November - rewi.at | FV Jus | UniGraz
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(c) Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de<br />
Der typische Tagesablauf<br />
eines Rechtsanwaltsanwärters<br />
(RAA) ist sehr<br />
abwechslungsreich und könnte so<br />
aussehen: Um 8 Uhr eine Haftverhandlung<br />
am Straflandesgericht,<br />
um 11 und 13 Uhr eine Klientenbesprechung<br />
in der Kanzlei und<br />
um 16 Uhr eine Verkehrsunfallverhandlung<br />
auf der Radlpassbundesstraße.<br />
Während des Tages zu verfassen<br />
sind weiters diverse Berichte<br />
an Klienten über anberaumte Tags<strong>at</strong>zungen,<br />
gegnerische Schriftsätze<br />
und den Stand von Exekutionsverfahren.<br />
Eine Klage sollte auch<br />
noch erstellt werden. Fad wird es<br />
einem in diesem Beruf nie – das<br />
Leben eines RAA ist aufregend!<br />
Eckd<strong>at</strong>en zur Ausbildungszeit<br />
Um dereinst den noblen Beruf des<br />
Rechtsanwalts ausüben zu können<br />
ist es zunächst notwendig als RAA<br />
eine so genannte „praktische Verwendung“<br />
im Ausmaß von 5 Jahren<br />
zurückzulegen. Davon sind zumindest<br />
3 Jahre hauptberuflich bei<br />
einem Rechtsanwalt und 5 Mon<strong>at</strong>e<br />
bei Gericht zu verbringen. Die restliche<br />
Zeit kann auch bei einem Notar,<br />
einer Verwaltungsbehörde, einer<br />
Hochschule, einem Wirtschaftsprüfer<br />
oder Steuerber<strong>at</strong>er oder der Finanzprokur<strong>at</strong>ur<br />
verbracht werden,<br />
sofern diese Tätigkeit für die Ausübung<br />
der Rechtsanwaltschaft dienlich<br />
ist.<br />
law @graz<br />
Berufsbild Jurist<br />
Das aufregende Leben eines Rechtsanwaltsanwärters<br />
Der „Kleine Konzipient“<br />
Gleich nach Abschluss des <strong>Jus</strong>-Diplomstudiums<br />
ist es möglich – auch<br />
ohne Gerichtspraxis –bei einem<br />
Rechtsanwalt als so genannter „Kleiner<br />
Konzipient“ zu beginnen, wobei<br />
es sich mE empfiehlt zunächst<br />
die Gerichtspraxis zu absolvieren<br />
und erst dann in die Anwaltei einzusteigen.<br />
Als „Kleiner Konzipient“<br />
darf man von Gesetzes wegen seinen<br />
Ausbildungsanwalt noch nicht<br />
in jeder Rechtssache vertreten. Mit<br />
der von der Rechtsanwaltskammer<br />
ausgestellten Kleinen Legitim<strong>at</strong>ionsurkunde<br />
(„Kleine LU“) ist es zB<br />
erlaubt nur solche Zivilrechtssachen<br />
zu verhandeln in denen kein absoluter<br />
Anwaltszwang herrscht bzw. darf<br />
man in Strafsachen zB keine Haft-,<br />
Schöffen- und Geschworenenverhandlungen<br />
durchführen.<br />
Der „große Konzipient“<br />
und die Prüfung<br />
Die „große LU“ erhält man nach 1<br />
½-jähriger Tätigkeit in der Anwaltei<br />
sowie der Absolvierung von 12 Seminarhalbtagen<br />
und der 5-mon<strong>at</strong>igen<br />
Gerichtspraxis. Als „großer Konzipient“<br />
ist man ab dann berechtigt<br />
seinen Ausbildungsanwalt in allen<br />
Rechtssachen vor allen österreichischen<br />
Gerichten und Behörden zu<br />
vertreten. Nach 3-jähriger Praxiszeit<br />
und der Absolvierung von 24 Seminarhalbtagen<br />
kann man schließlich<br />
zur Rechtsanwaltsprüfung antreten,<br />
die das Tor in die interessante Welt<br />
24<br />
der Anwaltei endgültig aufschließt.<br />
Der Tagesablauf im<br />
„magischen Dreieck“<br />
N<strong>at</strong>ürlich hängen die konkreten<br />
Aufgaben und Tätigkeiten eines<br />
