November - rewi.at | FV Jus | UniGraz
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Im vergangenen akademischen<br />
Jahr durfte ich im Rahmen des<br />
Erasmus Mundus Programmes<br />
an der juristischen Fakultät in Novi<br />
Sad in Serbien studieren. Im folgenden<br />
Artikel möchte ich ein paar<br />
Impressionen meiner Zeit in diesem<br />
spannenden Land teilen und mit<br />
einigen Hintergrundinform<strong>at</strong>ionen<br />
die aktuelle Lage beleuchten.<br />
Novi Sad ist die zweitgrößte serbische<br />
Stadt und die Hauptstadt der<br />
nördlichen Provinz „Vojvodina“ und<br />
liegt an der Donau flussaufwärts<br />
etwa 70 km von der Hauptstadt Belgrad<br />
entfernt. Die Größe entspricht<br />
mit ca. 250.000 Einwohnern, davon<br />
38.000 Studenten, in etwa der von<br />
Graz. Die Architektur des Stadtkerns<br />
wurde in der Zeit der Herrschaft der<br />
österreichisch-ungarischen Monarchie<br />
geprägt und das Donauufer wird<br />
von der Festungsanlage Petrovaradin<br />
dominiert. Diese war die größte Fes-<br />
law @graz<br />
Berufsbild Jurist<br />
Добродошли у Србију! Herzlich willkommen in<br />
Serbien!<br />
Zwei Semester als Austauschstudent in Serbien.<br />
tung Europas im 17. Jahrhundert,<br />
die wichtigste Österreich-Ungarns<br />
auf dem Balkan und diente als Bollwerk<br />
gegen die Osmanen.<br />
Doch wie ist nun das Leben in Serbien?<br />
Einer der wohl augenscheinlichsten<br />
Umstände ist das im Vergleich zu<br />
Österreich deutlich niedrigere Preisniveau<br />
in Kaffees und Restaurants.<br />
Beispielsweise zahlt man für einen<br />
Kaffee etwa 1 € und für ca. 3 – 4 €<br />
kann man schon gut essen gehen.<br />
Allerdings rel<strong>at</strong>iviert sich dieses wieder,<br />
wenn man seinen Blick auf das<br />
serbische Durchschnittseinkommen<br />
von 350 € im Mon<strong>at</strong> lenkt. Deshalb<br />
war ich auch überrascht, dass ein<br />
Einkauf im Supermarkt gleich teuer<br />
kommt wie in Österreich. N<strong>at</strong>ürlich<br />
sind die Preise auf dem Bauernmarkt<br />
und in den „chinesischen Geschäften“,<br />
die mit dementsprechenden<br />
Importwaren gefüllt sind, deutlich<br />
geringer, doch trotzdem bleiben das<br />
Leben und der Erhalt einer Familie<br />
mit diesem Durchschnittslohn für<br />
viele schwierig. Die wirtschaftliche<br />
Lage ist sehr schlecht und positive<br />
Nachrichten gibt es diesbezüglich<br />
auch selten. Dementsprechend triste<br />
ist auch die Situ<strong>at</strong>ion für die serbischen<br />
Studierenden. Viele der gut<br />
ausgebildeten, jungen Bewohner des<br />
Landes wollen dieses verlassen, um<br />
ihr Glück im Ausland zu suchen.<br />
Stichwort: Brain-Drain. In der Vojvodina<br />
bietet sich hierbei eine be-<br />
sondere Gelegenheit. Das ungarische<br />
Sta<strong>at</strong>sbürgerschaftsrecht ermöglicht<br />
es Bürgern dieser Region, sofern sie<br />
des Ungarischen mächtig sind und<br />
ungarische Wurzeln haben, einen<br />
Pass zu beantragen. Und dieser ungarische<br />
Pass ermöglicht den Eintritt in<br />
den europäischen Arbeitsmarkt. Die<br />
Anforderungen an den Nachweis der<br />
Wurzeln sind hierbei nicht besonders<br />
hoch und deshalb lernt auch so mancher<br />
Serbe diese schwierige Sprache<br />
um sich eine Tür zu öffnen.<br />
Hör- und sichtbar sind n<strong>at</strong>ürlich<br />
auch die fremde Sprache und Schrift,<br />
das Serbische respektive das Kyrillische.<br />
N<strong>at</strong>ürlich ist es von Vorteil<br />
diese zu beherrschen, doch „überlebensnotwendig“<br />
sind sie nicht. Die<br />
Jugend des Landes ist üblicherweise<br />
versiert in Englisch und die wichtigsten<br />
Plätze sind jedenfalls auch in<br />
l<strong>at</strong>einischer Schrift angeführt, die im<br />
Alltag, besonders in der Vojvodina<br />
und in Novi Sad, vielfach in Verwendung<br />
ist (in Zentralserbien hauptsächlich<br />
kyrillisch). Nichtsdestotrotz<br />
habe ich Serbisch gelernt und zu<br />
Beginn des zweiten Kurses gab es<br />
gleich eine Überraschung. Mit mir<br />
im Kurs saßen nämlich zwei serbische<br />
