Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert Zum Risikocharakter variabler ...
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308 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
<strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong> *<br />
<strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen –<br />
Überlegungen aus arbeitsökonomischer Sicht **<br />
Im vorliegenden Beitrag werden vertragstheoretische Überlegungen zur Konzeption<br />
von anreizorientierten Entgeltverträgen dargestellt, mit Komponenten <strong>variabler</strong><br />
Beteiligungsentgelte – neben fixierten Basisentgelten. Das begriffliche Verständnis<br />
monetärer Beteiligungsentgelte schließt dabei sowohl Formen periodischer Erfolgsbeteiligungen<br />
wie auch langfristige Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern und<br />
Führungskräften ein. Der Beitrag konzentriert sich auf einen in der Literatur bisher<br />
vernachlässigten Aspekt, insbesondere auf Risikoüberlegungen im Bezug zu variablen<br />
Bonussystemen, Mitarbeiter-Aktien-Programmen und Aktienoptionsplänen für Führungskräfte.<br />
Auf der Basis der vertragstheoretischen Grundlagen werden mehrere<br />
anwendungsbezogene Folgerungen zur Gestaltung betrieblicher Beteiligungsentgelte<br />
abgeleitet.<br />
Incentive Compensation-Schemes and Risk-Sharing Considerations<br />
This article depicts contract-theoretical considerations for the conception of<br />
incentive-oriented employment contracts with both variable pay components and<br />
fixed base remuneration. In this context variable pay is understood as periodical performance-related<br />
pay as well as long-term share ownership of employees and<br />
executives. The article focuses on risk considerations regarding profit- and gainsharing<br />
schemes, employee share ownership and executive stock-option plans.<br />
The risk aspects of variable pay have been neglected in the literature so far. The contract-theoretical<br />
framework provides several practice-oriented suggestions for the<br />
conceptual design of financial participation systems.<br />
Key words: Financial participation, principal-agent-theory, risk-sharing, profitsharing,<br />
gainsharing, employee share ownership, stock options<br />
____________________________________________________________________<br />
* Prof. Dr. <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, Jg. 1944, Professor an der Universität Trier, FB IV – Volkswirtschaftslehre,<br />
Schwerpunkt: Arbeit/Personal/Organisation, 54286 Trier.<br />
Dipl.-Volksw. <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>, Jg. 1971, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität<br />
Trier, FB IV – Volkswirtschaftslehre, Schwerpunkt: Arbeit/Personal/Organisation, 54286<br />
Trier.<br />
** Unser Dank für wertvolle Hinweise gilt den Gutachtern der ZfP.<br />
Artikel eingegangen: 19.2.2001<br />
revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 26.4.2002.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 309<br />
1. Einführung<br />
Betriebliche Entgeltformen mit fixierten Basisentgelten sowie Komponenten <strong>variabler</strong><br />
Erfolgs- oder Kapitalbeteiligungen werden vor allem von produktivitätsstarken<br />
Unternehmen als monetäre Anreizentgelte für Mitarbeiter bzw. Führungskräfte<br />
eingesetzt. Wenn z.B. eine Erfolgsbeteiligung als Zusatzentgelt der Mitarbeiter angeboten<br />
wird, so besteht nach der principle-agent-Theorie ein trade off zwischen Anreizgestaltung<br />
einerseits und effizienter Risikoverteilung andererseits: Während aus<br />
Anreizgründen eine hohe Erfolgsbeteiligung rational erscheint, verlangt eine effiziente<br />
Risikoteilung eher eine geringere Beteiligung der Mitarbeiter. Der folgende Beitrag<br />
betrifft dieses Spannungsfeld der Gestaltung monetärer Anreize in Form <strong>variabler</strong> Beteiligungsentgelte,<br />
wobei die Risikoaspekte hier im Vordergrund stehen. In der Fachliteratur<br />
wurden die Risikoprobleme von Beteiligungsentgelten bisher weitgehend<br />
vernachlässigt, da sich nur wenige Beiträge zu diesem Thema finden lassen. 1<br />
Unsere Überlegungen basieren zunächst auf einem knappen Rekurs der vertragstheoretischen<br />
Grundlagen betrieblicher Beteiligungsentgelte (Abschnitt 2). Dabei<br />
verwenden wir den Begriff der variablen Beteiligungsentgelte als Oberbegriff<br />
verschiedener Programme von Erfolgs- und Kapitalbeteiligungssystemen, da letztere<br />
als investive Form der variablen Ergebnisbeteiligung von Unternehmen betrachtet<br />
werden können, zumeist in Abhängigkeit von aktienbasierten Plänen von Mitarbeiter-<br />
Aktien für betriebliche Kernbelegschaften oder Aktienoptionen für Führungskräfte<br />
mit strategischem Einflusspotential mit Bezug zur Wertentwicklung eines Unternehmens.<br />
Wegen der bisher spärlichen Literaturbeiträge zu Risikoproblemen <strong>variabler</strong><br />
Beteiligungsentgelte haben unsere Überlegungen zwangsläufig einen ad hoc formulierten<br />
Charakter; sie sind daraufhin ausgerichtet, die vertragstheoretischen Grundlagen<br />
zu anwendungsbezogenen Transfers der betrieblichen Entgeltpolitik zu verwenden,<br />
um daraus relevante Folgerungen für die Praxis der Gestaltung von variablen<br />
Beteiligungsentgelten abzuleiten. Die Überlegungen bzw. Folgerungen werden sich<br />
auf verschiedene Formen von teilvariablen Beteiligungsentgelten beziehen, zunächst<br />
auf periodische Bonussysteme oder Erfolgsbeteiligungen der Mitarbeiter (Abschnitt<br />
3), sodann auf zwei Formen von Kapitalbeteiligungen, hierzu Mitarbeiter-<br />
Aktienprogramme (MAP) und Aktienoptionspläne (AOP) für Führungskräfte (Abschnitt<br />
4).<br />
2. Grundlegende vertragstheoretische Konzepte<br />
Die vertragstheoretischen Grundlagen betreffen zwei Basiskonzepte,<br />
theoretische Überlegungen „relationaler Arbeitsbeziehungen“ mit unvollständigen<br />
Arbeitsverträgen,<br />
1 „Although the classic definitions emphasize the importance of both effort and risk considerations,<br />
much of the agency-based compensation research has tended to overlook risk considerations.“<br />
(Bloom/Milkovich 1998, 283).
310 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
principle-agent-Theorien mit asymmetrischen Informationen im Verhältnis der<br />
individuellen Arbeitsbeziehungen zwischen Mitarbeitern der Kernbelegschaften<br />
und Arbeitgebern sowie der Beziehungen zwischen Management (agents) und<br />
Eigentümern eines Unternehmens mit der Trennung von Eigentum und Kontrolle.<br />
Asymmetrische Informationen, transaktionsspezifische Investitionen mit Potentialen<br />
opportunistischer Verhaltensweisen der agents (der Vertragsparteien) sowie asymmetrische<br />
Risikopräferenzen der jeweiligen Vertragsparteien bilden insoweit die<br />
grundlegenden Prinzipien. Das vertragstheoretische Grundproblem aus der Sicht der<br />
principles besteht darin, verstecktes Handeln der agents bzw. opportunistisches Verhalten<br />
möglichst durch effiziente Anreizverträge einzuschränken.<br />
Individuelle Arbeitsbeziehungen von Mitarbeitern der Kernbelegschaften und<br />
ihrer Arbeitgeber beruhen i. d. R. auf unbefristeten Arbeitsverträgen mit zwei expliziten<br />
Hauptpflichten der Vertragsparteien,<br />
der persönlichen Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Erfüllung von Arbeitsaufgaben,<br />
die zunächst bei Vertragsabschluss noch offen bleiben;<br />
der Zahlung des vereinbarten oder des marktüblichen Entgelts.<br />
Die Vereinbarungen der individuellen Arbeitsverträge erfolgen „ex ante“, vor<br />
der konkreten Umsetzung der wechselseitigen Verpflichtungen der Akteure. Bereits<br />
Simon (1951, 293 f.) beschrieb Arbeitsverträge als offene, asymmetrische Autoritätsbeziehungen:<br />
Die ex post-Umsetzung und Bestimmung der konkreten Arbeitsaufgaben,<br />
die konkrete Disposition der Tätigkeiten, bleibt der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers<br />
bzw. des betrieblichen Managements vorbehalten. Damit sind im Regelfall<br />
bei unbefristeten Arbeitsbeziehungen der Mitarbeiter von Kernbelegschaften in den<br />
Unternehmen zunächst drei relevante Merkmale von relationalen Vertragsbeziehungen<br />
gegeben:<br />
Vertragsabschluß und Ausführung von Arbeitsverträgen liegen zeitlich auseinander.<br />
Lediglich die gegenseitigen Hauptpflichten der Vertragsparteien in den Arbeitsbeziehungen<br />
sind explizit bestimmt.<br />
Diese expliziten Vertragselemente regeln die jeweiligen individuellen Arbeitsbeziehungen<br />
nicht vollständig; offen bleiben konkrete Arbeitsaufgaben, künftige<br />
Aufstiegsmöglichkeiten und Entgeltentwicklungen der Arbeitnehmer sowie betriebliche<br />
Trainings- und Weiterbildungsaktivitäten etc.<br />
Weitere relevante Merkmale dieser Art von Arbeitsbeziehungen betreffen<br />
transaktionsspezifische Investitionen der Vertragsparteien, so dass nachvertragliche<br />
Probleme opportunistischen Verhaltens bestehen. 2<br />
2 Opportunistisches Verhalten bedeutet eine bewusste Schädigung der Gegenseite durch versteckte<br />
Handlungen oder Drohungen vertraglicher Kündigungen. Im Prinzip resultieren beiderseitige<br />
Abhängigkeiten bzw. vertragliche Bindungen zur Fortsetzung der Arbeitsbeziehungen.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 311<br />
Abb. 1: Merkmale relationaler Vertragsbeziehungen zwischen Mitarbeitern der Kernbelegschaften<br />
und den Arbeitgebern<br />
Vertragsabschluss<br />
ex ante<br />
unbefristete Verträge<br />
Explizite Regelungen der Hauptpflichten der<br />
Vertragsparteien<br />
Arbeitnehmer: Erfüllung von Arbeitsaufgaben<br />
nach Anweisungen des Arbeitgebers<br />
bzw. des Managements<br />
Arbeitgeber: Zahlung des vereinbarten oder<br />
marktüblichen Entgelts<br />
Regelfall: unvollständige Verträge<br />
offene Arbeitsbeziehungen<br />
ex post<br />
Handlungsspielräume der Akteure<br />
Transaktionsspezifische Aufwendungen<br />
Folge: Probleme nachvertraglichen opportunistischen<br />
Verhaltens, beiderseitige Abhängigkeiten:<br />
Teilung von Vorteilen aus der Fortsetzung<br />
der Arbeitsbeziehungen und Bereitschaften<br />
zur Risikoteilung<br />
Informelle Normen des wechselseitigen Vertrauens<br />
und der Kooperation<br />
Bündel von abgestimmten Maßnahmen der Personalpolitik<br />
der Unternehmen, Schaffung von<br />
Organisations- oder Unternehmenskultur<br />
Bei transaktionsspezifischen Aufwendungen in den Arbeitsbeziehungen sind<br />
explizite Arbeitsverträge mit umfassenden Regelungen nicht möglich, so dass ex<br />
post-Handlungen der Akteure nicht vollständig formalisiert und geregelt werden können.<br />
Damit die vertraglichen Beziehungen längerfristig eingehalten werden, sind einerseits<br />
wechselseitige Vorteile – sprich: materielle und immaterielle Anreize – erforderlich,<br />
andererseits im Regelfall von Risikoaversion der Vertragsparteien auch<br />
Teilungen der Risiken aus der Vertragserfüllung.<br />
Bei unbefristeten, unvollständig geregelten Arbeitsbeziehungen sind ferner informelle<br />
Normen der wechselseitigen Kooperation zwischen den Vertragsparteien<br />
förderlich, als informelle Mechanismen des Vertrauens zur Vermeidung von<br />
einseitigen Vorteilen bzw. Schädigungen im ex post-Handeln der vertraglichen<br />
Akteure.<br />
Zur Förderung von sich-selbst-durchsetzenden Mechanismen in offenen Arbeitsbeziehungen<br />
dienen vor allem personalpolitische Maßnahmenbündel zur Schaffung<br />
von Vertrauens- bzw. Organisationskapital. Dieses spezifische Vertrauenskapital<br />
kann auch als Organisations- oder Unternehmenskultur bezeichnet werden (vgl.<br />
Kreps 1990, 93 ff., Richter/Furubotn 1999, 179 f.), ein System von richtungsgebundenen,<br />
gleichsinnigen Regeln für angemessenes Verhalten und gleichgerichtete Maßnahmen<br />
in Unternehmen (vgl. Abb. 1).<br />
Die herkömmliche arbeitsvertragliche Gestaltung von Entgeltleistungen des Arbeitgebers<br />
betraf im Wesentlichen fixierte Entgeltbeträge. Ein vertragliches Entgeltri
312 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
siko der Mitarbeiter sollte ausgeschlossen werden, das wirtschaftliche Risiko von<br />
Produktions- und Ertragsschwankungen sollte ausschließlich von den Arbeitgebern<br />
(Eigentümern der Unternehmen) übernommen werden. Ein wichtiger Grund für diese<br />
Zuordnung von Risiken kann u.a. daraus abgeleitet werden, dass die Bereitschaft der<br />
Vertragsparteien zur Übernahme wirtschaftlicher Ertragsrisiken prinzipiell als asymmetrisch<br />
gilt. Die Annahme asymmetrischer Risikopräferenzen lässt sich insbesondere<br />
dadurch begründen, dass das Humanvermögen der Arbeitnehmer regelmäßig relativ<br />
weniger fungibel und mobil sein wird als das Kapitalvermögen der Unternehmenseigner,<br />
das – vor allem bei Kapitalgesellschaften – an den Finanzmärkten<br />
schneller mobilisiert und stärker diversifiziert werden kann (Nalbantian 1987, 9 ff.;<br />
Milgrom/Roberts 1992, 213 f.).<br />
Neuere vertragstheoretische Ansätze, die auch auf die Arbeitsbeziehungen anwendbar<br />
sind, liefert die principle-agent-Theorie 3 (vgl. Arrow 1985, 37 ff.). Sie hebt<br />
– neben den bereits erwähnten Aspekten der Risikoproblematik – insbesondere die<br />
Informationsstrukturen im Vorfeld bzw. ex post in den nachvertraglichen Handlungen<br />
der Akteure hervor, hier vor allem das Problem versteckter Handlungen („hidden<br />
action“) 4 eines Arbeitnehmers. Der Fall von hidden action in den Arbeitsbeziehungen<br />
liegt vor, wenn die Input-Leistungen (die Leistungsintensität) eines Mitarbeiters vom<br />
Arbeitgeber bzw. vom Management nicht exakt zu beobachten sind, bzw. der Output<br />
oder das gemeinsame Unternehmensergebnis nicht individuellen Mitarbeitern zugerechnet<br />
werden kann. Die Informations- oder Kontrollprobleme bei nachvertraglichen<br />
versteckten Handlungen eines agents gelten vor allem in Fällen relationaler Arbeitsbeziehungen<br />
von Mitarbeitern der Kernbelegschaft, bei vorherrschenden komplexen<br />
Arbeitsaufgaben und qualifizierter Teamarbeit. In den vielfachen Fällen von hidden<br />
action in den ex post-Arbeitsbeziehungen bestehen Möglichkeiten eines „moral hazard“-Verhaltens<br />
der Mitarbeiter (vgl. Milgrom/Roberts 1992, 136 ff.). Die theoretischen<br />
Ansätze verweisen hierzu auf prinzipielle Notwendigkeiten von monetären<br />
(und immateriellen) Anreizeffekten (anreizkompatiblen Entgeltverträgen), um bei leistungsoffenem,<br />
verstecktem Handeln der Mitarbeiter moral hazard zu verhindern oder<br />
zu verringern. In dem vertragstheoretischen Bezugsrahmen zur agency-Problematik<br />
in den Arbeitsbeziehungen werden drei allgemeine Annahmen kombiniert:<br />
3 Die principle-agent-Theorie unterstellt Vertragsbeziehungen mit bilateralen Abhängigkeiten<br />
und Informationsproblemen bei der Delegation unvollständig spezifizierter Aufgaben und<br />
Entscheidungsbefugnisse. Jensen/Meckling (1976, 308) definieren eine principle agent-<br />
Beziehung: „[...] as a contract under which one more persons (the principals(s)) engage another<br />
person (the agent) to perform some services on their behalf which involves delegations<br />
of some decision making authority to the agent.“<br />
4 Analog ist der Fall von hidden informaton zu betrachten, wenn ein agent im Auftrag seines<br />
Vertragspartners Entscheidungen zu treffen hat und über einen Informationsvorsprung verfügt<br />
(vgl. Arrow 1985, 39 f.). Die Informationsprobleme in der ex post-Umsetzung der Vertragsbeziehungen<br />
ermöglichen ein selektives Informationsverhalten der agents (Tuschke 1999, 27).
