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Arbeitszeit-Innovation in der Pflege - Arbeitszeitberatung Dr. Hoff ...

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Herrmann · Kutscher · Weid<strong>in</strong>ger<br />

<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Lars Herrmann 02/2000<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>-<strong>Innovation</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />

(erschienen <strong>in</strong>: Praxis-Handbuch <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung Heft 2/2000)<br />

1. Krankenhäuser entdecken die <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung neu<br />

Krankenhäuser durchlaufen <strong>der</strong>zeit e<strong>in</strong>en tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungsprozess: Hatten<br />

die bislang nach zentral ausgehandelten Tagesätzen nach Bedarfsdeckungspr<strong>in</strong>zip<br />

bezahlten Hospitäler (zu) wenig Interesse daran, die Patienten rasch zu entlassen,<br />

wird mehr und mehr <strong>der</strong> Wettbewerb um günstige Fallpauschalen und verkürzte<br />

Verweildauern bei höchster mediz<strong>in</strong>ischer und Service-Qualität die Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

bestimmen. Der wirtschaftliche E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> <strong>der</strong> Mitarbeiter rückt <strong>in</strong><br />

Zeiten von Budgetabsenkungen angesichts e<strong>in</strong>es Personalkostenanteils von regelmäßig<br />

ca. 70% stärker <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Kern aller <strong>Arbeitszeit</strong>-Überlegungen ist die Frage, wie die zur Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

zur Verfügung zu stellenden Kapazitäten so kundenorientiert und effizient wie möglich<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden können. Dies verlangt von den Beteiligten e<strong>in</strong>e mitunter<br />

grundlegende Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>geschliffener Organisationsmethoden und Sichtweisen.<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilität entwickelt sich - plakativ ausgedrückt - von <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Sozialleistung zum Wettbewerbsfaktor. Was s<strong>in</strong>d die wichtigsten Gründe hierfür?<br />

• <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung schafft wichtige Voraussetzungen für kundenorientiertes<br />

Arbeiten:<br />

Zunehmen<strong>der</strong> Wettbewerb im Gesundheitswesen stärkt die Stellung des Kunden<br />

- nicht zuletzt aufgrund <strong>der</strong> zügigen Marktdurchdr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Privatkl<strong>in</strong>iken.<br />

Das Marktpr<strong>in</strong>zip wird sich zukünftig ausdrücken <strong>in</strong> größeren Freiräumen<br />

für die Gestaltung <strong>der</strong> Vertragsbeziehungen zwischen den Leistungsanbietern<br />

und den Versicherungen/Versicherten und <strong>in</strong> <strong>der</strong> stärkeren f<strong>in</strong>anziellen Verantwortung<br />

von Ärzten und Krankenhäusern für die von Ihnen veranlassten<br />

Leistungen. Krankenhäuser entwickeln sich so zu mo<strong>der</strong>nen Dienstleistungsunternehmen,<br />

die die optimale Befriedigung <strong>der</strong> Kundenanfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den<br />

Mittelpunkt ihrer Tätigkeit rücken. Der Wert <strong>der</strong> Dienstleistung wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

immer maßgeblicher durch den Zeitpunkt <strong>der</strong> Leistungserstellung bestimmt<br />

werden. Es kommt daher vor allem auf die <strong>in</strong>nerbetriebliche Reaktionsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

an. Und hierfür ist e<strong>in</strong> flexibler Personale<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> entscheidende<br />

Hebel.<br />

Rosa-Luxemburg-Straße 5 ⋅ 10178 Berl<strong>in</strong><br />

Telefon 030 / 803 20 41 ⋅ Fax 030 / 803 91 33<br />

www.arbeitszeitberatung.de/krankenhaus/ ⋅ email@arbeitszeitberatung.de


Herrmann · Kutscher · Weid<strong>in</strong>ger<br />

<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

• <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung schafft Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e höhere Qualität <strong>der</strong><br />

Arbeit:<br />

Wettbewerb wird im Gesundheitswesen vor allem e<strong>in</strong> Qualitätswettbewerb<br />

se<strong>in</strong> - aufgrund des beson<strong>der</strong>s sensiblen "Gutes" Gesundheit und weil <strong>der</strong><br />

Preiswettbewerb <strong>in</strong> den weiterh<strong>in</strong> weitgehend regulierten "Sche<strong>in</strong>märkten", <strong>in</strong><br />

denen die meisten Krankenhäuser tätig s<strong>in</strong>d, auf Sicht e<strong>in</strong>e nur e<strong>in</strong>e untergeordnete<br />

Rolle spielen wird. Qualitätsstandards und die Effizienz des Personale<strong>in</strong>satzes<br />

hängen unmittelbar zusammenhängen - e<strong>in</strong>e Erkenntnis, die sich im<br />

Krankenhausbetrieb erst langsam durchzusetzen beg<strong>in</strong>nt. Weil nämlich viele<br />

Krankenhausleitungen zwar erhebliche organisatorische Verbesserungspotentiale,<br />

nicht aber das dar<strong>in</strong> enthaltene E<strong>in</strong>sparpotential sehen, wird häufig geschlussfolgert,<br />

Kostene<strong>in</strong>sparungen ohne Kapazitätsreduzierung führten zu<br />

Qualitätse<strong>in</strong>bußen; Ökonomie und Qualität werden gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausgespielt.<br />

Erfahrungsgemäß för<strong>der</strong>t jedoch gerade die für e<strong>in</strong>en sparsamen Umgang<br />

mit <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> notwendige Prioritätensetzung die Vere<strong>in</strong>barung verlässliche<br />

Qualitätsstandards. Umgekehrt führen verlässliche Qualitätsstandards<br />

regelmäßig zu stärkeren Arbeitsanfallschwankungen - und damit wie<strong>der</strong>um<br />

zu höheren Flexibilisierungsbedarfen.<br />

• <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für die Mitarbeiter attraktiv:<br />

Die mit e<strong>in</strong>er Flexibilisierung notwendig zunehmenden Gestaltungsspielräume<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter müssen gleichermaßen zur effizienten Erfüllung <strong>der</strong> Kundenanfor<strong>der</strong>ungen<br />

wie zur besseren Realisierung persönlicher Zeit<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter genutzt werden. War <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

vor allem e<strong>in</strong> Korrektiv zu den unzweifelhaft hohen psychischen und physischen<br />

Arbeitsbelastungen (weniger Arbeit <strong>in</strong> "ungünstigen" Zeiten), quasi e<strong>in</strong><br />

"Reparaturbetrieb", geht es nun vor allem e<strong>in</strong>e möglichst hohe Eigenverantwortung<br />

für die <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung im Team. <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung<br />

wird nicht zuletzt deshalb als motivierend erlebt, weil sie s<strong>in</strong>nhaftes Arbeiten<br />

durch eigenverantwortliches Reagieren auf Kundenanfor<strong>der</strong>ungen erst ermöglicht.<br />

In <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> - e<strong>in</strong>er auf die Identifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter mit ihrer Arbeit<br />

<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise angewiesenen Tätigkeit - liegen hier noch enorme Motivationspotentiale.<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung kann also nie "Nullsummenspiel"<br />

se<strong>in</strong>, bei dem <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e gew<strong>in</strong>nt, was <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e verliert.<br />

• <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung för<strong>der</strong>t prozess- statt tätigkeitsorientiertes Arbeiten:<br />

Zaghafte Ansätze zur <strong>Arbeitszeit</strong>-<strong>Innovation</strong> bleiben <strong>in</strong> Krankenhäusern oft auf<br />

e<strong>in</strong>zelne Organisationse<strong>in</strong>heiten beschränkt. Die überkommene funktionale<br />

Organisationsstruktur und das verbreitete Denken <strong>in</strong> Berufsgruppen und Zuständigkeiten<br />

hat die Herausbildung e<strong>in</strong>er isolierten Betrachtung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>systeme<br />

von Bereich zu Bereich geför<strong>der</strong>t - und mitunter sowohl zu e<strong>in</strong>er<br />

Vielzahl unterschiedlichster <strong>Arbeitszeit</strong>-"Welten" <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus als auch zu e<strong>in</strong>er<br />

Übertreibung arbeitsteiliger Strukturen geführt. Obwohl beispielsweise viele<br />

Tätigkeiten im Krankenhaus Rout<strong>in</strong>earbeiten s<strong>in</strong>d, gibt es schätzungsweise<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

300 verschiedene Berufsbil<strong>der</strong>. Optimierungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bereichen führen<br />

aber nicht zwangsläufig zur Senkung <strong>der</strong> Gesamtkosten - eher ist das Gegenteil<br />

<strong>der</strong> Fall.<br />

Beispiel: So führte die <strong>Arbeitszeit</strong>-"Optimierung" <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Labor zu verlängerten<br />