Sta<strong>at</strong>sbürger.<br />
Der Grund hierfür liegt im multiethnischen<br />
Charakter und in der Bevölkerungsstruktur<br />
der Vojvodina. In<br />
dieser leben nämlich 26 verschieden<br />
Ethnien friedlich zusammen. Dieses<br />
Konglomer<strong>at</strong> der Völker ist durch<br />
Besiedlungspolitik der Habsburger<br />
im 18. Jahrhundert entstanden, die<br />
zum Ziel h<strong>at</strong>te Steuerzahler in der<br />
durch die Türkenkriege entvölkerten<br />
pannonischen Ebene anzusiedeln.<br />
Bei meinen Kollegen handelt es sich<br />
hierbei um Ungarn, die schon seit<br />
Ende des 9. Jahrhunderts in dieser<br />
Region siedeln und die mit ca. 15%<br />
der Bevölkerung der Vojvodina die<br />
größte Minderheit stellen. Der Sta<strong>at</strong><br />
gewährt den Minderheiten hierbei<br />
viele Rechte und eines davon ist<br />
der Schulbesuch in der Muttersprache.<br />
Da es auch ungarische Zeitungen<br />
und Fernsehsender gibt und in<br />
den Familien ungarisch gesprochen<br />
Lorenz Krasser<br />
studiert Rechtswissenschaften und<br />
war Mitarbeiter der <strong>FV</strong>-<strong>Jus</strong>.<br />
wird, kann es dazu kommen, dass<br />
die Serbischkenntnisse nur sehr rudimentär<br />
vorhanden sind, wie bei<br />
meinen Kollegen eben. Weiters interessant<br />
ist, dass in der Vojvodina<br />
6 Amtssprachen anerkannt sind und<br />
mehrsprachige Ortstafeln, in besonderen<br />
Fällen sogar in drei oder vier<br />
Sprachen anzufinden, im Gegens<strong>at</strong>z<br />
zu manch anderer Region, keine<br />
Besonderheit darstellen, die Entrüstungsstürme<br />
oder Angst begründen<br />
könnten.<br />
Als vorletzten Punkt möchte ich<br />
noch auf das sehr gute Nachtleben in<br />
Novi Sad und das Exit Festival eingehen.<br />
Neben diversen Clubs und<br />
Bars die sich über die ganze Stadt,<br />
so auch direkt am Donauufer, verteilen<br />
gibt es im Zentrum der Stadt<br />
die Laze Telečkog. Eine Straße wo<br />
sich eine Bar an die andere reiht und<br />
die wohl für jeden etwas bereithält.<br />
Von einer spanischen Bar über einen<br />
House-Club, Pubs spannt sich der<br />
Bogen bis hin zu den „serbischen“<br />
Bars mit Turbofolk (Mischung aus<br />
traditioneller Volksmusik, Schlager,<br />
Pop und Techno). Auch die Preise<br />
sind verglichen mit Österreich sehr<br />
günstig. So kostet ein großes Bier<br />
umgerechnet 1.20 €.<br />
Das Exit Festival findet jährlich im<br />
Juli st<strong>at</strong>t, dauert vier Tage und ist<br />
mit 200.000 Besuchern das größte<br />
Festival in Osteuropa. Das Festival<br />
entstand im Jahr 2.000 als Rebellion<br />
gegen das Regime von Slobodan<br />
Milošević, das Serbien jahrelang von<br />
der Außenwelt abgeschnitten h<strong>at</strong>te.<br />
In jenem Sommer versammelten<br />
sich tausende junge Menschen aus<br />
Novi Sad am Donauufer, wo Kon-<br />
22 23<br />
L A W @ G R A Z I N F O B O x<br />
Berufsbild Jurist<br />
zerte, Partys und Kunst-Performances<br />
st<strong>at</strong>tfanden. Es gab auch viele<br />
Diskussionen, wo junge Leute ihre<br />
Opposition zum auferlegten N<strong>at</strong>io-<br />
nalismus, zur Fremdenfeindlichkeit,<br />
Zensur und Unterdrückung zum<br />
Ausdruck bringen konnten. Das<br />
Event dauerte 100 Tage und sein<br />
großes Finale war die „Get out to<br />
Vote“-Party einen Tag vor den Wahlen,<br />
die schließlich Milošević zu Fall<br />
brachten.<br />
Zu guter Letzt ist das Thema Essen.<br />
Wer deftige Kost, Grill und Fleisch<br />
schätzt wird es lieben. Diesbezüglich<br />
findet man alles was das Herz<br />
begehrt. Ćevapi, Pljeskavica und das<br />
dazugehörige Kajmak seien als Beispiele<br />
genannt. Und diejenigen die<br />
eher die vegetarische Küche bevorzugen<br />
können immerhin auf die guten<br />
Desserts vertröstet werden.<br />
Mein Resümee lautet somit, dass die<br />
interessante Geschichte, die herzlichen<br />
und fröhlichen Leute, das gute<br />
Essen, die Kultur und die Sehenswürdigkeiten<br />
dazu einladen, das<br />
Land und Region selbst kennen zu<br />
lernen.