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Altlastenrechtliche Störerhaftung und ... - Ecosens AG

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Sonderdruck<br />

M & A<br />

Recht <strong>und</strong> Wirtschaft in der Praxis<br />

Liber amicorum für Rudolf Tschäni<br />

Herausgegeben von<br />

Matthias Oertle Matthias Wolf<br />

Stefan Breitenstein Hans-Jakob Diem<br />

HANS U. LINIGER CURDIN CONRAD<br />

<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong><br />

<strong>und</strong> Rechtsnachfolge<br />

bei Unternehmenstransaktionen<br />

Quid iuris?<br />

2010. Dike Verlag <strong>AG</strong>, Zürich/St. Gallen<br />

ISBN 978-03751-265-4


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong><br />

Rechtsnachfolge bei<br />

Unternehmenstransaktionen<br />

Inhaltsübersicht<br />

Quid iuris?<br />

HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

I. Einführung 230<br />

II. <strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong><br />

A. Altlast versus belasteter Standort<br />

1. Allgemeines<br />

2. Belasteter Standort<br />

a) Kostentragungspflicht für altlastenrechtlich notwendige Massnahmen<br />

b) Haftung für abfallrechtlich notwendige Massnahmen<br />

3. Sanierungsbedürftiger Standort (Altlast)<br />

B. Realleistungspflicht versus Kostentragungspflicht<br />

1. Allgemeines<br />

2. Realleistungspflicht<br />

3. Kostentragungspflicht<br />

231<br />

231<br />

231<br />

231<br />

232<br />

232<br />

232<br />

233<br />

233<br />

233<br />

234<br />

III. <strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

A. Problemstellung<br />

B. Allgemeines<br />

1. Singular- versus Universalsukzession<br />

2. Nachfolgefähigkeit der Verhaltensstörereigenschaft<br />

C. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im Rahmen von<br />

Art. 181 OR <strong>und</strong> Art. 69 ff. FusG<br />

1. Allgemeines<br />

2. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im Rahmen von<br />

Art. 181 OR<br />

3. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im Zusammenhang<br />

mit Vermögensübertragungen gemäss Fusionsgesetz (Art. 69 FusG)<br />

4. Spezialfall Durchgriff<br />

5. Fazit<br />

D. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im Zusammenhang mit<br />

Fusionen<br />

235<br />

235<br />

236<br />

236<br />

237<br />

237<br />

237<br />

238<br />

242<br />

243<br />

244<br />

244<br />

229


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

230<br />

E. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft bei der Spaltung von<br />

Kapitalgesellschaften 245<br />

1. Allgemeines 245<br />

2. Zivilrechtliche Wirkung bei der Spaltung von Kapitalgesellschaften 245<br />

a) Spaltung unter altem Recht 245<br />

b) Spaltung von Gesellschaften nach neuem Recht (Art. 29 FusG) 246<br />

3. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft 246<br />

I. Einführung<br />

Die Altlastenproblematik hat in den vergangenen Jahren laufend an Bedeutung gewonnen.<br />

Oft sind umweltrechtlich vorgeschriebene Untersuchungs-, Überwachungs-<br />

<strong>und</strong> Sanierungsmassnahmen mit erheblichen Kosten verb<strong>und</strong>en. In der Praxis stellen<br />

sich in diesem Zusammenhang zahlreiche schwierige Fragen hinsichtlich der Kostentragungspflicht.<br />

1<br />

Gemäss Art. 32d des Umweltschutzgesetzes (USG) trägt der Verursacher die Kosten<br />

für die altlastenrechtlich notwendigen Massnahmen. Wer als Verursacher zu gelten<br />

hat, legt das Gesetz allerdings nicht näher fest. Der Verursacherbegriff knüpft<br />

nach allgemeiner Auffassung an den polizeirechtlichen Störerbegriff an. Als Verursacher<br />

gelten demnach sowohl der Verhaltens- als auch der Zustandsstörer.<br />

Häufig sind im Rahmen der Altlastenbearbeitung auch Fallkonstellationen anzutreffen,<br />

in denen seit Entstehung der Belastung viele Jahre bzw. Jahrzehnte vergangen<br />

sind <strong>und</strong> Betriebe, welche die Belastungen verursacht haben, ihre Rechtsform zum<br />

Teil mehrfach gewechselt haben. Aufgr<strong>und</strong> des Zusammenspiels von öffentlichem<br />

Recht <strong>und</strong> Zivilrecht bereitet die Bestimmung des kostentragungspflichtigen Verursachers<br />

bzw. der Verursacher in diesen Fällen oft grössere Schwierigkeiten. Es stellt sich<br />

die Frage, wie sich die Unternehmenstransaktionen auf die altlastenrechtliche <strong>Störerhaftung</strong><br />

auswirken <strong>und</strong> wer letztendlich für die heute im Rahmen der Altlastenbearbeitung<br />

anfallenden Kosten aufkommen muss bzw. wer als Verursacher im Sinne<br />

von Art. 32d USG zu gelten hat.<br />

In einem ersten Teil werden nachfolgend die Gr<strong>und</strong>lagen des Altlastensrechts<br />

dargestellt. Dabei werden zunächst die Unterschiede zwischen belasteten Standorten<br />

<strong>und</strong> Altlasten <strong>und</strong> die daraus resultierenden Rechtsfolgen aufgezeigt. Anschliessend<br />

werden die Realleistungspflicht <strong>und</strong> die Kostentragungspflicht im Rahmen der altlastenrechtlichen<br />

<strong>Störerhaftung</strong> erläutert.<br />

In einem zweiten Teil wird untersucht, wie sich die Rechtsnachfolge der altlastenrechtlichen<br />

<strong>Störerhaftung</strong> im Rahmen von ausgewählten Formen von Unterneh-<br />

1 Die Autoren danken lic.iur. Lorenz Lehmann, Rechtsanwalt, <strong>Ecosens</strong> <strong>AG</strong>, für wertvolle Anregungen<br />

<strong>und</strong> kritische Durchsicht.


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

menstransaktionen darstellt. Eine zentrale Frage dabei ist, ob bzw. wann die öffentlichrechtliche<br />

Kostentragungspflicht bei Unternehmenstransaktionen (auch ohne<br />

spezielle umweltrechtliche Gr<strong>und</strong>lage) im Zeitpunkt der Transaktion auf den Rechtsnachfolger<br />

übergeht.<br />

II. <strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong><br />

A. Altlast versus belasteter Standort<br />

1. Allgemeines<br />

Die Umweltschutzgesetzgebung knüpft unterschiedliche Rechtsfolgen an die altlastenrechtliche<br />

Qualifikation eines Standortes. Je nach Qualifikation kommen unterschiedliche<br />

«Haftungsnormen» zur Anwendung. Dabei ist zwischen belasteten<br />

Standorten <strong>und</strong> Altlasten zu unterscheiden. Im Folgenden werden die Begriffe kurz<br />

erläutert <strong>und</strong> die wesentlichen Unterschiede im Bezug auf die Rechtsfolgen aufgezeigt.<br />

2. Belasteter Standort<br />

Belastete Standorte sind Orte, deren Belastung von Abfällen stammt <strong>und</strong> die eine<br />

beschränkte Ausdehnung aufweisen (Art. 32c USG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Altlastenverordnung,<br />

AltlV). Sie können als Ablagerungsstandort (Deponien), als Betriebsstandort<br />

oder als Unfallstandort qualifiziert werden.<br />

Steht fest, dass ein Standort zu keinen schädlichen oder lästigen Einwirkungen<br />

auf ein Umweltschutzgut (Wasser, Boden, Luft) führt <strong>und</strong> auch keine konkrete Gefahr<br />

besteht, dass solche Einwirkungen entstehen, so ist der Standort als belasteter<br />

Standort gemäss Art. 2 Abs. 1 AltlV zu qualifizieren.<br />

In diesem Fall muss zwischen der Kostentragungspflicht für altlastenrechtlich<br />

notwendige Massnahmen gemäss Art. 32d Abs. 1 USG 2 (z.B. für die Untersuchungskosten)<br />

<strong>und</strong> abfallrechtlicher Haftung gemäss Art. 32 Abs. 1 USG (Kosten für die<br />