Verweildauern im Krankenhaus <strong>in</strong>sgesamt: Weil für Proben e<strong>in</strong> täglicher<br />

Annahmeschluss festgelegt wurde, um e<strong>in</strong> mehrfaches Anfahren <strong>der</strong> Analysetechnik<br />

zu vermeiden, konnten e<strong>in</strong>ige Analysen erst am folgenden Tag durchgeführt<br />

werden. E<strong>in</strong>sparungen im Labor standen so erhebliche Mehrkosten im<br />

Gesamtsystem Krankenhaus gegenüber.<br />

Im Folgenden stelle ich zunächst die wichtigsten Ziele und Instrumente <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> dar (Kapitel 2). Warum es vielen Krankenhäusern<br />

noch schwer fällt, diese Ziele zu erreichen, wird <strong>in</strong> Kapitel 3 beschrieben. Mit dem<br />

Kaptitel 4 beg<strong>in</strong>nen me<strong>in</strong>e Umsetzungsempfehlungen, zunächst anhand <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Pr<strong>in</strong>zipien flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>systeme, dann anhand e<strong>in</strong>zelner Regelungselemente<br />

(Kapitel 5). Im abschließenden Kapitel 6 gebe ich e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise zur<br />

Gestaltung des E<strong>in</strong>führungsprozesses neuer <strong>Arbeitszeit</strong>systeme.<br />

2. Ziele und Instrumente <strong>der</strong> Flexibilisierung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />

Ziele:<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> bedeutet, die Arbeit so zu gestalten, dass diese<br />

mit <strong>der</strong> verfügbaren <strong>Arbeitszeit</strong>kapazität bewältigt werden kann. Hierzu müssen<br />

• <strong>der</strong> Behandlungsaufwand und die Verweildauer <strong>der</strong> Patienten bei höherer<br />

Qualität <strong>der</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>gung verr<strong>in</strong>gert werden,<br />

• die Auslastung teurer, das heißt kapital<strong>in</strong>tensiver Anlagen verbessert werden<br />

(<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im OP),<br />

• <strong>der</strong> aktive Anteil <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>, also die Zeit, die tatsächlich mit <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />

<strong>der</strong> Patienten verbracht wird, erhöht werden,<br />

• die Reaktionsgeschw<strong>in</strong>digkeit auf kurzfristige Verän<strong>der</strong>ungen des Besetzungsbedarfs<br />

gesteigert werden, um Wartezeiten und Verzögerungen im Behandlungsprozess<br />

zu m<strong>in</strong>imieren, und<br />

• den Mitarbeitern weitestgehende Freiheiten bei <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung<br />

übertragen werden.<br />

Instrumente: Diese Ziele können erreicht werden durch<br />

• e<strong>in</strong>e bedarfgerechte Besetzung <strong>der</strong> Arbeitsplätze - mittels e<strong>in</strong>er unvore<strong>in</strong>ge-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

nommenen Analyse des tatsächlichen Besetzungsbedarfs auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen (Kollegen) und externen Kunden (Patienten);<br />

im Ergebnis heißt das, dass sämtliche bisherigen Dienstzeiten auf ihre Aufgabenorientierung<br />

h<strong>in</strong> überprüft und dann ggf. entsprechend dem Besetzungsbedarf<br />

ausgestaltet werden müssen und dass Überlappungszeiten, Übergaben<br />

und Besprechungen durch Standardisierung und Vere<strong>in</strong>fachung auf das<br />

notwendige Maß zurückzuführen s<strong>in</strong>d;<br />

• e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> Servicezeiten <strong>in</strong> den Funktionsbereichen und im OP, um<br />

teure Anlagen optimal zu nutzen und das vorhandene Wissen länger zur Verfügung<br />

zu haben;<br />

• e<strong>in</strong>e weitgehend eigenverantwortliche <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung durch die Mitarbeiter<br />

im Team - bei voller Integration <strong>der</strong> Teilzeitmitarbeiter. Die Dienstplangestaltung<br />

sollte so weit wie möglich <strong>in</strong> die Verantwortung <strong>der</strong>er gegeben<br />

werden, die "vor Ort" die <strong>Arbeitszeit</strong>-Steuerung vornehmen, also <strong>in</strong> die Teams.<br />

Dienstpläne haben dann nicht die Funktion von - vorgesetztengesteuerten -<br />

Kontroll<strong>in</strong>strumenten, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es - weitgehend mitarbeitergesteuerten -<br />

Organisationshilfsmittels;<br />

• flexible Reaktionsmöglichkeiten auf unvorhersehbare Auslastungsschwankungen<br />

mittels geeigneter "Flexi-Spielregeln", nach denen von <strong>der</strong> dienstplanmäßigen<br />

<strong>Arbeitszeit</strong> abgewichen werden kann - unter weitest möglichem Verzicht<br />

auf Überstunden;<br />

• transparente Arbeitsabläufe, die Anreize für e<strong>in</strong>e effiziente Patientendurchlaufsteuerung<br />

von <strong>der</strong> Aufnahme bis zur Entlassung geben - <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

durch e<strong>in</strong>e bessere Koord<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>ger und e<strong>in</strong>e höhere<br />

E<strong>in</strong>satzflexibilität <strong>der</strong> Mitarbeiter.<br />

3. Typische Argumente gegen <strong>Arbeitszeit</strong>-<strong>Innovation</strong>en - und wie man ihnen<br />

begegnen kann<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung wird <strong>in</strong> vielen Häusern erfahrungsgemäß immer noch eher<br />

als Störfall und Zumutung denn als betriebliche Chance diskutiert. Innovatoren s<strong>in</strong>d<br />

zunächst ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit. Und die Skeptiker und Gegner <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung<br />

können oft e<strong>in</strong>e Vielzahl von Argumenten vortragen; sie zu kennen<br />

und zu "entschärfen", ist die wesentliche Voraussetzung für den Erfolg jedwe<strong>der</strong> Flexibilisierungsansätze,<br />

die auf die tatsächliche Akzeptanz neuer Regelungen durch<br />

diejenigen, die diese Regeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis mit Leben füllen müssen, angewiesen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Selbst kle<strong>in</strong>ste Verän<strong>der</strong>ungen wie m<strong>in</strong>imale Verschiebungen von Dienstzeiten stoßen<br />

<strong>in</strong> vielen Krankenhäusern und <strong>Pflege</strong>heimen bereits auf Wi<strong>der</strong>stände - und führen<br />

nicht selten gar zu rechtlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen. Weil es natürlich immer<br />

mehr Gründe gibt, warum etwas nicht geht, als Gründe für e<strong>in</strong>e konstruktive Prob-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

lemlösung, ist die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den typischen Argumentationsmuster <strong>der</strong><br />

<strong>Innovation</strong>sfe<strong>in</strong>de und den wichtigsten Defiziten <strong>der</strong> heutigen <strong>Arbeitszeit</strong>organisation<br />

e<strong>in</strong> oft unvermeidlicher Ausgangspunkt für e<strong>in</strong>en Neuanfang bei <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung.<br />

1. "Wir würden ja noch flexibler arbeiten, rechtlich ist es aber nicht zulässig."<br />

<strong>Innovation</strong>sgegner verstecken sich bekanntermaßen gern h<strong>in</strong>ter rechtlichen<br />

Vorbehalten. Bezeichnen<strong>der</strong>weise gehören Krankenhäuser zu den wenigen<br />

Branchen, die massive Probleme mit <strong>der</strong> Umsetzung des <strong>Arbeitszeit</strong>gesetzes<br />

hatten und bis heute (sechs Jahre nach dessen E<strong>in</strong>führung) haben - und dies<br />

trotz <strong>der</strong> "e<strong>in</strong>malig" weitreichenden Tariföffnung des § 7 Abs. 2 Satz 3 ArbZG:<br />

Danach können die Regelungen zu Tageshöchstarbeitszeit, M<strong>in</strong>destruhepausen<br />

und M<strong>in</strong>destruhezeit - die drei Grundnormen des <strong>Arbeitszeit</strong>gesetzes - <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Tarifvertrag o<strong>der</strong> aufgrund e<strong>in</strong>es Tarifvertrages <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Betriebsvere<strong>in</strong>barung<br />

dem Wohl <strong>der</strong> Patienten und <strong>der</strong> Eigenart <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Behandlung,<br />

Betreuung und <strong>Pflege</strong> angepasst werden. Krankenhäuser, die das <strong>Arbeitszeit</strong>gesetz<br />

konstruktiv umgesetzt haben, haben diesen "externen Schock"<br />

als geradezu "heilsam" erlebt - zwang er doch die Beteiligten, das althergebrachten<br />