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 313<br />
Asymmetrische Informationsstrukturen bewirken die skizzierten Kontrollprobleme<br />
des Arbeitgebers bzw. des Managements.<br />
Die Arbeitnehmer haben im Allgemeinen eine relativ geringere Risikobereitschaft<br />
als die principles (asymmetrische Risikostrukturen).<br />
Die Unternehmensergebnisse gelten als unsicher mit Bezug zu den Leistungen<br />
der Arbeitnehmer.<br />
Unsicherheiten werden in den formalisierten Basismodellen aus der Sicht der<br />
principles (Arbeitgeber) als ein stochastisches Problem betrachtet; der Unternehmenserfolg<br />
hängt einerseits von exogenen Markt- und Konjunkturrisiken, andererseits<br />
von den Leistungsintensitäten der Mitarbeiter, den endogenen Leistungsrisiken, ab.<br />
Allein die endogenen Leistungsrisiken in den nachvertraglichen Arbeitsbeziehungen<br />
können durch monetäre Anreize der Entgeltvereinbarungen beeinflusst werden. Hierzu<br />
werden als optimale Lösungen der Anreiz- bzw. Risikoprobleme teil-variable Entgeltverträge<br />
mit zwei Komponenten vorgeschlagen, mit fixierten Basisentgelten und<br />
variablen erfolgs- oder leistungsabhängigen Beteiligungsentgelten.<br />
Die Komponente fixierter Basisentgelte soll dabei den Sicherheitsansprüchen relativ<br />
risikoaverser Arbeitnehmer entsprechen und sich an den alternativen, marktüblichen<br />
Mindestentgelten in anderen Unternehmen orientieren. Die Anteile der variablen<br />
Entgelte (die „Beteiligungsintensität“ der Entgeltverträge) sollten nach dem agency-theoretischen<br />
Bezugsrahmen die folgenden allgemeinen Kriterien berücksichtigen:<br />
1. Je höher die Ergebnisverantwortlichkeit oder die hierarchische Position der Mitarbeiter,<br />
desto höher und bedeutsamer sollte die variable Beteiligungskomponente<br />
in den individuellen Entgeltverträgen sein.<br />
2. Variable Beteiligungsentgelte bedeuten zeitliche Schwankungen von Entgeltteilen,<br />
also Risiken zeit<strong>variabler</strong> Entgelte. Wenn die Unternehmensergebnisse größere<br />
Schwankungen oder Unsicherheiten aufweisen, sollte die variable Komponente<br />
der Gesamtentgelte geringer sein. Neben dem Ausmaß der Schwankungsrisiken<br />
des Unternehmenserfolgs sollte die subjektive Risikobereitschaft der Mitarbeiter<br />
berücksichtigt werden: Je geringer die relative Risikobereitschaft der Mitarbeiter<br />
einzuschätzen ist, um so niedriger sollte im Prinzip der Anteil <strong>variabler</strong> Entgelte<br />
sein.<br />
3. Schließlich: Soweit höhere Leistungsintensitäten der Mitarbeiter höhere(n) psychische<br />
und physische Anstrengungen („Disnutzen“) erfordern, sollten relativ geringere<br />
Anreizentgelte eingesetzt werden (Richter/Furubotn 1999, 212; Hope<br />
1999, 212 ff., Murphy 1999, 2520f.).<br />
Der Fokus der folgenden Abschnitte betrifft vorrangig die Risikoaspekte von variablen<br />
Entgeltformen, also den zweiten Aspekt der vorgenannten Kriterien. Mit Bezug<br />
zu dem ersten Aspekt, den Entscheidungsspielräumen oder der hierarchischen<br />
Position von Arbeitnehmern, bilden die oberen Führungskräfte eine besondere Zielgruppe.<br />
Im ersten Schritt der nachfolgenden Überlegungen werden zunächst Risikofaktoren<br />
von Formen periodischer Beteiligungsentgelte untersucht – <strong>variabler</strong> Bonussysteme<br />
oder erfolgsabhängiger Sonderentgelte –, die in der Realität vor allem den
314 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
Mitarbeitern von produktivitäts- oder ertragsstarken Unternehmen als anreizorientierte<br />
Zusatzentgelte angeboten werden.<br />
Variable Bonus- oder periodische Sonderentgelte werden i. d. R. in Abhängigkeit<br />
finanzwirtschaftlicher Erfolgsgrößen im Zeitverlauf differieren. Die periodischen<br />
Schwankungen der Zusatzentgelte bilden hier den Schwerpunkt der Risikoüberlegungen.<br />
Später werden investive Beteiligungsformen, aktienbasierte Kapitalbeteiligungen<br />
von Mitarbeitern der Kernbelegschaften sowie Führungskräften, behandelt. Eine spezifische<br />
Risikoproblematik von Aktienbeteiligungen der Mitarbeiter betrifft vor allem<br />
die Kumulation von Kapital- und Beschäftigungsrisiken, die in den vermögenspolitischen<br />
Diskussionen kritisiert wurde. Aktienbasierte Beteiligungsentgelte für obere<br />
Führungskräfte haben in den börsennotierten Kapitalgesellschaften in Deutschland<br />
seit den späten 90er Jahren eine größere Verbreitung erfahren, im Besonderen variable<br />
Beteiligungsentgelte in Form von Aktienoptionen und Aktienbeteiligungen. Aktienoptionen<br />
haben bei den Führungskräften spezifische Funktionen als Mechanismen<br />
zur Abstimmung der strategischen Ausrichtung der Unternehmenspolitik mit den Interessen<br />
der Kapitaleigentümer.<br />
3. Betriebliche Erfolgsbeteiligungen und effiziente Risikoteilungen<br />
Teil-variable Entgeltverträge nach dem zuvor erläuterten vertragstheoretischen<br />
Bezugsrahmen enthalten im Prinzip zwei Komponenten,<br />
fixierte Basis- oder Mindestentgelte als schwankungsfreie, ergebnisunabhängige<br />
Komponente sowie<br />
periodisch schwankende Bonus- oder Sonderentgelte in Abhängigkeit von Erfolgsgrößen<br />
des Unternehmens oder von Unternehmensbereichen. 5<br />
Variable Beteiligungsentgelte bedeuten aus der Sicht der Mitarbeiter im Zeitverlauf<br />
schwankende Entgeltbestandteile, die sich mit der zeitlichen Varianz der unternehmensbezogenen<br />
Bezugsgrößen verändern. Die relevanten Risiken der periodischen<br />
Entgeltschwankungen betreffen nach den vertragstheoretischen Grundlagen einerseits<br />
objektive Risiken von periodischen Schwankungen in den Bezugsgrößen sowie<br />
andererseits die personenbezogenen subjektiven Risikoeinstellungen der Mitarbeiter.<br />
3.1 Risiken periodisch <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte<br />
Die objektiven Risiken hinsichtlich der Entwicklung der Bezugsgrößen von betrieblichen<br />
Erfolgsbeteiligungen lassen sich nach exogenen sowie unternehmensspezifischen<br />
Risiken differenzieren. Die Liste der möglichen exogenen marktbedingten<br />
5 Periodische Erfolgsgrößen können aggregierte finanzwirtschaftliche Indikatoren der Umsatz-<br />
oder der Gewinn- bzw. Renditeentwicklung eines Unternehmens sein. Alternativ können auch<br />
disaggregierte Input-Größen bereichsbezogener Leistungsindikatoren, beispielsweise der<br />
Produktivitätsentwicklung oder der Input-Beiträge von Unternehmensbereichen, als Bezugsgrößen<br />
verwendet werden.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 315<br />
Risikofaktoren erscheint vielfältig 6 , die vereinfachende Annahme eines zyklischen,<br />
stochastischen Risikos bleibt unrealistisch. Denn die exogenen Marktrisiken werden<br />
sich nach Unternehmensgrößen, nach Wirtschaftsbranchen und Regionen unterscheiden.<br />
Neue Unternehmen der Technologiebranchen werden größere Schwankungsbreiten<br />
aufweisen als stärker diversifizierte Großunternehmen. Eine erhöhte Varianz des<br />
periodischen Unternehmenserfolgs führt sodann bei formelmäßigen, linearen Zusammenhängen<br />
zu entsprechenden Schwankungen der Bonus- oder Sonderentgelte.<br />
Diese exogenen Risiken können Enttäuschungen bei den Mitarbeitern bewirken,<br />
wenn variable Bonus- oder Sonderentgelte – entgegen den subjektiven Leistungen –<br />
ausbleiben.<br />
Abb. 2: Risiken <strong>variabler</strong>, periodischer Beteiligungsentgelte<br />
Risikoaspekte periodischer Entgeltschwankungen der Mitarbeiter<br />
Exogene<br />
Schwankungen<br />
von Bezugsgrößen<br />
objektive<br />
Risikofaktoren<br />
Endogene unternehmensspezif.<br />
Faktoren der Bezugsgrößen<br />
subjektive<br />
Risikoneigungen<br />
Unterschiede<br />
nach Mitarbeitergruppen<br />
Unternehmensspezifische Faktoren der Erfolgsentwicklung haben demgegenüber<br />
endogene Ursachen, sie sind definitionsgemäß stärker von den Input-<br />
Aufwendungen der Mitarbeiter abhängig und beziehen sich somit auf die jeweiligen<br />
Abhängigkeiten des aggregierten Unternehmenserfolgs von den kollektiven Leistungen<br />
im Unternehmen oder von strategischen Entscheidungen der jeweiligen Unternehmenspolitik.<br />
Unternehmensspezifische Erfolgsrisiken betreffen demnach im Prinzip<br />
abweichende Entwicklungen der Erfolgsgrößen der Unternehmen mit Beteiligungsentgelten<br />
in Relation zu Vergleichsunternehmen der branchen- oder regionsbezogenen<br />
Umgebung; diese werden als endogene, beeinflussbare Erfolgsrisiken bezeichnet<br />
(vgl. Abb. 2). Die Beeinflussbarkeit der Entwicklung des aggregierten Unternehmenserfolgs<br />
dürfte sich mit abnehmender Erfolgsverantwortlichkeit der Mitar-<br />
6<br />
Beispielhaft sei auf zyklische Absatzschwankungen, branchenweite Strukturveränderungen<br />
u.a. verwiesen.