Entsorgung von belastetem Aushubmaterial bei einem Bauprojekt, sogenannte Bauherrenaltlasten)<br />

unterschieden werden.<br />

2 Vgl. dazu hinten Ziff. II/B/3.<br />

231


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

a) Kostentragungspflicht für altlastenrechtlich notwendige Massnahmen<br />

Ist der Standort als belastet bzw. als überwachungsbedürftig zu qualifizieren, so bestehen<br />

die altlastenrechtlich notwendigen Massnahmen in den vorzunehmenden<br />

Untersuchungen bzw. in den Vorkehrungen zur Überwachung des Standortes. Die<br />

damit zusammenhängenden Kosten sind gemäss Art. 32d Abs. 1 USG vom Verursacher<br />

zu tragen.<br />

Im Betrag regelmässig viel höher ausfallende Kosten für Sanierungsmassnahmen<br />

(z.B. Entsorgungskosten) fallen hier nicht an, da aus altlastenrechtlicher Sicht keine<br />

solchen notwendig sind 3 .<br />

b) Haftung für abfallrechtlich notwendige Massnahmen<br />

Der bloss belastete Standort muss aus der Sicht des Altlastenrechts nicht saniert werden,<br />

weil von ihm keine relevante Einwirkung auf ein Schutzgut ausgeht. Erst wenn<br />

auf dem belasteten Standort ein Bauprojekt realisiert wird, hat der Inhaber (der Bauherr)<br />

für die rechtskonforme Entsorgung der dabei anfallenden Bauabfälle zu sorgen.<br />

Dazu gehört auch das mit Abfällen <strong>und</strong> Schadstoffen belastete Aushubmaterial. Die<br />

anfallenden Kosten sind in einem solchen Fall aber gr<strong>und</strong>sätzlich vom Inhaber (<strong>und</strong><br />

nicht vom Verursacher) der Abfälle, also vom Bauherrn, zu tragen (Art. 32 Abs. 1<br />

USG).<br />

Zu beachten ist jedoch immerhin der neue Art. 32b bis USG, wonach in gewissen<br />

Fällen die Möglichkeit besteht, allfällige frühere Inhaber <strong>und</strong> Verursacher der Abfälle<br />

auch für einen Teil der abfallrechtlichen Entsorgungskosten haftbar zu machen 4 .<br />

3. Sanierungsbedürftiger Standort (Altlast)<br />

Ein belasteter Standort ist dann sanierungsbedürftig, wenn er zu schädlichen oder<br />

lästigen Einwirkungen auf ein Umweltschutzgut (Wasser, Boden, Luft) führt oder<br />

wenn die konkrete Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen entstehen (Art. 32c<br />

Abs. 1 USG; Art. 2 Abs. 2 AltlV).<br />

Aufgr<strong>und</strong> seines Zustandekommens unterscheidet sich ein belasteter Standort<br />

nicht von einer echten Altlast (sogenannter sanierungsbedürftiger belasteter Standort;<br />

Art. 32c Abs. 1 USG i. V. m. Art. 2 Abs. 3 AltlV), bei beiden gelangten in der Vergan-<br />

3 Zum altlastenrechtlichen Sanierungsziel des sogenannten Quellenstopps: vgl. PIERRE TSCHAN-<br />

NEN, in: Vereinigung für Umweltrecht/Helen Keller (Hrsg.), Kommentar zum Umweltschutzgesetz,<br />

Zürich 2003, N 16 zu Art. 32c USG: Der belastete Standort ist so zu verändern, dass die<br />

Einwirkungen, welche zur Sanierungsbedürftigkeit nach Art. 9–12 AltlV geführt haben, langfristig<br />

<strong>und</strong> dauerhaft unterb<strong>und</strong>en werden.<br />

4 Vgl. dazu HANS RUDOLF TRÜEB, URP 2007, S. 616 ff.; LORENZ LEHMANN, URP 2007, S. 652 ff.;<br />

HANS U. LINIGER, GesKR 3/2007, S. 274 ff.<br />

232


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

genheit Schadstoffe oder Abfälle in den Untergr<strong>und</strong>. Weil diese jedoch bei einer echten<br />

Altlast zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen auf ein Schutzgut wie Gr<strong>und</strong>wasser,<br />

Oberflächengewässer, Luft oder (Ober-) Boden führen, ist die rechtliche Qualifikation<br />

eines solchen Standortes eine ganz andere.<br />

Ob ein Standort als sanierungsbedürftig zu gelten hat, beurteilt sich einerseits<br />

aufgr<strong>und</strong> der am Standort vorhandenen Schadstoffe <strong>und</strong> der Wahrscheinlichkeit<br />

ihrer Ausbreitung, anderseits anhand der Bedeutung der durch den belasteten Standort<br />

gefährdeten Schutzgüter sowie dem Ausmass, in welchem sie gefährdet sind 5 .<br />

Wird ein Standort nach den Untersuchungen als sanierungsbedürftig qualifiziert,<br />

so sind neben Untersuchungs- auch Sanierungsmassnahmen altlastenrechtlich notwendig.<br />

Wiederum ist es der Verursacher, welcher die Kosten für sämtliche altlastenrechtlich<br />

notwendigen Massnahmen zu übernehmen hat (Art. 32d Abs. 1 USG) 6 .<br />

B. Realleistungspflicht versus Kostentragungspflicht<br />

1. Allgemeines<br />

Im Rahmen der Altlastenbearbeitung ist entsprechend den Vorgaben des Umweltschutzgesetzes<br />

Realleistungspflicht <strong>und</strong> Kostentragungspflicht zu unterscheiden. Die<br />

Regelung der Realleistungspflicht gibt darüber Auskunft, wem die Pflicht zukommt,<br />

die notwendigen Untersuchungs-, Überwachungs- <strong>und</strong> Sanierungsmassnahmen auf<br />

einem belasteten Standort durchzuführen. Die Bestimmungen über die Kostentragungspflicht<br />

beantworten demgegenüber die Frage, wem die Pflicht zur Tragung der<br />

Kosten aus öffentlichrechtlicher Sicht überb<strong>und</strong>en werden kann.<br />

2. Realleistungspflicht<br />

Gemäss Art. 32c Abs. 1 USG bezweckt die Sanierung eines belasteten Standorts, einen<br />

umweltgefährdenden Zustand, d.h. einen polizeiwidrigen Zustand oder die<br />

konkrete Gefahr dafür, zu beseitigen. Die Pflicht zur Durchführung der notwendigen<br />

Untersuchungs-, Überwachungs- <strong>und</strong> Sanierungsmassnahmen bei belasteten Standorten<br />

trifft nach allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen des Polizeirechts den Störer. Störer ist<br />

derjenige, der durch sein eigenes Tun oder Unterlassen unmittelbar eine Störung<br />

oder Gefahr für die öffentliche Ordnung bewirkt (Verhaltenstörer) oder über die<br />

5<br />

TSCHANNEN (FN 3), N 9 zu Art. 32c USG, mit zahlreichen Hinweisen, sowie N 10.<br />

6 Vgl. dazu hinten Ziff. II/B/3.<br />

233


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

Sache, welche den polizeiwidrigen Zustand bewirkt, tatsächliche oder rechtliche Gewalt<br />

hat (Zustandsstörer) 7 .<br />

Gemäss Art. 20 Abs. 1 AltlV sind denn auch die Untersuchungs-, Überwachungs-<br />

<strong>und</strong> Sanierungsmassnahmen gr<strong>und</strong>sätzlich vom Standortinhaber 8 – also dem eigentlichen<br />

Zustandsstörer – durchzuführen. Dies entspricht in aller Regel auch dem Störerprinzip,<br />

wonach derjenige den polizeiwidrigen Zustand beseitigen muss, der aufgr<strong>und</strong><br />

seiner Nähe zum Gefahrenherd am ehesten dafür geeignet ist. Unter bestimmten<br />

Umständen können die Kantone Untersuchung, Überwachung <strong>und</strong> Sanierung<br />

belasteter Standorte selber durchführen oder den Verhaltensstörer damit beauftragen<br />

(vgl. Art. 32c Abs. 3 <strong>und</strong> Art. 20 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 AltlV).<br />

3. Kostentragungspflicht<br />

Die Kostentragung im Zusammenhang mit der Untersuchung, Überwachung <strong>und</strong><br />

Sanierung belasteter Standorte ist in Art. 32d USG geregelt. Art. 32d USG bezweckt<br />

die verursachergerechte Verlegung der altlastenrechtlich notwendigen Kosten unabhängig<br />

davon, wem die Durchführung dieser Massnahmen oblag 9 .<br />

Die Kosten für altlastenrechtlich notwendige Massnahmen sind demnach gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

vom Verursacher 10 zu tragen. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der<br />

