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Praktische Erfahrungen mit „Zeitfenster-Systemen“ im Schicht- betrieb

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Herrmann · Kutscher · Weidinger<br />

Arbeitszeitberatung<br />

Dr. Andreas Hoff / Jana Jelenski 1 10/2002<br />

<strong>Praktische</strong> <strong>Erfahrungen</strong> <strong>mit</strong> <strong>„Zeitfenster</strong>-<strong>Systemen“</strong> <strong>im</strong> <strong>Schicht</strong><strong>betrieb</strong><br />

(erschienen in Personalwirtschaft, Sonderheft 10/2002)<br />

Während sich <strong>im</strong> Tagesdienst <strong>im</strong>mer flexiblere Arbeitszeitsysteme (bis hin zur<br />

Vertrauensarbeitszeit) ausbreiten, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 2 in<br />

der Regel <strong>im</strong>mer größere Gestaltungsspielräume einräumen, ist der <strong>Schicht</strong><strong>betrieb</strong><br />

gerade hinsichtlich der letztgenannten D<strong>im</strong>ension noch deutlich unterbelichtet.<br />

Hier beinhaltet Flexibilität – wenn es denn überhaupt welche gibt – meist „nur“<br />

die Möglichkeit für den Arbeitgeber, die Betriebszeit durch An- und Absage<br />

und/oder Verlängerung und Verkürzung von <strong>Schicht</strong>en gemäß best<strong>im</strong>mter „Flexi-<br />

Spielregeln“ an Schwankungen von Arbeitsanfall und/oder Personalverfügbarkeit<br />

anzupassen 3 . Dazu werden dann Zeitkonten benötigt, die mehr und mehr zu einem<br />

selbstverständlichen Bestandteil von <strong>Schicht</strong>systemen werden.<br />

Dabei gibt es eine ganze Reihe viel versprechender Möglichkeiten, auch <strong>im</strong><br />

<strong>Schicht</strong><strong>betrieb</strong> zu erweiterten Gestaltungsspielräumen der Mitarbeiter hinsichtlich<br />

der Verteilung ihrer Arbeitszeit zu kommen. In diesem Beitrag stellen wir hieraus<br />

die Option <strong>„Zeitfenster</strong>“ vor 4 , die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihren Urlaub<br />

und ihre Freischichten sowie eventuell auch anderweitige Abwesenheitszeiten<br />

eigenverantwortlich <strong>im</strong> Team zu verplanen. Dabei kann zugleich die Wirtschaftlichkeit<br />

des Personaleinsatzes verbessert werden, indem insbesondere Über-,<br />

aber auch Unterbesetzungen vermieden werden.<br />

Grundlagen<br />

Zeitfenster können grundsätzlich in jedes <strong>Schicht</strong>system eingebaut werden. Allerdings<br />

können sie ihr Potenzial nur dann richtig entfalten, wenn die Mitarbeiter An-<br />

1 Dr. Andreas Hoff war bis 2012 Partner der Arbeitszeitberatung Dr. Hoff Weidinger Herrmann,<br />

Jana Jelenski Mitarbeiterin der Arbeitszeitberatung Herrmann Kutscher Weidinger, Berlin – siehe<br />

www.arbeitszeitberatung.de.<br />

2 Zwecks besserer Lesbarkeit, aber auch, weil wir es in den Fallbeispielen tatsächlich praktisch<br />

ausschließlich <strong>mit</strong> Männern zu tun haben, verwenden wir nachfolgend stets nur die männliche<br />

Form.<br />

3 Vgl. hierzu und zu anderen „Flexi-Optionen“ und -Instrumenten <strong>im</strong> <strong>Schicht</strong><strong>betrieb</strong> Andreas Hoff,<br />

<strong>Praktische</strong> Hinweis zur flexiblen Gestaltung von <strong>Schicht</strong>systemen, in: PERSONALFÜHRUNG<br />

6/2000, S. 54ff. (das Manuskript ist auch unter www.arbeitszeitberatung.de verfügbar).<br />