RAA von den Tätigkeiten und Mand<strong>at</strong>en<br />
des Ausbildungsanwalts ab.<br />
Im Großen und Ganzen haben aber<br />
die allermeisten RAA einen sehr abwechslungsreichen<br />
Tagesablauf und<br />
mit einem breiten Spektrum an<br />
Rechtsgebieten und Fällen zu tun.<br />
Wie kann man sich den Arbeitsablauf<br />
aber nun genau vorstellen? Es<br />
beschränkt sich die Tätigkeit jedenfalls<br />
nicht nur auf das Anwenden<br />
von im Studium gelernten Normen.<br />
Vielmehr h<strong>at</strong> sich der RAA im „magischen<br />
Dreieck“ zwischen Klient,<br />
Ausbildungsanwalt und Gericht gekonnt<br />
zu bewegen und jeden dieser<br />
Stakeholder zufrieden zu stellen.<br />
Besprechungen mit Klienten<br />
Täglich trudeln in der Anwaltskanzlei<br />
neue Fälle und Anfragen ein.<br />
Teilweise von unbekannten Klienten,<br />
teilweise über Empfehlungen,<br />
teilweise von Großkunden. Manche<br />
Anfragen können gleich telefonisch<br />
geklärt werden, andere bedürfen<br />
einer näheren Besprechung. Von<br />
Großkunden werden die oft ähnlich<br />
gelagerten Fälle (zB Darlehensklagen,<br />
Verkehrsunfälle, etc.) meist per<br />
Mail übermittelt und von der Kanzlei<br />
weitestgehend ohne Besprechun-<br />
L A W @ G R A Z I N F O B O x<br />
gen, nur mit Zwischeninform<strong>at</strong>ionen<br />
abgehandelt. Typischerweise<br />
steht am Anfang jedes Mand<strong>at</strong>s aber<br />
die Besprechung mit dem Klient.<br />
Hier sind insbesondere die RAA<br />
gefordert, da von Anfang an die<br />
meisten Ausbildungsanwälte kleinere<br />
Causen hinsichtlich der Inform<strong>at</strong>ionsaufnahme<br />
bereits delegieren.<br />
Jedes Mal aufs Neue sind Besprechungen<br />
herausfordernd, zumal sich<br />
die Klienten nach der Darlegung des<br />
Sachverhalts meist sofort eine erste<br />
rechtliche Einschätzung erwarten.<br />
Zusammenarbeit mit<br />
dem Anwalt<br />
Neben den Klienten h<strong>at</strong> man als<br />
RAA aber auch seinen Ausbildungsanwalt<br />
zufrieden zu stellen.<br />
Zufriedene Klienten und eine zügige<br />
Fallbearbeitung sind zwei<br />
Schlüsselelemente dazu. Je nach<br />
individuellen Vorgaben der Anwälte<br />
empfiehlt es sich weitestgehend<br />
selbständig die Mand<strong>at</strong>e zu behandeln<br />
und immer zu hinterfragen, ob<br />
man selbst zB erstellte Schriftsätze<br />
vertreten kann und die Haftung,<br />
gäbe es keinen Ausbildungsanwalt<br />
Mag. Dr. Stefan Kaltenbeck,<br />
Bakk.<br />
studierte Doktor<strong>at</strong> Rechtswissenschaften<br />
in Graz, war Vorsitzender der<br />
Studienvertretung Dr. ReWi und ist<br />
aktuell Rechtsanwaltsanwärter bei der<br />
Grazer Kanzlei Griss & Partner und<br />
Präsident des Steiermärkischen Konzipientenverbandes.<br />
mehr, dafür übernehmen würde.<br />
N<strong>at</strong>ürlich ist der Ausbildungsanwalt<br />
über den Stand der Verfahren stets<br />
am Laufenden zu halten und ist bei<br />
schwierigen Rechtsfragen oder speziell<br />
gelagerten Fällen eine interne<br />
Besprechung angezeigt. Es lohnt<br />
sich aber nicht den Anwalt wegen<br />
jeder Kleinigkeit, jedem Telefon<strong>at</strong><br />
und jeder Verfahrensneuigkeit zu<br />
stören, sondern sollte man Fragen<br />
und wichtige Inform<strong>at</strong>ionen zusammensammeln<br />
und in einem bringen.<br />
Unwichtige Inform<strong>at</strong>ionen nimmt<br />
man zum Akt, braucht den Anwalt<br />