Massnahmen darf dabei nur darauf abgestützt werden, ob es sich um Kosten für altlastenrechtlich<br />

gebotene Massnahmen handelt 11 . Oberstes Ziel einer Altlastensanierung<br />

ist der nachhaltige Quellenstopp. Es geht dabei nicht darum, den ursprünglichen<br />

Zustand wiederherzustellen, sondern die unmittelbar bestehende Gefahr zu<br />

beseitigen bzw. die widerrechtliche Einwirkung zu unterbinden 12 .<br />

Sind mehrere Verursacher beteiligt, so ist gemäss Art. 32d Abs. 2 USG in erster Linie<br />

derjenige zahlungspflichtig, der die Belastung durch sein eigenes Verhalten verursacht<br />

hat (sogenannter Verhaltensstörer). Aber auch derjenige, der die rechtliche oder<br />

7<br />

KARIN SCHERRER, Handlungs- <strong>und</strong> Kostentragungspflichten bei der Altlastensanierung, Störerversus<br />

Verursacherprinzip, Diss. Bern 2005, S. 21, mit zahlreichen Hinweisen zu Rechtsprechung<br />

<strong>und</strong> Lehre im Bereich des Störerprinzips.<br />

8 Der öffentlichrechtliche Begriff des Inhabers ist nicht identisch mit dem zivilrechtlichen Begriff<br />

des Eigentümers. Als Standortinhaber gilt vielmehr, wer als Eigentümer, Pächter, Mieter, Leasinggeber,<br />

Baurechtsinhaber oder sonst wie Beauftragter (z.B. Facility Manager) die rechtliche<br />

oder tatsächliche Herrschaft über das Gr<strong>und</strong>stück hat (vgl. TSCHANNEN FN 3, N 23 zu Art. 32c<br />

USG).<br />

9<br />

TSCHANNEN (FN 3), N 2 zu Art. 32d USG.<br />

10 Zur möglichen Verursacherqualität des Abfallerzeugers, Abfallbeförderers, Abfallentsorgers,<br />

Deponiebetreibers <strong>und</strong> Deponieeigentümers vgl. eingehend: PIERRE TSCHANNEN/MARTIN FRICK,<br />

Der Verursacherbegriff nach Art. 32d USG, Gutachten zuhanden des BUWAL, September 2002,<br />

S. 10 Ziff. IV.<br />

11<br />

KARIN SCHERRER, URP 6/2007, S. 562 ff., S. 566; LORENZ LEHMANN, PBG-aktuell 4/2006, S. 7 ff.<br />

12<br />

SCHERRER (FN 7), S. 59; SCHERRER (FN 11), S. 566.<br />

234


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

faktische Verfügungsmacht über den Standort ausübt (sogenannter Zustandstörer),<br />

kann zu einem geringeren Teil zur Kostentragung herangezogen werden. Nach gängiger<br />

Praxis entfallen jeweils 10–30% der Kosten auf die schuldlosen Zustandsstörer,<br />

während die restlichen 70–90% von den Verhaltensverursachern zu tragen sind 13 .<br />

Sind mehrere Verhaltensstörer vorhanden, so tragen sie die Kosten nach den jeweiligen<br />

«Anteilen an der Verursachung». Kann ein Verursacher nicht mehr eruiert werden<br />

oder ist er nicht mehr zahlungsfähig, so ist dessen Anteil vom Gemeinwesen zu tragen<br />

(sogenannte Ausfallkosten, Art. 32d Abs. 3 USG).<br />

Auf Verlangen eines Beteiligten erlässt die zuständige kantonale Behörde eine<br />

Kostenverteilungsverfügung, in denen die Anteile der Beteiligten festgelegt werden<br />

(Art. 32d Abs. 4 USG).<br />

III. <strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge<br />

bei Unternehmenstransaktionen<br />

A. Problemstellung<br />

In der Praxis bereitet die Suche nach den altlastenrechtlichen Verhaltensstörern häufig<br />

Schwierigkeiten. Seit Entstehung der Belastung sind oft viele Jahre bzw. Jahrzehnte<br />

vergangen <strong>und</strong> Betriebe, welche die Belastungen verursacht haben, haben ihre<br />

Rechtsform zum Teil mehrfach gewechselt. Es stellt sich dabei die Frage ob bzw.<br />

wann Rechtsnachfolger in die altlastenrechtliche Kostentragungspflicht eines Verhaltensstörers<br />

(Verursachers) eintreten müssen.<br />

Zur Beantwortung dieser Frage ist zwischen den Pflichten aus Zustands- <strong>und</strong> Verhaltensstörung<br />

zu unterscheiden 14 , da sowohl der Zustands- als auch der Verhaltensstörer<br />

gemäss Art. 32d USG zur Kostentragung herangezogen werden können.<br />

Zustandsstörer ist derjenige, der über die Sache, die den ordnungswidrigen Zustand<br />

bewirkt, die Sachherrschaft hat. Somit geht die Kostentragungspflicht aus Zustandsstörung<br />

bei der Handänderung oder Vererbung eines belasteten Gr<strong>und</strong>stücks<br />

zusammen mit der Sachherrschaft ohne Weiteres auf den Rechtsnachfolger über 15 .<br />

Demgegenüber wird die Rechtsnachfolge der Kostentragungspflicht aus öffentlichrechtlicher<br />

Verhaltensstörereigenschaft gemäss Art. 32d USG in der Lehre kontro-<br />

13 BAFU, VASA: Realleistungs- <strong>und</strong> Kostentragungspflichten, verfügbar unter: http://www.bafu.<br />

admin.ch/realleistungs_kostentragungspflichten/05472/05500/05502/05508/index. html?lang=<br />

de, (CHRISTOPH A. ZÄCH).<br />

14 Vgl. dazu vorne Ziff. II/B.<br />

15<br />

MARK CUMMINS, Kostenverteilung bei Altlastensanierungen, Diss. Zürich 2000, S. 118; SCHERRER<br />

(FN 7), S. 93.<br />

235


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

vers diskutiert; sie wurde auch von der Praxis bisher nicht abschliessend beurteilt 16 .<br />

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Frage der Rechtsnachfolge<br />

aus öffentlichrechtlicher Verhaltensstörereigenschaft im Rahmen von Unternehmenstransaktionen,<br />

wobei die Transaktion nach der Verursachung der Altlast, aber<br />

noch vor ihrer Entdeckung <strong>und</strong> dem Erlass einer allfälligen Sanierungsverfügung<br />

erfolgt ist. Nicht behandelt wird die Frage, inwiefern Erben eines Verhaltensstörers<br />

nach Art. 32d USG zur Kostentragung im Rahmen der Sanierung belasteter Standorte<br />

verpflichtet werden können 17 <strong>und</strong> wie sich die Rechtsnachfolge im Konkurs verhält 18 .<br />

B. Allgemeines<br />

1. Singular- versus Universalsukzession<br />

Die Lehre unterscheidet bezüglich der Kostentragungspflicht von Rechtsnachfolgern<br />

zwischen Singular- <strong>und</strong> Universalsukzession. 19 Im Unterschied zur Singularsukzession<br />

soll bei der Universalsukzession die Kostentragungspflicht auch ohne spezielle<br />

gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage auf den Rechtsnachfolger übergehen 20 21 .<br />

Diese Unterscheidung hat nach unserer Ansicht nur untergeordnete Bedeutung,<br />

zumal nicht die zivilrechtliche Natur der Rechtsgeschäfte, sondern der öffentlichrechtliche<br />

Sinn <strong>und</strong> Zweck der Rechtsfigur des Verhaltensstörers für die Beurteilung<br />

der Rechtsnachfolge massgebend ist.<br />

16<br />

Vgl. dazu ISABELLE ROMY, Site pollués, sociétés et responsabilités, in: Journées suisses du droit de<br />

la construction, Fribourg 2009, S. 187 ff.; DIESELBE, Responsabilités Environnementales et Transactions,<br />

in: Aspects Actuels du Droit de la Société Anonyme, Publication CEDIDAC 64, Lausanne<br />

2005, S. 527 ff.<br />

17 Vgl. B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid vom 25. September 2006, 1A.273.2005; SCHERRER (FN 7),<br />