4 Vgl. zu diesem Konzept ausführlich Lars Herrmann, Zeitgemäße <strong>Schicht</strong>pläne. Maßgeschneiderte<br />

Arbeitszeitsysteme für die Produktion, 2. Auflage 2001, S. 76ff.<br />

Rosa-Luxemburg-Straße 5 ⋅ 10178 Berlin<br />

Telefon 030 / 803 20 41 ⋅ Fax 030 / 803 91 33<br />

www.arbeitszeitberatung.de ⋅ email@arbeitszeitberatung.de


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Arbeitszeitberatung<br />

spruch auf (eine möglichst hohe Zahl von) Freischichten haben. Am besten passen<br />

sie daher zu <strong>Schicht</strong>systemen, in denen die schichtplanmäßig eingeteilte Arbeitszeit<br />

(deutlich) über die Vertragsarbeitszeit hinausgeht.<br />

Der Einbau von Zeitfenstern soll nun an einem einfachen fiktiven Beispiel aus<br />

dem 3-<strong>Schicht</strong>-Betrieb (siehe Schaubild 1) erläutert werden. Der <strong>Schicht</strong>plan<br />

sieht hier vor, dass die Betriebszeit in einer Bandbreite von 13 – 18 <strong>Schicht</strong>en pro<br />

Woche variiert werden kann, wobei die Vertragsarbeitszeit von annahmegemäß<br />

35 Wochenstunden grundsätzlich gleichmäßig à 7 Stunden auf die Arbeitstage<br />

Montag bis Freitag verteilt wird. Die planmäßige Arbeitszeit pro <strong>Schicht</strong> wird<br />

<strong>mit</strong> 7,8 Stunden angenommen.<br />

Schaubild 1<br />

Ein flexibles 3- <strong>Schicht</strong>-Modell <strong>mit</strong> Zeitfenstern bei 35-Stunden-Woche<br />

Dieser <strong>Schicht</strong>plan sieht nun zusätzlich pro <strong>Schicht</strong> zwei <strong>„Zeitfenster</strong>“ vor, die von<br />

den Mitarbeitern eines Teams in gegenseitiger Absprache durch Abwesenheitszeit<br />

belegt werden – insbesondere also <strong>mit</strong> Urlaubstagen und Freischichten. Wie<br />

groß das Team ist, das über diese beiden Zeitfenster eigenverantwortlich verfügen<br />

kann, und wie groß da<strong>mit</strong> die Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch -<br />

verantwortlichkeiten der Mitarbeiter sind (sie nehmen unter sonst gleichen Umständen<br />

<strong>mit</strong> zunehmender Teamgröße ab), hängt ausschließlich davon ab, welche<br />

Abwesenheitszeiten über die Belegung von Zeitfenstern verteilt werden sollen.<br />

In unserem Beispiel beträgt die Teamgröße dann ca. 9 Personen, wenn wir<br />

annehmen, dass über die Zeitfenster lediglich Urlaub und Freischichten verteilt<br />

werden sollen und die durchschnittliche Betriebszeit 15 <strong>Schicht</strong>en pro Woche beträgt:<br />

Dann hat nämlich jeder Mitarbeiter aufgrund seines Urlaubsanspruchs von<br />

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angenommen 30 Tagen sowie seiner ca. 23 Freischichten pro Jahr 5 Zugriff auf<br />

insgesamt 53 Zeitfenster pro Jahr. Pro Gruppe und Jahr stehen bei angenommen<br />

250 Arbeitstagen 500 Zeitfenster zur Verfügung, was für ca. 9 Mitarbeiter ausreicht.<br />

Sollen nun zusätzlich noch z.B. Weiterbildungszeiten, Sonderurlaube und<br />

längerfristige Erkrankungen über Zeitfenster abgedeckt werden und/oder wird die<br />

Betriebszeit ausgedehnt und steigt dadurch die Zahl der Zeitfenster pro Mitarbeiter<br />

und Jahr auf beispielsweise ca. 70, ist die Gruppengröße auf 7 Personen abzusenken;<br />

etc.<br />

Die Zeitfensterbelegung durch die Mitarbeiter wird sinnvoller Weise über deren<br />

Zeitkonten gesteuert, die in flexiblen <strong>Schicht</strong>systemen wie demjenigen in unserem<br />

