Thomas Mann: “Der Kleiderschrank” – Originaltext und Übersetzung ...
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Darstellungen stützen sich auf eine sorgfältige Wahl jedes Adjektivs, das als „eine späte <strong>und</strong><br />
verfeinerte Wortart“ 76 betrachtet wird: zum Beispiel wenn <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> in „Herr <strong>und</strong> H<strong>und</strong>“ „unter<br />
62 Adjektiven für Größenverhältnisse nur 12 mal groß oder klein gebraucht, so ist das ein<br />
sprechendes Zeugnis für seine Kultur des kleinen Wortes“ 77 . Außerdem lassen sie selten Stilmittel<br />
wie Metaphern <strong>und</strong> Vergleiche zu. Durch Metaphern, die einen indirekten Vergleich herstellen,<br />
drückt man Emotionen, Liebe, Spannung aus, indem man einen ironischen Abstand behält. Die<br />
Ironie kommt auch aus dem Gebrauch von zweideutigen Wörtern, die sowohl die Eigentlichkeit als<br />
auch die Uneigentlichkeit zeigen <strong>und</strong> diese Dualität kann eine komische Wirkung haben.<br />
<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> benutzt diese Mischung zwischen Ironie <strong>und</strong> Realismus auch in seinen<br />
Beschreibungen <strong>und</strong> Figuren, die besonders lächerliche Merkmale in den Vordergr<strong>und</strong> stellt <strong>und</strong><br />
versucht, den Unterschied zwischen den gewöhnlichen, blauäugigen <strong>und</strong> blonden Bürgern <strong>und</strong> den<br />
besonderen, unverstandenen <strong>und</strong> einsamen Künstlern zu zeigen. Das interessanteste ist es, dass<br />
das Entfremdungsgefühl <strong>und</strong> das Leiden als eine Erwähltheit oder als „das Schicksal jedes<br />
feineren, jedes besonderen Menschtums“ 78 gesehen werden: deswegen wird die Kunst nur für<br />
einen Trost gehalten <strong>und</strong> der Künstler-Ironiker empfindet sich als melanconisch, genügsam <strong>und</strong><br />
anspruchslos.<br />
2.5 Die Sprache <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s<br />
„Die Welt ist durch das Sieb des Wortes gesiebt“<br />
(Karl Kraus)<br />
Das Schreiben von <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> setzt „statt aufs Erfinden aufs Finden“ 79 . <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> benutzt<br />
nämlich eine kultivierte, glänzende, hervorragende, präzise <strong>und</strong> verfeinerte Sprache, die einen<br />
symbolischen Wert trägt <strong>und</strong> die Rationalität bewahrt.<br />
„<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s Sprachkunst ist eine solche humanistische Kunst. Sie<br />
macht entschieden Front gegen jede Verrohung im Ausdruck. Sie hat<br />
unsere Muttersprache Künste gelehrt, die man ihr vorher nicht<br />
zugetraut hätte.“ 80<br />
Seine Sprache zeigt sich oft komplex <strong>und</strong> implizit, weil er seine Gedanken <strong>und</strong> seine Vorurteile<br />
gegenüber seinen Gestalten nie direkt äußert. <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s Sprache ist von der Distanz der<br />
Ironie <strong>und</strong> von Wirklichkeitstreue geformt: seine Sprache ist „sozusagen reine Durchsichtigkeit, die<br />
einfach Alles zum Ausdruck bringt <strong>und</strong> dabei den Eindruck macht, dass sie das Alles bloß zum<br />
Ausdruck gelangen lässt“ 81 . Manchmal verringert er die Entfernung von den Dargestellten <strong>und</strong> so<br />
wählt er eine andere Sprache, die scheint, als ob sie die Figuren „gegen den direkten Einblick der<br />
Umwelt“ 82 schützte.<br />
Seine Sprache besitzt auch „la fascination des choses“ 83 , die erscheint, „s’apparenter à l’art<br />
flaubertien“ 84 .<br />
76<br />
R. Baumgart, a. a. O., S. 23<br />
77<br />
Ebd., S. 22<br />
78<br />
Ebd., S. 482<br />
79<br />
R. H. Vaget, a. a. O., S. 32<br />
80<br />
E. Hilscher, a. a. O., S. 71<br />
81<br />
K. Kerényi, Romandichtung <strong>und</strong> Mythologie. Ein Briefwechsel, zit. nach R. Baumgart, a. a. O., S. 20<br />
82<br />
B. Müller, a. a. O., S. 83<br />
83<br />
<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>, hg. von Fr. Tristan, a. a. O., S. 191<br />
84<br />
Ebd., S. 191<br />
12