S. 97 ff.; HANSJÖRG SEILER, in: Vereinigung für Umweltrecht/Helen Keller (Hrsg.), Kommentar<br />

zum Umweltschutzgesetz, Zürich 2001, N 67 zu Art. 2 USG.<br />

18 Vgl. dazu HANS U. LINIGER/MICHAEL WERDER/SABINA SPINNLER, Altlastensanierung im Konkurs,<br />

SJZ 99 (2003) Nr. 4.<br />

19 Die Universalsukzession erfasst die Gesamtheit der Aktiven <strong>und</strong> Passiven der übertragenden<br />

Gesellschaft, <strong>und</strong> dies unabhängig davon, ob die einzelnen Aktiven <strong>und</strong> Passiven bekannt sind.<br />

Einzelne Vermögensbestandteile können nicht durch Vertrag vom Rechtsübergang ausgeschlossen<br />

werden. Im Gegensatz zum Anwendungsfall der Singularsukzession müssen die besonderen<br />

Vorschriften für die Übertragung der einzelnen Aktiven <strong>und</strong> Passiven nicht eingehalten werden.<br />

So bildet beispielsweise der Gr<strong>und</strong>bucheintrag nicht Voraussetzung für die Eigentumsübertragung<br />

<strong>und</strong> Forderungen bedürfen keiner schriftlichen Zession (RUDOLF TSCHÄNI/MARCEL MEIN-<br />

HARDT/ROBERTA PAPA, in: Rolf Watter/Nedim Peter Vogt/Rudolf Tschäni/Daniel Daeniker<br />

[Hrsg.], Basler Kommentar, Fusionsgesetz, Basel/Genf/München 2005, N 6 ff. zu Art. 22 FusG).<br />

20<br />

SEILER (FN 17), N 67 zu Art. 2 USG; anderer Meinung: TSCHANNEN (FN 3), N 32 zu Art. 32d<br />

USG.<br />

21 Vgl. dazu hinten Ziff. III/C/2.<br />

236


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

Letztlich kommt den Parteien keine zivilrechtliche Verfügungsmacht über die öffentlichrechtlichen<br />

Rahmenbedingungen zu. Sie können bloss die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Risiken rechtsgeschäftlich zuordnen.<br />

2. Nachfolgefähigkeit der Verhaltensstörereigenschaft<br />

Bei der altlastenrechtlichen Kostentragungspflicht des Verhaltensstörers gemäss<br />

Art. 32d USG handelt es sich um eine persönliche Schuld. Denn die Verhaltensstörer-<br />

Qualifikation setzt nicht notwendigerweise eine Rechtsbeziehung zum schadstoffbelasteten<br />

Gr<strong>und</strong>stück oder zu der auf einem Gr<strong>und</strong>stück betriebenen Deponie voraus,<br />

sondern knüpft am persönlichen Merkmal eines bestimmten Verhaltens an 22 . SCHER-<br />

RER 23 hält jedoch fest, dass die Pflichten, die sich aus der Verhaltenshaftung ergeben,<br />

nicht in einem derartigen Ausmass personengeb<strong>und</strong>en sind, dass ihre Nachfolgefähigkeit<br />

ausgeschlossen wäre.<br />

Aus öffentlichrechtlicher Sicht besteht die Verhaltensstörereigenschaft solange der<br />

störende Zustand existiert oder die Folgen des störenden Zustandes nicht rechtskräftig<br />

erledigt sind 24 . Demzufolge stellt die Rechtsnachfolge aus öffentlichrechtlicher<br />

Sicht die Regel dar <strong>und</strong> nicht die Ausnahme. Dies gebietet das polizeiliche Interesse<br />

an der Beseitigung des störenden Zustandes (Art. 32c USG) <strong>und</strong> das Interesse an der<br />

gerechten Kostenallokation (Art. 32d USG) 25 .<br />

C. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im Rahmen<br />

von Art. 181 OR <strong>und</strong> Art. 69 ff. FusG<br />

1. Allgemeines<br />

Vor Inkrafttreten des Fusionsgesetzes vom 3. Oktober 2003 (FusG) konnten Aktiven<br />

<strong>und</strong> Passiven im Rahmen einer Umstrukturierung nur auf dem Weg der Singularsukzession<br />

übertragen werden, sofern eine eigentliche Fusion nicht in Frage kam. Ledig-<br />

22 Beatrice W<strong>AG</strong>NER PFEIFER, Kostentragungspflichten bei der Sanierung <strong>und</strong> Überwachung von<br />

Altlasten im Zusammenhang mit Deponien, ZBl 103 (2004), S. 139.<br />

23<br />

SCHERRER (FN 7), S. 97 f.<br />

24 Dem entspricht der Umstand, dass auch der Anspruch des Staates auf Beseitigung des polizeiwidrigen<br />

Zustandes (Sanierungsanspruch) nicht verjährt. Vgl. dazu auch ROMY (FN 16) Site pollués,<br />

sociétés et responsabilités, S. 184 f.<br />

25<br />

HANS RUDOLF TRÜEB, in: Vereinigung für Umweltrecht/Helen Keller (Hrsg.), Kommentar zum<br />

Umweltschutzgesetz, Zürich 1998, N 49 zu Art. 59 USG.<br />

237


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

lich für die Übertragung gewisser Passiven bestand eine Erleichterung im Rahmen<br />

einer Geschäftsübernahme gemäss Art. 181 OR 26 .<br />

Seit Inkrafttreten des Fusionsgesetzes haben Vermögensübertragungen im Sinne<br />

von Art. 181 OR nur noch untergeordnete Bedeutung. In den meisten Fällen, namentlich<br />

dann, wenn es sich bei den übertragenden Rechtsträgern um Handelsgesellschaften,<br />

Genossenschaften, Vereine, Stiftungen oder Einzelunternehmen handelt,<br />

welche im Handelsregister eingetragen sind, richtet sich die Übernahme des Vermögens<br />

oder des Geschäfts nach den Vorschriften des Fusionsgesetzes (Art. 181<br />

Abs. 4 OR).<br />

Da jedoch die heute existierenden belasteten Standorte <strong>und</strong> Altlasten zur Hauptsache<br />

vor Inkrafttreten des neuen Art. 181 Abs. 4 OR entstanden sind, muss in der<br />

Praxis die Rechtsnachfolge der Verhaltensstörereigenschaft regelmässig im Zusammenhang<br />

mit Geschäftsübernahmen <strong>und</strong> Vermögensübertragungen gemäss aArt. 181<br />

OR beurteilt werden 27 . Aus diesem Gr<strong>und</strong> sowie aufgr<strong>und</strong> der zivilrechtlichen Konzeption<br />

28 der Geschäftsübernahme im Sinne von Art. 181 OR, kommt ihr innerhalb<br />

der verschiedenen zivilrechtlichen Transaktionsformen gr<strong>und</strong>sätzliche Bedeutung für<br />

die Beurteilung der Kostentragungspflicht von Rechtsnachfolgern zu.<br />

2. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im Rahmen von<br />

Art. 181 OR<br />

Art. 181 OR regelt nicht die Übertragung der das Vermögen oder das Geschäft bildenden<br />

Aktiven, sondern lediglich der Passiven. Die Aktiven müssen auch in Anwendung<br />

von Art. 181 OR nach den für sie geltenden Vorschriften einzeln übertragen<br />

werden 29 . Hinsichtlich der Passiven gilt, dass Geschäftsübernahmen <strong>und</strong> Vermögensübertragungen<br />

im Sinne von Art. 181 OR alle mit dem übernommenen Vermögen<br />

oder Geschäft verknüpften übertragbaren Schulden erfassen, eingeschlossen be-<br />

26<br />

RALPH MALACRIDA, in: Rolf Watter/Nedim Peter Vogt/Rudolf Tschäni/Daniel Daeniker (Hrsg.),<br />

Basler Kommentar, Fusionsgesetz, Basel/Genf/München 2005, N 1 zu Art. 69 FusG.<br />

27 Da Art. 181 OR sowohl in der alten als auch der neuen Fassung hinsichtlich des Übergangs von<br />

Aktiven <strong>und</strong> Passiven weitgehend das Gleiche regelt, sind nachstehend mit dem Verweis auf<br />