316 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
beiter verringern. Folglich werden die endogenen Leistungs-Erfolgs-Risiken umso<br />
größer sein, je aggregierter die Bezugsgrößen der Beteiligungsentgelte der Mitarbeiter<br />
ausgestaltet sind. Gemäß der agency-Theorie sollte daher das Anreizpotential monetärer<br />
Erfolgsbeteiligungen positiv mit der Erfolgsverantwortlichkeit bzw. hierarchischen<br />
Position der Mitarbeiter verknüpft werden.<br />
Zu den subjektiven Risikoeinstellungen der Mitarbeiter: Die vertragstheoretischen<br />
Basisannahmen von asymmetrischen Risikoneigungen in den Arbeitsbeziehungen<br />
unterstellen eine relative Aversion der Arbeitnehmer gegenüber Entgeltschwankungen<br />
(im Vergleich zu fixierten Gesamtentgelten). Variable Beteiligungsentgelte<br />
bedeuten – gegenüber herkömmlichen Arbeitsverträgen – ein „risk sharing“ in den<br />
betrieblichen Arbeitsbeziehungen. Bei Annahme relativer Risikoscheu der Mitarbeiter<br />
gegenüber Entgeltschwankungen erfordert eine freiwillige Akzeptanz <strong>variabler</strong><br />
Beteiligungsentgelte folglich subjektive Erwartungen von „Risikoprämien“, also Erwartungen<br />
von positiven Zusatzentgelten über längerfristige Zeiträume. <strong>Zum</strong> Ausgleich<br />
des subjektiven Risikos von variablen Entgeltteilen werden die jeweiligen Mitarbeiter<br />
wahrscheinliche Gesamtentgelte erwarten, die – über mehrere Zeitperioden<br />
betrachtet – eine Vergleichsgröße fixierter Entgeltsummen übertreffen (vgl. Nalbantian<br />
1987, 9 f.; Milgrom/Roberts 1992, 210).<br />
Der vertragstheoretische Bezugsrahmen impliziert ferner, dass die subjektive<br />
Komponente der personenbezogenen Risikoeinstellungen der Mitarbeiter in den Beteiligungsintensitäten,<br />
also: in dem Ausmaß der Anteile <strong>variabler</strong> Entgeltkomponenten<br />
in den Entgeltverträgen der Mitarbeiter, Berücksichtigung finden. Sofern die subjektiven<br />
Risikoeinstellungen der Mitarbeiter differieren (vgl. Abb.2), sollten somit<br />
die Anteilsparameter der Erfolgsbeteiligung je nach den subjektiven Einstellungen<br />
unterschiedlich gestaltet werden.<br />
3.2 Risikoprämien <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte und exogene Risikofaktoren<br />
Aufgrund des Erfordernisses von Risikoprämien als Kompensation für Entgeltschwankungen<br />
sollten Unternehmen mit variablen periodischen Erfolgsbeteiligungen<br />
– im Folgenden als Beteiligungsunternehmen bezeichnet – demnach im Regelfall relativ<br />
höhere Entgeltbeträge an die Mitarbeiter zahlen, im Vergleich zu Unternehmen<br />
ohne Beteiligungsentgelte.<br />
Die vorliegenden empirischen Untersuchungen verweisen auf einen entsprechenden<br />
Realitätsbezug der These, dass Mitarbeiter mit variablen Erfolgsbeteiligungen<br />
überwiegend Risikoprämien in Form positiver Zusatzentgelte erhalten. Denn Beteiligungsunternehmen<br />
bilden i. d. R. eine typische Auswahl von produktivitätsstarken<br />
Unternehmen mit überproportionalen Entgelten der Mitarbeiter. Untersuchungen<br />
auf der Basis des IAB-Betriebspanels haben für Deutschland empirische Merkmale
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 317<br />
von Beteiligungsunternehmen 7 im Querschnittsvergleich zu Nicht-Beteiligungsunternehmen<br />
ermittelt. Nach dieser Untersuchung sind Betriebe mit Mitarbeiterbeteiligungen<br />
(im Bezugsjahr 1998) häufiger Großunternehmen mit relativ qualifizierten<br />
Personalstrukturen und relativ höheren Arbeitsproduktivitäten sowie vergleichsweise<br />
stärkeren Innovationsaktivitäten (vgl. Möller 2000, 570 f.) (vgl. Abb. 3).<br />
Abb. 3: Typische empirische Merkmale von Betrieben mit einer Mitarbeiterbeteiligung<br />
=<br />
Betriebsgröße<br />
betriebliche Produktivität<br />
Wertschöpfung<br />
( WS)<br />
beschäft.<br />
Mitarbeiter(<br />
MA)<br />
Legende: betriebliche WS = Umsätze – Vorleistungen;<br />
(+) kennzeichnet positive empirische Zusammenhänge der Größen<br />
(+)<br />
(+)<br />
(+)<br />
betriebliche<br />
Innovations-<br />
intensität<br />
qualifizierte<br />
Personal-<br />
struktur<br />
Einführungsentscheidung bezüglich<br />
einer finanziellen Mitarbeiterbeteiligung<br />
Ähnliche Merkmale von Beteiligungsunternehmen wurden auch in Untersuchungen<br />
für europäische Nachbarländer mit größeren Häufigkeiten von monetären<br />
Beteiligungsentgelten ermittelt. 8 Somit lassen sich die empirischen Ergebnisse verallgemeinern:<br />
Beteiligungsunternehmen stellen in empirischer Sicht eher eine Auswahl<br />
von Unternehmen mit positiven Produktivitäts- und Erfolgsgrößen dar, die häufig überproportionale<br />
Entgelte – im Vergleich zu den Nicht-Beteiligungsunternehmen –<br />
zahlen. Diese empirischen Beobachtungen lassen sich als Belege dafür deuten, dass<br />
Unternehmen mit variablen Entgeltverträgen der Mitarbeiter eher eine Art von zusätzlichen<br />
Risikoprämien in Form von betrieblichen Bonus- oder Sonderentgelten<br />
zahlen. Folglich werden Mitarbeiter mit variablen Beteiligungsentgelten häufig empirisch<br />
begründete Erwartungen in Richtung positiver Chancen von betrieblichen Zu-<br />
7 In der Untersuchung von Möller wird nicht zwischen den Systemformen der Erfolgs- und Kapitalbeteiligung<br />
unterschieden. Die empirischen Aussagen gelten daher nicht exklusiv für Unternehmen<br />
mit periodischen Erfolgsbeteiligungen.<br />
8 vgl. z.B. Festing et al. 1999; Poutsma/Huijgen 1999.<br />
(+)<br />
(+)
318 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
satzentgelten entwickeln, so dass die Risiken zeitlicher Entgeltschwankungen eher<br />
akzeptiert werden können.<br />
Sofern hingegen höhere exogene Erfolgsrisiken von Beteiligungsunternehmen<br />
durch branchen- oder marktbezogene Risikofaktoren vorliegen – etwa im Fall von<br />
branchenbezogenen Strukturkrisen – sollten nach den oben erläuterten vertragstheoretischen<br />
Normen die Anteile der variablen Entgeltkomponenten der jeweiligen Mitarbeiter<br />
stärker begrenzt werden. Auch eine höhere Volatilität der Erfolgsentwicklungen<br />
– beispielsweise bei jungen KMU – sollte demnach eine geringere Beteiligungsintensität<br />
dieser Unternehmensgruppe erfordern (vgl. Bloom/Milkovich 1998; 285 f.).<br />
Folgerungen:<br />
1. Monetäre Beteiligungsentgelte können aus der Sicht der Mitarbeiter vorteilhaft<br />
und daher akzeptabel sein, wenn typische Erfolgsmerkmale von Beteiligungsunternehmen<br />
Erwartungen positiver Zusatzentgelte als Ausgleich von Entgeltschwankungen<br />
stützen.<br />
2. Andererseits: Relativ hohe exogene Marktrisiken und Volatilitäten der Erfolgsgrößen<br />
aufgrund von exogenen Risikofaktoren erfordern geringere Beteiligungsintensitäten<br />
von Mitarbeitern (relativ geringere Anteile von variablen Entgeltteilen<br />
versus fixierten Basisentgelten).<br />
3.3 Output- versus inputorientierte Bezugsgrößen<br />
Monetäre Beteiligungssysteme sollen im Grundsatz eine möglichst effiziente<br />
Balance zwischen den Kriterien von Leistungsanreizen und risk sharing bewirken<br />
(vgl. Milgrom/Roberts 1992, 208 f.; Bloom/Milkovich 1998, 284 ff.). In dieser Hinsicht<br />
bildet die Auswahl von Bezugsgrößen der variablen Beteiligungsentgelte ein<br />
wichtiges Kriterium der konzeptionellen Gestaltung monetärer Mitarbeiterbeteiligungen.<br />
Hierbei kann zwischen output- (Erfolgs-) und inputorientierten Indikatoren unterschieden<br />
werden. Die erstgenannten Größen bestehen im Wesentlichen aus betriebs-<br />
oder finanzwirtschaftlichen Kennzahlen, welche den wirtschaftlichen Erfolg<br />
der periodischen Unternehmensaktivitäten abbilden. Inputorientierte Bezugsgrößen<br />
liefern hingegen unternehmensinterne Leistungsindikatoren, welche die Inputs, die<br />
Leistungen der Arbeitnehmer, direkter erfassen. 9 Entscheidendes begriffliches Abgrenzungskriterium<br />
zwischen den output- und inputorientierten Bezugsgrößen ist die<br />
unterschiedliche Sensitivität auf exogene Markteinflüsse, welche beim Typus outputoder<br />
erfolgsbezogener Bezugsgrößen stärker ist. Folglich haben inputorientierte Bonussysteme<br />
(gain sharing) aus der Sicht der Mitarbeiter i. d. R. Risikovorteile, da sie<br />
9 Inputorientierte Bezugsgrößen verwenden Beteiligungssysteme, die in der angelsächsischen<br />
Literatur als „gain sharing“ bezeichnet werden. Gain sharing-Systeme enthalten vorzugsweise<br />
endogen beeinflussbare Indikatoren wie betriebliche Produktivitätsmaße oder Kosteneinsparungen<br />
sowie analoge Maße auf der Basis von Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 319<br />
exogene markt- oder branchenbezogene Schwankungen des Unternehmenserfolgs als<br />
Bezugsgrößen von variablen Entgelten eher ausschließen. 10<br />
Im Vergleich zu reinen Bonussystemen folgen erfolgs- oder gewinnorientierte<br />
Beteiligungssysteme hingegen konsequenter dem Prinzip der finanziellen Risikoteilung:<br />
Nur wenn Unternehmen positive Ergebnisse oder Gewinne aus ordentlicher Geschäftstätigkeit<br />
erzielen, werden Zusatzentgelte als Erfolgsboni gezahlt. Reine Erfolgs-<br />
oder Gewinnbeteiligungen der Arbeitnehmer haben somit weitergehende Ziele.<br />
Statt um direkte Leistungseffekte geht es eher um Partnerschaft, Mitunternehmertum<br />
und indirekte Effekte der personalpolitischen Bindung von Mitarbeitern. Für eine Erfolgs-<br />
oder Gewinnorientierung von Beteiligungsentgelten sprechen ferner betriebsinterne<br />
Kommunikationsziele aus der Sicht des Managements: Den Mitarbeitern soll<br />
die wirtschaftliche Situation des Unternehmens vermittelt und deutlich gemacht werden.<br />
11<br />
Wenn einerseits Vorteile einer effizienten Risikoteilung eher für inputorientierte<br />
variable Bonussysteme sprechen, andererseits jedoch die finanzielle Performance des<br />
Unternehmens als die maßgebliche Grundlage von variablen Erfolgsbeteiligungen der<br />
Mitarbeiter gilt, mögen kombinierte Bezugsgrößen mit Input- und Outputindikatoren<br />
eine sinnvolle Mischung bilden. Inputbezogene Beteiligungsentgelte zielen stärker<br />
auf direkte Handlungs- oder Leistungseffekte der Mitarbeiter, am finanziellen Erfolg<br />
des Unternehmens ausgerichtete variable Beteiligungen hingegen stärker auf Unternehmer-Denken<br />
und indirekte personalpolitische Verhaltenseffekte bei den Mitarbeitern.<br />
Kombinierte Bezugsgrößen dürfen allerdings nicht zu widersprüchlichen Effekten<br />
in der Umsetzung führen, wenn etwa exogen verursachte negative Erfolgsdaten<br />
positive endogene Leistungsgrößen der Mitarbeiter hinfällig machen können. Frustrationseffekte<br />
wären eine wahrscheinliche Folge. Um inkonsistente Effekte kombinierter<br />
Bezugsgrößen zu vermeiden, können die jeweiligen Bonussysteme gesplittet werden:<br />
Positive Ergebnis- oder Erfolgsdaten des Unternehmens führen dann zu einem<br />
Teilbonus <strong>variabler</strong> Sonderentgelte, während positive Input-Daten gleichfalls einen<br />
inputbezogenen variablen Teilbonus der Mitarbeiter ermöglichen. Der geteilte, additive<br />
Charakter kombinierter Teilsysteme von Bonusentgelten vermeidet die möglichen<br />
Entgeltrisiken gegensätzlicher Entwicklungen der Bezugsgrößen.<br />
10 Entsprechend ordnen Milkovich/Newman (1999) Entgeltverträge nach Risikoerwägungen aus<br />
der Sicht der Mitarbeiter: Gain sharing-Systeme gelten demnach als weniger risikobehaftet im<br />
Vergleich zu Erfolgs- oder Gewinnbeteiligungssystemen, weil letztere stärker durch exogene<br />
Marktrisiken beeinflusst sind (Milkovich/Newman 1999, 282 f.). Demnach finden sich in den<br />
USA gain sharing-Systeme vorrangig in produzierenden Unternehmensbereichen, d.h. bei<br />
Mitarbeitergruppen mit vermutlich relativ hoher Risikoaversion. Reine input- oder leistungsbezogene<br />
Bonussysteme führen zu zeitlich variablen Entgeltkomponenten der Mitarbeiter, die<br />
vornehmlich mit endogenen, beeinflussbaren Einkommensrisiken verknüpft sind.<br />
11 Eine entsprechende Begründung findet sich explizit in der Broschüre eines deutschen Stahlunternehmens<br />
zur Einführung eines erfolgsabhängigen Beteiligungssystems.
320 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
Folgerungen:<br />
3. Inputorientierte Bonussysteme sind im Prinzip eher geeignet, variable Beteiligungsentgelte<br />
der Mitarbeiter nach endogenen, unternehmensintern beeinflussbaren<br />
Bezugsgrößen auszurichten und externe Marktrisiken einzuschränken.<br />
4. Reine Erfolgs- oder Gewinnbeteiligungen haben hingegen weitergehende Ziele<br />
der finanziellen Anreizgestaltung und Risikoteilung. Statt direkter Handlungs- und<br />
Leistungseffekte bei den Mitarbeitern geht es hier eher um Ziele der unternehmensbezogenen<br />
Kooperation und indirekte Effekte der Personalbindung.<br />
5. Kombinierte oder mehrdimensionale input- und ergebnisorientierte Systeme von<br />
variablen Beteiligungsentgelten berücksichtigen sowohl (aggregierte) Leistungsbeiträge<br />
der Mitarbeiter wie auch die aggregierte finanzielle Performance des Unternehmens.<br />
Mehrdimensionale, leistungsspezifische Bezugsgrößen sollten insbesondere<br />
die Kommunikation von strategischen Zielen des Unternehmens fördern,<br />
dieses ohne inkonsistente Signale zu erzeugen.<br />
Ferner ist eine Wahl zwischen aggregierten Bezugsgrößen des Gesamtunternehmens<br />
oder disaggregierten Größen von Unternehmensbereichen vorzunehmen.<br />
Während Output- oder Erfolgsgrößen i. d. R. als aggregierte Indikatoren zur Messung<br />
der wirtschaftlichen Unternehmensergebnisse dienen, können inputorientierte Größen<br />
auch als disaggregierte Größen der Unternehmensbereiche und als zusätzliche Zielgrößen<br />
verwendet werden. Disaggregierte, bereichsbezogene Zielgrößen haben<br />
grundsätzliche Vorteile bezüglich der Leistungs- und Steuerungsfunktion der Mitarbeiter.<br />
Denn endogene, spezifische Risiken von Fehlverhalten oder free rider-<br />
Aktivitäten der Mitarbeiter werden gezielter beeinflusst, so dass kollektive, bereichsübergreifende<br />
Leistungsrisiken stärker eingegrenzt werden können, da sich die Beeinflussbarkeit<br />
bzw. Kontrolle der Leistungsinputs regelmäßig mit der Größe bzw. der<br />
Höhe der Organisationsebene verringert. 12 Gleichwohl können disaggregierte, mehrdimensionale<br />
Ziel- und Bezugsgrößen von Beteiligungsentgelten die Gefahr mangelnder<br />
Transparenz und eine höhere Wahrscheinlichkeit von Inkonsistenzen bewirken.<br />
Mehrdimensionale Zielgrößen sollten daher in ihrer Anzahl stark beschränkt<br />
werden, um die unternehmensinterne Kommunikation von relevanten Beteiligungszielen<br />
zu erleichtern (vgl. Zenger/Marshall 2000, 152). Bereichspezifische Zielgrößen<br />
bedürfen deshalb einer strategischen Abstimmung mit den Zielen des Unternehmens.<br />
13<br />
12 “Group-based pay plans linked to performance measures at a lower organizational level will<br />
have greater incentive intensity than plans linked to performance measures at a higher organizational<br />
level.” (Zenger/Marshall 2000, 151).<br />
13 Die Literatur liefert unter dem Begriff der „balanced scorecard“-Systeme einen Bezugsrahmen<br />
zur strategischen Abstimmung bereichsspezifischer Zielgrößen (vgl. Kaplan/Norton<br />
1997; Weber/Schäffer 2000).