Beispiel ohnehin geführt werden müssen. Im unteren Teil von Schaubild 1 sind<br />

die sich dabei ergebenden Zeitkontenbewegungen wiedergegeben. Daraus ergibt<br />

sich auch, dass die Mitarbeiter bei Volllast-Betrieb (18 <strong>Schicht</strong>en/Woche) innerhalb<br />

von drei Wochen einen Anspruch auf gut fünf Freischichten aufbauen.<br />

Interessant an diesem Beispiel ist außerdem, dass auf den flexiblen Wochenendschichten<br />

keine Vertragsarbeitszeit liegt. Dies ist für alle Mitarbeiter vorteilhaft: für<br />

diejenigen, die möglichst häufig am Wochenende frei haben wollen, weil die Zeitfenster<br />

in den Wochenendschichten das Zeitkonto nicht belasten, aber auch für<br />

diejenigen, die sich z.B. eine Freiwoche ansparen wollen, weil die am Wochenende<br />

geleisteten Stunden voll ins Zeitkonto laufen.<br />

Dafür, dass die Mitarbeiter in gleicher Weise die ihnen zustehenden Zeitfenster<br />

beanspruchen (wo<strong>mit</strong> sich dann auch ihre Zeitkonten in einer vergleichbaren<br />

Größenordnung bewegen), sind die Führungskräfte verantwortlich, die diese<br />

Kompetenz aber natürlich (widerruflich) auf die Teams delegieren können. Dabei<br />

muss erfahrungsgemäß stets besonders darauf geachtet werden, dass die Zeitfenster<br />

wirklich von allen Team<strong>mit</strong>gliedern belegt werden können, es also beispielsweise<br />

keine dies verhindernden Qualifikationsengpässe gibt.<br />

Über unseren einfachen Beispiel-Fall hinaus kann die Flexibilität von Zeitfenster-<br />

Systemen noch deutlich dadurch gesteigert werden, dass nach zu vereinbarenden<br />

Spielregeln – siehe hierzu auch den folgenden Abschnitt – zusätzliche Zeitfenster<br />

geöffnet und/oder vorhandene Zeitfenster wieder geschlossen werden<br />

können, um beispielsweise auch noch kurzfristig auf Schwankungen von Arbeitsanfall<br />

und Personalverfügbarkeit reagieren und Freizeitwünschen der Mitarbeiter<br />

nachkommen zu können.<br />

<strong>Praktische</strong> Handhabung<br />

5 Aufgrund der Differenz zwischen planmäßiger und vertraglicher Arbeitszeit von 0,8 Stunden pro<br />

<strong>Schicht</strong> müssen die Mitarbeiter von z.B. 221 Arbeitstagen nur gut 198 leisten: 198 x 0,8 : 7 = 22,63<br />

Freischichten.<br />

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Arbeitszeitberatung<br />

Im Sommer 2001 haben wir <strong>im</strong> Auftrag eines Kunden Telefoninterviews <strong>mit</strong> Vertretern<br />

von vier Unternehmen des produzierenden Gewerbes zum praktischen<br />

Umgang <strong>mit</strong> Zeitfenster-Systemen sowie zu deren Anbindung an die Personalabrechnung(ssysteme)<br />

durchgeführt. Zwei dieser Unternehmen (jeweils eines aus<br />

der chemischen und der Metallindustrie – <strong>im</strong> folgenden „C“ bzw. „M“) arbeiteten<br />

damals vollkontinuierlich, die beiden anderen (jeweils eines aus der Druck- und<br />

der Papierindustrie – <strong>im</strong> folgenden „D“ bzw. „P“) teilkontinuierlich <strong>im</strong> 6-Tage-<br />

Betrieb. Grundlage der Gespräche waren die in Schaubild 2 wiedergegebenen<br />

Fragen.<br />

Schaubild 2:<br />

Fragen in unserer Kurzrecherche<br />

1. Wer entscheidet über das Öffnen bzw. das Schließen von (zusätzlichen)<br />

Zeitfenstern?<br />

2. Werden die Zeitfenster manuell oder EDV-gestützt verwaltet – und ggf.<br />

<strong>mit</strong> welchen Tools?<br />

3. Wer entscheidet über die Belegung der Zeitfenster? Wie erfolgt der entsprechende<br />

Planungsprozess?<br />

4. Wie wird die tatsächliche Zeitfensterbelegung erfasst? Erfolgt ein Abgleich<br />

<strong>mit</strong> dem Zeitfensterplan?<br />

5. Wie erfolgt der Übertrag auf das Abrechnungssystem?<br />

Zu Frage 1<br />

Bei C kann der zuständige Meister geplante Zeitfenster kurzfristig – beispielsweise<br />

bei erhöhtem Krankenstand – wieder schließen bzw. (bei fehlendem Bedarf)<br />

weitere Zeitfenster öffnen. Bei M und bei D entscheiden demgegenüber die<br />

<strong>Schicht</strong>führer in Abst<strong>im</strong>mung <strong>mit</strong> der Fertigungsleitung über das Öffnen und<br />

