Schlesische Nachrichten - Oberschlesien eine Region in Europa ...
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Ihr Gegenstand ist die nackte Seele, der<br />
nackte Mensch!“<br />
Im März 1905 bekannte Hauptmann, dreifacher<br />
Träger des österreichischen Grillparzerpreises,<br />
<strong>in</strong> Wien: „Es meldeten sich <strong>in</strong><br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Inneren stets viele Stimmen zum<br />
Wort, und ich sah k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> andere Möglichkeit,<br />
e<strong>in</strong>igermaßen Ordnung zu schaffen, als vielstimmige<br />
Sätze: Dramen zu schreiben.“<br />
Vom Schaffen des erst Sechsunddreißigjährigen<br />
gab Paul Schlenther <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 1898<br />
erschienenen Biographie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aufnahmefreudigen<br />
und anwachsenden Gefolgschaft<br />
detaillierte Auskunft, so dass sich Hauptmanns<br />
Verleger S. Fischer <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
ersten Gesamtausgabe von Hauptmanns<br />
Werken entschloss, die <strong>in</strong> sechs Bänden<br />
1906 erschien: Dieses Œuvre umschloss<br />
die Dramen von „Vor Sonnenaufgang“ bis<br />
„Und Pippa tanzt!“ (Unter E<strong>in</strong>schluss des<br />
„Helios“-und des „Hirtenlied“-Fragments ).<br />
Für diese Ausgabe steuerte der Dichter e<strong>in</strong><br />
„Geleitwort“ bei, <strong>in</strong> dem er e<strong>in</strong>ige Gedanken<br />
zur Anschauungsart über das Drama <strong>in</strong> den<br />
herrschenden Dramaturgien äußert.<br />
Bereits <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n frühen Stücken ist es<br />
Hauptmann <strong>e<strong>in</strong>e</strong>rseits um die Gestaltung<br />
menschlich-sozialer Probleme und ebenso<br />
auch um die Reflexion kreatürlich-existentieller<br />
Fragen gegangen, und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mitleiden<br />
an den Unterdrückten und Erniedrigten,<br />
den Beleidigten, Vernachlässigten und Verachteten<br />
– wobei, immer wieder, <strong>in</strong> vielen<br />
Werken als Grundmelodie der leidenden<br />
Menschen dieses „A jeder Mensch hat halt<br />
ne Sehnsucht“ erkl<strong>in</strong>gt. Noch aus der tragischen<br />
Erschütterung glänzt diese Erlösungssehnsucht<br />
auf und aktiviert gleichsam<br />
das <strong>in</strong> der Leiderfahrung <strong>in</strong>s Passive tendierende<br />
Menschentum <strong>in</strong> Gerhart Hauptmanns<br />
Dramen. „Wehe, wissende Menschlichkeit“,<br />
wie Thomas Mann Hauptmanns<br />
Mitleidsethos sah.<br />
Gerhart Hauptmanns Menschen kommen<br />
aus der Wirklichkeit und sie gehen gleichsam<br />
<strong>in</strong> sie h<strong>in</strong>aus: Wie sie dem Dichter alle<br />
<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Leben leibhaftig begegnet s<strong>in</strong>d,<br />
<strong>in</strong> den schlesischen Dörfern wie <strong>in</strong> den Berl<strong>in</strong>er<br />
Gastwirtschaften oder den Künstlerateliers.<br />
So begegnen sie uns, nachdem sie<br />
durch das Medium s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Phantasie g<strong>in</strong>gen.<br />
Als die „Ausgabe letzter Hand“ zum achtzigsten<br />
Geburtstage des Dichters erschien,<br />
bekannte er, dass diese Sammlung als <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Ernte aus reicherfüllten Phasen langen Lebens“<br />