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 321<br />
3.4 Differenzierungen der Risikoteilung nach subjektiven Merkmalen<br />
Nach dem Basiskonzept der agency-Theorie haben effiziente, teil-variable Entgeltverträge<br />
auch die subjektiven Risikoeinstellungen der Mitarbeiter gegenüber zeitlich<br />
schwankenden Entgeltkomponenten zu berücksichtigen. Die effiziente Balance<br />
der Anreiz- und Risikoaspekte hängt somit von personenbezogenen Merkmalen der<br />
Mitarbeiter ab. Je stärker die Risikoaversion der Mitarbeiter, desto geringer sollten<br />
die Anteile (Intensitäten) von variablen Beteiligungsentgelten sein (vgl. Weitzman/Kruse<br />
1990, 101; <strong>Hardes</strong>/Uhly 1996, 74 f.). Aus diesem vertragstheoretischen<br />
Grundsatz lassen sich daher Differenzierungen teil-<strong>variabler</strong> Entgelte ableiten. Sofern<br />
sich die personenbezogenen relativen Risikobereitschaften von periodischen Varianzen<br />
der Entgelte unter den Gruppen der Mitarbeiter systematisch unterscheiden, sollten<br />
folglich die Relationen <strong>variabler</strong> und fixer Entgeltkomponenten nach Mitarbeitergruppen<br />
unterschiedlich gestaltet werden. Höhere Anteile fixierter Entgeltteile berücksichtigen<br />
relativ geringere Risikotoleranzen gegenüber Einkommensschwankungen,<br />
z.B. bei älteren Mitarbeitern, geringer qualifizierten Arbeitnehmern und<br />
Mitarbeitern unterer Einkommensgruppen und mit geringem Vermögen (vgl. <strong>Hardes</strong>/<strong>Wickert</strong><br />
2000, S. 61 ff.). Die betriebsspezifischen Erfahrungen der Mitarbeiter<br />
mit Einkommensschwankungen bei variablen Entgeltverträgen im längerfristigen<br />
Zeitraum hingegen dürften die Risikoneigungen positiv beeinflussen.<br />
Insofern die Einstellungen zu zeitlich variablen Entgelten personenbezogene, individuelle<br />
Merkmale mit unterschiedlichen Ausprägungen darstellen, erfordern effektive Entgeltverträge<br />
demnach individuelle Wahlmöglichkeiten der Mitarbeiter zwischen unterschiedlichen<br />
Beteiligungsintensitäten. Das Risiko <strong>variabler</strong> Beteiligungsentgelte kann<br />
durch entsprechende Wahloptionen bezüglich der Zusammensetzung der Entgeltformen<br />
nach den jeweiligen personenbezogenen Risikoneigungen relativ „abgesichert“ werden.<br />
Relative Absicherungen bieten ferner nicht-lineare Entgeltverträge: Reine „success<br />
sharing“-Pläne schließen monetäre Verlustbeteiligungen der Mitarbeiter aus, da<br />
sie – wie im Regelfall der praktischen Umsetzung von Bonussystemen – lediglich variable<br />
Zusatzentgelte im Fall positiver finanzieller Performance des Unternehmens<br />
vorsehen. Success sharing-Pläne berücksichtigen somit stärker die Basisannahme der<br />
asymmetrischen Risikobereitschaft der Akteure der Arbeitsbeziehungen als lineare<br />
risk sharing-Pläne mit negativen Beteiligungsentgelten oder Entgeltabzügen bei negativen<br />
Unternehmensergebnissen (vgl. Milkovich/Newman 1999, 282 f.).<br />
Folgerungen:<br />
6. Wenn die Annahme asymmetrischer Risikopräferenzen im Vergleich zwischen<br />
Unternehmenseignern und Mitarbeitern zutrifft, dann sind success sharing-<br />
Systeme, die eine Verlustbeteiligung der Arbeitnehmer ausschließen, als relativ<br />
effizientere Beteiligungssysteme zu betrachten – im Vergleich zu Systemen mit<br />
Verlustbeteiligungen der Arbeitnehmer.<br />
7. Wenn die relativen Risikoeinstellungen der Mitarbeiter gegenüber Einkommensschwankungen<br />
nach personenbezogenen Merkmalen differieren, dann spricht das<br />
Prinzip der effizienten Risikoteilung für Wahlmöglichkeiten der Mitarbeiter hinsichtlich<br />
der Anteile <strong>variabler</strong> Entgeltkomponenten und fixierter Basisentgelte.
322 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
Die Überlegungen zu den periodischen Erfolgsbeteiligungen werden anschließend<br />
für längerfristige Beteiligungssysteme börsennotierter Kapitalgesellschaften<br />
fortgesetzt. Hierzu werden marktbezogene investive Beteiligungsformen untersucht,<br />
im Besonderen Aktienbeteiligungen von Mitarbeitern der Kernbelegschaften und Aktienoptionen<br />
für Führungskräfte. Erfolgsbeteiligungen haben i. d. R. periodische Bezugsgrößen<br />
vergangener Zeitperioden. Sie gelten vielfach wegen eines Mangels an<br />
Zukunftsbezügen als nachteilig im Vergleich zu marktbasierten investiven Kapitalbeteiligungen<br />
der Mitarbeiter, welche die Erwartungen der externen Akteure der Finanzmärkte<br />
in die zukünftigen Unternehmensentwicklungen berücksichtigen. Marktbasierte<br />
Aktienpläne von Mitarbeitern bzw. Führungskräften haben den Charakter investiver<br />
Beteiligungsformen mit variablen Renditen in Abhängigkeit der volatilen<br />
Kurs- und Dividendenentwicklung der Anteilswerte. 14 Aus der Sicht der Mitarbeiter<br />
(Führungskräfte) werden Aktienpläne daher auch als variable, somit risikobehaftete<br />
Anlagen oder Zusatzentgelte (Aktienoptionen) verstanden, oft mit längerfristigen<br />
Bindungen an das jeweilige Unternehmen.<br />
4. Marktbasierte Beteiligungsformen börsennotierter Unternehmen<br />
In diesem Abschnitt sollen zunächst die Risikoaspekte von Belegschafts- oder<br />
Mitarbeiter-Aktien betrachtet werden, welche die traditionelle Form der Kapitalbeteiligung<br />
von Arbeitnehmern in börsennotierten Großunternehmen bilden. Nach einer<br />
statistischen Übersicht zur Verbreitung von Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter gab<br />
es in Deutschland ca. 400 Beteiligungsunternehmen mit Belegschaftsaktien-<br />
Programmen mit ca. 1,8 Mio. Mitarbeiter-Aktionären (im Jahr 1999). Fast 80 Prozent<br />
aller Arbeitnehmer mit Kapitalbeteiligungen ihrer Unternehmen hatten Belegschaftsaktien,<br />
so dass diese ohne Zweifel eine relativ häufige nationale Form der Kapitalbeteiligung<br />
von Arbeitnehmern darstellen. 15<br />
4.1 Mitarbeiter-Aktien als traditionelle Variante der Kapitalbeteiligung<br />
Im Fall von unternehmensinternen Beteiligungen am Aktienkapital erhalten<br />
Mitarbeiter-Aktionäre eine doppelte Rolle, hauptsächlich als Arbeitnehmer, des Weiteren<br />
als (i. d. R. marginale) Anteilseigner ihres Beschäftiger-Unternehmens. Im Vordergrund<br />
der internen Kapitalbeteiligung steht das Ziel der investiven Vermögensbildung<br />
bzw. des Vorsorgesparens der Mitarbeiter, meist durch begünstigte periodische<br />
Angebote des Aktienerwerbs oder auch durch Ausgabe von Gratisaktien. Trotz einer<br />
marginalen periodischen Zunahme von Anteilswerten können sich für langjährige<br />
Mitarbeiter bei regelmäßigem Erwerb der Belegschaftsaktien und kumulativer Kapi-<br />
14 Marktbasierte Aktienpläne bilden – in der Terminologie von Williamson – hybride Anreizformen<br />
mit markt- und unternehmensbezogenen Elementen der Gestaltung (Tuschke 1999, 53<br />
ff.).<br />
15 vgl. hierzu die statistische Übersicht der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft<br />
(AGP) (http://www.agpev.de/sonstige/Tabelle.htm).
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 323<br />
talbildung erhebliche Vermögenswerte ergeben. Im Kern erfolgt eine längerfristige<br />
Erfolgs- und Substanzwertbeteiligung der Teilnehmer an Programmen, die sich gezielt<br />
an Mitarbeiter großer, börsennotierter Unternehmen richten, mit variablen exogenen<br />
und unternehmensspezifischen Kursrisiken sowie intendierten Bindungen der<br />
internen Kapitalanlagen. 16 Die Wertentwicklung der Mitarbeiter-Aktien unterliegt daher<br />
vor allem den längerfristigen exogenen sowie endogenen Kursrisiken der Beteiligungspapiere<br />
des Arbeitgeber-Unternehmens. Die Risikoerwägungen verändern sich<br />
insoweit gegenüber dem letzten Abschnitt. Statt der periodischen Schwankungen von<br />
Entgeltteilen stehen hier längerfristige Anlagerisiken der Wertentwicklung des eigenen<br />
Unternehmens im Vordergrund, mit längerfristigen variablen Renditechancen<br />
und Anlagerisiken, ohne eine Diversifizierung des spezifischen Portefeuilles des Beteiligungskapitals.<br />
Im Folgenden werden Aktienpläne von Beteiligungsunternehmen unterstellt,<br />
welche den Mitarbeitern Optionen eines periodischen Erwerbs von bestimmten Aktienpaketen<br />
der jeweiligen Unternehmen gegen Spar- oder Eigenbeiträge zur investiven<br />
Vermögensbildung anbieten. Der Erwerb der Aktien kann vom Unternehmen begünstigt<br />
werden. Bei den gegebenen Kursrisiken der Beteiligungswerte an den Finanzmärkten<br />
sowie bei längerfristigen Beschränkungen der Fungibilität der Mitarbeiter-Aktien<br />
wird sich eine subjektive Risikoaversion gegenüber volatilen Vermögenswerten<br />
oder eine hohe Liquiditätspräferenz von Arbeitnehmer-Haushalten negativ auf<br />
die Bereitschaft zur Teilnahme an den Programmangeboten zur Aktienbeteiligung<br />
auswirken, insbesondere bei Arbeitnehmern mit geringem verfügbarem Einkommen,<br />
also geringen Sparneigungen und -fähigkeiten, sowie hohen Zeitpräferenzen der<br />
kurzfristigen Einkommensverwendung (geringen Neigungen zum Vorsorgesparen).<br />
Die Teilnahmebereitschaft an freiwilligen Aktienplänen für die Mitarbeiter wird daher<br />
nach subjektiven Merkmalen der Liquiditätspräferenz oder der Aversion gegenüber<br />
Vermögensrisiken unterschiedlich sein, vor allem nach Einkommens- oder Qualifikationsgruppen<br />
der Arbeitnehmer: Die Zugehörigkeit zu unteren Einkommensgruppen<br />
sowie Gruppen mit niedrigen Ausbildungsabschlüssen wird die Teilnahmebereitschaft<br />
i. d. R. reduzieren. Zudem: Die subjektiven Risikotoleranzen gegenüber<br />
Schwankungen der Vermögenswerte werden sich systematisch mit der Höhe der<br />
Geld- und Realvermögen der Arbeitnehmer unterscheiden, da die objektiven Risiken<br />
der Wertschwankungen allgemein Personen mit geringem Vermögen stärker belasten.<br />
Die freiwillige Anlage- und Teilnahmebereitschaft bei Aktienplänen der Beteiligungsunternehmen<br />
wird daher nicht vollständig sein; die Teilnehmer bilden i. d. R.<br />
16 Denn die marktbezogene Fungibilität der Mitarbeiter-Aktien wird häufig durch mehrjährige<br />
Bindungsfristen eingeschränkt. Diese Verfügungsbeschränkung betrifft seit 2002 nur noch die<br />
siebenjährige Sperrfrist als Voraussetzung für die Gewährung einer Arbeitnehmersparzulage<br />
im Rahmen des Vermögensbildungsgesetzes. Die Haltefrist von 6 Jahren als Bedingung für<br />
die steuerliche Förderung von Beteiligungstiteln auf Basis des §19a des Einkommenssteuergesetzes<br />
ist hingegen zum Jahreswechsel 2001/2002 entfallen.