"<strong>Arbeitszeit</strong>korsett" zu h<strong>in</strong>terfragen. In <strong>der</strong> betrieblichen Praxis <strong>der</strong><br />

Krankenhäuser scheitern <strong>in</strong>novative Lösungen an rechtlichen Grenzen - auch<br />

des BAT o<strong>der</strong> <strong>der</strong> AVR - nicht. Diese s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Erarbeitung neuer <strong>Arbeitszeit</strong>lösungen<br />

stets zu berücksichtigen; zu pauschalen "Abwehrreaktionen"<br />

taugen sie jedoch nicht.<br />

2. "Mehr Flexibilität ist bei uns nicht möglich: Wir können uns nämlich nicht aussuchen,<br />

wann wir arbeiten müssen."<br />

Diese Argumentation entstand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>en für e<strong>in</strong>e betriebliche<br />

Sozialleistung gehalten wurden. Es ist das verbreitetste Flexibilitätsmissverständnis,<br />

dass flexible <strong>Arbeitszeit</strong>en die betrieblichen Handlungsmöglichkeiten<br />

e<strong>in</strong>schränken würden. Ganz im Gegenteil entfalten flexible <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

ihre größte Wirkung dann, wenn Arbeiten zu e<strong>in</strong>em bestimmten,<br />

nicht verschiebbaren Zeitpunkt gemacht werden müssen.<br />

Beispiel: Wenn die Nachtwache nicht zum Dienst ersche<strong>in</strong>t, ist das e<strong>in</strong> größeres<br />

Problem, als wenn <strong>der</strong> Personalreferent <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwaltung unpünktlich ist;<br />

folglich ist <strong>der</strong> Flexibilitätsbedarf <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachtwache - beispielsweise bezüglich<br />

<strong>der</strong> Organisation e<strong>in</strong>er Krankheitsvertretung - höher als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwaltung.<br />

3. "Dass wir schon sehr flexibel s<strong>in</strong>d, sieht man doch an den ständigen Dienstplanän<strong>der</strong>ungen."<br />

Lei<strong>der</strong> verweisen ständige (und häufig aufwendige) Dienstplanän<strong>der</strong>ungen<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt auf tatsächliche betriebliche Flexibilität. Sie s<strong>in</strong>d eher die Folge<br />

zu starrer Dienstplan-Verfahren. So müssen beispielsweise viele Dienstpläne<br />

aufgrund unzureichen<strong>der</strong> Urlaubsplanung umgeschrieben werden - ob-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

wohl gerade <strong>der</strong> Urlaub ausgesprochen gut planbar ist. Viele Dienstplanän<strong>der</strong>ungen<br />

ergeben sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis auch dadurch, dass dem Dienstplan nicht<br />

<strong>der</strong> tatsächliche Besetzungsbedarf zugrunde gelegt ist: Durch nachträgliche<br />

Än<strong>der</strong>ungen müssen dann mühsam - eigentlich planbare -Anpassungen an<br />

die betriebliche Realität vorgenommen werden.<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>em bayerischen Krankenhaus überlappten beispielsweise<br />

Früh- und Spätdienst um mehr als zwei Stunden. Obwohl im Haus allgeme<strong>in</strong><br />

bekannt war, dass diese Überlappung unproduktiv ist, konnte sie aufgrund <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>stände <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>dienstleitung und <strong>der</strong> Mitarbeiter nicht reduziert werden.<br />

Stattdessen mussten im Dienstplanpermanent Diensteverschiebungen,<br />

"versüßt" mit Überstundenzuschlägen", vorgenommen werden, um <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

wenigstens zum Teil und auf "Freiwilligkeitsbasis" <strong>in</strong> auslastungsstarke<br />

Zeiten zu verlagern.<br />

4. "Unsere Dienstpläne s<strong>in</strong>d bedarfsgerecht, sonst würden wir die Arbeit bei dem<br />

knappen Personalstand gar nicht schaffen."<br />

Tatsächlich wird <strong>in</strong> vielen <strong>Pflege</strong>bereichen aber nach wie vor <strong>in</strong> von den jeweiligen<br />

Arbeitsaufgaben relativ unabhängigen <strong>Arbeitszeit</strong>systemen gearbeitet -<br />

nicht zuletzt deshalb, weil diese Arbeitsaufgaben eben nicht ausreichend def<strong>in</strong>iert<br />

s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>ige typische Merkmale <strong>der</strong> herkömmlichen Dienstplanorganisation<br />

<strong>in</strong> Krankenhäusern und <strong>Pflege</strong>heimen s<strong>in</strong>d beispielsweise: n Dienstpläne<br />

werden auch nach aufgabenfremden Faktoren gestaltet.<br />

Beispiel 1: In e<strong>in</strong>em <strong>Pflege</strong>heim haben alle Dienste durch den Wunsch, e<strong>in</strong>e<br />

regelmäßige 5-Tage-Woche für die Mitarbeiter zu erreichen, e<strong>in</strong>e Dauer von<br />

7,7h. Diese Dienstdauer ist regelmäßig nicht bedarfsgerecht, weil differenzierten<br />

Besetzungsanfor<strong>der</strong>ungen wird mit gleichförmigen Diensten kaum begegnet<br />

werden kann. Die Folge ist Leerlauf, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs selten offen zutage tritt,<br />

son<strong>der</strong>n sich dar<strong>in</strong> äußert, dass weniger produktive Arbeiten "gesucht" werden.<br />

Beispiel 2: In e<strong>in</strong>em Krankenhaus gibt es 1,5-stündige Überlappungszeiten<br />

zwischen Früh- und Spätschicht <strong>in</strong> den regelmäßig auslastungsschwachen<br />

frühen Nachmittagsstunden, die über notwendige Übergabezeiten h<strong>in</strong>ausgehen.<br />

Beispiel 3: Die Notaufnahme e<strong>in</strong>es Krankenhauses ist montags bis freitags<br />

mit drei, am Wochenende mit zwei Mitarbeitern besetzt ist - bei aufgrund e<strong>in</strong>geschränkter<br />

ambulanter Alternativen am Wochenende etwa doppelt so hohem<br />

Arbeitsanfall.<br />

Beispiel 4: In e<strong>in</strong>em Krankenhaus werden sämtliche Dienstpläne so gestaltet,<br />

dass die Wechselschichtzulagen-Schwelle für alle Mitarbeiter auch tatsächlich<br />

übersprungen wird.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

• Dienstpläne s<strong>in</strong>d <strong>Arbeitszeit</strong>-"Korsetts", weil sie <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Monats<br />

o<strong>der</strong> von vier Wochen "rundlaufen" sollen - e<strong>in</strong>e selbstauferlegte Flexibilitätsbarriere,<br />

die we<strong>der</strong> tarifvertraglich vorgeschrieben ist noch die<br />

Dienstplangestaltung vere<strong>in</strong>facht. Wird im laufenden Dienstplan e<strong>in</strong>em<br />

für e<strong>in</strong>en kranken Kollegen e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>genden Mitarbeiter e<strong>in</strong> arbeitsfreier<br />

Tag gewährt, wird diese Besetzungslücke wie<strong>der</strong>um mit e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>genden Kollegen geschlossen, <strong>der</strong> dafür wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>en freien<br />

Tag bekommt etc. Wir nennen dieses Phänomen "Dienstplan-Dom<strong>in</strong>o".<br />

Häufig wird diese <strong>Arbeitszeit</strong>verschiebungs-Methode auch noch mit<br />

Überstunden-Zuschlagen "garniert". Analysiert man das Überstundenaufkommen,<br />

dann zeigt sich, dass die meisten Überstunden nicht kapazitätsbed<strong>in</strong>gt,<br />

son<strong>der</strong>n wegen <strong>der</strong> "Dom<strong>in</strong>o-Zuschläge" entstehen -<br />

e<strong>in</strong>em Resultat <strong>der</strong> unflexiblen Dienstplanung.<br />

• Dienstpläne werden als Wunschzettel missbraucht. <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />

ist - etwas überspitzt gesagt - oft "dienstplangesteuerte Freizeitgestaltung".<br />

Die Stationsleitung ist schnell überfor<strong>der</strong>t, wenn sie e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl <strong>in</strong>dividueller Wünsche "unter e<strong>in</strong>en Hut" br<strong>in</strong>gen Mus - anstatt<br />

die Aufgabe, <strong>in</strong>dividuelle Wünsche mit betrieblichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

kompatibel zu machen, den Mitarbeitern selbst zu überlassen. Es allen<br />

recht zu machen, gel<strong>in</strong>gt nur selten; die Stationsleitung/<strong>Pflege</strong>dienstleitung<br />

wird zum "Buhmann", und Unzufriedenheit bei<br />

Dienstplane<strong>in</strong>teilern wie -e<strong>in</strong>geteilten ist oft die Folge.<br />