Art. 181 OR jeweils beide Fassungen gemeint.<br />

28 Kann die Rechtsnachfolge der Verhaltensstörereigenschaft im Rahmen von Geschäftsübernahmen<br />

<strong>und</strong> Vermögensübertragungen gemäss aArt. 181 OR bejaht werden, so hat dasselbe auch<br />

für andere Unternehmenstransaktionen, wie Geschäftsübernahmen, Spaltungen <strong>und</strong> Fusionen<br />

gemäss Fusionsgesetz zu gelten.<br />

29<br />

RUDOLF TSCHÄNI, Kommentar zu Art. 181 OR, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang<br />

Wiegand (Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1–529<br />

OR, Basel/Bern/Zürich 2007, N 1 zu Art. 181 OR.<br />

238


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

dingte <strong>und</strong> verjährte Schulden, selbst wenn diese dem Übernehmer nicht bekannt<br />

waren 30 .<br />

Als übertragbar hat das B<strong>und</strong>esgericht z.B. auch AHV-Beitragsschulden bezeichnet<br />

31 . Das B<strong>und</strong>esgericht hat in BGE 119 V 389 im Fall des Übergangs einer Kollektivgesellschaft<br />

in eine <strong>AG</strong> mittels Sacheinlagevertrag die privatrechtliche Bestimmung<br />

des Art. 181 OR auch für öffentlichrechtliche Forderungen analog angewendet.<br />

In einem neueren Entscheid 32 hat das B<strong>und</strong>esgericht die Frage, ob die öffentlichrechtliche<br />

Verhaltensstörereigenschaft infolge einer Geschäftsübernahme i.S.v.<br />

Art. 181 OR von einem Einzelunternehmen auf eine Aktiengesellschaft übergegangen<br />

ist, offen gelassen <strong>und</strong> zur Beurteilung an das kantonale Verwaltungsgericht zurückgewiesen.<br />

Das Verwaltungsgericht des Kantons Genf hat mit Urteil vom 15. April<br />

2008 33 den Übergang der Kostentragungspflicht aufgr<strong>und</strong> öffentlichrechtlicher Verhaltensstörereigenschaft<br />

infolge Geschäftsübernahme i.S.v. Art. 181 OR von einem<br />

Einzelunternehmen auf eine Aktiengesellschaft ausdrücklich bejaht. Es begründet<br />

den Übergang wie folgt:<br />

«Dans le cadre de l'article 181 alinéa 1 CO, comme l'a déjà jugé le Tribunal<br />

fédéral, une dette d'assainissement est valablement reprise si l'avis publié dans les<br />

journaux ne comporte pas expressément de mention indiquant qu'elle ne l'était pas<br />

ou qu'elle était ignorée (Arrêt du Tribunal fédéral du 29 avril 1988 G. Kleiderreinigungs<br />

<strong>AG</strong> gegen Regierungsrat des Kantons Bern, publié dans JAB 1988 p. 406–417;<br />

K. SCHERRER, Handlungs- <strong>und</strong> Kostentragungspflichten bei der Altlastensanierung,<br />

Bern 2005, p. 96; H. SEILER, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zürich 2001, ad<br />

art. 2, p. 28).»<br />

Die analoge Anwendung von Art. 181 OR im Sinne der aufgeführten Rechtsprechung<br />

hat für altlastenrechtliche Kostenersatzansprüche zur Folge, dass die mit dem<br />

übertragenen Geschäft verb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> vor dem Zeitpunkt der Schuldübernahme<br />

begründeten Schulden 34 auf den Übernehmer übergehen 35 . Mit anderen Worten geht<br />

die Kostentragungspflicht des ursprünglichen Verhaltensstörers infolge Geschäftsübernahme<br />

mit Aktiven <strong>und</strong> Passiven auf den Rechtsnachfolger über.<br />

Nach W<strong>AG</strong>NER PFEIFER 36 lässt sich allerdings mit guten Gründen auch die gegenteilige<br />

Meinung vertreten: Seinerzeit noch nicht erkennbare öffentlichrechtliche Kostenfolgen,<br />

wie sie aus den späteren altlastenrechtlichen Bestimmungen resultieren, stel-<br />

30<br />

TSCHÄNI (FN 29), N 8 zu Art. 181 OR.<br />

31 BGE 119 V 389 E. 6b.<br />

32 B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid vom 25. September 2006, 1.A.273/2005 <strong>und</strong> 1.A.274/2005.<br />

33 ATA/175/2008, Ziff. 6 c.<br />

34 Unseres Erachtens handelte es sich hierbei um öffentlichrechtliche Pflichten, deren Bestand sich<br />

rückwirkend aufgr<strong>und</strong> der heute geltenden altlastenrechtlichen Bestimmungen beurteilt.<br />

35<br />

W<strong>AG</strong>NER PFEIFER (FN 22), S. 140; CUMMINS (FN 15), S. 121.<br />

36<br />

W<strong>AG</strong>NER PFEIFER (FN 22), S. 141.<br />

239


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

len wohl kaum Verbindlichkeiten dar, mit denen jeder Übernehmer rechnen musste,<br />

wie dies bei laufenden Lohnforderungen oder auch bei den vom B<strong>und</strong>esgericht (BGE<br />

119 V 389) zu beurteilenden Lohnnebenkosten der Fall war. Dem kann entgegen<br />

gehalten werden, dass Art. 32c ff. USG gr<strong>und</strong>sätzlich rückwirkend Anwendung findet<br />

37 . Bei der Qualifizierung einer Person als Verhaltensstörer ist regelmässig eine<br />

Person betroffen, die im Zeitpunkt der Verursachung keine Kenntnis von ihrer künftigen<br />

Kostentragungspflicht hatte. In der Folge muss dieselbe Rückwirkung auch bei<br />

gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen gelten. 38<br />

Anstelle eines eigentlichen Überganges der öffentlichrechtlichen Verhaltensstörereigenschaft<br />

in Folge einer Geschäftsübernahme gemäss Art. 181 OR kann man auch<br />

zur Begründung anführen, dass die Verhaltensstörereigenschaft gar nicht übergeht,<br />

sondern vielmehr am eigentlichen «Betriebsteil», welcher die Belastung «verursacht»<br />

hat, haften bleibt 39 . Durch die Geschäftsübernahme wechselt der «Betrieb» den Eigentümer,<br />

wobei die Verhaltensstörereigenschaft ähnlich einer Realobligation mit<br />

dem Betrieb verb<strong>und</strong>en ist. Dies scheint insofern als sachgerecht, als die Parteien<br />

über die Verhaltensstörereigenschaft als solche keine Verfügungsmacht haben, weil<br />

sie als öffentlichrechtliche Pflicht privatrechtlich nicht zur Disposition steht 40 .<br />

Nach ROMY 41 basiert die Verantwortlichkeit des Verhaltensstörers auf einem Verhalten,<br />

welchem die Belastung zugr<strong>und</strong>e liegt. Sie kann als solche nur auf die übernehmende<br />

Gesellschaft transferiert werden, wenn die «Sanierungsschuld» im Moment<br />

der Geschäftsübernahme begründet war. Dies setzt voraus, dass im Zeitpunkt<br />

der Übernahme eine gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für die Pflicht zur Übernahme der Sanierungskosten<br />

existierte. Ihrer Ansicht nach muss das Risiko im Zeitpunkt des Transfers<br />

konkretisiert sein. Ist dies nicht der Fall, so existiert die Verpflichtung nicht, weshalb<br />

sie auch nicht transferiert werden kann. Eine solche gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

37<br />

HANS W. STUTZ/MARK CUMMINS, Die Sanierung von Altlasten, Rechtsfragen der Behandlung<br />

kontaminierter Gr<strong>und</strong>stücke unter besonderer Berücksichtigung des züricherischen Rechts, Zürich<br />

1996, S. 34: Sämtliche Altlastenfälle müssen als Tatbestände unechter Rückwirkung im Sinne<br />

der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts qualifiziert werden (BGE 102 Ia 31, 32 f.; 104 IB 205,<br />

219 f.; 113 Ia 412, 425; 118 Ia 245, 255); vgl. dazu auch MARTIN FRICK, Das Verursacherprinzip<br />

in Verfassung <strong>und</strong> Gesetz, Diss. Bern 2004, S. 208 ff.<br />

38<br />

Nach W<strong>AG</strong>NER PFEIFER (FN 22), S. 141, liegt es im freien Gestaltungsermessen der beteiligten<br />

Parteien, ob die altlastenrechtlich relevanten Betriebsteile (Gr<strong>und</strong>besitz, Produktionsbereiche)<br />

beim alten Rechtsträger verbleiben oder auf den neuen übergehen. Dies ist unseres Erachtens zu<br />

präzisieren. Das freie Gestaltungsermessen besteht nicht bezüglich der öffentlichrechtlichen<br />