324 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
eine nach personenbezogenen Merkmalen strukturierte Auswahl der betrieblichen<br />
Arbeitnehmer.<br />
Abb. 4: Einflussfaktoren der Teilnahmebereitschaft an Mitarbeiter-Aktien-Programmen (MAP)<br />
Sonderentgelte<br />
versus laufendeEntgelte<br />
subjektive Erfahrungen<br />
mit Aktienbeteiligungen<br />
partnerschaftliche Beteiligungskultur<br />
des Unternehmens<br />
Faktoren der Teilnahmebereitschaft<br />
der Mitarbeiter<br />
Höhe des verfügbaren<br />
Haushaltseinkommens der<br />
Arbeitnehmer<br />
subjektive Präferenzen<br />
der Vermögensbildung<br />
bzw. Vorsorge<br />
Stammbelegschaft<br />
versus Randbelegschaft<br />
Im Besonderen wird die Gruppe von Mitarbeitern, die sich der Stammbelegschaft<br />
eines Beteiligungsunternehmens zugehörig fühlen, eine überproportionale Bereitschaft<br />
zum Erwerb von Mitarbeiter-Aktien entwickeln. Der Erfolg von Aktienbeteiligungen,<br />
gemessen an deren Teilnehmerquoten, hängt wesentlich vom unternehmensinternen<br />
Klima, dem Bewusstsein der Mitarbeiter um eine Partnerschaftskultur<br />
von Beteiligungsunternehmen sowie den kommunikativen Aktivitäten des Unternehmens<br />
ab, um betriebliche Loyalitäten und Personalbindungen von Mitarbeitern zu erreichen.<br />
Die Bereitschaft zum Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens wird<br />
daher durch eine längerfristige Betriebszugehörigkeit von Mitarbeitern der Kernbelegschaften<br />
gefördert und durch eigene positive Erfahrungen mit Beteiligungswerten<br />
in der Vergangenheit beeinflusst (vgl. Abb. 4).<br />
Im unterstellten Fall der Eigenfinanzierung (oder der Kofinanzierung) des Erwerbs<br />
von Aktienbeteiligungen sind Anlagebeträge aus dem Nettoeinkommen oder<br />
aus liquidem Vermögen der Mitarbeiter erforderlich, eventuell gestützt durch Darlehen<br />
oder Bezugsvergünstigungen des Arbeitgeber-Unternehmens. Die subjektive Bereitschaft<br />
und Fähigkeit zur investiven Vermögensanlage wird i. d. R. bei Sonderentgelten<br />
höher einzuschätzen sein als bei laufenden Einkommen, da diese weniger<br />
durch fixierte Ausgabenpläne der Arbeitnehmer-Haushalte gebunden sind. Aus verfügbaren<br />
Sonderentgelten oder liquiden Vermögensquellen können daher höhere Mittel<br />
der Eigenfinanzierung von Mitarbeiter-Beteiligungen aufgebracht werden. Eine<br />
Verknüpfung von periodischen Sonderentgelten und jeweiligen Angeboten des Er-
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 325<br />
werbs von Mitarbeiter-Aktien in Beteiligungsunternehmen kann somit sinnvoll sein,<br />
um die Bereitschaft zur Programmteilnahme zu fördern. 17<br />
Die objektiven exogenen, marktbedingten Vermögensrisiken von Kursverlusten<br />
sind bei volatilen Finanzmärkten in allgemeinen Baissezeiten erheblich. Diese exogenen<br />
Risiken sind vor allem in kurzfristiger Perspektive höher einzuschätzen als in<br />
längerfristigen Zeiträumen, so dass Mitarbeiter mit kurzfristigen Liquiditätsinteressen<br />
bzw. kurzfristigen Sparzielen die Risiken möglicher Wertverluste stärker gewichten<br />
müssen. Ein längerfristiger Zeithorizont von Anteilseignern wird hingegen eher dazu<br />
beitragen, die kurzfristigen marktbedingten Wertverluste auszugleichen. 18 Daher kann<br />
angenommen werden, dass bei einem längerfristigen Zeithorizont der Anlagen eine<br />
Relativierung der exogenen Risiken der Kursschwankungen eintreten wird. Auch die<br />
subjektiven Risikoneigungen der Anleger werden bei längerfristiger Anlagebereitschaft<br />
geringer sein, weil die Verlustrisiken wegen der allgemeinen Zeitpräferenz<br />
kurzfristiger, gegenwartsnaher Zeitperioden weniger gewichtet werden, analog der<br />
geringeren Gewichtung der Renditen längerfristig entfernter Zeiträume aus der Sicht<br />
der Gegenwart. Dennoch bleibt zu beachten: Aktienbeteiligungen der Mitarbeiter in<br />
herkömmlicher Form haben – im Gegensatz zu den Aktienoptionen – ein symmetrisches<br />
Profil von Erfolgschancen und Verlustrisiken; sie liefern kein reines success<br />
sharing der Mitarbeiter.<br />
Die unternehmensspezifischen Risiken von Wertverlusten der Mitarbeiter-<br />
Aktien werden hingegen auch längerfristig bedeutsam sein, zumal wenn bei längeren<br />
Haltefristen und eingeschränkter Fungibilität der Anteilspapiere eine längerfristige<br />
Bindung der internen Kapitalbeteiligung verlangt wird. Zu den besonderen unternehmensspezifischen<br />
Risiken der Mitarbeiter-Aktionäre gehören Insolvenzrisiken,<br />
welche die Mitarbeiter in ihrer doppelten Rolle treffen, die drohende Kündigung der<br />
Arbeitsbeziehungen einerseits und die Vermögensverluste andererseits. Das Argument<br />
des doppelten Risikos, der Kumulation von unternehmensbezogenen Beschäftigungs-<br />
und Vermögensrisiken, wurde traditionell von den Gewerkschaften gegen be-<br />
17 Beteiligungsunternehmen in Frankreich bieten häufig sog. „Unternehmenssparpläne“ zur<br />
Vermögensbildung der Mitarbeiter mit mehreren Anlagemöglichkeiten interner und externer<br />
Art an. Deren Finanzierungsquellen bilden u a. periodische Erfolgsbeteiligungen in Form der<br />
obligatorischen „Participation „ - und freiwilligen „Intéressement“-Systeme. In Großbritannien<br />
können die Mitarbeiter bei Teilnahme an bestimmten Aktienplänen in ähnlicher Weise variable<br />
Eigenbeiträge mit dem Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens verknüpfen („Allemployee<br />
share ownership plans“ (AESOP-Systeme)).<br />
18 Anzunehmen ist auch, dass in längerfristigen Zeiträumen die exogenen Marktrisiken eher abnehmen,<br />
während die systematischen, unternehmensspezifischen Ursachen der Kursentwicklungen<br />
relativ stärker zu gewichten sind. Die historischen Erfahrungen lassen zudem auf relativ<br />
günstige Anlagerenditen von Aktienbeteiligungen schließen.
326 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
triebliche Konzepte der Vermögensbildung von Arbeitnehmern verwendet (Deutscher<br />
Gewerkschaftsbund 1998, 12 f.). 19<br />
Abb. 5: Maßnahmen eines Unternehmens zur Erhöhung bzw. Ausweitung der Beteiligungsbereitschaft<br />
bei MAP<br />
Rentabilität<br />
des MAP<br />
verbessern<br />
Insbesondere geeignet zur Verstärkung<br />
der individuellen Anlagebereitschaft.<br />
Maßnahmen eines<br />
Unternehmens bei gegebenerBeteiligungsstruktur<br />
Risikofaktoren<br />
der Vermögensentwicklung<br />
reduzieren<br />
Insbesondere geeignet zur Ausweitung<br />
des Teilnehmerkreises.<br />
Allerdings: Nach den empirischen Beobachtungen zur Verbreitung von Belegschaftsaktien<br />
gehören vorzugsweise Arbeitskräfte der betrieblichen Stammbelegschaften<br />
von börsennotierten Großunternehmen zu den Mitarbeiter-Aktionären in<br />
Deutschland. Deren Beschäftigungsbeziehungen dürften allgemein relativ gesichert<br />
erscheinen, so dass dieses unternehmensspezifische Risiko der Insolvenz eher einzelne<br />
extreme Fallbeispiele von Großunternehmen betreffen dürfte. 20<br />
Aus der Sicht von Beteiligungsunternehmen sind gezielte Maßnahmen möglich,<br />
um die Bereitschaft von Mitarbeitern zu beeinflussen, Anteilspapiere des eigenen Un-<br />
19 Weitere Einwände der Gewerkschaften zu Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen beziehen sich auf<br />
die fehlenden Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung sowie auch auf tarifpolitische Interessenkonflikte.<br />
Bisher fehlen akzeptierte Regelungen zur Klärung der betrieblichen Mitbestimmungsverfahren<br />
bei der Einführung von Beteiligungssystemen. Die Gewerkschaften befürchten<br />
daher mangelnde Möglichkeiten der inhaltlichen Mitgestaltung bzw. Einflussnahme.<br />
Tarifvertragliche Rahmenregelungen könnten dann die Unterstützung von betrieblichen Beteiligungssystemen<br />
durch die Gewerkschaften fördern. Im Übrigen bestehen offenbar Vorbehalte<br />
wegen der zwischenbetrieblichen Unterschiede spezifischer Beteiligungsprogramme, die<br />
letztlich die Vertretungs- und Verhandlungsmacht der Tarifparteien schwächen könnten<br />
(Deutscher Gewerkschaftsbund 1998, 12 ff.).<br />
20 Der spektakuläre Fall des US-Unternehmens Enron bildet ein solches Beispiel, in dem die<br />
Kontrollmechanismen gegenüber dem Management des Energieunternehmens offensichtlich<br />
versagt haben.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 327<br />
ternehmens zu erwerben und zu halten (vgl. Abb. 5). Diese Maßnahmen können darauf<br />
ausgerichtet sein, die Rentabilität des Aktienerwerbs zu begünstigen sowie die<br />
Risikobedingungen zu verbessern.<br />
Die Erwerbsneigung und die Haltebereitschaft der Mitarbeiter können beeinflusst<br />
werden durch<br />
Zuschüsse des Unternehmens zur Finanzierung des Aktienerwerbs bzw. Vorzugspreise<br />
für Mitarbeiter,<br />
Ausgabe von Gratisaktien als Zusatzleistungen für Mitarbeiter-Aktionäre,<br />
zinsbegünstigte Arbeitgeberdarlehen zur Erleichterung der Finanzierungsmöglichkeiten<br />
des Erwerbs von Aktienpaketen,<br />
Prämienbegünstigungen für längerfristige Haltebereitschaften u.a.<br />
Folgerungen:<br />
8. Die Risiken herkömmlicher MAP betreffen weniger deren Merkmal als variable<br />
Zusatzentgelte, sondern vor allem die Kursschwankungen der Beteiligungswerte<br />
bei volatilen Finanzmärkten sowie bei eingeschränkter Verfügbarkeit der Anteilspapiere.<br />
Wegen der Kursrisiken an den Finanzmärkten unterscheidet sich das Beteiligungsverhalten<br />
nach personenbezogenen Merkmalen der Mitarbeiter. Überproportionale<br />
Beteiligungsbereitschaft besteht bei längerfristigen Vorsorgezielen<br />
von Mitgliedern der Stammbelegschaft großer Unternehmen mit positiven Programmerfahrungen<br />
in der Vergangenheit.<br />
9. Beteiligungsunternehmen, welche die Bereitschaft der Mitarbeiter zum Erwerb<br />
von Aktien fördern, können die Beteiligungsbereitschaft über Rentabilitätsfaktoren<br />
beeinflussen oder über Maßnahmen zur Verbesserung der Risikobedingungen<br />
fördern. Letztere können eher dazu geeignet sein, neue, bisher relativ risikoaverse<br />
Mitarbeitergruppen zur Aktienbeteiligung zu bewegen.<br />
Diese finanzierungs- und rentabilitätsstützenden Maßnahmen können gezielt –<br />
gerade auch in Zeiten schwacher Börsenentwicklungen – eingesetzt werden, um die<br />
Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter zu fördern. Wenn jedoch die Beteiligungsunternehmen<br />
stärker interessiert sind, die Teilnahme auch von risikoaversen Mitarbeitern<br />
an Aktienbeteiligungen zu erreichen, sind eher besondere Programme erforderlich,<br />
um die Kursrisiken der Mitarbeiter-Aktien zu verringern 21 (vgl. Abb. 5).<br />
21 Verschiedene Großunternehmen (u.a. Daimler Chrysler AG, E.ON AG, VW AG) haben neuerdings<br />
den Mitarbeitern unternehmensexterne Wertpapierfonds als zusätzliche (ergänzende)<br />
Angebote der Vermögensbildung eröffnet. Externe Fondsanlagen vermeiden die interne Bindung<br />
der Anlagen im eigenen Unternehmen und vermindern die Insolvenzrisiken; sie bieten<br />
durch die Mobilität und Diversifikation der Anlagen auch Chancen größerer Anlagerenditen.<br />
Allerdings werden die personalwirtschaftlichen Bindungen der Mitarbeiter an das arbeitgebende<br />
Unternehmen gelockert.