• Teilzeitmitarbeiter werden vielfach entwe<strong>der</strong> <strong>in</strong> "ganzen" Schichten e<strong>in</strong>gesetzt<br />

- und damit e<strong>in</strong> wesentliches ökonomisches Potential, dass <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Abdeckung von Bedarfsspitzen mit kurzen Diensten liegt, verschenkt.<br />

O<strong>der</strong> sie haben feste "Wunscharbeitszeiten", die nicht mit den<br />

betrieblichen Besetzungsanfor<strong>der</strong>ungen vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d - mit <strong>der</strong> Folge,<br />

dass Vollzeitmitarbeiter um die Teilzeitmitarbeiter "herumgebaut" werden<br />

müssen. Interessanterweise haben diese "Privatarbeitszeiten" oft<br />

ke<strong>in</strong>en speziellen privaten H<strong>in</strong>tergrund mehr, weil die meisten Gründe<br />

für e<strong>in</strong>e privilegierte <strong>Arbeitszeit</strong>lage - etwa e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungsanfor<strong>der</strong>ung<br />

- nur temporär gelten, die <strong>Arbeitszeit</strong> anschließend aber nicht<br />

verän<strong>der</strong>t wurde.<br />

5. "Wenn wir weniger Zeit für unsere Arbeit haben, geht das voll zu Lasten <strong>der</strong><br />

Qualität."<br />

Zu den verbreitetsten Missverständnissen im Gesundheitswesen gehört die im<br />

1. Kapitel schon angedeutete, sich hartnäckig haltende Illusion, Effizienzsteigerungen<br />

seien nur auf Kosten <strong>der</strong> Qualität, also <strong>der</strong> Patientenversorgung,<br />

möglich. Schon e<strong>in</strong> Blick auf die Verweildauern im Krankenhaus zeigt: Hierzulande<br />

beträgt sie 11,4 Tage, <strong>in</strong> Frankreich 5,9 Tage - ohne signifikante Qualitätsunterschiede.<br />

Effizienzgew<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d nicht nur möglich, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>in</strong>novativen<br />

Unternehmen geradezu die Voraussetzung dafür, die Qualität zu steigern:<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Erst Knappheit <strong>der</strong> Ressourcen erzeugt nämlich den <strong>Dr</strong>uck auf e<strong>in</strong>e Prioritätensetzung,<br />

die wie<strong>der</strong>um zur Vere<strong>in</strong>fachung und Kundenausrichtung <strong>der</strong> Arbeitsabläufe<br />

zw<strong>in</strong>gt; und erst e<strong>in</strong>fache und kundenorientierte Abläufe erzeugen<br />

beim Kunden Qualität. E<strong>in</strong>e Magenspiegelung ist umso leichter zu ertragen, je<br />

kürzer sie dauert.<br />

Der typische Zusammenhang zwischen Personalkapazität und Qualität wird <strong>in</strong><br />

Abb. 01 verdeutlicht:<br />

Abb. 01: Der Zusammenhang zwischen Kapazität und Qualität<br />

6. "Wir s<strong>in</strong>d ja schon sehr flexibel - man kann dies an den vielen Überstunden<br />

ablesen.":<br />

Überstunden, dies ist oben schon deutlich gemacht worden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />

und <strong>Pflege</strong>heimen erfahrungsgemäß we<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Zeichen für Kapazitätsengpässe<br />

noch für das erreichte Flexibilitätsniveau. Organisatorisch <strong>in</strong>novative<br />

Krankenhäuser weisen daher regelmäßig e<strong>in</strong> nur ger<strong>in</strong>ges Überstundenniveau<br />

auf? Starre <strong>Arbeitszeit</strong>systeme s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis durchaus flexibel<br />

- allerd<strong>in</strong>gs nur nach oben (<strong>in</strong> Form von Überstunden), nicht aber nach unten:<br />

Es ist gerade das Kennzeichen starrer <strong>Arbeitszeit</strong>systeme, dass es <strong>in</strong> ihnen allenfalls<br />

e<strong>in</strong>geschränkt möglich ist, kürzer zu arbeiten, wenn e<strong>in</strong>mal weniger zu<br />

tun ist. In <strong>der</strong> Fähigkeit, <strong>in</strong> solchen Auslastungstäler "ausatmen" zu können,<br />

liegt daher das größte ökonomische Potential flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>systeme.<br />

Weniger zu arbeiten zur richtigen Zeit heißt, Arbeitsproduktivität und Qualität<br />

gleichermaßen erhöhen zu können - und dies, ohne die Mitarbeiter zusätzlich<br />

zu belasten, weil es nicht um Leistungsverdichtung geht, son<strong>der</strong>n um das<br />

Weglassen unnötiger Arbeit, die Reduzierung von Doppel- und Parallelarbeit,<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

die Konzentration auf die kundenorientiert notwendigen Tätigkeiten - also die<br />

Vermeidung von Zeitverschwendung. E<strong>in</strong>e produktivitätsorientierte Flexibilisierung<br />

ist daher wesentliche Voraussetzung für e<strong>in</strong>e Entlastung <strong>der</strong> Mitarbeiter.<br />

Ohneh<strong>in</strong> kann aus <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> im Betrieb verbrachten Anwesenheitszeit<br />

ke<strong>in</strong> Rückschluss auf Engagement und Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Mitarbeiter gezogen<br />

werden. Auch wenn lange Anwesenheitszeiten gerade <strong>in</strong> sozialen Berufen<br />

Synonym für Gebrauchtwerden ist: Anwesenheitszeit ist nicht notwendig<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>; <strong>Arbeitszeit</strong> ist nicht automatisch Leistung, und aus <strong>der</strong> Leistung<br />

(<strong>in</strong>put) kann nicht auf Ergebnisse (Output) geschlossen werden. Gerade weil<br />

Arbeitsergebnisse <strong>in</strong> qualifizierten Arbeitsstrukturen schwer messbar s<strong>in</strong>d, ist<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>verbrauch e<strong>in</strong> denkbar schlechter Leistungsnachweis. "Arbeit lässt<br />

sich wie Gummi dehnen, wie Zeit zur Verfügung steht, um sie auszufüllen." - <strong>in</strong><br />

Krankenhäusern kann man diese e<strong>in</strong>leuchtende Erkenntnis beispielsweise bei<br />

<strong>der</strong> Übergabe zwischen den Schichten ablesen: Fragt man <strong>in</strong> Häusern, die <strong>in</strong><br />

nur 15 M<strong>in</strong>uten übergeben, wie sie es <strong>in</strong> dieser Zeit schaffen, sagen alle Beteiligten,<br />

dass es wirklich knapp, aber bei guter Strukturierung und technischer<br />

Unterstützung zu schaffen sei. Fragt man <strong>in</strong> Kl<strong>in</strong>iken mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>stündigen<br />

Übergabe, wie sie es schaffen, wird man ebenfalls hören: Es ist knapp, aber<br />

mit e<strong>in</strong> wenig Anstrengung geht es schon.<br />

7. "Krankenhäuser s<strong>in</strong>d nicht mit an<strong>der</strong>en Branchen vergleichbar - bei uns geht<br />

es um Leben und Tod."<br />

Niemand bezweifelt, dass Krankenhäuser beson<strong>der</strong>s sensible Kundenanfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu erfüllen haben. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, wertvolle Erfahrungen<br />

an<strong>der</strong>er Branchen mit jahrelangen Erfahrungen mit <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung,<br />

ungenutzt zu lassen. Die Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen vieler<br />

Krankenhäuser s<strong>in</strong>d übrigens denen an<strong>der</strong>er personenbezogener Dienstleister<br />

durchaus ähnlich. Innovative Krankenhäuser wissen das und suchen längst<br />

branchenübergreifenden Kontakt, um von den Erfahrungen an<strong>der</strong>er profitieren<br />

zu können.<br />

Beispiele: E<strong>in</strong> Luftverkehrsunternehmen schult das <strong>Pflege</strong>personal <strong>in</strong> Stewardessen-Charme,<br />

e<strong>in</strong> Automobilhersteller berät e<strong>in</strong> Krankenhaus bei <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>führung von Zielvere<strong>in</strong>barungssystemen und e<strong>in</strong> Softwarehersteller gibt e<strong>in</strong>em<br />

<strong>Pflege</strong>heim Tipps für e<strong>in</strong> effizientes Qualitätsmanagement.<br />

Auf diese Weise lassen sich unter Umständen auch Entwicklungsschritte <strong>der</strong><br />

<strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung überspr<strong>in</strong>gen. Prom<strong>in</strong>entestes Beispiel ist die <strong>in</strong> vielen<br />