anzusehen ist und „<strong>in</strong> die deutsche<br />
Volksseele e<strong>in</strong>gegangen“ sei und damit, auch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m letzten S<strong>in</strong>n der Dichtung entspricht.<br />
Was wäre auch e<strong>in</strong> Dichter, der als s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> unverlierbare<br />
Sendung konstatieren darf,<br />
„dessen Wesen der gesteigerte Ausdruck der<br />
Volksseele ist!“ Günter Gerstmann<br />
An zwei Gedenktage zu Gerhart Hauptmann ist<br />
noch <strong>in</strong> diesem Jahr zu er<strong>in</strong>nern:<br />
1.) Der 50. im H<strong>in</strong>blick auf das Uraufführung von<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Tragödie „Magnus Garbe“ am 4. Februar<br />
1956 <strong>in</strong> Düsseldorf;<br />
2.) Vor 100 Jahren, 1906, ist die erste Gesamtausgabe<br />
von Gerhart Hauptmann erschienen<br />
– freilich erst vier Jahre nach der ersten,<br />
die <strong>in</strong> Rußland, 1902, vorgelegt worden ist.<br />
KULTUR / DE LIBRIS <strong>Schlesische</strong> <strong>Nachrichten</strong> 21/2006<br />
„Tabuisierte Geschichte –<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge und Vertriebene <strong>in</strong> der Sowjetischen<br />
Besatzungszone und DDR“<br />
Lichtbildvortrag von Dr. Michael Parak,<br />
Kulturreferent für <strong>Schlesische</strong>n beim <strong>Schlesische</strong>n Museum zu Görlitz<br />
Term<strong>in</strong>: Do., 12.11.2006, 19.00 Uhr<br />
Ort: Stadtbibliothek Borna, Mart<strong>in</strong>-Luther-Platz 9, 04552 Borna<br />
Tel. 03433 / 20 19 22, Fax 03433 / 20 19 23,<br />
e-mail <strong>in</strong>fo@bibliothek-borna.de <br />
Veranstalter: Stadtbibliothek Borna<br />
Der E<strong>in</strong>tritt ist frei!<br />
Auch heute ist über das Leben von Flüchtl<strong>in</strong>gen und Vertriebenen <strong>in</strong> der Sowjetischen<br />
Besatzungszone wenig bekannt. Die SED belegte diesen Teil der deutschen Geschichte<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tabu. 1950 verschwand selbst die verharmlosende Bezeichnung „Umsiedler“<br />
aus dem öffentlichen Sprachgebrauch.<br />
So denkt man meist an die Bundesrepublik, wenn es um die Aufnahme von Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />
und Vertriebenen geht. Dabei lebten 1950 3,3 Millionen Deutsche aus Ostpreußen,<br />
Schlesien und dem Sudetenland <strong>in</strong> der DDR; e<strong>in</strong> Bevölkerungsanteil von 21,3 Prozent.<br />
In Westdeutschland waren dagegen nur 16,5 Prozent der Bevölkerung Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
und Vertriebene.<br />
In dem Lichtbildvortrag werden die „Umsiedler-Politik“ der SED und Lebenser<strong>in</strong>nerungen<br />
von Betroffenen vorgestellt. E<strong>in</strong> Überblick über neu erschienene Bücher zu diesem<br />
Thema ergänzt das Programm.<br />
Der Historiker Dr. Michael Parak ist als Kulturreferent für Schlesien am <strong>Schlesische</strong>n<br />
Museum <strong>in</strong> Görlitz beschäftigt, dass im Mai 2006 s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Dauerausstellung eröffnet.<br />
Zuvor war er lange Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig<br />
tätig. Dr. Michael Parak – Kulturreferent<br />
Stiftung <strong>Schlesische</strong>s Museum zu Görlitz, Untermarkt 4, 02826 Görlitz,<br />
Tel. (0049) 03581-8791 116, Fax (0049) 03581-8791-222, e-mail: mparak@schlesisches-museum.de<br />
Aktuelle Ausstellung:<br />