328 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
4.2 Mitarbeiter-Aktien-Programme mit günstigeren Risikostrukturen<br />
In diesem Abschnitt werden wir eine neuere Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung<br />
kurz vorstellen und deren Risikoaspekte beurteilen, die Variante der „Leveraged<br />
Employee Stock Ownership Plans“ (LESOP-Programme). In Deutschland bietet ein<br />
Konzern diese Variante als Alternative zu einem herkömmlichen MAP. 22 Die Besonderheiten<br />
dieses innovativen Beteiligungsmodells betreffen<br />
a) einerseits begünstigte Finanzierungsmodalitäten der Mitarbeiter zum Erwerb von<br />
Aktien des eigenen Unternehmens, die zu einem Hebeleffekt („leverage“) mit überproportionalem<br />
Renditepotential führen,<br />
b) andererseits eine spezifische Form der Absicherung der Mitarbeiter-Aktionäre gegenüber<br />
Kursverlusten der Anteilspapiere an den Kapitalmärkten.<br />
Zu (a): Die Finanzierungsmittel zum Erwerb der Aktienpakete durch die Mitarbeiter<br />
werden zu größeren Anteilen durch die Bereitstellung eines Darlehens des Arbeitgeber-Unternehmens<br />
zu attraktiven Zinskonditionen begünstigt. Dadurch wird eine<br />
Beteiligung am Aktienkapital des eigenen Unternehmens erleichtert, da lediglich<br />
ein relativ geringer Eigenbeitrag der Beschäftigten zur Finanzierung des Aktienerwerbs<br />
erforderlich ist. Demnach kann ein sog. Hebeleffekt eintreten, ein überproportionales<br />
Renditepotential aus einer günstigen Kursentwicklung der Unternehmensaktien<br />
und den Dividendenzahlungen, bezogen auf den vergleichsweise geringen Einsatz<br />
an eigenen Finanzierungsleistungen. 23<br />
Zu (b): Das Chancen-Verlustrisiko-Profil der Kursschwankungen der Mitarbeiter-Aktien<br />
wird durch den Einsatz von Kapitalmarktinstrumenten (z.B. Put-Optionen)<br />
verändert, so dass der Kapitaleinsatz der Mitarbeiter faktisch eine Nominalwert-<br />
Garantie erhält. Die Put-Optionen führen zu einem asymmetrischen Chancen-Risiko-<br />
Profil über die Programmlaufzeit, zu einem reinen success sharing der Mitarbeiter-<br />
Aktionäre.<br />
Aus agency-theoretischer Perspektive dürfte eine solche Begrenzung der marktbezogenen<br />
Kursrisiken für die begünstigten Mitarbeiter begründet sein. Denn die einzelnen<br />
Mitarbeiter besitzen in aller Regel keine unmittelbaren Handlungskompetenzen<br />
zur (tendenziellen) Beeinflussung der Entwicklung der Aktienkurse, so dass die<br />
Kursverlustrisiken aus der Sicht der Mitarbeiter weitgehend exogenen, also unbeeinflussbaren,<br />
Charakter haben werden. Die Anreizwirkungen von Aktienbeteiligungen<br />
der Mitarbeiter dürften wegen der mangelnden Beeinflussbarkeit der Kapitalmarktentwicklung<br />
weniger in einer direkten Verstärkung der individuellen Leistungsintensitäten<br />
der Mitarbeiter liegen. Vielmehr sind durch die Aktienbeteiligung eher indi-<br />
22 Die Continental AG bietet den Mitarbeitern seit dem Jahr 1995 zwei Varianten von MAP an,<br />
neben einem herkömmlichen Angebot von Belegschaftsaktien auch eine Variante des<br />
LESOP-Modells (vgl. Fiedler-Winter 1998, 96 f./Continental AG (Hg.) 1999, 3 f.).<br />
23 Das Darlehen ist am Ende einer allerdings verkürzten Programmlaufzeit (im Fallbeispiel:<br />
zwei Jahre) zurückzuzahlen, wahlweise in einer Summe oder in Raten.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 329<br />
rekte personalwirtschaftliche Bindungs- und Identifikationseffekte mit dem arbeitgebenden<br />
Unternehmen zu erwarten, welche die Bereitschaft der Mitarbeiter zu einem<br />
längerfristigen Kooperationsverhalten fördern. Diese positiven Signal- und Anreizeffekte<br />
bei den Mitarbeitern können durch eine (befristete) Absicherung der Mitarbeiter-Aktien<br />
vor weitgehend exogen bewirkten Kursverlusten funktional verbessert<br />
werden. Denn nach den agency-theoretischen Grundlagen haben sich die Anreizbzw.<br />
Risikostrukturen von Entgeltverträgen mit variablen Chancen- bzw. Verlustrisiken<br />
nach den individuellen Erfolgsverantwortlichkeiten der Mitarbeiter auszurichten.<br />
Bei geringer unmittelbarer Verantwortlichkeit der Mitarbeiter für die Kursentwicklung<br />
der Unternehmensanteile sollte demnach die Intensität der Kursschwankungsrisiken<br />
für Mitarbeiter begrenzt werden.<br />
Die vorteilhaften Risikostrukturen des LESOP-Programms dürften die Teilnahmebereitschaft<br />
der berechtigten Mitarbeiter positiv beeinflussen. Eine Falluntersuchung<br />
zum vorerwähnten Unternehmensbeispiel, die im Rahmen eines Studienprojekts<br />
an der Universität Trier durchgeführt wurde, erhärtet die vorstehende These: Für<br />
viele begünstigte Mitarbeiter war die Begrenzung der Kursrisiken das wichtigste Motiv<br />
ihrer Teilnahme am LESOP-Programm des Unternehmens. Im direkten Vergleich<br />
zum parallelen Angebot eines traditionellen Programms von Belegschaftsaktien war<br />
die Teilnehmerquote des LESOP-Programms signifikant höher.<br />
Die unter (a) und (b) beschriebenen Besonderheiten von LESOP-Programmen<br />
bedeuten, dass diese neuen Varianten von Mitarbeiter-Aktien eine Art der „Annäherung“<br />
an typische Programmmerkmale von Aktienoptionsplänen (AOP) beinhalten.<br />
Denn auch AOP sind durch asymmetrische Chancen-Verlustrisiken-Profile sowie<br />
durch fehlende oder geringe Eigenbeiträge der Begünstigten gekennzeichnet. Der<br />
nachfolgende Abschnitt betrifft nunmehr Risikoüberlegungen im Zusammenhang mit<br />
AOP.<br />
Folgerung:<br />
10. LESOP-Programme bilden eine neuere Variante von Mitarbeiter-Aktienbeteiligungen<br />
mit begünstigten Finanzierungskonditionen und verbesserten Risikostrukturen.<br />
Die Risikobegrenzung der Mitarbeiter durch eine Nominalwert-<br />
Sicherung der Anlagemittel erscheint funktional aus agency-theoretischer Sicht;<br />
sie dürfte die Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter an Aktienbeteiligungen ihres<br />
Unternehmens wesentlich erhöhen.<br />
4.3 Aktienoptionspläne<br />
Aktienoptionspläne (AOP) bilden neuere Entgeltinstrumente, im Besonderen für<br />
Führungskräfte von börsennotierten Unternehmen; deren Häufigkeit hat sich seit der<br />
gesetzlichen Neuregelung durch das KonTraG in Deutschland (seit Mai 1998) unter<br />
den Unternehmen des DAX- bzw. NEMAX-Index erheblich erhöht (vgl. Deutsches<br />
Aktieninstitut 1998, 17; Deutsches Aktieninstitut/Hewitt Associates 2001, 17).<br />
AOP lassen sich als gezielte strategische Entgeltverträge für Führungskräfte beschreiben,<br />
deren variable Komponenten – neben einem Basisentgelt – von der länger-
330 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
fristigen Wertentwicklung der Aktienkurse des jeweiligen Unternehmens abhängen:<br />
Die begünstigten Führungskräfte erhalten befristete Bezugsrechte zu einem künftigen<br />
Erwerb von bestimmten Aktienpaketen zu ex ante fixierten Ausübungskursen, um sie<br />
zu einer wertorientierten Unternehmensführung im Sinne des shareholder-value-<br />
Konzepts zu veranlassen. Das Prinzip des monetären Anreizes: Je günstiger sich die<br />
Aktienwerte des Unternehmens ex post im Vergleich zum vorher bestimmten Ausübungskurs<br />
entwickeln, desto höher werden die variablen Entgeltkomponenten der<br />
Führungskräfte sein. Die Kurswerte der Aktien gelten als objektivierte, von den Finanzmarktakteuren<br />
beeinflusste Größen der abdiskontierten zukünftigen Ertragswerte<br />
der Unternehmen. Statt vergangenheitsbezogener, rechnerischer Ertragsgrößen aus<br />
den Unternehmensbilanzen dienen demnach Marktwerte als strategische Bezugsgrößen,<br />
als Ausdruck der Erwartungen von relevanten Finanzmarktakteuren zur Ertragsentwicklung<br />
des jeweiligen Unternehmens. Die hauptsächliche Begründung entsprechender<br />
<strong>variabler</strong> Entgeltverträge folgt dem agency-theoretischen Konzept; mittels<br />
AOP sollen die Interessen zwischen externen Kapitaleigentümern und den agents<br />
(dem Management) harmonisiert werden. Neben den entgeltbezogenen Anreizen zu<br />
einer strategischen Unternehmensführung nach dem shareholder-value-Konzept geht<br />
es auch um personal- sowie finanzwirtschaftliche Ziele, vor allem die Akquisition<br />
und/oder Bindung von Führungskräften durch zusätzliche Entgeltchancen sowie deren<br />
günstige Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
Im Folgenden steht die vertragstheoretische Betrachtungsweise der Anreiz- bzw.<br />
Risikoeffekte von AOP im Vordergrund. Wegen des strategischen Anreizcharakters<br />
wird zunächst unterstellt, dass sich die AOP auf einen Begünstigtenkreis von (oberen)<br />
Führungskräften beschränken. 24 Sodann werden besondere Anreizfunktionen und<br />
Risikoeffekte bei jungen technologie-intensiven Unternehmen der sog. New Economy<br />
betrachtet, einer Unternehmensgruppe mit relativ hoher Volatilität der Marktperformance<br />
einerseits und einem vergleichsweise breiten Berechtigtenkreis andererseits.<br />
AOP als variable Zusatzentgelte von Führungskräften:<br />
Vertragstheoretische Effizienz- und Risikofaktoren<br />
Nach dem agency-theoretischen Basiskonzept zielen AOP vor allem auf eine<br />
strategische, wertorientierte Unternehmensführung im Sinne der Eigentümer von börsennotierten<br />
Firmen. Mögliche Zielkonflikte resultieren aus den Aktionsspielräumen<br />
des Managements (hidden action-Modell). Durch variable Beteiligungsentgelte, die<br />
sich an der längerfristigen Entwicklung der Marktwerte der Unternehmen orientieren,<br />
soll im Prinzip eine Ausrichtung der Interessen der agents an einer dauerhaften Wert-<br />
24 Eine Ausweitung des Teilnehmerkreises von AOP kann überdies, wie z.B. bei der Volkswagen<br />
AG, auch durch emotional-psychologische Motive begründet sein, indem durch die Optionsgewährung<br />
an alle Mitarbeiter eine Signalwirkung intendiert ist, die das Gefühl einer unternehmensweiten<br />
Erfolgsgemeinschaft erzeugen soll (vgl. Hartz 2001, 100f./176 f.).
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 331<br />
orientierung der Unternehmenspolitik erreicht werden. Um die Anreizeffizienz zu beurteilen,<br />
muss folglich geprüft werden, ob durch AOP eine entsprechende Harmonisierung<br />
der beiderseitigen Interessen bewirkt und ob die längerfristige Entwicklung<br />
des unternehmensspezifischen Aktienkurses durch die Art der Unternehmensführung<br />
maßgeblich beeinflusst werden kann. Die Prüfung der Anreizeffizienz hat besonders<br />
die objektiven sowie subjektiven Risikofaktoren <strong>variabler</strong> Entgeltverträge mittels<br />
AOP zu berücksichtigen.<br />
Die theoretische Grundannahme der (relativen) subjektiven Risikoaversion wird<br />
auch mit Bezug zur Gruppe der Führungskräfte unterstellt: Führungskräfte bestimmen<br />
maßgeblich die Aktivitäten der Unternehmenspolitik, sie besitzen Informationsvorteile<br />
gegenüber externen Eigentümern. Die agents setzen ihr unternehmensspezifisches<br />
Humankapital ein, das für die Dauer der Arbeitsbeziehungen gebunden ist.<br />
Wegen der Bindung des spezifischen Humankapitals der Führungskräfte – im Vergleich<br />
zur Fungibilität und Diversifikation der Vermögensportefeuilles individueller<br />
Eigentümer – wird die Annahme einer relativen Risikoaversion durch die Bindung<br />
des unternehmensspezifischen Humankapitals der Führungskräfte begründet. Indessen:<br />
AOP kennzeichnen Risiken <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte mit einem asymmetrischen<br />
Chancen-Verlustrisiko-Profil (Achleitner/Wichels 2000, 12). Im Gegensatz zu den<br />
Aktionären des jeweiligen Unternehmens können die Optionsinhaber keine Wertverluste<br />
erleiden, wenn es zu einer längerfristig negativen Kursentwicklung kommt; unterhalb<br />
des ex ante bestimmten Ausübungskurses werden die Optionen wertlos, denn<br />
die jeweiligen Aktien können ex post zu einem günstigeren Kurs erworben werden.<br />
Die Aktienoptionen sind dann „out of money“, ein erwartetes Zusatzentgelt der Führungskräfte<br />
entfällt. Der Asymmetrie-Charakter von Aktienoptionen impliziert somit<br />
positive Chancen eines variablen, kapitalmarktabhängigen Zusatzentgelts bei günstigen<br />
Kurserwartungen, ohne Risiken eines Wertverlustes des Kapitalvermögens. Das<br />
monetäre Verlustrisiko der begünstigten Führungskräfte wird ausgeschlossen – anders<br />
als bei den externen Kapitaleigentümern. Insofern führen AOP nicht zu einem<br />
symmetrischen risk sharing, folglich nicht zu einer perfekten Interessenharmonisierung<br />
in den principal-agent-Beziehungen.<br />
Die relevanten Anreize und Risiken <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte der begünstigten<br />
Führungskräfte ergeben sich aus<br />
der Beteiligungsintensität in Relation zum fixierten Basisentgelt, sprich: dem relativen<br />
Umfang der Aktienoptionen, und<br />
der unternehmensspezifischen Volatilität der Kursschwankungen der Eigentümeranteile<br />
an den Kapitalmärkten.<br />
Die Chancen <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte der Begünstigten werden eingeschränkt<br />
durch<br />
Eigeninvestments der Führungskräfte als Voraussetzung für den Erhalt von Optionen,<br />
Sperrfristen (vesting periods) bis zur Ausübung der Option sowie gegebenenfalls<br />
längere Haltefristen der Aktien nach Optionsausübung.