Krankenhäusern <strong>der</strong>zeit geführte Diskussion um die E<strong>in</strong>führung elektronischer<br />

Zeiterfassungssysteme - während <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit wichtigste Trend <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft gerade die Abschaffung solcher Systeme<br />

ist, weil sie e<strong>in</strong>er ergebnisorientierter Flexibilisierung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong><br />

überwiegend im Wege stehen. Auf diesen Punkt komme ich später noch e<strong>in</strong>mal<br />

zurück.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

8. "Wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> s<strong>in</strong>d ja schon sehr flexibel, aber <strong>der</strong> ärztliche Bereich erkennt<br />

das nicht an."<br />

Gegenseitige Schuldzuweisungen, Abschottungen, Wartezeiten durch unzureichende<br />

berufsübergreifende Kooperation und Kommunikation s<strong>in</strong>d die Folge<br />

des im Gesundheitswesen beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägten Hierarchie- und<br />

Berufsstandsdenkens. Die funktionale Organisation mit ihrer Trennung <strong>in</strong> drei<br />

Berufsgruppen hat sich aus dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t weitgehend ungestört <strong>in</strong> die<br />

Neuzeit gerettet und führt heute dazu, dass die Arbeitsabläufe <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Abteilungen nur unzureichend koord<strong>in</strong>iert werden. Leerlauf und vermeidbare<br />

Verzögerungen s<strong>in</strong>d die Folge. In <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> erzeugt das Denken <strong>in</strong> Berufsgruppen<br />

und Tätigkeiten statt <strong>in</strong> Prozessen potentiell "Sicherheitspolster", um<br />

auf die unkoord<strong>in</strong>ierten Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Funktionsbereiche und <strong>der</strong> Ärzte<br />

reagieren zu können - mit <strong>der</strong> Folge häufig faktischer personeller Überbesetzungen.<br />

Mit <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung alle<strong>in</strong> ist hieran nichts zu än<strong>der</strong>n: Gleichwohl<br />

müssen <strong>Arbeitszeit</strong>verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är erarbeitet werden,<br />

und e<strong>in</strong>e ergebnisorientierte Flexibilisierung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> muss ihrerseits<br />

Anstöße für e<strong>in</strong>e an <strong>der</strong> Patientendurchlaufsteuerung ausgerichtete Gestaltung<br />

<strong>der</strong> betrieblichen Abläufe geben.<br />

4. Die wichtigsten Pr<strong>in</strong>zipien flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>systeme <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong><br />

An welchen Grundpr<strong>in</strong>zipien sollte e<strong>in</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>system <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> sich ausrichten?<br />

1. E<strong>in</strong>fachheit und Ergebnisorientierung<br />

Zeitgemäße <strong>Arbeitszeit</strong>systeme s<strong>in</strong>d notwendigerweise e<strong>in</strong>fach. Ausufernde Modellüberlegungen<br />

deuten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis darauf h<strong>in</strong>, dass zwischen den Beteiligten über<br />

die Ziele <strong>der</strong> Neugestaltung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> ke<strong>in</strong> Konsens erzielt werden konnte. <strong>Arbeitszeit</strong>regeln<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofern auch Gradmesser des betrieblichen Vertrauens bzw.<br />

Misstrauens. Der Wunsch, Flexibilität detailliert regeln zu wollen, kommt <strong>der</strong> Quadratur<br />

des Kreises gleich. Die vorausgegangenen Ausführungen sollten verdeutlicht haben,<br />

dass es im Grunde um e<strong>in</strong>en sehr e<strong>in</strong>fachen Zusammenhang geht, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong><br />

zwei Grundsätzen beschreiben lässt:<br />

• Die Verteilung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> bestimmt sich nach <strong>der</strong> Arbeitsaufgabe - und<br />

nicht umgekehrt!<br />

Flexible <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung bedeutet schließlich, die <strong>Arbeitszeit</strong>en so zu<br />

gestalten, wie sie die Kunden nachfragen - also länger zu arbeiten, wenn mehr<br />

zu tun ist, und weniger, wenn weniger los ist. Die Frage, die daher stets beantwortet<br />

werden muss, lautet also: Richtet sich unsere <strong>Arbeitszeit</strong> bereits vor<br />

allem nach den Kundenanfor<strong>der</strong>ungen - o<strong>der</strong> wird umgekehrt die Aufgabenerledigung<br />

von e<strong>in</strong>er bestimmten <strong>Arbeitszeit</strong>regelung geprägt? Orientiert sich die<br />

Leistungsbeurteilung <strong>der</strong> Mitarbeiter an ihrer Anwesenheitszeit o<strong>der</strong> an den <strong>in</strong><br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit erbrachten Ergebnissen?<br />

• Mit diesem ersten Grundsatz zu vere<strong>in</strong>barende zeitliche Interessen <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

müssen sämtlich realisiert werden können!<br />

Das bedeutet, die Interessen <strong>der</strong> Mitarbeiter dadurch zu wahren, dass sie bei<br />

Erfüllung <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>barten Anfor<strong>der</strong>ungen volle Zeitsouveränität genießen. Der<br />

bislang <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis üblichen Vorgehensweise, dass <strong>der</strong> Arbeitgeber die <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

und <strong>der</strong> Mitarbeiter die Freizeit steuert, ist damit die Grundlage<br />

entzogen. E<strong>in</strong>e solche Zweiteilung kann es <strong>in</strong> flexiblen Systemen auch gar<br />

nicht geben, ist sie doch e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wesentlichen Gründe für die Unfähigkeit<br />

herkömmlicher <strong>Arbeitszeit</strong>systeme, <strong>in</strong> Auslastungstälern tatsächlich auch weniger<br />

zu arbeiten, denn Auslastungstal und Freizeit<strong>in</strong>anspruchnahme <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

fallen erfahrungsgemäß nur selten zusammen.<br />

2. Selbststeuerung durch die Mitarbeiter<br />

Werden die obigen Grundsätze anerkannt, kann und muss die Steuerung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

weitestmöglich auf die Mitarbeiter im Team übertragen werden. Der<br />

Übergang von <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>disposition durch Pflegdienstleitung, Abteilungsleitung<br />

bzw. Stationsleitung zur <strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung wird daher zum Kernpr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong>novativer<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>systeme <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>. Hierfür sprechen aber auch die folgenden<br />

Gründe:<br />

• Je "unberechenbarer" die Schwankungen <strong>der</strong> Kundenanfor<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d,<br />

desto problematischer ist e<strong>in</strong>e direktive <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung durch Führungskräfte.<br />

Denn diese funktioniert bestenfalls mit Ankündigungsfristen, die<br />

jedoch schnelles, also kundenorientiertes Handeln gerade unmöglich machen.<br />

Selbststeuerung im Team ist damit wesentliche Voraussetzung zur Beschleunigung<br />

<strong>der</strong> Arbeitsabläufe.<br />

• Flexibilisierung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> ohne Selbststeuerung führt zu erhöhtem Adm<strong>in</strong>istrationsaufwand<br />

- e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe, warum <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Führungskräfte<br />

mit flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>en häufig Probleme haben: "Wenn mir dann noch je<strong>der</strong><br />

Mitarbeiter se<strong>in</strong>e <strong>Arbeitszeit</strong>-Wünsche vorlegt, komme ich überhaupt nicht<br />

mehr zum Arbeiten" Mit Selbststeuerung lassen sich demgegenüber auch<br />

komplexe Besetzungsanfor<strong>der</strong>ungen erfüllen. Vertrauen, gegenseitige Achtung<br />

und glaubwürdiges Handeln s<strong>in</strong>d wichtige Instrumente zur Beherrschung<br />

<strong>der</strong> wachsenden organisationalen Komplexität.<br />

• <strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung erleichtert den Abschied von <strong>der</strong> "<strong>Arbeitszeit</strong>-<br />

Illusion", e<strong>in</strong>e immer stärker schwankende Auslastung ließe sich weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

starre <strong>Arbeitszeit</strong>korsetts zwängen. In selbststeuernden <strong>Arbeitszeit</strong>systemen<br />

werden den Teams die Kompetenzen übertragen, ihre <strong>Arbeitszeit</strong>verteilung<br />

ohne detaillierte formale Regeln entsprechend den vere<strong>in</strong>barten Ergebniszielen<br />

und den gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen weitestgehend selbst bestimmen zu<br />

können. Auf diese Weise entwertet die <strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung auch den<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

verbreiteten "Anwesenheitskult": Zu zeitaufwendige Arbeitsabläufe, antra<strong>in</strong>iert<br />

durch die För<strong>der</strong>ung langer Anwesenheitszeiten, werden durch ergebnisgeleitete<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung zugunsten schnellerer Reaktionsfähigkeit<br />

verschlankt.<br />

• <strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung macht den Mitarbeitern den ergebnisorientiert<br />

notwendigen Abschied aus <strong>der</strong> Welt starr geregelter <strong>Arbeitszeit</strong>en schmackhaft,<br />

da die zeitlichen Gestaltungsspielräume im Team selbstverständlich auch<br />

für persönliche Zeit<strong>in</strong>teressen genutzt werden können. Umgekehrt speist sich<br />

aus fremdorganisierten Dienstplänen e<strong>in</strong> nicht zu unterschätzendes Unzufriedenheitspotential.<br />