Schließen von Zeitfenstern, wobei bei M (auf Verlangen des Betriebsrats) die Zahl<br />

der möglichen Zeitfenster pro <strong>Schicht</strong>gruppe begrenzt ist und Überschreitungen<br />

<strong>mit</strong> der Fertigungsleitung abzust<strong>im</strong>men sind. Bei P wird die Zahl der Zeitfenster<br />

pro <strong>Schicht</strong>gruppe von Fertigungsleitung und Technischem Service aufgrund der<br />

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Arbeitszeitberatung<br />

Produktionsplanung er<strong>mit</strong>telt. Die <strong>Schicht</strong>gruppen bestehen hier aus sieben Mitarbeitern,<br />

die in der Regel fünf Arbeitsplätze belegen.<br />

Zu Frage 2:<br />

Bei C gibt es hinsichtlich der manuellen bzw. EDV-gestützten Zeitfensterverwaltung<br />

keine zentrale Vorgabe, sondern volle Gestaltungsfreiheit für die Meister. Im<br />

Ergebnis arbeiten die „EDV-Freaks“, die alle ihre Aufgaben <strong>mit</strong> technischer<br />

Unterstützung wahrnehmen, <strong>mit</strong> entsprechenden Tools, andere Meister entsprechend<br />

ihrer Vorliebe <strong>mit</strong> Papier und Ordner. Der dadurch, dass sich jeder Meister<br />

sein System selbst „strickt“, höhere Aufwand wird in Kauf genommen, weil – so<br />

die Erfahrung – die Akzeptanz selbstentwickelter Tools größer ist und der Umgang<br />

<strong>mit</strong> ihnen auch besser funktioniert.<br />

In den anderen drei Fällen wird <strong>mit</strong> EDV-Unterstützung gearbeitet. So werden bei<br />

M die Zeitfenster von den <strong>Schicht</strong>führern in Excel verwaltet; das betreffende<br />

„Sheet“ wurde von einem Mitarbeiter dieses Unternehmens entwickelt. Hier trägt<br />

der <strong>Schicht</strong>führer das Ergebnis des Abst<strong>im</strong>mungsprozesses der Mitarbeiter (siehe<br />

Frage 3) ebenso ein wie etwaige Abweichungen vom Zeitfenster-Belegungsplan.<br />

Bei D wird der Zeitfensterplan <strong>im</strong> Jahresschichtkalender in Excel hinterlegt; auch<br />

das hierfür benötigte Tool wurde von einem Mitarbeiter erstellt. Bei P schließlich<br />

wird die Information über den erforderlichen Personalbedarf in einem in Excel laufenden<br />

und <strong>mit</strong> Visual Basic erstellten Programm hinterlegt.<br />

Zu Frage 3:<br />

Bei C legen die <strong>Schicht</strong>gruppen jeweils bis zum 31.10. für das folgende Kalenderjahr<br />

ihren gesamten Jahresurlaub sowie 50% ihrer Freischichten über die Zeitfenster<br />

fest. Die verbleibenden Zeitfenster werden von ihnen in der Regel quartalsweise<br />

vorab verplant; bei „Belegungskonkurrenzen“ werden auch die jeweiligen<br />

persönlichen Gründe abgefragt. Im Falle von Abst<strong>im</strong>mungsproblemen unterstützt<br />

der Meister die <strong>Schicht</strong>gruppe zunächst durch Moderation, hat aber – <strong>im</strong><br />

absoluten Notfall (bei Nicht-Einigung der Mitarbeiter) – auch das Recht, die Belegung<br />

eines Zeitfensters anzuordnen. Allerdings ist weder der Personalabteilung<br />

noch dem Betriebsrat ein solcher Fall bekannt geworden.<br />

Der Meister trägt hier auch die Verantwortung dafür, dass letztlich alle Zeitfenster<br />

belegt sind. Er prüft dabei zugleich, ob auch deren Verteilung auf seine Mitarbeiter<br />

möglichst gleichmäßig auf Früh-, Spät- und Nachtschichten sowie auf Sonnund<br />