332 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
Die Schwankungsrisiken der Aktienkurse unterliegen i.d.R. systematischen Bewegungen<br />
der allgemeinen Marktentwicklung, firmenspezifischen Performanceschwankungen<br />
und exogenen, meist kurzfristigen Zufallsfaktoren. Insoweit objektivexogene<br />
Determinanten die Entwicklung der Aktienkurse eines Unternehmens mitbestimmen,<br />
sind exogene Risiken oder Verzerrungen der Anreizeffekte anzunehmen;<br />
absolute Ausübungsbedingungen der AOP widersprechen dann den Kriterien unternehmensspezifischer<br />
Verantwortlichkeit. 25 In der Fachliteratur werden daher vielfach<br />
relative Ausübungskonditionen zur Neutralisierung systematischer Markt- oder Branchenrisiken<br />
befürwortet (vgl. Aggarwal/Samwick 1999, 102; Wenger/Knoll/Kaserer<br />
1999, 36; Winter 2000, 43 f.). Allerdings: Die Indexierung der Ausübungsbedingungen<br />
führt zu einer Entkoppelung der Renditeerwartungen der Kapitaleigentümer und<br />
der Ausübungsgewinne von AOP beim Management. Die Verminderung bzw. Vermeidung<br />
exogener Kursrisiken dient zwar einerseits im Prinzip der Anreizeffizienz<br />
von AOP, sie verfehlt jedoch andererseits den Anspruch (einer) perfekten Interessenharmonisierung<br />
zwischen externen Eigentümern und dem Management entsprechend<br />
der principal-agent-Theorie (Kramarsch 1999, 67 f.). 26<br />
Die aufgezeigten trade offs zwischen der Beeinflussbarkeit der endogenen Unternehmensentwicklung<br />
durch die Führungskräfte und der agency-theoretischen<br />
Harmonisierung der Interessen von Eigentümern und Management lassen schließen,<br />
dass perfekte Lösungen des risk sharing durch AOP kaum gelingen. Lediglich second<br />
best-Lösungen der agency-Problematik von variablen Entgeltverträgen für Führungskräfte<br />
mittels AOP erscheinen möglich: Bei Widersprüchlichkeiten der Gestaltung<br />
der Ausübungsbedingungen von AOP spricht die Logik daher eher für kombinierte<br />
Gestaltungsformen der Ausübungskonditionen, sowohl für relative als auch absolute<br />
Bezugsgrößen, eventuell ergänzt durch endogene, kapitalmarktunabhängige Erfolgsziele.<br />
27<br />
Eine andere Form der Interessen-Harmonisierung zwischen principals und agents<br />
bilden konditionierte Aktienoptionen, deren Zuteilung von bestimmten Eigeninvestments<br />
der begünstigten Führungskräfte in Aktien des jeweiligen Unternehmens<br />
25 Hohe empirische Korrelationen der Aktienkursverläufe börsennotierter Unternehmen lassen<br />
schließen, dass die unternehmensspezifischen Einflussfaktoren – einschließlich der Managementleistungen<br />
– sich kaum allein in der Kursentwicklung der Aktien eines bestimmten Unternehmens<br />
niederschlagen. Dann könnte es für das Management eines Unternehmens<br />
„...durchaus sinnvoll sein, sich zurückzulehnen und auf einen Börsenaufschwung zu hoffen.“<br />
(Winter 1998, 1129). In Phasen eines Börsenaufschwungs verdienen alle Manager mit Aktienoptionen.<br />
26 Ähnliche Argumente der Entkoppelung der Interessen von agents und Eigentümern gelten bei<br />
AOP, in denen die Ausübungsberechtigung von Aktienoptionen in Abhängigkeit von der Erfüllung<br />
endogener, kapitalmarktunabhängiger Erfolgsziele des Unternehmens gestaltet wird.<br />
27 Der geltende AOP der BASF AG für die oberen Führungskräfte enthält entsprechend kombinierte<br />
Ausübungsbedingungen der Aktienoptionen mit jeweiligen Teilrechten von Aktienoptionen<br />
(vgl. Brinkkötter 2000).
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 333<br />
abhängig ist. Die Gewährung und Verfügbarkeit von Aktienoptionen bestimmten<br />
Umfangs hängt dann von der Voraussetzung proportionaler Eigentümerrechte des<br />
Managements als Aktionäre des Unternehmens ab. Der vorherige eigenfinanzierte<br />
Erwerb von Aktien erfordert einen entsprechenden Eigenbeitrag des Managements<br />
aus liquidem Vermögen oder Einkommensteilen, so dass der Bezug von Optionen<br />
durch eigene individuelle Anlageentscheidungen der berechtigten Führungskräfte ermöglicht<br />
wird und die Rollenidentität mit den Aktionären stärker gefördert wird –<br />
ähnlich den MAP. 28 Durch die Voraussetzung von Eigeninvestments kann die individuelle<br />
Risikobereitschaft der Führungskräfte zur Anlage in Aktien des eigenen Unternehmens<br />
erhöht werden. Denn Aktienoptionen werden von Seiten vieler Führungskräfte<br />
als Chancen positiver Zusatzentgelte verstanden, da die Optionsrechte<br />
nach den internationalen Erfahrungen häufig im Zeitraum der Berechtigung zeitnah<br />
liquidiert werden. 29<br />
Wenn demnach AOP in der Praxis vornehmlich als variable Sonderentgelte seitens<br />
der Begünstigten verstanden werden, mag ein Interesse der agents an der kurzfristigen<br />
Liquidierung der durch die Optionsausübung erworbenen Aktien bestehen.<br />
Den monetären Interessen stehen jedoch intendierte längerfristige personalpolitische<br />
Bindungen der Begünstigten von AOP durch Wartefristen 30 sowie (mögliche) Haltefristen<br />
der durch die Optionen bezogenen Aktien des Unternehmens entgegen. Diese<br />
Bindungen der agents dienen zugleich der Ausrichtung der unternehmenswertorientierten<br />
Anreizeffekte von AOP: Die finanziellen Interessen der agents sollen funktional<br />
mit einem strategischen, längerfristigen Zeithorizont abgestimmt werden. Eine<br />
28<br />
Das Eigeninvestment der Begünstigten kann auch als eine Maßnahme gegen Vorwürfe der finanziellen<br />
„Selbstbedienung“ des Managements durch AOP betrachtet werden. Die Gewährung<br />
von nackten Optionen wurde in Deutschland durch das KonTraG von 1998 ermöglicht;<br />
diese setzen – im Gegensatz zur vorherigen Umsetzung mittels Options- und Wandelschuldverschreibungen<br />
– keine Eigenbeiträge der Begünstigten voraus. Dennoch haben einzelne<br />
deutsche DAX-Unternehmen Eigeninvestments mit der Teilnahme an AOP gekoppelt (z.B.<br />
BASF AG, E.ON AG, Bayer AG).<br />
29<br />
In einer Untersuchung für Großbritannien aus dem Jahr 1999 in 316 britischen Beteiligungsunternehmen<br />
konnte ermittelt werden, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle (63%) im<br />
Rahmen der steuerlich geförderten AOP (Company Share Option Plans) unmittelbar nach den<br />
Optionsausübung eine Weiterveräußerung der Aktien erfolgte (vgl. http://www.proshare.org/<br />
Research/cos.asp). Murphy (1999, 2534) berichtet, dass Führungskräfte in den USA im Verlauf<br />
der 90er Jahre erhebliche Zuwächse an Aktienoptionen erhielten, gleichzeitig wurden deren<br />
Anteile am Aktienvermögen des eigenen Unternehmens reduziert. Diese Beobachtungen<br />
lassen schließen, dass Aktienoptionen verstärkt ausgeübt wurden, ohne dass die Begünstigten<br />
den längerfristigen Besitz an Aktien ihres Unternehmens erhöhten. Die Zusatzentgelte aus<br />
Aktienoptionen wurden also entweder zu diversifizierten Vermögensanlagen oder zu Konsumausgaben<br />
verwendet.<br />
30<br />
Das KonTraG verlangt gesetzliche Mindestwartefristen von zwei Jahren bis zur Verfügungsberechtigung<br />
von Aktienoptionen.
334 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
längerfristige Bindung kann allerdings die subjektive Risikoaversion der Begünstigten<br />
erhöhen.<br />
Subjektive Risikoaversionen des Managements – gestützt durch längerfristige<br />
Bindungen des subjektiven firmenspezifischen Humankapitals – können sich in verschiedenen<br />
Ausweichstrategien des Managements zur Reduktion ihrer Einkommens-<br />
und Beschäftigungsrisiken äußern. In der Unternehmenspraxis würde z.B. eine starke<br />
Diversifikation der Geschäftsaktivitäten dazu beitragen, die spezifischen Unternehmensrisiken<br />
und folglich die Risiken <strong>variabler</strong> Entgeltverträge zu mindern. Sofern<br />
„...conglomerate mergers [...] are often associated with negative shareholder returns...“<br />
(Bloom/Milkovich 1998, 286), können die Renditeinteressen der Aktionäre<br />
beeinträchtigt werden. Weiterhin kann sich das Management gezielt vor subjektiven<br />
Arbeitsplatzrisiken im Fall von Übernahmen schützen, indem es die externen governance-Mechanismen<br />
der Kapitalmärkte durch die Etablierung von „freundlichen“ Aktionärsgruppen<br />
(z.B. Mitarbeiter-Aktionäre) schwächt (vgl. Bloom/Milkovich 1998,<br />
285 f.). 31 Nach vorliegenden empirischen Befunden können jedoch hierdurch substantielle<br />
Kursrückgänge der Aktien des jeweiligen Unternehmens ausgelöst werden, zu<br />
Lasten der Anteilseigner (vgl. Walsh/Seward 1990, 440). Überdies mag für Manager<br />
in Unternehmen mit AOP ein Anreiz für eine restriktive Dividendenpolitik bestehen,<br />
weil Liquiditätsabflüsse den Firmen- und somit zugleich den Optionswert schmälern.<br />
Das Bestreben des Managements zur Gewinnthesaurierung 32 dürfte mit steigenden<br />
Risikotransfers durch AOP wachsen, wodurch schließlich die Verzinsung der Eigenkapitalgeber<br />
(Aktionäre) gemindert werden kann (vgl. Kramarsch 1999, 67; Winter,<br />
2000 52 f.). Insgesamt lassen die vorstehenden Argumente schließen, dass eine effiziente<br />
Gestaltung von AOP möglichst eine Balance zwischen Anreizeffekten einerseits<br />
und Risikoproblemen andererseits berücksichtigen müssen, damit dysfunktionale<br />
Ausweichreaktionen des Managements möglichst gering gehalten werden können.<br />
Spezifische Risikofaktoren von AOP bei New Economy-Unternehmen<br />
Die Abgrenzung der Unternehmen der New Economy wird hier idealtypisch vorgenommen:<br />
Es handelt sich häufig um junge Unternehmen in wissens- und technologieintensiven<br />
Branchen, wie z.B. im Bereich Internet-Aktivitäten und Biotechnologie.<br />
Ferner: Diese Firmen haben i.d.R. relativ geringere Unternehmensgrößen im<br />
Vergleich zu Unternehmen traditioneller Branchen; vornehmlich jüngere Technologie-Unternehmen<br />
bilden börsennotierte Gesellschaften spezifischer Aktienmarkt-<br />
31 Hebestreit (2000, 192 ff.) kann anhand einer Fallstudie einer französischen Bank belegen, dass<br />
Solidarisierungseffekte der Mitarbeiter-Aktionäre mit der Unternehmensleitung maßgeblich zur<br />
Abwehr eines Übernahmeversuchs durch ein anderes Kreditinstitut beigetragen haben.<br />
32 Die Inhaber von Aktienoptionen erwerben als solche keine Ansprüche auf Dividendenzahlungen,<br />
anders als die Aktionäre des Unternehmens. Hieraus resultieren Anreize der Optionsinhaber<br />
(agents), die Dividendenzahlungen einzuschränken. Vielmehr sind stärkere Anreize zu<br />
Aktienrückkäufen wegen positiver Kurseffekte anzunehmen.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 335<br />
segmente („Neuer Markt“-Unternehmen). Diese Unternehmen haben wegen ihrer<br />
Know how-Intensität einen relativ qualifizierten Personalbedarf und einen hohen Bedarf<br />
an eigenen Finanzierungsmitteln in Relation zu den Umsätzen, insbesondere<br />
auch um vergleichsweise höhere, risikohaftere FuE-Investitionen durchführen zu<br />
können (vgl. Scherer 2000, 62). Dem Charakter der jungen, technologieintensiven<br />
Unternehmen der New Economy entspricht ein typisches, eher unstetiges Entwicklungsprofil<br />
im Zeitverlauf mit ungewissen Erfolgspotentialen bei zunächst hohen objektiven<br />
firmenspezifischen Risikofaktoren. Die überproportionalen Erfolgschancen<br />
bzw. wirtschaftlichen Risiken schlagen sich in heterogenen Merkmalen der Differenzierung<br />
zwischen den einzelnen Unternehmen mit höheren Insolvenz- und Bestandsrisiken<br />
der Unternehmen nieder, sowie in höheren Volatilitäten der Ertragsentwicklungen<br />
und der jeweiligen Aktienkurse an den Finanzmärkten. Gemäß der agency-<br />
Theorie sind folglich bei überproportionalen objektiven finanzwirtschaftlichen Risiken<br />
dieser Unternehmen allgemein geringere Beteiligungsintensitäten, sprich: geringere<br />
Anteile <strong>variabler</strong> Entgeltverträge der agents, zu erwarten. Denn mit höheren<br />
Kursrisiken und Erwartungsunsicherheiten der Finanzmarktakteure sowie höheren Insolvenzrisiken<br />
der jungen Unternehmen raten agency-theoretische Überlegungen eher<br />
zu einer Verringerung der Risikointensitäten <strong>variabler</strong> Entgelte, um Fehlanreize mit<br />
afunktionalen Ausweichreaktionen der jeweiligen Führungskräfte zu verhindern. 33<br />
Die Beobachtungen zur Häufigkeit und Gestaltung von AOP bei technologieintensiven<br />
Unternehmen des Neuen Marktes deuten hingegen in eine andere Richtung:<br />
Diese Unternehmen haben AOP oft in extensiver Weise implementiert; viele Unternehmen<br />
gewähren Aktienoptionen an breite Mitarbeiterkreise, die variablen Entgelte<br />
mittels Aktienoptionen machen eher höhere Relationen zu den Basisentgelten der<br />
Mitarbeiter aus. Dieser extensive Einsatz von AOP bei Neuer Markt-Unternehmen erscheint<br />
bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, dass AOP aus agency-theoretischer<br />
Sicht der Unternehmenseigner relativ aufwändige Entgeltinstrumente bilden 34 , die aus<br />
arbeitsökonomischer Sicht nur lohnend sind, wenn positive Anreiz- und Produktivitätseffekte<br />
zu erwarten sind (vgl. Murphy 1999, 2511). Hinzu kommt, dass diese Unternehmen<br />
nach vorliegenden Erkenntnissen eines Studienprojekts relativ häufiger<br />
standardisierte Formen von AOP verwenden, mit geringeren Häufigkeiten von Gestaltungsparametern<br />
der Risikobegrenzung (z.B. indexierte Ausübungshürden). 35 Wie<br />
kann dieser offenkundige Widerspruch zur agency-Theorie begründet werden?<br />
33 „[...] among higher-risk firms, greater use of incentive pay should be negatively related to<br />
firm performance.“ (Bloom/Milkovich 1998, 286).<br />
34 Der Ertragswert der Aktienoptionen aus der Sicht der Begünstigten ist allgemein geringer als<br />
die Opportunitätskosten der Unternehmenseigner (Murphy 1999, 2511).<br />
35 Dieser Befund bildet u.a. ein Ergebnis einer postalischen Befragung unter DAX-30- und<br />
NEMAX-50-Unternehmen im Rahmen eines Studienprojekts an der Universität Trier im<br />
Sommersemester 2000<br />
(vgl. http://www.uni-trier.de/uni/fb4/vwl-apo/PBSF2000/aop/index.htm).