Verhaltensstörereigenschaft als solcher, weil sie als öffentlichrechtliche Pflicht privatrechtlich<br />

nicht zur Disposition steht. Die Parteien können sich lediglich über die Erfüllung der mit der<br />

Verhaltensstörereigenschaft verb<strong>und</strong>enen Verhaltens- <strong>und</strong> Kostentragungspflicht im Sinne einer<br />

privaten Risikoallokation ins Einvernehmen setzen.<br />

39 Vgl. dazu hinten Ziff. III/E/3.<br />

40 Vgl. dazu vorne Ziff. III/B/1.<br />

41<br />

ROMY (FN 16), Site pollués, sociétés et responsabilités, S. 190 ff.<br />

240


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

Pflicht zur Übernahme der Sanierungskosten muss nicht notwendigerweise Art. 32d<br />

USG sein. Andere gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen, wie beispielsweise Art. 8 des Gewässerschutzgesetzes<br />

vom 8. Oktober 1971 waren bereits vor Art. 32d in Kraft <strong>und</strong> begründeten<br />

die Verantwortlichkeit des Verhaltensstörers.<br />

Unserer Ansicht nach ist es gerade nicht erforderlich, dass im Zeitpunkt der Übernahme<br />

eine gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für die Pflicht zur Übernahme der Sanierungskosten<br />

existierte. Meist bestand im Zeitpunkt der Begründung des ökologisch relevanten<br />

Sachverhaltes keine sachgerechte Normierung. Die ökologische Relevanz des Sachverhaltes<br />

rückte erst in einem viel späteren Zeitpunkt aufgr<strong>und</strong> neuer wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse ins allgemeine Bewusstsein <strong>und</strong> führte in der Folge zu einer entsprechenden<br />

gesetzlichen Regelung, die nun mehr rückwirkend auf Sachverhalte<br />

Anwendung findet, die sich vor langer Zeit verwirklicht haben. Es liegt in der Natur<br />

des Altlastenrechts, dass Sachverhalte als rechtsrelevant beurteilt werden, die es im<br />

Zeitpunkt der Tatsachensetzung gerade nicht waren 42 . Da es sich bei diesen Tatsachen<br />

um sogenannte Dauersachverhalte handelt (andauernde Kontamination) 43 , spricht<br />

nichts gegen die Rückwirkung des Altlastenrechts (Art. 32c ff. USG) 44 . Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> erübrigt es sich, nach relativ künstlich anmutenden Hilfskonstruktionen<br />

zu greifen oder unter irgendeinem Titel nach historischen Rechtsgr<strong>und</strong>lagen zu suchen,<br />

die für die Beurteilung der Pflicht zur Übernahme der Sanierungskosten herangezogen<br />

werden.<br />

Im Übrigen stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine «Sanierungsschuld»<br />

als begründet zu gelten hat. Unserer Ansicht nach kann eine «Sanierungsschuld»,<br />

welche eine Kostentragungspflicht gemäss Art. 32d USG zur Folge hat, frühestens ab<br />

Inkrafttreten dieser Bestimmung begründet sein. Ein Rückgriff auf ältere gesetzliche<br />

Bestimmungen ist nicht sachgerecht. Diese Bestimmungen hatten im Vergleich zur<br />

heute geltenden Umweltschutzgesetzgebung (Art. 32c ff. USG <strong>und</strong> AltlV) im Bereich<br />

der Sanierung belasteter Standorte qualitativ <strong>und</strong> quantitativ abweichende Schutzziele.<br />

Folgt man der Ansicht von Romy, dass es im Zeitpunkt der Übernahme einer<br />

gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für die Pflicht zur Übernahme der Sanierungskosten bedarf, so<br />

ist konsequenterweise nicht nur hinsichtlich des Bestandes, sondern auch des Umfangs<br />

der Sanierungspflicht auf das damalige Recht abzustellen. Eine derartige Lösung<br />

ist keineswegs praktikabel, sondern unterläuft die heute geltende gesetzliche<br />

Regelung.<br />

42<br />

HANS U. LINIGER, Bauen im reglementierten Baugr<strong>und</strong>, in: Institut für Schweizerisches <strong>und</strong><br />

Umweltmanagementsysteme in der öffentlichen Verwaltung (Hrsg.), Baurechtstagung Bd. I, Fribourg<br />

1999, S. 54 ff.<br />

43<br />

STUTZ/CUMMINS (FN 37), S. 33 f.<br />

44 Dazu eingehend: FRICK (FN 37), S. 207 ff.<br />

241


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

In Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung 45 ist ausserdem anerkannt, dass die störer- bzw. altlastenrechtliche<br />

Kostentragungspflicht unabhängig ist von der Frage der Rechtswidrigkeit<br />

des Verhaltens im massgeblichen Zeitpunkt. Weder Verschulden noch Pflicht-<br />

oder Sorgfaltswidrigkeit sind massgebend, entscheidend ist einzig das damalige Verhalten<br />

der Beteiligten, <strong>und</strong> zu welchen Anteilen dies zur Verursachung beigetragen<br />

hat. Es spielt auch keine Rolle, ob das damalige Verhalten aufgr<strong>und</strong> der damals geltenden<br />

Rechtsnormen rechtskonform oder sogar ausdrücklich bewilligt war 46 : Die<br />

Verhaltensstörereigenschaft wird rückwirkend begründet.<br />

Weiter ist festzuhalten, dass die Kostenpflicht des Verhaltensstörers gemäss<br />

Art 32d USG <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Ausgleichsforderungen zwischen Gemeinwesen<br />

<strong>und</strong> den «Betroffenen» öffentlichrechtlicher Natur sind 47 . Der Verursacher hat<br />

über die Kostentragungspflicht gemäss Art. 32d USG keine Verfügungsmacht, da sie<br />

als öffentlichrechtliche Pflicht dem Privatrecht nicht zur Disposition steht. Aus der<br />

fehlenden Verfügungsmacht folgt, dass die Parteien die Modalitäten des Übergangs<br />

derartiger öffentlichrechtlicher Pflichten nicht vertraglich regeln können. Vielmehr<br />

legt das öffentliche Recht fest, wer als Verhaltensstörer zu gelten hat. Die Parteien<br />

können nur die daraus resultierenden Risiken vertraglich zuordnen.<br />

3. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im<br />

Zusammenhang mit Vermögensübertragungen gemäss<br />

Fusionsgesetz (Art. 69 FusG)<br />

Die Vermögensübertragung gemäss Art. 69 ff. FusG ist ein Rechtsinstitut, mit dem im<br />

Handelsregister eingetragene Rechtsträger ihr Vermögen oder Teile davon nach Massgabe<br />

eines Inventars uno actu auf andere Rechtsträger übertragen können, ohne dass<br />

die für die Einzelübertragung geltenden Formvorschriften erfüllt werden müssen. 48<br />

Der Rechtsübergang erfolgt materiell durch (partielle) Universalsukzession <strong>und</strong> formell<br />

mit der Eintragung der Vermögensübertragung im Handelsregister.<br />

Geht man davon aus, dass die Kostentragungspflicht des Verhaltensstörers infolge<br />

Geschäftsübernahme gemäss Art. 181 OR auch ohne gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage (im Zeit-<br />

45<br />

TSCHANNEN (FN 3), N 46 zu Art. 32d USG; CUMMINS (FN 15), 117; W<strong>AG</strong>NER PFEIFER (FN 22),<br />

S. 142; FRICK (FN 37), S. 207.<br />

46 In Übereinstimmung mit der schweizerischen Rechtsprechung <strong>und</strong> Lehre ist davon auszugehen,<br />

dass auch bewilligungskonformes Handeln eine Qualifikation als Störer (<strong>und</strong> damit als Verursacher)<br />

nach sich ziehen kann (FRICK (FN 37), S. 206 f.).<br />

47<br />

TSCHANNEN (FN 3), N 37 zu Art. 32d USG; vgl. auch vorstehend Ziff. III.B.1.<br />

48<br />

PETER RIEDWEG/DIETER GRÜNBLATT, in: Rolf Watter/Nedim Peter Vogt/Rudolf Tschäni/Daniel<br />