14. 10. 2005 – 29. 1. 2006 Tabak und Tonpfeifen <strong>in</strong> Schlesien (Ort: Untermarkt 4, Görlitz)<br />
Buchbesprechung<br />
Die Jahrhunderthalle und das Ausstellungsgelände<br />
<strong>in</strong> Breslau<br />
Nun liegt erstmalig <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 338 Seiten und über 400<br />
Abbildungen starke Publikation vor, die Jerzy Ilkosz<br />
im polnischen vorgelegt hat und die von<br />
Dr. Beate Störtkuhl vom Kulturwissenschaftlichen<br />
Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg<br />
<strong>in</strong>s Deutsche übersetzt wurde. Jerzy<br />
Ilkosz ist Direktor des Architekturmuseums <strong>in</strong><br />
Breslau, das <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n großen Bestand zur Breslauer<br />
Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts besitzt<br />
und systematisch aufarbeitet.<br />
Wegen ihrer Ästhetik und ihrer Aufsehen erregenden<br />
Konstruktion wurde die Breslauer Jahrhunderthalle<br />
bereits kurz nach ihrer Entstehung<br />
zum städtischen Wahrzeichen Breslaus und zur<br />
Ikone der Moderne. Der 2005 von Jerzy Ilkos<br />
erschienene Band ist die erste Monographie, die<br />
den Bau im Gesamtkontext von Max Bergs<br />
Schaffen und vor dem H<strong>in</strong>tergrund der zeitgenössischen<br />
Architektur untersucht.<br />
Architektur, die den Bauch beglückt und den<br />
Kopf auf Trab br<strong>in</strong>gt. Man muss ke<strong>in</strong> Experte se<strong>in</strong><br />
und wird sofort e<strong>in</strong>sehen, dass die 1911 bis 1913<br />
errichtete Jahrhunderthalle im schlesischen Breslau<br />
e<strong>in</strong> ganz und gar außergewöhnliches Werk<br />
der Baukunst ist. Entworfen hat den kühnen Kuppelbau<br />
der damalige Breslauer Stadtbaurat Max<br />
Berg (*17. April 1870 <strong>in</strong> Stett<strong>in</strong>; † 22. Januar 1947<br />
<strong>in</strong> Baden-Baden). Den Kuppelbau führte die Firma<br />
Dyckerhoff & Widmann aus. Gebaut wurde<br />
die Messe-, Ausstellungs- und Veranstaltungshalle<br />
der schlesischen Prov<strong>in</strong>zialhauptstadt<br />
zum 100. Jahrestag (1913) der Befreiungskriege<br />
gegen Napoleon. Zur festlichen E<strong>in</strong>weihung<br />
am 20. Mai 1913 erschien der Kronpr<strong>in</strong>z des<br />
Deutschen Reiches. Anders als etwa beim Leipziger<br />
Völkerschlachtdenkmal allerd<strong>in</strong>gs sieht man<br />
der Jahrhunderthalle den nationalen Furor ihrer<br />
Zeit nicht an. Mit ca. 95 m Durchmesser des<br />
Innenraums war die Halle zum Zeitpunkt der Fertigstellung<br />
weltweit die größte dieser Art.<br />
Schon bald zählte das ausladende Ruhmeshaus<br />
zu den Ikonen der Moderne. Heute gehört<br />
der Stahlbetonbau mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kuppelspannweite<br />
von 65 Metern und <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Höhe von<br />
41 Metern u. a. zu den größten Herausforderungen<br />
der Denkmalpflege. Weniger wegen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Maße, als wegen der angegriffenen Betonoberflächen.<br />
Nun steht der Bau auch im Mittelpunkt<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ebenso s<strong>in</strong>nlichen wie <strong>in</strong>formativen<br />
Ausstellung des Breslauer Architekturmuseums,<br />
die <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> am Sch<strong>in</strong>kel-Zentrum der<br />
TU gezeigt wird. Max Berg studierte hier, an der