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Ursula Müller Asymmetrische Geschlechterkultur in Organisationen ...

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124 <strong>Müller</strong>: <strong>Asymmetrische</strong> <strong>Geschlechterkultur</strong> <strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong> (ZfP 2/98)<br />

1. Zur „Herstellung“ von Geschlechterdifferenz<br />

In dem folgenden Beitrag geht es um Aspekte e<strong>in</strong>er problematischen „<strong>Geschlechterkultur</strong>“,<br />

die den gesellschaftlichen Alltag prägt und sich auch <strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong> vorf<strong>in</strong>det<br />

– und dort dann <strong>in</strong> verschiedenen Ausdrucksformen, die mit der Art der Organisation,<br />

dem Organisationszweck, der Organisationsstruktur u.a. variieren. Elemente dieser<br />

<strong>Geschlechterkultur</strong> s<strong>in</strong>d Symbolisierungen von Männlichkeit und Weiblichkeit (z.B.<br />

Kleidung, Geschlechterbilder <strong>in</strong> den Medien o.a.) und Kommunikations- und Wahrnehmungsformen,<br />

die unser „kulturelles System der Zweigeschlechtlichkeit“ immer<br />

wieder hervorbr<strong>in</strong>gt. 1 Diese <strong>Geschlechterkultur</strong> ist problematisch, weil sie häufig mit<br />

e<strong>in</strong>er quantitativen und positionalen männlichen Dom<strong>in</strong>anz e<strong>in</strong>hergeht, wie etwa im<br />

Wissenschaftsbetrieb und auf dem Arbeitsmarkt, und weil „männliche“ Situationsdeutungen<br />

meist noch höhere Durchsetzungskraft haben als „weibliche“. E<strong>in</strong>e solche <strong>Geschlechterkultur</strong><br />

können wir „asymmetrisch“ nennen.<br />

E<strong>in</strong> wesentliches Element von asymmetrischer <strong>Geschlechterkultur</strong> <strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong><br />

ist die „Herstellung“ von Differenz zwischen den Geschlechtern, wenn sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise<br />

vorgenommen wird, daß die e<strong>in</strong>e Seite dieser Differenz – die „männliche“ – maßstabbildend<br />

und die andere Seite – die „weibliche“ – auf diesen Maßstab bezogen def<strong>in</strong>iert wird.<br />

Die Unterscheidung verläuft dann nicht nach dem Muster „A � B“, sondern nach dem<br />

Muster „A � nicht-A“. Es f<strong>in</strong>det damit ke<strong>in</strong>e gleichwertige und gleichgewichtige Unterscheidung<br />

von Männern und Frauen statt, sondern Frauen ersche<strong>in</strong>en als das „andere“ der<br />

Männer. Von hier ist der Schritt zur Abwertung des auf diese Weise Abgegrenzten nicht<br />

mehr groß (vgl. hierzu Kl<strong>in</strong>ger 1995; Luhmann 1988; He<strong>in</strong>tz et al. 1997).<br />

In der heutigen Zeit verr<strong>in</strong>gern sich die Möglichkeiten, Differenzen zwischen den<br />

Geschlechtern <strong>in</strong> der Weise zu konstruieren, daß „Frauen“ oder „Weiblichkeit“ abgewertet<br />

werden, von Tag zu Tag. Bildung, Leistung, Berufsmotivation, Ansprüche an<br />

Berufsarbeit der seit dem zweiten Weltkrieg geborenen Frauengenerationen werden denen<br />

der Männer immer ähnlicher, so daß die Legitimationsbasis für den noch fortbestehenden<br />

Ausschluß von Frauen aus bestimmten Tätigkeitsbereichen und den meisten e<strong>in</strong>flußreichen<br />

Positionen immer brüchiger wird. Symbolische und kommunikative Mittel<br />

werden zur Herstellung von Separierungen der Geschlechter <strong>in</strong> dem Ausmaß immer bedeutsamer,<br />

<strong>in</strong> dem formale Grenzen wegfallen und <strong>in</strong> der Gesellschaft <strong>in</strong>sgesamt die<br />

1 Mit diesem Begriff bezeichnete Carol Hagemann-White erstmals im deutschen Sprachraum<br />

die theoretische Vorstellung, daß die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen weniger biologisch<br />

als vielmehr sozio-kulturell def<strong>in</strong>iert ist. Während im Alltagsverständnis davon ausgegangen<br />

wird, biologische Merkmale führten zur sozialen Zuschreibung von männlicher<br />

oder weiblicher Geschlechtszugehörigkeit, geht dieses Konzept im Gegenteil davon aus, daß<br />

die soziale Zuschreibung der Geschlechtszugehörigkeit vorrangig ist und die „passende“<br />

Körperlichkeit unterstellt wird. Das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit stellt e<strong>in</strong><br />

grundlegendes, aber weitgehend unbewußtes Wahrnehmungs- und Vorstellungsmuster <strong>in</strong><br />

unserer gesellschaftlichen Ordnung dar. Die Geschlechter werden <strong>in</strong> diesem System als e<strong>in</strong>ander<br />

ausschließend und polarisiert betrachtet; fließende Übergänge, wie etwa „weibliche“<br />

Aspekte <strong>in</strong>nerhalb der „Männlichkeit“, s<strong>in</strong>d hierbei ebenso wenig vorgesehen wie die<br />

Möglichkeit, sich für das Geschlecht e<strong>in</strong>er Person e<strong>in</strong>fach nicht zu <strong>in</strong>teressieren.

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