Daeniker (Hrsg.), Basler Kommentar, Fusionsgesetz, Basel/Genf/München 2005, N 1 zu Teil 1<br />

vor Art. 69 FusG.<br />

242


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

punkt des Übergangs) auf den Rechtsnachfolger übergeht, so muss Entsprechendes<br />

auch für die Vermögensübertragung i.S.v. Art. 69 ff. FusG gelten 49 .<br />

4. Spezialfall Durchgriff<br />

Das Körperschaftsrecht basiert auf dem Gr<strong>und</strong>satz der vollständigen rechtlichen <strong>und</strong><br />

tatsächlichen Trennung der juristischen Person von ihren Mitgliedern in persönlicher<br />

<strong>und</strong> vermögensmässiger Hinsicht. Nur ausnahmsweise muss die hinter der rechtlichen<br />

Form liegende wirtschaftliche Realität berücksichtigt werden: dann nämlich,<br />

wenn die juristische Person von ihren Mitgliedern in rechtsmissbräuchlicher Weise<br />

zur Erreichung unlauterer Zwecke verwendet wird, so dass die Berufung auf die rechtliche<br />

Selbstständigkeit der juristischen Person gegen Treu <strong>und</strong> Glauben (Art. 2 ZGB)<br />

verstösst 50 .<br />

Wird z.B. eine Tochtergesellschaft einzig mit dem Zweck gegründet, die Muttergesellschaft<br />

als eigentliche Verhaltensverantwortliche von Kosten zu befreien, indem<br />

das kontaminierte Gr<strong>und</strong>stück zum wesentlichen Vermögensbestandteil der abhängigen<br />

Gesellschaft wird, soll ein Durchgriff durch die neu vorgeschobene Gesellschaft<br />

auf die bisherige Gesellschaft möglich sein 51 52 .<br />

Das Durchgriffsrecht auf die hinter der juristischen Person stehende Muttergesellschaft<br />

bzw. auf die natürlichen Personen dürfte jedoch regelmässig nur dann bestehen,<br />

wenn das haftungsbegründende Verhalten sowie dessen Folgen im Zeitpunkt<br />

des Rechtsüberganges bekannt waren <strong>und</strong> Sinn <strong>und</strong> Zweck der Transaktion darin<br />

bestand, die Tragung der Sanierungskosten zu umgehen.<br />

Die Möglichkeit <strong>und</strong> Zulässigkeit des Durchgriffs ist in der Praxis von geringer<br />

Bedeutung, da der Rechtsübergang in den weitaus häufigsten Fällen nach Verursachung<br />

der Altlast, aber noch vor ihrer Entdeckung <strong>und</strong> dem Erlass einer allfälligen<br />

49 Vgl. dazu vorne in Ziff. III/C/2; vgl. auch ROMY ([FN 16], Site pollués, sociétés et responsabilités,<br />

S. 192), mit weiteren Ausführungen hinsichtlich der Behandlung nicht zugeordneter Gegenstände<br />

des Passivvermögens.<br />

50<br />

ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER FORSTMOSER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9. Aufl., Bern<br />

2004, S. 51; BGE 113 II 31, S. 35 ff.<br />

51<br />

SCHERRER (FN 7), S. 97; TSCHANNEN (FN 3), N 32 zu Art. 32d USG; CUMMINS (FN 15), S. 121 ff.<br />

52 Vgl. aber BGE vom 2. Juni 2004, 1A.204/2003: Zur Frage ob ein ehemaliger Verwaltungsrat<br />

eines längst liquidierten Unternehmens, das im Auftrag einer Gemeinde eine bewilligte Deponie<br />

betrieb, ein «Dritter» im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Altlastenverordnung sei, hat das B<strong>und</strong>esgericht<br />

festgehalten, dass ein Verwaltungsrat eines Entsorgungsunternehmens ohne Weiteres als Dritter<br />

im Sinne der AltlV zu gelten habe. Es reiche aus, dass er in irgendeiner Form (<strong>und</strong> sei es nur im<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> für eine beschränkte Zeit) an der Geschäftsführung des Unternehmens beteiligt<br />

gewesen sei. Mit diesem Entscheid impliziert das B<strong>und</strong>esgericht stillschweigend, dass bei der<br />

Beurteilung der altlastenrechtlichen Verantwortlichkeit aufgr<strong>und</strong> des öffentlichrechtlichen Verursacherprinzips<br />

kein Platz für zivilrechtliche Abwägungen bleibt.<br />

243


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

Sanierungsverfügung erfolgt ist, <strong>und</strong> somit das haftungsbegründende Verhalten im<br />

Zeitpunkt des Rechtsüberganges <strong>und</strong> dessen Folgen noch nicht bekannt sein konnte.<br />

5. Fazit<br />

Die Frage ob bzw. wann die öffentlichrechtliche Kostentragungspflicht auch ohne<br />

spezielle gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage auf den Rechtsnachfolger übergeht, wird in der Lehre<br />

nicht einheitlich beantwortet.<br />

In Übereinstimmung mit der vorstehend aufgezeigten Rechtsprechung <strong>und</strong> einem<br />

Teil der Lehre muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Kostentragungspflicht<br />

des Verhaltensstörers infolge Geschäftsübernahme sowohl gemäss Art. 181<br />

OR als auch gemäss Art. 69 ff. FusG auch ohne gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage (im Zeitpunkt<br />

des Übergangs) auf den Rechtsnachfolger übergeht 53 . Voraussetzung dafür ist, dass<br />

die haftungsbegründenden Sachverhaltselemente im Zeitpunkt der Schuldübernahme<br />

erfüllt waren. Ob die haftungsbegründenden Sachverhaltselemente im Zeitpunkt<br />

der Schuldübernahme erfüllt waren, beurteilt sich rückwirkend ausschliesslich aufgr<strong>und</strong><br />

der heute geltenden Umweltschutzgesetzgebung.<br />

Die vorstehend aufgezeigte Lösung erscheint auch als sachgerecht. Art. 32d USG<br />

knüpft an ein Verhalten an <strong>und</strong> hat eine gerechte Kostenanlastung zum Ziel. Resultiert<br />

der altlastenrechtlich relevante Tatbestand aus einer betrieblichen Tätigkeit, so<br />

erscheint es auch als sachgerecht, wenn das Verhalten <strong>und</strong> somit die Verhaltensstörereigenschaft<br />

dem Betrieb zugerechnet wird.<br />

D. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft im<br />

Zusammenhang mit Fusionen<br />

Fusion bedeutet die vertraglich vereinbarte liquidationslose Vereinigung von zwei<br />

oder mehr Gesellschaften zu einer einzigen rechtlichen Einheit 54 . Die Aktiven <strong>und</strong><br />

Passiven einer Gesellschaft gehen dabei im Wege der Universalsukzession über, <strong>und</strong><br />

die Kontinuität der Mitgliedschaft bleibt gewahrt. Alle Rechte <strong>und</strong> alle Pflichten der<br />

absorbierten Gesellschaft gehen auf die absorbierende Gesellschaft über, ohne dass<br />

dafür besondere Übertragungshandlungen notwendig wären. Daraus ergibt sich eine<br />

Kontinuität der gesamten vermögensrechtlichen Beziehung trotz eines Subjektewechsels<br />

55 .<br />

Im Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Fusion geht von Gesetzes wegen kraft<br />

Universalsukzession die Gesamtheit der Aktiven <strong>und</strong> Passiven der übertragenden<br />

53<br />

W<strong>AG</strong>NER PFEIFER (FN 22), S. 140; SEILER (FN 17), N 67 zu Art. 2 USG.<br />

54 Vgl. BGE 108 Ib 453 E. 4a.<br />

55 BGE 115 II 418.<br />

244


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

Gesellschaft uno actu in das Vermögen der übernehmenden Gesellschaft über 56 . Die<br />

besonderen Vorschriften für die Übertragung der einzelnen Aktiven <strong>und</strong> Passiven<br />

müssen nicht beachtet werden. Übertragen werden sämtliche Aktiven <strong>und</strong> Passiven,<br />

bekannte <strong>und</strong> unbekannte, soweit sie nicht untrennbar mit der übertragenden Gesellschaft<br />

verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> daher untergehen (z.B. gewisse öffentlich-rechtliche<br />

Bewilligungen <strong>und</strong> Konzessionen, Persönlichkeitsrechte) 57 .<br />

Wendet man Art. 181 OR analog für altlastenrechtliche Kostenersatzansprüche<br />

an, so muss Entsprechendes auch für die Fusion gelten. Somit geht die Verantwortlichkeit<br />

des Verhaltenstörers im Rahmen einer Fusion auf die übernehmende Gesellschaft<br />