Feiertage erfolgt, um so eine Benachteiligung Einzelner auszuschließen.<br />

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Arbeitszeitberatung<br />

Bei kurzfristig erforderlicher Flexibilität werden den Mitarbeitern nicht einfach Freischichten,<br />

Arbeitsschichten an eigentlich freien Tagen oder Längerarbeit angeordnet,<br />

sondern wird ihnen zunächst deren Notwendigkeit ver<strong>mit</strong>telt. Diese nondirektive<br />

Vorgehensweise steigert die Akzeptanz und Flexibilitätsbereitschaft der<br />

Mitarbeiter, so dass sie in den meisten Fällen aus ihrem Verantwortungsgefühl<br />

heraus der Anfrage des Meisters entsprechen. Umgekehrt erkennt dieser aber<br />

auch entgegenstehende private Gründe selbstverständlich an, und ebenso<br />

selbstverständlich können die Mitarbeiter untereinander Freischichten (belegte<br />

Zeitfenster) tauschen. Die Flexibilität des gesamten Verfahrens beruht da<strong>mit</strong> auf<br />

einem „Geben und Nehmen“.<br />

Bei M verplanen die Mitarbeiter jeweils am Jahresende sowohl ihren kompletten<br />

Jahresurlaub also auch alle Freischichten <strong>mit</strong> Hilfe eines ausgedruckten Jahresschichtkalenders,<br />

der auch die Zeitfenster enthält. Der <strong>Schicht</strong>führer wird nur <strong>im</strong><br />

Konfliktfall einbezogen, den es bisher aber erst einmal gegeben hat, als ein Mitarbeiter<br />

wegen seines außerberuflichen Engagements be<strong>im</strong> THW <strong>im</strong>mer bevorzugt<br />

behandelt werden wollte. Den Belegungsplan der Mitarbeiter legt der <strong>Schicht</strong>führer<br />

dann der Fertigungsleitung vor, die einen letzten Blick auf seine St<strong>im</strong>migkeit<br />

wirft. Anschließend überträgt der <strong>Schicht</strong>führer ihn in das Excel-Sheet.<br />

Dieser Abst<strong>im</strong>mungsprozess hat anfangs nicht reibungslos funktioniert. Das Unternehmen<br />

demonstrierte jedoch Durchhaltevermögen, um einen Lernprozess<br />

hinsichtlich neuer Verhaltensweisen (wie Umsicht und Verständnis für die Belange<br />

der Kollegen) zu initiieren. Heute können <strong>mit</strong> der selbst gesteuerten Einsatzplanung<br />

nach Angabe unseres Interviewpartners <strong>im</strong>mer ca. 90% der Mitarbeiter<br />

zufrieden gestellt werden. Bei D geben die <strong>Schicht</strong>führer die Zeitfensterbelegung<br />

in den PC ein: Die Verantwortung hierfür sollte den Mitarbeitern <strong>im</strong> ersten Schritt<br />

noch nicht überlassen werden. Über die Belegung der Zeitfenster werden die Mitarbeiter<br />

dann am Donnerstag der laufenden Woche durch Aushang des <strong>Schicht</strong>plans<br />

für die Folgewoche informiert, der in Excel aus dem Jahresschichtkalender<br />

generiert wird.<br />

Allerdings war hier ein Teil der <strong>Schicht</strong>führer nicht in der Lage, für eine Gleichverteilung<br />

der Zeitfenster auf die Mitarbeiter zu sorgen. Vielmehr gaben einige von<br />

ihnen Wünschen einzelner Mitarbeiter – beispielsweise nach der besonderes interessanten<br />

Freizeit am Samstagsabend – besonders häufig nach und kamen bei<br />

ihrer Belegungsplanung insbesondere den „schwierigen“ Mitarbeitern entgegen.<br />

Resultat waren Unfrieden in der Mannschaft und erhebliche Zeitguthaben einzelner<br />

Mitarbeiter. Auch deshalb – "weil wir für das Funktionieren nicht die richtigen<br />