• Schon heute hat <strong>in</strong> vielen Bereichen das Gestaltungsbedürfnis <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

zu <strong>in</strong>formellen "Flexi-Spielregeln" geführt, die die Defizite (zu) starrer o<strong>der</strong><br />

formalistischer Regeln im Interesse <strong>der</strong> Kunden ausgleichen. Durch <strong>Arbeitszeit</strong>-Selbststeuerung<br />

wird solchen Ansätzen e<strong>in</strong>e nachträgliche Legitimation<br />

gegeben.<br />

5. Der Weg zum neuen <strong>Arbeitszeit</strong>system: die zwei <strong>Arbeitszeit</strong> "Stellschrauben"<br />

Wie können die vorgestellten Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues <strong>Arbeitszeit</strong>system e<strong>in</strong>fließen:<br />

vor allem durch die konsequente Gestaltung zweier "Stellschrauben" (siehe Abb.<br />

02), die nachfolgend ausführlich vorgestellt werden.<br />

Abb. 02: Die zwei "Stellschrauben" <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

5.1 <strong>Arbeitszeit</strong>-Stellschraube 1: die Regelung <strong>der</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

Ausgangspunkt: Def<strong>in</strong>ition des Besetzungsbedarfs<br />

Fundament und Voraussetzung je<strong>der</strong> Neugestaltung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> ist die unvore<strong>in</strong>genommene<br />

Festlegung des jeweiligen Besetzungsbedarfs. Wenn bedarfs- statt tätigkeitsorientiert<br />

gearbeitet werden soll, dürfen die <strong>Arbeitszeit</strong>en <strong>der</strong> Mitarbeiter zu<br />

diesem Zeitpunkt noch ke<strong>in</strong>e Rolle spielen; entscheidend s<strong>in</strong>d vielmehr die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> externen (Patienten) und <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Kunden (Kollegen an<strong>der</strong>er Organisationse<strong>in</strong>heiten).<br />

Erfahrungsgemäß nimmt die gründliche Analyse <strong>der</strong> Besetzungsbedarfs<br />

etwa 90% <strong>der</strong> Zeit <strong>in</strong> Anspruch, die für die Gesamtkonzeption des <strong>Arbeitszeit</strong>systems<br />

benötigt wird.<br />

Bewährt hat sich dabei, geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är besetzten Teams den sogenannten<br />

Servicetriangel festzulegen. Er setzt sich aus den drei Komponenten Serviceversprechen,<br />

Servicezeit und Besetzungsstärke zusammen (siehe Abb. 03).<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Abb. 03: Der Servicetriangel<br />

In den Serviceversprechen wird festgelegt, welche Leistungen während <strong>der</strong> Servicezeit<br />

mit <strong>der</strong> vorhandenen Personalkapazität den Kunden garantiert werden. Dabei<br />

sollten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e folgende Punkte beachtet werden:<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

• Spätestens die E<strong>in</strong>führung von Fallpauschalen erzw<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Qualitätssicherung:<br />

weil diese die Ressourcenverknappung unterstützen, e<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong> ökonomische<br />

Orientierung an Fallpauschalen aber zu erheblichen Fehlsteuerungen<br />

führen kann. Günstige Fallpauschalen können schließlich zu mediz<strong>in</strong>isch nicht<br />

notwendigen Behandlungen anreizen bzw. - umgekehrt -"teure", weil "komplizierte"<br />

Patienten benachteiligen.<br />

• Natürlich kommt Qualität <strong>in</strong> Krankenhäusern primär im Behandlungsergebnis<br />

zum Ausdruck. Für die Patienten kommt es bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Qualität<br />

des Krankenhauses jedoch mehr und mehr auch auf die Dienstleistungsfähigkeit<br />

des Krankenhauses an - nicht zuletzt, weil er aus dessen Vorhandense<strong>in</strong><br />

auch auf die mediz<strong>in</strong>ische Qualität schließt, die er häufig genug (zunächst)<br />

nicht beurteilen kann. Diese Anfor<strong>der</strong>ungen werden häufig mit dem Begriff<br />

"Hotelqualität" umschrieben: von <strong>der</strong> Qualität des Essen über die Respektierung<br />

<strong>der</strong> Intimsphäre bis h<strong>in</strong> zur verständlichen und transparenten Aufklärung<br />

bei <strong>der</strong> Visite. Schil<strong>der</strong> wie "Wir bitten unsere Patienten, während <strong>der</strong> Übergabe<br />

nicht zu stören", s<strong>in</strong>d ebenso wenig serviceorientiert wie Aufnahmebereiche,<br />

die den "Charme" e<strong>in</strong>es Arbeitsamtes versprühen. Wertvolle diesbezügliche<br />

Verbesserungsvorschläge bekommen kundenorientierte Häuser übrigens<br />

beson<strong>der</strong>s kostengünstig von den Patienten - <strong>in</strong>dem sie diese <strong>in</strong> Entlassungsgesprächen<br />

und Kundenbefragungen systematisch <strong>in</strong> das Qualitätsmanagement<br />

e<strong>in</strong>beziehen.<br />

• Servicestandards def<strong>in</strong>ieren heißt immer auch, Prioritäten zu setzen: Gute<br />

Serviceversprechen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach und konzentrieren sich auf Kernaussagen.<br />

Sie sollen die "Leitplanken" se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>er sich eigenverantwortliches<br />

Handeln entfalten kann. In jedem Fall müssen Serviceversprechen durch die<br />

Mitarbeiter direkt bee<strong>in</strong>flussbar, überprüfbar und für sie herausfor<strong>der</strong>nd se<strong>in</strong>.<br />

Beispiel 1: Innerhalb von 24h nach Aufnahme kennt je<strong>der</strong> Patient se<strong>in</strong>e Diagnose<br />

und erhält e<strong>in</strong> Behandlungsplan - zu Überschreitungen dieses Wertes<br />

darf es nur aufgrund längerer "Bedenkzeiten" von Patienten vor bestimmten<br />

diagnostischen Maßnahmen kommen.<br />

Beispiel 2: Jede Station e<strong>in</strong>es Krankenhauses nimmt sich vor, den nachprüfbar<br />

"aktiven" Anteil ihrer Arbeitzeit - also <strong>der</strong> Zeit, die die Mitarbeiter direkt mit<br />

<strong>der</strong> Betreuung von Patienten verbr<strong>in</strong>gen, auf 75% zu erhöhen.<br />

Beispiel 3: Durch Standardisierung und DV-gestützte Kommunikationstechnik<br />

wird die Übergabezeit zwischen den Schichten von 45 auf 20 M<strong>in</strong>uten reduziert;<br />

zugleich müssen nicht mehr sämtliche Mitarbeiter <strong>der</strong> jeweiligen Schichtlage<br />

bei <strong>der</strong> Übergabe dabei se<strong>in</strong>.<br />

• Servicevere<strong>in</strong>barungen müssen laufend überprüft und ggf. aktualisiert werden.<br />

In <strong>der</strong> Ausgestaltung des Servicetriangels als "lernendes System" liegt die<br />

Chance, dass die Mitarbeiter die Kundenperspektive mehr und mehr ver<strong>in</strong>ner-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

lichen. Die Festlegung von Servicestandards wird auch mit Qualitätsmanagementprozessen<br />

gekoppelt bzw. lässt sich nicht von diesen unterscheiden. Diskussionen<br />

über Serviceversprechen werden so zur Ideenbörse für organisatorische<br />

Verbesserungen:<br />

Beispiel 1: In e<strong>in</strong>em Krankenhäusern wurden die Patienten vorrangig durch<br />

relativ unerfahrene Assistenzärzte aufgenommen; ergab die Nachdiagnose e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>es Ergebnis, waren OP-Absetzungen, Schwierigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prämedikation<br />

und damit verlängerte Verweildauern die Folge. Die "Entlastung" des<br />

Chefarztes durch den Assistenten führt so häufiger zu e<strong>in</strong>em erhöhten Arbeitsaufwand,<br />

<strong>der</strong> durch umgekehrtes Vorgehen e<strong>in</strong>gespart werden konnte.<br />

