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Ursula Müller Asymmetrische Geschlechterkultur in Organisationen ...

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134 <strong>Müller</strong>: <strong>Asymmetrische</strong> <strong>Geschlechterkultur</strong> <strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong> (ZfP 2/98)<br />

Daran wird auch klar, wie sehr wir daran gewöhnt s<strong>in</strong>d, viele Themen als „Frauenthemen“<br />

oder „Frauenprobleme“ zu sehen. Die Berechtigung dieser Zuordnung muß <strong>in</strong><br />

Zweifel gezogen werden. Ich schlage daher e<strong>in</strong>e neue Bestimmung des Begriffs „Frauenproblem“<br />

vor, die lautet wie folgt:<br />

„Frauenprobleme“, so me<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition, verweisen auf Konflikte zwischen den Geschlechtern,<br />

die bisher <strong>in</strong> unserer Gesellschaft – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Allianz aus Patriarchat und Kapital<br />

– zu Gunsten von Männern und zu Ungunsten von Frauen „gelöst“ worden s<strong>in</strong>d. Der<br />

asymmetrischen Aufteilung des Arbeitsmarktes entspricht e<strong>in</strong>e ebensolche Aufteilung des<br />

Denkens, e<strong>in</strong>e Aufteilung der Kategorien, <strong>in</strong> denen wir Phänomene wahrnehmen.<br />

Wir können also sehen: bereits die Problemdef<strong>in</strong>ition kann entscheidend se<strong>in</strong> dafür,<br />

ob „Frauen<strong>in</strong>teressen“ politikfähig gemacht und gehalten werden können, bzw. ob es<br />

gel<strong>in</strong>gen kann, Geschlechterdifferenz <strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong> zu politisieren und damit als<br />

Thema der Organisation zu etablieren.<br />

5. Von der Gegen- zur Interventionskultur: Frauenförderung als paradoxe<br />

Intervention<br />

Die fem<strong>in</strong>istische Kritik hat Themen, die zuvor nicht politikfähig waren, Schritt für<br />

Schritt politikfähig gemacht: Gewalt gegen Frauen, sexuelle Belästigung, Lohndiskrim<strong>in</strong>ierung<br />

aufgrund weiblicher Geschlechtszugehörigkeit, Sexismus <strong>in</strong> der Sprache,<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung bei E<strong>in</strong>stellung und Beförderung u.a.m. Die <strong>in</strong>novativen Potentiale<br />

dieser politischen Offensiven werden jedoch im Zuge ihrer adm<strong>in</strong>istrativen Behandlung<br />

”geschluckt” (Eckart 1993) bzw. verändert. Durch die Übersetzung der Forderung „ke<strong>in</strong>e<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund des Geschlechts!“ <strong>in</strong> Verwaltungsvorschriften wird berechtigte<br />

Kritik von <strong>Organisationen</strong> behandelt wie andere Verwaltungsvorschriften<br />

auch: h<strong>in</strong>haltend, als Belästigung und Beh<strong>in</strong>derung empfunden, zögernd (Kirsch-<br />

Auwärter 1996). Auf diese Weise wird „<strong>in</strong>stitutionalisiertes Vergessen“ (Douglas 1991)<br />

erzeugt. Zum e<strong>in</strong>en ist der Ursprung der letztlich e<strong>in</strong>geführten Maßnahme nicht mehr<br />

erkennbar; es handelt sich nicht mehr um die Initiative von Frau X und/oder e<strong>in</strong> Resultat<br />

<strong>in</strong>nerorganisatorischer Geschlechterause<strong>in</strong>andersetzung, sondern um e<strong>in</strong>e Maßnahme<br />

der Organisation. Zum anderen erkennen die ursprünglich <strong>in</strong>itiativ gewordenen Akteur<strong>in</strong>nen<br />

auch kaum noch e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen dem Gegenstand ihres Engagements<br />

und der umgesetzten Maßnahme. Dieser Prozeß erleichtert es auch, die Ebene<br />

personalisierter Kritik <strong>in</strong> den Vordergrund zu schieben. Diese ist nicht die entscheidende,<br />

kann aber zu e<strong>in</strong>er solchen gemacht werden, wie z.B.: „Im Grunde b<strong>in</strong> ich der Idee<br />

der Frauenförderung gegenüber ja aufgeschlossen, aber <strong>in</strong> der Art wie Sie sie hier vertreten,<br />

kann ich e<strong>in</strong>fach nicht zustimmen“. Symptome werden hier als Ursache behandelt;<br />

das Scheitern <strong>in</strong>dividueller Frauen mit ihren Ansprüchen auf Veränderung verdeckt<br />

den Blick auf die Institutionen, die es zu verändern gelten würde (Eckart 1993).<br />

„Frauenprobleme“, so habe ich argumentiert, s<strong>in</strong>d eigentlich Geschlechterfragen<br />

und daher gesellschaftliche Probleme. Daß sie als Frauenprobleme gehandhabt haben,<br />

sagt mehr über unsere Gesellschaft als über Frauen aus. Was „Frauenarbeit“ wäre unter<br />

der Bed<strong>in</strong>gung von Geschlechtergleichheit; welche Inhalte sie hätte, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

sie sich vollzöge; und schließlich: ob wir sie dann überhaupt noch „Frauen-

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