Mitarbeiter und Führungskräfte hatten" – gibt es heute bei D keine Zeitfenster<br />

mehr; Hauptgrund hierfür war aber die Rückkehr zur 5-Tage-Betriebswoche,<br />

durch die das praktizierte Zeitfenster-System obsolet wurde.<br />

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Arbeitszeitberatung<br />

Bei P wird jeweils am Donnerstag die Entscheidung über den Personaleinsatz in<br />

der Folgewoche getroffen. Die Information hierüber erhält der jeweilige Gruppensprecher,<br />

der diese in Excel einträgt. Anschließend st<strong>im</strong>mt er die Belegung der<br />

einzelnen Zeitfenster <strong>mit</strong> den Gruppen<strong>mit</strong>gliedern ab. Dabei sollen grundsätzlich<br />

die Mitarbeiter <strong>mit</strong> größeren Plussalden bevorzugt berücksichtigt werden.<br />

Das Ergebnis dieses Abst<strong>im</strong>mungsprozesses kann sowohl vom Gruppensprecher<br />

als auch von den Mitarbeitern in Excel hinterlegt werden. In Folge dieser Eingaben<br />

werden die „anwesend“ geplanten Mitarbeiter <strong>mit</strong> einer best<strong>im</strong>mten Farbe<br />

gekennzeichnet, so dass ersichtlich wird, ob die erforderliche Personalstärke sichergestellt<br />

ist. Sind in einer <strong>Schicht</strong> nicht genügend Mitarbeiter als anwesend<br />

hinterlegt, erfolgt ein roter Warnhinweis.<br />

Zu Frage 4:<br />

Bei C dokumentiert der Meister „zur Sicherheit“ für sich etwaige Abweichungen<br />

vom Zeitfensterplan, weil letztlich er dafür verantwortlich ist, dass die Mitarbeiter<br />

ihre Freischichtenansprüche realisieren und ihre vertragliche Arbeitszeit leisten;<br />

für die Personalabrechnung sind diese Notizen nicht relevant. Die tatsächliche<br />

Belegung der Zeitfenster wird dadurch erfasst, dass der Mitarbeiter eine sogenannte<br />

Stundenkarte führt. Hierauf trägt er beispielsweise die geleistete Arbeitszeit<br />

ein, wenn er eine <strong>Schicht</strong> erbringt, in der er ursprünglich ein Zeitfenster belegt<br />

hatte, und auch Krankheitszeiten, wobei die Personalabrechnung hierüber ohnehin<br />

informiert ist, da er dieser den ärztlichen Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit<br />

geben muss.<br />

Bei M und bei D wird die tatsächliche Zeitfensterbelegung zum einen vom<br />

<strong>Schicht</strong>führer <strong>im</strong> Excel-Sheet bzw. werden Abweichungen von der vorgegebenen<br />

Zeitfensterbelegung <strong>im</strong> ausgedruckten Plan erfasst, zum anderen aber auch dadurch,<br />

dass die Mitarbeiter ihre Anwesenheit über die elektronische Zeiterfassung<br />

dokumentieren und jeden Abwesenheitsfall, der nicht durch die Belegung eines<br />

Zeitfensters begründet ist, per Korrekturbeleg an die Personalabrechnung melden;<br />

anderenfalls wertet das Abrechnungssystem die Abwesenheit nämlich als<br />

Zeitfensterbelegung. Über die – taggenaue – Korrektur <strong>im</strong> Excel-Sheet sind die<br />

<strong>Schicht</strong>führer bei M stets über den Freischichtenstand ihrer Mitarbeiter informiert<br />

und können ggf. steuernd eingreifen.<br />

Bei P können Änderungen des ursprünglichen Zeitfenster-Belegungsplans sowohl<br />

vom Gruppensprecher als auch von den Mitarbeitern selbst direkt in Excel eingepflegt<br />

werden, so dass die Belegung <strong>im</strong>mer auf dem aktuellen Stand ist. Das System<br />

dokumentiert darüber hinaus <strong>mit</strong>arbeiterbezogen die Zahl der belegten Zeitfenster<br />

sowie die Zahl der gearbeiteten Samstage, um deren Gleichverteilung<br />

über die Gruppen<strong>mit</strong>glieder sicherzustellen.<br />

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Zu Frage 5:<br />

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Bei C werden die Stundenkarten manuell zentral in der Entgeltabrechnung ausgewertet<br />

und <strong>im</strong> Abrechnungssystemkontiert.<br />

Bei M (und ähnlich bei D) wird die Verbindung zur Personalabrechnung durch die<br />

elektronische Zeiterfassung in Verbindung <strong>mit</strong> den Korrekturbelegen hergestellt.<br />

