Ein alter Trick aus Großmutters Zeiten,<br />
<strong>de</strong>r tatsächlich funktioniert. Dabei wird<br />
eine Gewürzmischung, ob selbst gemacht<br />
o<strong>de</strong>r ein fertiges Produkt, mit etwas<br />
Kon<strong>de</strong>nsmilch verrührt und dann<br />
vor <strong>de</strong>m Garen auf das Hähnchen auf-<br />
BILD: BUCANIERE - FOTOLIA<br />
<strong>de</strong>r vor seinem Hund salutierte.“ Erst<br />
nach dieser Prozedur durfte <strong>de</strong>r Kremierer<br />
zur Tat schreiten.<br />
Zurück bei <strong>de</strong>r täglichen Arbeit: Aus<br />
<strong>de</strong>m Kühlraum holt Schindler einen<br />
schwarzen Plastiksack, <strong>de</strong>n er vorsichtig<br />
auf <strong>de</strong>n Metalltisch vor <strong>de</strong>m Ofen<br />
legt. Ein paar Handgriffe, dann ist die<br />
Tüte weg. Auf <strong>de</strong>m Tisch liegt nun ein<br />
Dalmatiner, friedlich, mit leicht nach<br />
unten geknicktem Ohr. Ein letzter Blick<br />
auf <strong>de</strong>n verstorbenen Hund, dann setzt<br />
sich die Automatik in Gang. Als die<br />
Klappe hochgeht, kehren kurz Wüstentemperaturen<br />
in <strong>de</strong>n Kremierraum ein.<br />
Schindler wischt sich <strong>de</strong>n Schweiß von<br />
<strong>de</strong>r Stirn, dann schiebt er <strong>de</strong>n Hund in<br />
die Glut. Der Dalmatiner geht auf seine<br />
letzte Reise.<br />
An<strong>de</strong>rthalb Stun<strong>de</strong>n später: Stefan<br />
Schindler fegt zusammen, was vom<br />
Dalmatiner übriggeblieben ist. Keine<br />
Asche, kein Staub – allein die Knochen<br />
überstehen die züngeln<strong>de</strong>n Flammen.<br />
Bevor er sie in die Urne füllt, leitet <strong>de</strong>r<br />
Tierkremierer <strong>de</strong>n letzten Arbeitsschritt<br />
ein: Leise knacksen die unverbrannten<br />
Überreste, als er sie in <strong>de</strong>r<br />
Knochenmühle zu feinen Schnipseln<br />
verarbeitet. Das ist alles, was von Tapsi<br />
und ihren Artgenossen nach <strong>de</strong>m Kremieren<br />
noch da ist. Und natürlich die<br />
Erinnerung.<br />
Endstation: Im<br />
Schramberger<br />
Tierkrematorium<br />
wer<strong>de</strong>n vierbeinige<br />
und und gefie<strong>de</strong>rte<br />
Wegggefährten auf<br />
die letzte Reise<br />
geschickt.<br />
BILD: PRZYBILLA<br />
getragen. Das Ergebnis ist einfach<br />
kross-artig.<br />
Natürlich spielt auch die Herkunft<br />
<strong>de</strong>s Geflügels eine große Rolle. Klasse<br />
statt Masse bei <strong>de</strong>r Tierhaltung macht<br />
<strong>de</strong>n großen Unterschied. Beste Erfahrungen<br />
habe ich mit <strong>de</strong>n Schienerberg-<br />
Hähnchen gemacht. Auf <strong>de</strong>m Hof Rie<strong>de</strong>rn<br />
ca. drei Kilometer westlich von<br />
Schienen wird das Geflügel schonend<br />
aufgezogen, mit gleichen Vorgaben wie<br />
bei <strong>de</strong>r Bioproduktion. Ob gegrillt o<strong>de</strong>r<br />
wie im Rezept nebenan als „Pollo alla<br />
Romana“ (Rezept vom Hof Rie<strong>de</strong>rn) –<br />
nach <strong>de</strong>m Genuss eines Höri-Hahns<br />
lässt man <strong>de</strong>n fa<strong>de</strong>n Gummi-Adler aus<br />
<strong>de</strong>m Discounter garantiert links liegen.<br />
Infos zum Schienerberg-Hähnchen:<br />
www.gefluegel-grundler.<strong>de</strong>