Dr. Gisela Felten - ID55
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3 EDITORIAL <strong>ID55</strong><br />
LIEbE<br />
FREUNDINNEN<br />
UND FREUNDE<br />
VON <strong>ID55</strong>,<br />
ich fühle mich erschöpft und überaus<br />
beschwingt. Meine Stimme klingt rauh<br />
als hätte ich einen Abend am Biertisch<br />
verbracht. In Wirklichkeit komme ich<br />
geradewegs aus einem Wanne-Eickeler<br />
Proberaum, wo ich als Mitglied der <strong>ID55</strong>-<br />
Singalongs mit „Graf Hotte“ und seiner<br />
Band „Vibration“ Rocksongs geübt habe.<br />
Bald werden wir zehn bei den „Wanner<br />
Mondnächten“ vor Hunderten von Leuten<br />
auf der Bühne stehen und Lieblingslieder<br />
schmettern: Ruby Tuesday, Woman of<br />
Gold, These Boots are made for Walking,<br />
Rocking all over the World.<br />
55 Jahre alt musste ich werden, um diese<br />
Situation zum allerersten Mal zu erleben.<br />
Und glauben Sie mir, dafür bin ich ganz<br />
gehörig über meinen Schatten gesprungen.<br />
Mir zittern schon jetzt die Knie, wenn ich<br />
nur an den Auftritt denke. Wir <strong>ID55</strong>-Singalongs<br />
singen ja nicht unbedingt schön<br />
und richtig, dafür aber laut und leidenschaftlich.<br />
Wir singen, worauf wir Lust<br />
haben. Wir lernen Texte, üben knifflige<br />
Musikpassagen und lachen, wenn mal ein<br />
Ton daneben geht. Kaum zu glauben, dass<br />
sich eine echte Band mit uns auf die Bühne<br />
traut und uns sogar schon für den nächsten<br />
Auftritt eingeladen hat. Die Kleidungsfrage<br />
ist natürlich längst geklärt.<br />
Die meisten von uns kannten sich vorher<br />
nicht, und nun haben wir bei Singalong einen<br />
Riesenspaß zusammen. <strong>Gisela</strong> kam sogar<br />
zur Probe, obwohl sie nicht gern Englisch<br />
spricht und bei den „Mondnächten“<br />
nicht dabei sein kann. Als Helma neulich<br />
nach einem schlimmen Sturz ins Krankenhaus<br />
musste, hat Gudrun sie besucht,<br />
und Klaus hat sich regelmäßig telefonisch<br />
erkundigt.<br />
Soziologen würden bei den <strong>ID55</strong>-Singalongs,<br />
die ja nur eine von vielen Interessengruppen<br />
des Vereins <strong>ID55</strong> – anders<br />
alt werden sind, von einem informellen<br />
Netzwerk für Ältere sprechen. Frauen und<br />
Männer um die 50 schließen sich freiwillig<br />
zusammen, um gemeinsam aktiv zu<br />
sein und Ideen zu verwirklichen, die in<br />
der ersten Lebenshälfte vielleicht auf der<br />
Strecke geblieben sind. Sie tun es für sich<br />
persönlich, aber auch für andere. Die einen<br />
wählen Freizeitaktivitäten, die anderen<br />
WIR SIND BÄUME<br />
AUCH WENN MAN ES VIELEN<br />
NICHT ANSIEHT – AUCH UNSERE<br />
PROMIS WERDEN ÄLTER, UND<br />
SIE HABEN IHRE GANZ PERSÖN-<br />
LICHEN ANSICHTEN VOM ALTER<br />
„Wir kommen immer mehr ins Zeitalter<br />
der Vampire. Es geht nur darum, möglichst<br />
lange zu leben. Und das erinnert an Untote.<br />
Angesichts der erschreckenden Möglichkeiten<br />
der Medizin sieht man sich selbst in<br />
so einer Zukunft, in der man ewig herumschleicht.“<br />
CAMPINO<br />
(Sänger der „Toten Hosen“, 50)<br />
„Wer nicht alt werden will,<br />
muss eben früher sterben.“<br />
HANNELORE ELSNER<br />
(Schauspielerin, 69)<br />
„Natürlich kann man jammernd vorm Spiegel<br />
stehen. Aber ich brauche mir nur Fotos<br />
von früher ansehen und bin schon beruhigt.<br />
So scheiße wie wir damals aussahen - so will<br />
man heute eigentlich nicht rumlaufen.“<br />
SOPHIE ROIS<br />
(Schauspielerin, 50)<br />
engagieren sich ehrenamtlich. Die Übergänge<br />
sind nicht selten fließend. Ohne es<br />
zu wissen, schaffen Menschen in besten<br />
Jahren auf diese Weise DIE Grundvoraussetzung<br />
für gelingendes Älterwerden.<br />
Ehrlich gesagt, daran denken wir bei den<br />
<strong>ID55</strong>-Singalongs gar nicht, wenn wir<br />
„Marmor, Stein und Eisen bricht“ proben,<br />
den Song, den wir in petto haben, wenn<br />
unser Publikum bei den „Mondnächten“<br />
eine Zugabe wünschen sollte. Was tun wir,<br />
wenn die Zuhörer eine zweite wünschen?<br />
Keine Ahnung – nie zuvor war es so spannend,<br />
älter zu werden.<br />
Das Beste kommt noch.<br />
Herzlichst, Ihre<br />
Susanne Schübel<br />
„Ich bin immer bei 24, 25<br />
stehengeblieben. Älter als 35<br />
kriegt man mich auch nicht.Früher<br />
habe ich bei 60 Jahren aus<br />
Spaß gesagt: Mensch, ab in die<br />
Urne! Ich habe überhaupt kein<br />
bezug zum Alter.“<br />
WALTER MOERS<br />
(Autor „Das kleine Arschloch“, 55)<br />
HEINZ HOENIG<br />
(Schauspieler, 60)<br />
„Nach meiner Philosophie sind alle Lebewesen bäume.<br />
Jeder schlägt irgendwann Wurzeln. Und dann setzt du<br />
Jahresringe an und wirst alt und fett.“<br />
Für die Zitate bedanken<br />
wir uns bei:<br />
Gala (Campino),<br />
Die WELT (Hannelore Elsner),<br />
Nisch-Center (Walter Moers),<br />
WAZ (Sophie Rois),<br />
news.de (Heinz Hoenig)