(Absorptionsfusion) bzw. die neue Gesellschaft (Kombinationsfusion) über.<br />

Im Gegensatz zu den Geschäftsübernahmen ist dabei unbestritten, dass die Verantwortlichkeit<br />

des Verhaltensstörers unabhängig davon übergeht, ob die rechtliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage dieser Verantwortlichkeit im Zeitpunkt der Fusion existierte oder nicht 58 .<br />

E. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft bei der<br />

Spaltung von Kapitalgesellschaften<br />

1. Allgemeines<br />

In der Praxis sind immer wieder Fälle von Spaltungen anzutreffen, bei denen nur der<br />

Betriebsteil mit den dazugehörenden Aktiven <strong>und</strong> Passiven, oder umgekehrt alle<br />

Immobilien ausser dem Betriebsteil, auf den neuen Rechtsträger übergehen. Der<br />

Begriff «Betrieb» ist dabei im Sinne des Altlastenrechts als derjenige Teil einer Gesellschaft<br />

zu verstehen, der die Belastungen des Untergr<strong>und</strong>es durch sein Verhalten verursacht<br />

hat.<br />

In den genannten Fällen stellt sich die Frage, ob die Kostentragungspflicht bei der<br />

bereits bestehenden juristischen Person verbleibt oder ob sie infolge der Spaltung auf<br />

eine andere juristische Person übergeht.<br />

2. Zivilrechtliche Wirkung bei der Spaltung von Kapitalgesellschaften<br />

a) Spaltung unter altem Recht<br />

Unter altem Recht musste für die Abspaltung oder Aufspaltung eines Vermögens von<br />

einer Gesellschaft auf eine oder mehrere andere Gesellschaften ein indirektes, zweistufiges<br />

Verfahren angewendet werden. Dabei bestanden üblicherweise der erste<br />

56 B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid vom 31. Januar 2006, 4C.385 E. 1.2.1.<br />

57<br />

TSCHÄNI/MEINHARDT/PAPA (FN 19), N 7 zu Art. 22 FusG.<br />

58 Gl. Meinung: ROMY (FN 16), Site pollués, sociétés et responsabilités, S. 194 f.<br />

245


HANS U. LINIGER / CURDIN CONRAD<br />

Schritt in der Ausgliederung der betreffenden Aktiven <strong>und</strong> Passiven durch die Muttergesellschaft<br />

in eine Tochtergesellschaft <strong>und</strong> der zweite Schritt in der Übertragung<br />

der Aktien der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft auf ihre Aktionäre.<br />

Die Aktienübertragung erfolgte durch Singularsukzession <strong>und</strong> durch Schuldenübertragung<br />

i.d.R. nach Art. 181 OR 59 .<br />

b) Spaltung von Gesellschaften nach neuem Recht (Art. 29 FusG)<br />

Merkmale der Spaltung gemäss Fusionsgesetz sind die Aufteilung des Vermögens<br />

gegen zwingende Zuweisung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten an die Gesellschafter<br />

der übertragenden Gesellschaft 60 . Kraft Eintragung der Spaltung im Handelsregister<br />

wird die Gesamtheit der in einem Inventar aufgeführten Vermögenswerte mit<br />

Aktiven <strong>und</strong> Passiven auf die übernehmende Gesellschaft übertragen (partielle Universalsukzession).<br />

Dabei ist mit der beinahe einhelligen Lehre «partiell» dahingehend<br />

zu verstehen, dass es sich qualitativ um eine vollwertige Universalsukzession<br />

handelt, die aber quantitativ auf die im Inventar genannten Vermögenswerte beschränkt<br />

ist. «Partiell» bezieht sich mithin nur auf den Umfang der Universalsukzession,<br />

nicht auf deren Rechtswirkungen 61 . Klar einem Betriebsteil zuordenbare Aktiven<br />

<strong>und</strong> Passiven müssen nicht einzeln im Inventar aufgeführt werden 62 .<br />

Gemäss Art. 38 Abs. 3 FusG haften die an einer Aufspaltung beteiligten Gesellschaften<br />

solidarisch für Verbindlichkeiten, die sich aufgr<strong>und</strong> des Spaltungsvertrags<br />

oder des Spaltungsplans nicht zuordnen lassen. Die Verbindlichkeit muss allerdings<br />

vor der Aufspaltung entstanden sein. Der Rückgriff der leistenden Gesellschaft auf die<br />

anderen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften richtet sich nach der Regelung im<br />

Innenverhältnis 63 .<br />

3. Rechtsnachfolge <strong>und</strong> Verhaltensstörereigenschaft<br />

Für die Beurteilung der Rechtsnachfolge im Rahmen von Spaltungen nach altem<br />

Recht kann zunächst auf die Ausführungen zur Geschäftübernahme gemäss Art. 181<br />

59<br />

RIEDWEG/GRÜNBLATT (FN 46), N 4 vor Art. 29 FusG.<br />

60<br />

ROLF WATTER/RAFFAEL BÜCHI, in: Rolf Watter/Nedim Peter Vogt/Rudolf Tschäni/Daniel Daeniker<br />

(Hrsg.), Basler Kommentar, Fusionsgesetz, Basel/Genf/München 2005, N 2 zu Art. 29 FusG.<br />

61 Vgl. B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid vom 31. Januar 2006, 4C.385, E. 1.2.2; WATTER/BÜCHI (FN 60),<br />

N 4 ff. zu Art. 52 FusG.<br />

62 Vgl. B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid vom 31. Januar 2006, 4C.385 E. 1.3.<br />

63<br />

ROLF WATTER/CORRADO RAMPINI, in: Rolf Watter/Nedim Peter Vogt/Rudolf Tschäni/Daniel Daeniker<br />

(Hrsg.), Basler Kommentar, Fusionsgesetz, Basel/Genf/München 2005, N 21 zu Art. 38<br />

FusG.<br />

246


<strong>Altlastenrechtliche</strong> <strong>Störerhaftung</strong> <strong>und</strong> Rechtsnachfolge bei Unternehmenstransaktionen<br />

OR verwiesen werden 64 . Für Spaltungen nach neuem Recht gelten die Ausführungen<br />

zur Fusion sinngemäss 65 .<br />

Grössere Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der altlastenrechtlichen<br />

Rechtsnachfolge ergeben sich in den Fällen, in denen nur der Betriebsteil mit den<br />

dazugehörenden Aktiven <strong>und</strong> Passiven, oder umgekehrt alle Immobilien ausser dem<br />

Betriebsteil, auf den neuen Rechtsträger übergehen. In diesen Fällen stellt sich die<br />

Frage, ob die Kostentragungspflicht bei der bereits bestehenden juristischen Person<br />

verbleibt oder ob sie infolge der Spaltung auf eine andere juristische Person übergeht.<br />

Zu dieser Frage äussert sich weder Lehre noch Rechtsprechung. Unseres Erachtens<br />

haftet die Kostentragungspflicht jeweils am Betriebsteil, welcher den altlastenrechtlich<br />

relevanten Tatbestand («Verschmutzung») erfüllt hat. Art. 32d USG unterscheidet<br />

explizit zwischen Verhaltensstörer <strong>und</strong> Zustandstörer. Diese Unterscheidung<br />

bezüglich der Kostentragungspflicht in Art. 32d USG muss auch bei einer Spaltung<br />

berücksichtigt werden. Diese Bestimmung will rückwirkend eine möglichst gerechte<br />

Zuordnung der finanziellen Folgen von Sanierungsmassnahmen erreichen. Folgt<br />

man Sinn <strong>und</strong> Zweck dieser Bestimmung, so muss auch im Falle der Spaltung einer<br />

Gesellschaft zwischen Verhaltens- <strong>und</strong> Zustandstörer unterschieden werden. In der<br />

Folge ist die Kostentragungspflicht beim Betriebsteil anzusiedeln, denn nur dieser hat<br />

die altlastenrechtlich notwendigen Massnahmen durch sein Verhalten, d.h. durch die<br />

eigentliche Betriebstätigkeit verursacht.<br />

Demnach ist diejenige juristische Person kostentragungspflichtig, welche nach einer<br />

Spaltung den altlastenrechtlich relevanten Betriebsteil übernommen hat.<br />

64 Vgl. dazu vorne Ziff. III/C/2.<br />

65 Vgl. dazu vorne Ziff. III/D.<br />

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