Beispiel 2: E<strong>in</strong> verbessertes Patientene<strong>in</strong>bestellungsmanagement ermöglichte<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Krankenhaus E<strong>in</strong>sparungen bei <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>zeit, da die Gruppenpflege<br />

nicht unnötig unterbrochen werden musste.<br />

Beispiel 3: Ständige Wartezeiten am Fahrstuhl e<strong>in</strong>es Hochhauses wurden als<br />

Engpass identifiziert. Die Überprüfung ergab, dass sich e<strong>in</strong>e Erneuerung des<br />

Fahrstuhls durch E<strong>in</strong>sparungen von Wartezeiten rasch amortisiert.<br />

Beispiel 4: Obwohl die erste OP durchschnittlich erst um ca. 8:15 Uhr begann,<br />

war das gesamte OP-Team bereits ab 7:00 Uhr präsent - bei e<strong>in</strong>er notwendigen<br />

Vorbereitungszeit von 30 bis 45m<strong>in</strong>. Dadurch kam es regelmäßig zu<br />

Überstunden am Ende des Arbeitstages. Durch e<strong>in</strong>e exakte Term<strong>in</strong>ierung am<br />

Vortag und e<strong>in</strong>en pünktlichen Arbeitsbeg<strong>in</strong>n des operierenden Arztes konnten<br />

arbeitstäglich ca. 30m<strong>in</strong> pro Team e<strong>in</strong>gespart werden.<br />

Beispiel 5: Aushilfen standen dem Krankenhaus trotz erheblicher Kosten nicht<br />

wirklich flexibel zur Verfügung. Vielmehr legten sie die gewünschten Dienste<br />

selbst, um die dann die Stamm-Mitarbeiter herumgruppiert wurden. Das Budget<br />

für diese "Aushilfs"-Mitarbeiter konnte e<strong>in</strong>gespart werden.<br />

Beispiel 6: Um die qualifizierten <strong>Pflege</strong>kräfte mit anspruchsvollen Arbeiten<br />

auszulasten und teures Funktionspersonal dagegen zu entlasten, wird (mit zusätzlichen<br />

Geräten) das EKG jetzt auf <strong>der</strong> Station gemacht - und zwar durch<br />

den Mitarbeiter, <strong>der</strong> gerade dafür Zeit hat.<br />

Mit <strong>der</strong> Servicezeit wird festgelegt, zu welchen Zeiten die Organisationse<strong>in</strong>heit welches<br />

Serviceniveau garantiert wird. Der bedarfsgerechten Festlegung <strong>der</strong> Servicezeit<br />

kommt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den Funktionsbereichen und im OP beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />

zu, da von ihr wesentlich die optimale Nutzung <strong>der</strong> Kapazitäten abhängt.<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>em Krankenhaus wurde nach Anschaffung neuer teurer Geräte <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em OP-Saal vere<strong>in</strong>bart, dass dieser Saal täglich <strong>in</strong> zwei Schichten besetzt wird.<br />

Aber auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rund-um-die-Uhr-<strong>Pflege</strong> muss die Servicezeit immer dann geson-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

<strong>der</strong>t festgelegt werden, wenn <strong>der</strong> Besetzungsbedarf <strong>in</strong> verschiedene <strong>Arbeitszeit</strong>systeme<br />

aufgeteilt wird.<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>em Krankenhaus wird mit Dauernachtwachen gearbeitet. Die Servicezeit<br />

umfasst daher zum e<strong>in</strong>en die Zeit von 6:00-21:00, zum an<strong>der</strong>en von 20:45-<br />

6:15. Die Mitarbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dauernachtwache vere<strong>in</strong>barten aufgrund <strong>der</strong> zum Tagdienst<br />

unterschiedlichen Serviceanfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>en eigenen Servicetriangel.<br />

Mit <strong>der</strong> Besetzungsstärke wird festgelegt, wie viele Mitarbeiter <strong>der</strong> Organisationse<strong>in</strong>heit<br />

zu welcher anwesend se<strong>in</strong> müssen. Insbeson<strong>der</strong>e hier gilt: Alle bestehenden<br />

Besetzungsstrukturen gehören auf den Prüfstand. Der Erfolg e<strong>in</strong>er Neugestaltung<br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> hängt ganz wesentlich von <strong>der</strong> Frage ab, ob die Kapazitätsverteilung<br />

über den Tag, die Woche, das Jahr dem planbaren Besetzungsbedarf entspricht.<br />

Wie viele Mitarbeiter werden <strong>in</strong> den arbeitsanfallreichen Morgenstunden wirklich benötigt<br />

und wie lange? Wie viele Mitarbeiter werden für e<strong>in</strong>e qualifizierte Weitergabe<br />

<strong>der</strong> Informationen während <strong>der</strong> Übergabe benötigt und wie lang muss diese Übergabe<br />

dauern?<br />

Es gibt grundsätzlich drei Methoden, den Besetzungsbedarf zu bestimmen, wobei die<br />

Aufnahme jeweils stets "netto" erfolgt - das heißt: Ausfallzeiten (Urlaub, Freizeitausgleich<br />

für Feiertags- und Nachtarbeit, Krankheit, Schulung etc.) bleiben hier zunächst<br />

außer Betracht! :<br />

1. die Selbstbeobachtung durch die Mitarbeiter und die <strong>in</strong>ternen Kunden (Kollegen<br />

aus an<strong>der</strong>en Bereichen):<br />

Die Mitarbeiter "vor Ort" sollten schließlich den Arbeitsanfall am besten beurteilen<br />

können und werden auf diese Weise frühzeitig <strong>in</strong> die Neugestaltung e<strong>in</strong>bezogen,<br />

was die spätere Akzeptanz <strong>der</strong> Ergebnisse erfahrungsgemäß deutlich<br />

för<strong>der</strong>t. Kommen die Mitarbeiter zu unterschiedlichen Ergebnissen kann<br />

dies e<strong>in</strong>e - erwünschte - Diskussionsgrundlage über die zugrundeliegenden<br />

Arbeits<strong>in</strong>halte se<strong>in</strong>.<br />

2. die Fremdbeobachtung (durch Mitarbeiter o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Personen, die <strong>der</strong><br />

betreffenden Organisationse<strong>in</strong>heit nicht angehören)<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>em <strong>Pflege</strong>heim wurden <strong>Pflege</strong>schüler als "neutrale <strong>Dr</strong>itte" gebeten,<br />

durch Beobachtung sowie Befragung <strong>der</strong> Kunden die zeitliche Verteilung<br />

des Arbeitsanfalls <strong>in</strong> den <strong>Pflege</strong>bereichen zu beurteilen.<br />

3. die Messung:<br />

Hier wird durch Meßmethoden <strong>der</strong> "objektive" Besetzungsbedarf "gemessen".<br />

Beispiel: In <strong>der</strong> Notaufnahme e<strong>in</strong>es Krankenhauses wurde das Patientenaufkommen<br />

ermittelt und daraus <strong>der</strong> Besetzungsbedarf abgeleitet.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Als Hilfsmittel für die Aufzeichnung des Besetzungsbedarfs empfehlen sich e<strong>in</strong>fache<br />

Schablonen. Abb. 04 zeigt e<strong>in</strong>e Schablone zur Festlegung des tageszeitlichen Besetzungsbedarfs<br />

mit e<strong>in</strong>er Beispiele<strong>in</strong>tragung;<br />

Abb. 04: Schablone zur Ermittlung des tageszeitlichen Besetzungsbedarfs (mit<br />

Beispiele<strong>in</strong>tragung)<br />

Des Weiteren hat sich als Hilfsmittel die Selbstaufschreibung <strong>der</strong> geleisteten <strong>Arbeitszeit</strong><br />

nach ihrer Verwendung bewährt. Dazu schreiben die Mitarbeiter für e<strong>in</strong>ige Wochen<br />

mit selbstgewählten Zeite<strong>in</strong>heiten und selbstgewählten Verwendungskategorien<br />

(zum Beispiel Patientenbetreuung, Visite, Adm<strong>in</strong>istration, Telefon, Übergabe etc.) die<br />

jeweils verbrauchte <strong>Arbeitszeit</strong> auf. Bei Bedarf kann für e<strong>in</strong>zelne Verwendungskategorien<br />

e<strong>in</strong>e "Nahaufnahme" gemacht werden.<br />

Erfahrungsgemäß entstehen im Ergebnis Besetzungsprofile, die von den bisher<br />

durch die Dienstplanung erzeugten mitunter erheblich abweichen. Abb. 05 zeigt e<strong>in</strong><br />

Beispiel für e<strong>in</strong>en Vergleich des tatsächlichen Arbeitsanfalls an e<strong>in</strong>em Arbeitstag und<br />

