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Thomas Mann: “Der Kleiderschrank” – Originaltext und Übersetzung ...

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<strong>Übersetzung</strong> versucht die Logik dieser rhetorischen Figur zum Nachteil ihrer Wirkung<br />

wiederzugeben: „[…] <strong>und</strong> seine schwanken Jünglingsjahre fühlten sich erdrückt von dem Gewicht<br />

dieser breitschultrigen, rotgesichtigen, weißumlohten Sechzig […]“ 272 ist „et ce sexagénaire large<br />

d’épaules, au visage rouge et aux mêches blanches […] écrasait sous son poids le frêle jeune<br />

homme“ 273 .<br />

Die Metapher ist ein bildlicher Ausdruck, mit dem man einen indirekten Vergleich herstellt <strong>und</strong><br />

häufig wird sie auf Französisch geändert: „Hans Castorp hatte eine schlechte Fieberlinie gehabt, in<br />

steiler Zacke, die er mit einem Gefühl von Festlichkeit eingezeichnet, war seine kurve damals<br />

emporgestiegen <strong>und</strong>, nach einigem Absinken, als Hochplateau fortgelaufen, das sich nur leicht<br />

gewellt, dauernd über der Ebene des bisher Gewohnten hielt“ 274 ist „Hans Castorp avait eu une<br />

mauvaise courbe de température, elle était montée abrutement et il l’avait inscrite avec une<br />

gravité solennelle; après un léger fléchissement, elle s’était prolongée au niveau d’un haut plateau<br />

légèrement ondulé et maintenue constamment au<strong>–</strong>dessus du niveau des températures auxquelles<br />

il était habitué auparavant“ 275 .<br />

Das Oxymoron erlaubt die Koesistenz zwischen entgegengesetzten Elementen. Diese Figur wird<br />

häufig nicht übersetzt, aber seine allgemeine Bedeutung wird verwirklicht: „[…] hätte Hans<br />

Castorp mit den Fingerspitzen an seiner Stirn getrommelt <strong>und</strong> entschieden nicht recht Bescheid<br />

gewusst, - […]“ 276 ist „[…] Hans Castorp n’aurait su répondre qu’en tambourinant du bout des<br />

doigts sur son front, il n’aurait su le dire au juste […]“ 277 .<br />

Das Asyndeton gibt dem Satz „einen gedrängten, schnellen Rhythmus“ 278 . In der französischen<br />

Version wird nicht diese Schnelligkeit gehalten, aber man versucht, die Ironie zu bewahren: „[…]<br />

er pries die Durchleuchtung des Unbewussten lehrte die Wiederverwandlung der Krankheit in den<br />

bewusst gemachten Affekt, mahnte zum Vertrauen, verließ Genesung“ 279 wird „[…] il célébra<br />

l’exploration et l’illumination de l’incoscient, préconisa la retransformation de la maladie en le<br />

sentiment rendu coscient, exhorta à la confiance et promit la guérison“ 280 .<br />

Wortspiele<br />

Die Wortspiele können "insofern als Grenzphänomen bezeichnet werden, als in ihm nicht nur die<br />

informationsübermittelnde Funktion der Sprache ganz zugunsten der Autoreferenz zurücktritt,<br />

sondern auch der sprachliche Defizient, die nicht vorhandene logische Eindeutigkeit <strong>und</strong> damit die<br />

mangelnde Perfektion der Sprache (mit sprachlichen Mitteln) aufs Korn genommen wird“ 281 .<br />

Der sprachlichen Enthüllungsfunktion des Wortspieles gegenüber bearbeitet der Übersetzer den<br />

<strong>Originaltext</strong> mit einer gewissen kreativen Freiheit, um den Sinn <strong>und</strong> den Handlungsverlauf der<br />

histoire zu bewahren. Auf diese Weise gibt er den Inhalt möglichst getreu wieder <strong>und</strong> die<br />

sprachliche Wirkung spielt nur eine nebensächliche Rolle, auch wenn viele Autoren der Meinung<br />

sind, dass die Wortspiele „keine beliebige Verzierung, sondern Bestandteile des Sinnangebots <strong>und</strong><br />

insofern nicht vom narrativen Inhalt zu trennen“ 282 sind: „Also geh, spute dich, zeichne, zeichne<br />

gut, zeichne dich aus!“ 283 ist „Allons, va, dépêche<strong>–</strong>toi, dessine bien et distingue<strong>–</strong>toi“ 284 <strong>und</strong> „Guten<br />

Abend, Ingenieur! Ist es erlaubt, sich nach Ihnen umzusehen? Wenn ja, so bedarf es dazu<br />

Lichtes“ 285 wird „Bonsoir, ingénieur! Est<strong>–</strong>il permis de s’inquiéter de vous? Si oui, il est besoin de<br />

272 Th. <strong>Mann</strong>, Der Zauberberg, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 226<br />

273 Ebd., S. 226<br />

274 Th. <strong>Mann</strong>, Der Zauberberg, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 227<br />

275 Ebd., S. 227<br />

276 Th. <strong>Mann</strong>, Der Zauberberg, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 228<br />

277 Ebd., S. 228<br />

278 Ebd., S. 229<br />

279 Th. <strong>Mann</strong>, Der Zauberberg, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 229<br />

280<br />

Ebd., S. 229<br />

281<br />

Ebd., S. 238<br />

282<br />

K. Reiss, Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der <strong>Übersetzung</strong>skritik, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 240<br />

283<br />

Th. <strong>Mann</strong>, Der Zauberberg, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 243<br />

284<br />

Edb., S. 243<br />

285<br />

Th. <strong>Mann</strong>, Der Zauberberg, zit. nach J. Hellmann, Ebd., S. 242<br />

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