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Thomas Mann: “Der Kleiderschrank” – Originaltext und Übersetzung ...

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Seine langen Sätze werden kunstvoll, solide, gut <strong>und</strong> gründlich verarbeitet, in der Tat werden sie<br />

„mit größter Kompositionskunst zusammengehalten“ 117 . Sie bringen mit sich außerordentliche<br />

Klarheit, Genauigkeit <strong>und</strong> Plastizität.<br />

Der Langsatzstil vermeidet Monotonie, Verschwommenes, Irrationales, Ungenaues <strong>und</strong><br />

Interesselosigkeit. Im Gegenteil sucht <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> nach „der Einheit des Ganzen“ 118 <strong>und</strong> der<br />

„Daueranspannung“ 119 . Er bemüht sich, die Totalität mit ihren Einzelzügen zu beschreiben. Seine<br />

Auswahl dieses komplexen Aufbaus entspricht „einem Ordnungs- <strong>und</strong> Pflichtgefühl“ 120 , das seine<br />

Sätze verzweigt, verwickelt, verschachtelt, spannend, organisch, klar, übersichtlich, elegant,<br />

überaus perfekt <strong>und</strong> komplex werden lässt.<br />

„Seine Sätze sind tatsächlich überdurchschnittlich lang, aber sie<br />

gewinnen Übersichtlichkeit durch den Einsatz der genannten Mittel.<br />

Eine gute Parodie hätte auch sie zu berücksichtigen, denn sie sind<br />

ebenso typisch wie der Langsatz. Ihn als Alleinmerkmal<br />

herauszugreifen entspricht zwar gängiger Sehweise, zeugt aber von<br />

Unvertrautheit mit dem Werk <strong>und</strong> führt zu höchst ärmlichen <strong>und</strong><br />

niveaulosen Karikaturen, - nicht zu echter Parodie!“ 121<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong> hebt einen Einfluss Nietzsches auf die deutsche Prosa hervor: „er verlieh der<br />

deutschen Prosa eine Sensitivität, Kunstleichtigkeit, Schönheit, Schärfe; Musikalität, Akzentviertheit<br />

<strong>und</strong> Leidenschaft <strong>–</strong> ganz unerhört bis dahin <strong>und</strong> von unentrinnbarem Einfluss auf jeden, der nach<br />

ihm deutsch zu schreiben sich erkühnte“ 122 .<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>s Sätze sind wirklich lang: unter 500 Sätzen zählt man „60,8 Prozent […] mit nicht<br />

mehr als 40 Worten […]” 123 <strong>und</strong> „17 mit mehr als 100 Worten” 124 <strong>und</strong> “die durchschnittliche<br />

Satzlänge ist 41,3 Worte, bei einer Schwankungsbreite von 2 bis 347 Worten” 125 . Ausgezeichnete<br />

Beispiele sind: der Anfang des zweiten Kapitels der Novelle „Der Tod in Venedig“, der von Oskar<br />

Seidlin in „Stiluntersuchung an einem <strong>Thomas</strong>-<strong>Mann</strong>-Satz“ analysiert wird, <strong>und</strong> der dritte Satz aus<br />

dem Vorspiel „Höllenfahrt“ in „Joseph <strong>und</strong> seine Brüder“, den Hans Arens in „Analyse eines Satzes<br />

von <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>“ untersucht.<br />

Die beiden Autoren setzen sich zum Ziel, „die Klarheit <strong>und</strong> Übersichtlichkeit des Satzbaus zu<br />

betonen <strong>und</strong> festzustellen, dass diese Qualitäten mit der Aussage des jeweiligen Satzes in Einklang<br />

stehen“ 126 .<br />

117<br />

E. Hilscher, a. a. O., S. 60<br />

118<br />

H. Arens, Analyse eines Satzes von <strong>Thomas</strong> <strong>Mann</strong>, Düsseldorf, Pädagogischer Verlag Schwann, 1964, S. 13<br />

119<br />

Ebd., S. 13<br />

120<br />

A. Biguzzi, Th. Herok, A. Moretti, a. a. O., S. 484<br />

121<br />

R. Neumann, Die Parodien, zit. nach H. Bugiel, a. a. O., S. 232<br />

122<br />

Th. <strong>Mann</strong>, Betrachtungen eines Unpolitischen, zit. nach E. Hilscher, a. a. O., S. 57<br />

123<br />

H. Arens, a. a. O., S. 11<br />

124<br />

Ebd., S. 11<br />

125<br />

Ebd., S. 9<br />

126<br />

Th. Holleweck, a. a. O., S. 94<br />

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