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Ursula Müller Asymmetrische Geschlechterkultur in Organisationen ...

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126 <strong>Müller</strong>: <strong>Asymmetrische</strong> <strong>Geschlechterkultur</strong> <strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong> (ZfP 2/98)<br />

Grundverständnis moderner <strong>Organisationen</strong>, das ihre formalen Abläufe, die Erfüllung<br />

von Funktionen und Anforderungen unabhängig von Alter, Geschlecht, Haarfarbe, ethnischer<br />

Zugehörigkeit oder sonstiger Merkmale der Personen garantieren sollen, die <strong>in</strong><br />

diesen arbeiten.<br />

Daß dem <strong>in</strong> der Realität nicht so ist, wurde lange Zeit nur <strong>in</strong> populärwissenschaftlicher<br />

Literatur, z.B. <strong>in</strong> den sog. Karriere-Ratgebern für Frauen angesprochen. 3 Die Ratgeber<br />

der 70er Jahre rieten aufstiegswilligen Frauen zu Kostümen <strong>in</strong> Herrenjacket-<br />

Form, zur weißen Bluse und zur zurückhaltenden Frisur; dr<strong>in</strong>gend abgeraten wurde von<br />

glitzerndem Schmuck, auffälligem Makeup und jeder Art der Körperbetonung. Die<br />

Leitl<strong>in</strong>ie für Verhalten war: lernen, die Spiele der Männer mitzuspielen. Wurde <strong>in</strong> den<br />

70er Jahren der Schlüssel zum Erfolg <strong>in</strong> der maximalen Angleichung der Frauen an die<br />

Männer gesehen, so geben die Ratgeber spätetestens seit Mitte der 80er Jahre e<strong>in</strong> anderes<br />

Signal. Nunmehr sollen Karrierefrauen die Abweichung vom Männlichen <strong>in</strong> (für<br />

Männer) erträglichem Ausmaß repräsentieren. Weiche Kleider, längere Haare werden<br />

empfohlen; der Wahlspruch heißt: „Stehen Sie zu Ihrer Weiblichkeit“; dr<strong>in</strong>gend abgeraten<br />

wird davon, e<strong>in</strong>e Kopie von Männern darstellen zu wollen. 4<br />

In der Diskussion über diese Entwicklung können wir Elemente e<strong>in</strong>er „<strong>Geschlechterkultur</strong>“<br />

<strong>in</strong> <strong>Organisationen</strong> erkennen, wie ich sie bisher abstrakt beschrieben habe:<br />

Weiblichkeits- (und Männlichkeits-)Zuschreibungen und die Symbole, über die sie sich<br />

vollziehen (Jacket versus Kleid) f<strong>in</strong>den sich hier. Auch zeigt sich e<strong>in</strong>e – zunächst nicht<br />

offensichtliche – Asymmetrie: Die Festlegung, was „weiblich“ ist, orientiert sich an der<br />

Abgrenzung von oder der Ähnlichkeit zu dem, was „männlich“ ist (so ähnlich wie möglich<br />

oder <strong>in</strong> gekonnter Abgrenzung). Das Spektrum „zulässiger“ Weiblichkeit <strong>in</strong> Karrierepositionen<br />

hat sich erweitert, aber der Maßstab für das „Zulässige“ wird noch nicht<br />

von Frauen selbst bestimmt. E<strong>in</strong> weiterer H<strong>in</strong>weis auf das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „asymmetrischen<br />

<strong>Geschlechterkultur</strong>“ ist dar<strong>in</strong> zu sehen, daß für Frauen <strong>in</strong> Karrierepositionen<br />

überhaupt Bekleidungsh<strong>in</strong>weise, „Styl<strong>in</strong>g-Tips“ etc. gegeben werden, während sie <strong>in</strong><br />

Karriere-Ratgebern für Männer fehlen.<br />

Wir f<strong>in</strong>den hier e<strong>in</strong>en Widersche<strong>in</strong> dessen, was die amerikanische Organisationssoziolog<strong>in</strong><br />

Rosabeth Moss Kanter bereits 1977 über die Situation von Frauen <strong>in</strong> männerdom<strong>in</strong>ierten<br />

<strong>Organisationen</strong> bzw. Positionen gesagt hat. Anders als Männer reicht es<br />

nicht aus, ihr Verhalten als organisationelles zu managen; sie müssen es auch als „persönliches“<br />

<strong>in</strong>szenieren. Die kulturell tradierte Vorstellung, „Weiblichkeit“ und ernsthafte<br />

Berufstätigkeit schlössen e<strong>in</strong>ander aus, begegnet ihnen als tägliche Anforderung, ihre<br />

„Weiblichkeit“ und die beruflichen Anforderungen mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Balance zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Hierzu e<strong>in</strong> Beispiel aus me<strong>in</strong>en ersten Tagen als neu berufene Professor<strong>in</strong>:<br />

In me<strong>in</strong>em ersten Jahr als Professor<strong>in</strong> war ich sofort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Vielzahl von Gremien h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gewählt<br />

worden; ferner war der Lehrstuhl lange Zeit vakant gewesen, und e<strong>in</strong>e Vielzahl von Studie-<br />

3<br />

Zwar führte die „Entdeckung“ der <strong>in</strong>formellen Strukturen <strong>in</strong> Arbeitsorganisationen <strong>in</strong> den<br />

40er Jahren zu e<strong>in</strong>er Differenzierung dieser Sichtweise, ließ „Geschlecht“ als möglicherweise<br />

strukturbildende Kategorie außen vor.<br />

4<br />

Näheren Aufschluß über diese Literatur und deren Realitätsbezug bei Weber (1993); <strong>Müller</strong><br />

(1995); Rastetter (1994).

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