Bei Belegung eines Zeitfensters muss der Mitarbeiter hier keinen Beleg „Meldung<br />

Abwesenheit“ ausfüllen; diese Information ergibt sich einfach durch seine Nicht-<br />

Buchung am betreffenden Arbeitstag. Zwischen Abrechnungssystem und Excel-<br />

Sheet gibt es keine Schnittstelle; jedoch haben die <strong>Schicht</strong>führer die Berechtigung<br />

zum direkten Zugriff auf das Abrechnungssystem – also beispielsweise auf den<br />

Stand der Zeitkonten. Bei P existiert vor Ort ein SAP-Anschluss, für den der örtliche<br />

Personalverantwortliche sowie der Fertigungsleiter zugriffsberechtigt sind. Die<br />

Anwesenheit der Mitarbeiter wird via elektronische Zeiterfassung registriert und zu<br />

SAP transferiert. Urlaubs- und Krankheitszeiten werden direkt in SAP eingegeben.<br />

Zum Excel-Programm gibt es auch hier keine Verbindung.<br />

Empfehlungen für den Einsatz von Zeitfenster-Systemen<br />

Vor diesem Hintergrund möchten wir die folgenden Empfehlungen für den Einsatz<br />

eines Zeitfenster-Systems geben:<br />

� Die <strong>im</strong> Team gesteuerte Einsatzplanung <strong>mit</strong> Zeitfenstern ist ein Erfolg<br />

versprechender Einstieg in eine stärker <strong>mit</strong>arbeiterorientierte<br />

<strong>Schicht</strong>plangestaltung, der bei Bedarf auch Schritt für Schritt ausgebaut<br />

werden kann. Sie erfordert vor allem funktionierende Abst<strong>im</strong>mungsprozesse<br />

<strong>im</strong> Team – und eine dazu passende non-direktive<br />

Führungsarbeit (!). Diese durch Spielregeln und Hilfestellungen (in<br />

Form etwa von Trainingsmaßnahmen und Planungsinstrumenten)<br />

zu fördern, ist wichtiger als z.B. die Integration von Planungs- und<br />

Abrechnungssystem.<br />

� Der technische Aufwand kann und sollte gering gehalten werden.<br />

Der Zeitfensterplan sollte – wie in der Mehrheit der von uns befragten<br />

Unternehmen – <strong>mit</strong> Hilfe eines einfachen Excel-Tools 6 erstellt<br />

werden, in dem unkompliziert Zeitfenster geöffnet und geschlossen<br />

sowie belegt werden können. Er sollte jeweils „rechtzeitig“ ausgedruckt<br />

und den Mitarbeitern zur Abst<strong>im</strong>mung über die Belegung der<br />

6 Wir werden auf unserer Webseite www.arbeitszeitberatung.de voraussichtlich noch in diesem<br />

Jahr ein Standard-Tool „IT-gestützte Zeitfensterverwaltung“ kostenlos zum Download zur Verfügung<br />

stellen.<br />

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zur Verfügung stehenden Zeitfenster übergeben werden. Das Ergebnis<br />

des Abst<strong>im</strong>mungsprozesses wird dann wieder in das Excel-<br />

Tool eingegeben und der belegte Zeitfensterplan erneut ausgedruckt.<br />

Erforderliche Korrekturen (etwa aufgrund von Tauschen)<br />

nehmen die Mitarbeiter dann am besten händisch vor, wobei bei<br />

Bedarf zugleich der Grund für die Belegung des Zeitfensters – zum<br />

Beispiel Krankheit, Urlaub oder tarifliche Freistellung – eingetragen<br />

wird. Die tatsächlichen Zeitfensterbelegungen werden dann <strong>im</strong><br />

Nachhinein in das Excel-Tool zurückübertragen, um dort bei Bedarf<br />

Auswertungen vornehmen zu können – etwa hinsichtlich des Einsatzes<br />

der Mitarbeiter in Früh-, Spät- und Nachtschicht, am Wochenende,<br />

an Feiertagen, in der Samstag-Spätschicht, etc.<br />

� Ob eine technische Anbindung an das Abrechnungssystem erforderlich<br />

ist, kann nur <strong>im</strong> Einzelfall entschieden werden. Sie kann sich<br />

insbesondere bei Vorhandensein elektronischer Zeiterfassung erübrigen.<br />

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