aber damit nicht zu belasten. Als<br />
RAA soll man dem Ausbildungsanwalt<br />
nämlich eine Entlastung sein.<br />
Bereits daraus ergibt sich die Hohe<br />
Kunst den richtigen Mittelweg zu<br />
finden und die Verantwortung für<br />
das Sortieren der Inform<strong>at</strong>ion zu<br />
übernehmen.<br />
Die Gerichtsverhandlung<br />
Die Interaktion mit dem Gericht<br />
und Gegner macht schließlich den<br />
Kern der anwaltlichen Tätigkeit aus.<br />
Schriftsätze sind zu erstellen, Mandanten<br />
auf Verhandlungen vorzubereiten,<br />
Fragenlisten an Zeugen zu<br />
erarbeiten. Im Gerichtssaal selbst haben<br />
RAA alle Hände voll zu tun und<br />
ist höchste Konzentr<strong>at</strong>ion angesagt.<br />
Oft kommt es vor, dass der Mandant<br />
sich zu einem herüber beugt, um<br />
eine für ihn gerade wichtige Frage<br />
zu stellen, während der Gegner aber<br />
gerade vorbringt und der Richter<br />
protokolliert. 3 Ohren sollte man<br />
in dieser Situ<strong>at</strong>ion haben. Während<br />
man dem Klienten schnell die Frage<br />
beantwortet, gleichzeitig zuhört was<br />
der Gegner vorbringt und darauf<br />
achtet, ob der Richter richtig protokolliert,<br />
überlegt man sich schon<br />
was auf das gegnerische Vorbringen<br />
zu replizieren ist. Die richtige Antwort<br />
sollte man auch par<strong>at</strong> haben,<br />
wenn der Richter bei einem nur geringen<br />
Streitwert oder einer seiner<br />
25<br />
Ansicht nach einfachen Rechtslage<br />
einen Vergleich vorschlägt. Oft<br />
kann es auch notwendig werden in<br />
derartigen Situ<strong>at</strong>ionen bzw. während<br />
des Prozesses bei neuen Wendungen,<br />
eine Zwischenbesprechung<br />
mit dem Mandanten außerhalb des<br />
Gerichtssaales einzulegen. Nach einer<br />
4-stündigen Verhandlung gilt es<br />
dann dem Mandanten noch mal das<br />
Wichtigste zusammenzufassen, bevor<br />
man sich zurück in die Kanzlei<br />
begibt, wo bereits andere Fälle der<br />
Erledigung harren.<br />
Conclusio<br />
Zusammengefasst lässt sich der<br />
Schluss ziehen, dass das Leben eines<br />
RAA sehr „aufregend“ ist. Es erfordert<br />
in Besprechungen mit Klienten,<br />
aber auch im Gerichtssaal schnelle<br />
Reaktionen und gute Nerven. Alle<br />
die sagen, Recht sei etwas Langweiliges,<br />
irren, zumal man sich am Puls<br />
der Zeit, mitten im Leben bewegt,<br />
wenn es zB um ein Strafverfahren,<br />
eine Insolvenz, eine Scheidung,<br />
einen Kaufvertrag oder einen Gewährleistungsprozess<br />
geht. Neben<br />
inhaltlich spannenden Fällen bietet<br />
die Rechtsanwaltei den RAA gestaltend<br />
tätig zu sein, weil das Ergebnis<br />
jeder anwaltlichen Tätigkeit eine<br />
Veränderung des Vorzustandes darstellt.<br />
Abgegolten erhält man die sicherlich<br />
anspruchsvolle Tätigkeit als<br />
„kleiner Konzipient“ entsprechend<br />
der Kammerrichtlinie übrigens<br />
mit EUR 1.900,00 und als „großer<br />
Konzipient“ mit EUR 2.200,00;<br />
eine Überzahlung kann vereinbart<br />
werden. Wegen der Bezahlung sei<br />
aber keinem anger<strong>at</strong>en sich als RAA<br />
zu versuchen. Wichtig ist es Freude<br />
am Berufsbild zu finden. Man muss<br />
sich dazu berufen fühlen „die Rechte<br />
seiner Partei gegen jedermann mit<br />
Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit<br />
zu vertreten“. Nur dann kann man<br />
das „aufregende“ Leben eines RAA<br />
auch genießen.