336 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
Eine theoriekonforme Erklärung mag in der subjektiven Risikobereitschaft der<br />
Mitarbeiter dieser Unternehmensgruppe liegen. Die Toleranzen der betreffenden Mitarbeiter<br />
gegenüber den speziellen Unternehmensrisiken oder den Risiken <strong>variabler</strong><br />
Entgeltverträge mögen deutlich stärker ausgeprägt sein als bei vergleichbaren Mitarbeitergruppen<br />
in Unternehmen traditioneller Branchen. Bereits die Bereitschaft zum<br />
Eintritt in junge Unternehmen der New Economy dürfte daher unterschiedliche Einstellungen<br />
der Beschäftigten signalisieren; andererseits kumulieren jedoch auch die<br />
überproportionalen Insolvenz- und Arbeitsplatzrisiken dieser Arbeitnehmer, so dass<br />
gleichfalls eine höhere subjektive Risikobereitschaft erforderlich wird. Überdies sind<br />
spezifische unternehmenspolitische Vorteile aus personal- und finanzwirtschaftlicher<br />
Sicht anzunehmen. Denn die jungen Technologie-Unternehmen befinden sich in einem<br />
intensiven Personalwettbewerb mit den Großunternehmen traditioneller Branchen,<br />
die i.d.R. höhere Basisentgelte zahlen können, und ausländischen Konkurrenzunternehmen.<br />
Folgerungen:<br />
11. AOP gelten als strategische monetäre Anreizsysteme vornehmlich für Führungskräfte<br />
zur Verringerung von Zielkonflikten in den principal-agent-Beziehungen;<br />
die Asymmetrien zwischen den Akteuren lassen allerdings kaum eine perfekte Interessenparallelisierung<br />
mittels AOP erwarten. Als präferierte Gestaltungsformen<br />
resultieren z. B. kombinierte Bezugsgrößen für die Optionsausübung sowie begrenzte<br />
Formen des Eigeninvestments der Berechtigten in Form von Aktien des<br />
jeweiligen Unternehmens.<br />
12. Junge technologie-intensive Unternehmen der New Economy verwenden besonders<br />
aus personal- und finanzwirtschaftlichen Gründen die Instrumente <strong>variabler</strong><br />
Entgeltverträge mittels AOP relativ extensiv, obwohl agency-theoretische Überlegungen<br />
eher das Gegenteil erwarten lassen.<br />
Der extensive Einsatz von AOP in börsennotierten Unternehmen der New Economy<br />
lässt sich daher vornehmlich durch zwei besondere Vorteile erklären: Aus personalwirtschaftlicher<br />
Sicht erleichtern AOP als Bestandteil der Vergütung die Rekrutierung<br />
und Bindung von hochqualifizierten Mitarbeitern im Personalwettbewerb der<br />
Unternehmen. Selektions- und Signaleffekte der Rekrutierung qualifizierter, risikobereiter<br />
Mitarbeiter dürften hier besonders relevant sein (vgl. Scherer 2000, 62 f.;<br />
Tuschke 2002, 52 ff.). Zugleich bewirkt eine relative Substitution fixierter Entgeltkomponenten<br />
durch Aktienoptionen aus finanzwirtschaftlicher Perspektive eine<br />
Schonung der Unternehmensliquidität, weil mehr oder weniger große Entgeltbestandteile<br />
über die Kapitalmärkte finanziert werden.<br />
Revisionen von AOP (flexiblen Entgeltverträgen) nach unerwarteten Baisse-<br />
Entwicklungen der Aktienmärkte?<br />
Die Jahre 2000/2001 führten an den Aktienmärkten zu substantiellen Wertverlusten<br />
der Anteilspapiere einer Vielzahl von börsennotierten Gesellschaften über nahezu<br />
alle Branchen; die Aktienkurse waren abwärts gerichtet, die Technologiewerte
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 337<br />
verliefen dabei deutlich schlechter als die Standardwerte an den internationalen Finanzmärkten.<br />
Die Baisse-Entwicklung führte vielfach zu einem drastischen Absinken<br />
der Kursnotierungen unter die in AOP vereinbarten (absoluten) Bezugskurse. Die vor<br />
der Baisse gewährten Aktienoptionen gerieten dadurch „out of money“, d.h. die<br />
betreffenden Aktien der Unternehmen können jetzt und in mittelfristiger Zukunft zu<br />
einem geringeren Börsenkurs erworben werden als zu den Bezugskursen der AOP.<br />
Die aktuellen monetären Anreizfunktionen von AOP können dadurch entfallen. Wie<br />
mögen betroffene Unternehmen auf diese Entwertungen der monetären Anreize ihrer<br />
AOP reagieren?<br />
Die Beobachtungen deuten auf differenzierte Anpassungsreaktionen hin: Etablierte<br />
Großunternehmen neigen offenbar zu abwartendem Verhalten, während einige<br />
Unternehmen der New Economy mit Standardformen von AOP zu Revisionen der<br />
flexiblen Entgeltverträge tendieren. Das unterschiedliche Anpassungsverhalten beider<br />
Unternehmensgruppen erscheint nach den vorhergehenden Abschnitten im Prinzip<br />
verständlich: Die Aktienoptionen der etablierten Unternehmen sind i.d.R. für die<br />
Gruppe der Führungskräfte reserviert und besitzen eher den Charakter eines Zusatzentgelts.<br />
In New Economy-Unternehmen werden AOP hingegen extensiv genutzt und<br />
dienen zudem als Substitute für Teile vergleichbarer fixierter Basiseinkommen (o.V.<br />
2001, 16). Die objektiven Risiken <strong>variabler</strong> Entgeltteile sind bei relativ hohen<br />
Schwankungen der Aktienkurse der New Economy vergleichsweise größer. Diese<br />
Unternehmen dürften daher gezielte Anpassungsmaßnahmen vornehmen, um die Risikostrukturen<br />
ihrer Entgeltverträge mittels AOP zu verändern. Eine mögliche Anpassung<br />
könnte z.B. eine Anhebung der fixen Entgeltkomponenten bedeuten, um die Risikointensitäten<br />
der variablen Entgeltteile zu verringern. Diese Reaktion wird allerdings<br />
für kapitalschwache Firmen wegen der höheren Liquiditätsabflüsse kaum umsetzbar<br />
sein. Diese Firmen dürften daher andere Anpassungen ihrer AOP vornehmen<br />
36 , z.B. „repricing“-Strategien ihrer variablen Entgeltverträge, um die Anreizfunktionen<br />
der Optionen nach Baisse-Entwicklung der Märkte wiederherzustellen.<br />
Eine solche Maßnahme des repricing der Optionen bezeichnet Absenkungen der Ausübungskurse<br />
(„strike prices“) der Bezugsrechte unter die ex post-Marktwerte der jeweiligen<br />
Aktien, damit die Aktienoptionen während der Programmlaufzeiten ihren<br />
Wert nicht verlieren (Pirchegger 2002, 90 f.).<br />
Die vertragstheoretische Deutung dieser repricing-Maßnahmen zur Reduktion<br />
der Entgeltrisiken im ex post-Verlauf der Verträge erscheint nicht eindeutig: Falls<br />
nämlich während der Laufzeit unvollkommener Anreizverträge neue Informationen<br />
über ex ante nicht vorhersehbare exogene Ereignisse bzw. Marktrisiken auftreten,<br />
können vertragliche ex post-Anpassungen die Anreizwirkungen revidierter Entgelt-<br />
36 Denkbar wäre z.B. eine Verlängerung der Ausübungszeiträume von Aktienoptionen, um die<br />
Wahrscheinlichkeiten von Wertverlusten nach der aktuellen Baisse-Phase der Aktienmärkte<br />
zu reduzieren. Die kürzerfristige Verfügbarkeit der Aktienoptionen würde dadurch allerdings<br />
gemindert.
338 <strong>Heinz</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Hardes</strong>, <strong>Heiko</strong> <strong>Wickert</strong>: <strong>Zum</strong> <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Beteiligungsformen<br />
verträge der agents aus der Sicht der principals verbessern. Denn die Beachtung von<br />
ex ante nicht verfügbaren Informationen kann den Einfluss nicht kontrollierbarer<br />
Entgeltrisiken vermindern. Andererseits: Gibt es während der Laufzeiten der Entgeltverträge<br />
mittels AOP durch negative firmenspezifische Kursentwicklungen auch Signale<br />
über das Leistungsverhalten der agents sind Nachverhandlungen für die principals<br />
eher afunktional. Denn ein repricing würde eine ex post-“Belohnung“ von negativem<br />
Leistungsverhalten der agents bedeuten, mit Konsequenzen für Fehlanreize über<br />
die vertraglichen Restlaufzeiten (Pirchegger 2002, 104 f.). Die Anreizfunktion der<br />
variablen Entgelte für eine wertorientierte Unternehmenspolitik würde dadurch geschwächt.<br />
Ein repricing von AOP darf nicht zur Kompensation einer verfehlten Geschäftspolitik<br />
genutzt werden. Die nachvertragliche Risikoverminderung <strong>variabler</strong><br />
Entgeltverträge durch repricing-Maßnahmen der AOP lässt sich im ersten Fall als<br />
vertragliche Revision aufgrund einer Korrektur der Markterwartungen deuten. Sie<br />
verweist darauf, dass die ursprünglichen Entgeltverträge mittels AOP auf fehlerhaften,<br />
allzu optimistischen Markterwartungen beruhten. Die Revisionen belegen insoweit,<br />
dass AOP – aus vertraglicher Sicht betrachtet – imperfekte Entgeltverträge mit<br />
unsicheren Erwartungen für die längerfristige Zukunft bilden. Bestimmte Formen des<br />
repricing von AOP lassen zudem schließen, dass die jeweiligen Gestaltungsformen<br />
mit der Wahl unrealisierbarer Bezugskurse eher fehlspezifiziert waren. Die objektiven<br />
Marktrisiken der ex ante-Entgeltverträge wurden nicht hinreichend durch andere<br />
Gestaltungsformen der AOP (etwa relative Ausübungshürden und längerfristige Ausübungszeiträume)<br />
abgesichert. Diese Diagnose mag im speziellen für einzelne Unternehmen<br />
der New Economy und deren AOP gelten.<br />
Folgerung:<br />
13. Nachvertragliche Revisionen von AOP nach Baisse-Phasen der Finanzmärkte belegen<br />
den imperfekten Charakter der ex ante-Entgeltverträge. Die vertragstheoretische<br />
Deutung lässt auf Erwartungsfehler der Akteure und fehlspezifizierte Gestaltungsformen<br />
von AOP schließen.<br />
5. Fazit<br />
Die vorstehenden Überlegungen zur Gestaltung <strong>variabler</strong> Beteiligungsentgelte<br />
wurden aus vertrags- und agency-theoretischen Basiskonzepten entwickelt, um anschließend<br />
eine Reihe von Folgerungen zur betrieblichen Praxis monetärer Beteiligungsformen<br />
abzuleiten. Die Folgerungen betrafen drei Varianten von variablen Entgelten,<br />
periodische Bonussysteme (Erfolgsbeteiligungen) von Mitarbeitern sowie Kapitalbeteiligungen<br />
börsennotierter Unternehmen, MAP, vornehmlich für betriebliche<br />
Kernbelegschaften, und AOP, insbesondere für Führungskräfte.<br />
Jährliche Bonussysteme bilden Entgeltverträge mit variablen Zusatzentgelten,<br />
i.d.R. mit Risikoprämien relativ produktivitätsstarker Beteiligungsunternehmen. Monetäre<br />
Anreizeffekte und Risiken betreffen hier teilvariable periodische Entgeltschwankungen,<br />
in Abhängigkeit von unternehmensbezogenen Performancegrößen.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 339<br />
Marktbasierte Aktienbeteiligungen von Mitarbeitern und Führungskräften unterliegen<br />
Wertschwankungen der Anteilspapiere an den Finanzmärkten, mit längerfristigen<br />
variablen Renditechancen und objektiven, marktbeeinflussten Kursrisiken. Zu einer<br />
größeren Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter sind vorzugsweise Programme<br />
mit geringeren Kursverlustrisiken zu empfehlen; die traditionellen MAP könnten<br />
dann in Analogie zu den AOP der Führungskräfte als succes sharing-Systeme – im<br />
Sinne <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte ohne Opportunitätskosten in Form von Einbußen an<br />
Basisentgelten – entwickelt werden.<br />
Insgesamt hat dieser Beitrag versucht, den <strong>Risikocharakter</strong> <strong>variabler</strong> Entgeltverträge<br />
in verschiedenen Beteiligungsformen der Mitarbeiter bzw. Führungskräfte herauszuarbeiten.<br />
Die Chancen <strong>variabler</strong> Zusatzentgelte blieben jeweils nicht ohne verschiedene<br />
Elemente eines risk sharing. Ohne Zweifel haben die jüngeren Erfahrungen<br />
zu einer größeren Sensitivität vieler Mitarbeiter gegenüber den Risiken <strong>variabler</strong> Entgeltverträge<br />
beigetragen. Aus der Sicht der Entgeltpolitik der Beteiligungsunternehmen,<br />
die häufig eine überproportionale Arbeitsproduktivität und weitere Unternehmensmerkmale<br />
einer qualifizierten Personalstruktur und hoher Wissensinnovation<br />
aufweisen, dürfte der Bedarf an Vertrauenskapital der Berechtigten mit einer größeren<br />
Sensitivität gegenüber den Risiken <strong>variabler</strong> Entgeltverträge gestiegen sein. Die<br />
Entgeltpolitik der Beteiligungsunternehmen sollte daher verstärkt als Element eines<br />
Bündels gleichgerichteter Maßnahmen einer spezifischen Unternehmenspolitik betrachtet<br />
werden. Beteiligungsunternehmen bedürfen einer besonderen Organisations-<br />
und Vertrauenskultur, mit einer gezielten Förderung der unternehmensinternen<br />
Kommunikation und Maßnahmen zu Gunsten eines Vertrauensklimas im Unternehmen.<br />
Variable Beteiligungsentgelte sollten folglich als Teil einer umfassenderen Unternehmenskultur<br />
betrachtet werden.<br />
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