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112 beiträge<br />
Prof. Dr. iur. Francesco A. Schurr, Mag. iur. Simone Büchel, Anpassung und Änderung des Stiftungszwecks<br />
1.4. Praktische Auswirkungen der Zweckbindung<br />
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die plastische<br />
Schilderung der Auswirkungen der Zweckbindung in der<br />
Rechtsprechung. 8 Nach Auffassung des OGH soll der Zweck<br />
die Stiftung für die Dauer ihres Bestandes begleiten. Damit ist<br />
der Zweck letztlich der Disposition aller an der Stiftung beteiligten<br />
Personen entzogen; dies muss dem Grunde nach auch für<br />
den Stiftungsrat als zentrales Organ gelten. Dem Stifter selbst<br />
obliegt die Aufgabe, mit der Festlegung eines konkreten Stiftungszwecks<br />
die Leitlinien vorzugeben. Diese Leitlinien sollen<br />
jedenfalls bestimmen, wozu und auf welche Art und Weise das<br />
Stiftungsvermögen zu verwenden ist. Dieser sog. stiftungsrechtliche<br />
Bestimmtheitsgrundsatz soll verhindern, dass die<br />
Stiftungsorgane die Willensbildung wie bei einer körperschaftlich<br />
organisierten Gesellschaft beherrschen. 9<br />
2. Verhältnis zwischen Stifterwillen<br />
und Stiftungszweck<br />
Wie bereits angesprochen stehen der Stifterwille und der Stiftungszweck<br />
in einem engen rechtlichen und wirtschaftlichen<br />
Zusammenhang, zumal die Willensäusserung des Stifters letztlich<br />
zu den Existenzgrundlagen der Stiftung zählt. Schon die<br />
Errichtung der Stiftung beruht allein auf dem Willen des Stifters;<br />
nach Beginn der Stiftungsarbeit ist der Stiftungszweck<br />
nicht nur als Regieanweisung für die Rolle der Stiftungsorgane<br />
zu betrachten. Vielmehr sollte – zumindest im Idealfall – jedes<br />
einzelne In-Erscheinung-Treten der Stiftungsräte (und anderer<br />
organschaftlich für die Stiftung handelnder Personen)<br />
ausschliesslich auf den Stiftungszweck ausgerichtet sein. Denn<br />
der Zweck der Stiftung ist letztlich als logische Fortsetzung des<br />
Stifterwillens zu verstehen; dies gilt selbst dann, wenn die Stiftungsorgane<br />
verpflichtet sind, die Stiftung in ihrem Wesen zu<br />
verändern, indem sie den Zweck anpassen oder gar ändern. 10<br />
Im gesetzlich verankerten Modell der Stiftung sollte es für den<br />
Stifter kaum ein anderes Medium geben, um «seine» Stiftung<br />
inhaltlich zu prägen, als die Festschreibung des Zwecks im<br />
Zuge der Stiftungserrichtung. 11 Je präziser die Vermögensverwendung<br />
durch den Stiftungszweck umschrieben ist, desto authentischer<br />
wird auch die Umsetzung des Stifterwillens in der<br />
Realität der Stiftungsaktivität ausfallen.<br />
Freilich lässt sich der Stifterwille durch den Wortlaut von so<br />
manchem Stiftungsgeschäft nicht vollumfänglich ermitteln.<br />
Der artige komplexe Szenarien können in Anknüpfung an die<br />
liechtenstein-journal 4/2009<br />
Rechtsprechung mithilfe der dem Erbrecht entspringenden Andeutungstheorie<br />
gelöst werden; danach müsste das Stiftungsgeschäft<br />
zumindest andeutungsweise erkennen lassen, wie<br />
das Stiftungsvermögen verwendet und nach welchen zumindest<br />
rudimentären Kriterien der Kreis der Begünstigten gezogen<br />
wird. 12<br />
Aus der Perspektive des OGH muss der Stiftungszweck einer<br />
Familienstiftung sich aus dem Errichtungsakt hinreichend deutlich<br />
ergeben, wenn man eine Auslegung nach dem Willensprinzip<br />
vornimmt. Keinesfalls soll es möglich sein, dass eine Beherrschung<br />
der Willensbildung durch die Organe – wie bei einer<br />
Körperschaft – gegeben ist. 13<br />
3. Trennungs- und Erstarrungsprinzip<br />
3.1. Leitbild der Stiftung<br />
Zumindest die gesetzlichen Grundlagen des liechtensteinischen<br />
Stiftungsrechts gehen klar von einer Verselbstständigung der<br />
Stiftung als juristische Person aus; man spricht hierbei vom sog.<br />
Trennungs- und Erstarrungsprinzip, insoweit von der (endgültigen)<br />
Trennung des Stifters vom gewidmeten Vermögen 14 sowie<br />
der Erstarrung des Stifterwillens in der Stiftungsurkunde mit<br />
dem Errichtungsakt. 15 Der Stifter und die Stiftung sind insoweit<br />
als zwei selbstständige Rechtssubjekte anzusehen. 16 Letztlich<br />
hat die Rechtsprechung den Begriff des Erstarrungsprinzips ge-<br />
8 OGH 6.3.2008, 1 Cg 2006.71, LES 2008, 279.<br />
9 Mehr zum stiftungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz s. Delle Karth, Die<br />
aktuelle Rechtsprechung des OGH im Stiftungsrecht, LJZ 2008, 51 (56).<br />
10 Vgl. hierzu unten Ziff. 5.<br />
11 Bösch, <strong>Liechtenstein</strong>isches Stiftungsrecht, S. 203.<br />
12<br />
OGH vom 17.7.2003, 1 Cg 2002.262-55; StGH vom 18.11.2003 Az. 2003/<br />
65; hierzu Jakob, Die <strong>Liechtenstein</strong>ische Stiftung, S. 61; Heiss, Zur Sanierung<br />
fehlerhafter Stiftungsstatuten – kein Handlungsbedarf des liechtensteinischen<br />
Gesetzgebers infolge des Urteils StGH vom 18.11.2004, Az.<br />
2003/ 65, LJZ 2004, 80.<br />
13<br />
OGH 6.3.2008, 1 Cg 2006.71, LES 2008, 279.<br />
14<br />
Das Trennungsprinzip führt in der praktischen Konsequenz dazu, dass die Stiftung<br />
gegenüber den Gläubigern nur mit dem Stiftungsvermögen haftet, vgl.<br />
hierzu Schauer in: Schauer (Hrsg.), Kurzkommentar, Art. 552 § 37, Rz. 2.<br />
15<br />
Zum Erstarrungsprinzip vgl. Heiss / Lorenz, Der erstarrte Stifterwille, in:<br />
Marxer & Partner (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Finanzplatzes <strong>Liechtenstein</strong>,<br />
Vaduz 2003, S. 123.<br />
16<br />
Vgl. dazu Bösch, <strong>Liechtenstein</strong>isches Stiftungsrecht, S. 247; Jakob, Die<br />
<strong>Liechtenstein</strong>ische Stiftung, S. 102.