<strong>der</strong> dienstplanmäßig e<strong>in</strong>geteilten Besetzung.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Abb.05: Abweichungen zwischen tatsächlicher und benötigter Besetzung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Station e<strong>in</strong>es Krankenhauses<br />

Der Abgleich <strong>der</strong> auf diese Weise e<strong>in</strong>geteilten Ressourcen mit <strong>der</strong> zur Verfügung<br />

stehenden Personalkapazität erfolgt nun durch die Ermittlung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

rechnerischen Wochenbesetzungszeit. Dazu werden - unter Berücksichtigung von<br />

Pausenzeiten (die ja regelmäßig nicht zur <strong>Arbeitszeit</strong> gehören) und von notwendigen<br />

Überlappungen zwischen den Schichten für e<strong>in</strong>e ordnungsgemäße Übergabe - e<strong>in</strong>fach<br />

Dienste so <strong>in</strong> das Besetzungsprofil e<strong>in</strong>getragen, dass dieses möglichst überlappungsfrei<br />

abgedeckt ist. Zählt man nun die e<strong>in</strong>geteilten Arbeitsstunden e<strong>in</strong>er Woche<br />

zusammen, ergibt sich die rechnerische Gesamtwochenarbeitszeit.<br />

Um die zunächst nicht berücksichtigten Ausfallzeiten e<strong>in</strong>zubeziehen, teilt man nun<br />

diesen Wert durch die durchschnittliche Anwesenheitsquote - bei vollständiger team<strong>in</strong>terner<br />

Vertretung <strong>der</strong> Fehlzeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel im Krankenhaus ca. 80 % (ergibt ca.<br />

20% Ausfallzeiten). Das Ergebnis ist die rechnerische Brutto-Wochenbesetzungszeit.<br />

Dieser Wert kann nun mit <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden Personalkapazität (Summe<br />

<strong>der</strong> Vertragsarbeitszeiten <strong>der</strong> Mitarbeiter) verglichen werden. Weichen Besetzungs-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

zeit und verfügbare Personalkapazität vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ab, müssen ggf. Anpassungen<br />

am Besetzungsprofil o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> verfügbaren Kapazität vorgenommen werden.<br />

durchschn. rechn. Wochenbesetzungszeit<br />

: durchschn. Anwesenheitsquote (z.B. 0,8 = 80%)<br />

= rechn. Brutto-Wochenbesetzungszeit (BWBZ)<br />

¦<br />

Summe <strong>der</strong> Vertragswochenarbeitszeiten <strong>der</strong> Mitarbeiter (SVAZ)<br />

wenn BWBZ ≠ SVAZ: ⇒ Anpassung von Besetzung o<strong>der</strong> Kapazität<br />

Vom Besetzungsbedarf zum Dienstplan<br />

"Steht" <strong>der</strong> Servicetriangel, geht es um se<strong>in</strong>e Abdeckung durch die bedarfsgemäße<br />

Verteilung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>en <strong>der</strong> Mitarbeiter.<br />

Im Ergebnis <strong>der</strong> Bedarfsanalyse entstehen oft sehr differenzierte Besetzungsprofile,<br />

<strong>der</strong>en Abdeckung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Pflege</strong> vor allem deshalb auf Probleme stößt, weil das typische<br />

Besetzungsprofil <strong>in</strong> den meisten <strong>Pflege</strong>bereichen e<strong>in</strong>e "Kamel-Form" (siehe<br />

Abb. 04 + 05) aufweist. E<strong>in</strong> solches Besetzungsmuster ist mit den üblicherweise<br />

gleich langen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittagszeit übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> laufenden Früh- und Spätschichten<br />

nicht bedarfsgerecht zu bewältigen.<br />

In <strong>der</strong> Praxis haben sich hierfür drei praktikable Lösungsansätze herausgebildet:<br />

1. Verschiebung von "Stapelarbeit" <strong>in</strong> Schwachlastphasen:<br />

"Stapelarbeit" ist im Unterschied zur "Sofortarbeit" dadurch gekennzeichnet,<br />

dass es bei ihr weniger auf den Zeitpunkt <strong>der</strong> Leistungserstellung ankommt.<br />

Diese Tätigkeiten können also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Maße zeitlich verschoben<br />

werden, ohne dass es zu E<strong>in</strong>schränkungen im Behandlungsprozess kommt.<br />

So können Dokumentation, Wäsche, Aufräumarbeiten etc. so weit wie möglich<br />

<strong>in</strong> die Auslastungstäler gelegt werden. Die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Häusern praktizierten<br />

"Kernzeit"-Modelle greifen diese Überlegung auf; und auch die (Wie<strong>der</strong>)Abschaffung<br />

des Stationssekretariats <strong>in</strong> vielen <strong>Pflege</strong>bereichen geht <strong>in</strong><br />

diese Richtung, weil diese Mitarbeiter <strong>in</strong> hohem Maße Stapelarbeit absorbierten,<br />

die dann zur Gestaltung des Besetzungsgebirges nicht mehr zur Verfügung<br />

stand. Der "Arbeitsverschiebungs-Methode" s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs enge Grenzen<br />

gesetzt: zum e<strong>in</strong>en nimmt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> "Stapelarbeit" mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Beschleunigung des Leistungsprozesses ab, zum an<strong>der</strong>en werden die diesbezüglichen<br />

Möglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis schon weitgehend ausgeschöpft - und<br />

mitunter sogar überstrapaziert, wenn nämlich Prozesse zu Lasten <strong>der</strong> Ergebnisorientierung<br />

an den vorhandenen <strong>Arbeitszeit</strong>en ausgerichtet wurden.<br />

2. Erhöhung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzflexibilität:<br />

Wer gerade verfügbar ist, übernimmt die jeweilige Aufgabe - unabhängig von<br />

"Zuständigkeiten". Häufig stehen Bedarfsspitzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bereich Bedarfstäler<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en gegenüber, so dass e<strong>in</strong>e bereichsübergreifende E<strong>in</strong>satzflexibilität<br />

naheliegt. Hier gibt es, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch aufgrund <strong>der</strong> funktionalen<br />

Organisation mit ihren Berufsgruppen-"Fürtstentümern", nocherhebliche Reserven:<br />

Übertriebene Arbeitsteilung wirkt als Flexibilitäts- und Produktivitätsbremse.<br />

Zudem s<strong>in</strong>d viele Abläufe nur deshalb so komplex und entsprechend<br />

verlangsamt, weil sie immer von den gleichen Mitarbeitern ausgeübt werden.<br />

3. Auffächerung <strong>der</strong> Dienstdauern und Dienstlagen:<br />

Da <strong>in</strong> kurzen Diensten das größte Potential liegt, Besetzungsprofile passgenau<br />

und damit <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ohne unproduktive Leerzeiten abzudecken, müssen<br />

[a] kurze und lange Dienste entsprechend mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> komb<strong>in</strong>iert werden,<br />

[b] die Dienste <strong>in</strong>sgesamt verkürzt werden, was mehr Arbeitstage - zum Beispiel<br />

e<strong>in</strong>e 5,5-Tage-Woche - zur Folge haben kann, und [c] die Dienstlagen<br />

entsprechend dem Besetzungsbedarf gestaffelt werden. Dazu gehört auch <strong>der</strong><br />

bedarfsgerechte E<strong>in</strong>satz von Teilzeit-Mitarbeitern. Die gängige Praxis, diese<br />

ausschließlich <strong>in</strong> "vollen" Schichten e<strong>in</strong>zuteilen zugunsten mehr arbeitsfreier<br />

Tage, mitunter sogar gegen das ausdrückliche Interesse <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

selbst, ist mith<strong>in</strong> grundlegend zu h<strong>in</strong>terfragen. Zudem legen differenzierte Besetzungsstrukturen<br />

auch e<strong>in</strong>e Erhöhung des Teilzeitanteils <strong>der</strong> Mitarbeiter nahe.<br />

Und schließlich können Bedarfsspitzen am Vor- und am Nachmittag auch<br />

durch geteilte Dienste abgedeckt werden; sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den meisten Häusern<br />

jahrelang tabuisiert worden. Geteilte Dienste dürften daher <strong>in</strong>sgesamt auch<br />

zukünftig eher e<strong>in</strong> Schattendase<strong>in</strong> führen, wobei <strong>in</strong>teressierten Mitarbeitern<br />

<strong>der</strong> Zugang aber nicht länger verwehrt werden sollte - schon deshalb nicht,<br />

weil geteilte Dienste bei e<strong>in</strong>zelnen Mitarbeiter gleichmäßigere Dienstdauern<br />

bei den an<strong>der</strong>en ermöglichen.<br />

Die Dienstplangestaltung erfolgt im Anschluss an die geme<strong>in</strong>same Def<strong>in</strong>ition des<br />

Servicetriangels durch die Mitarbeiter <strong>in</strong> gegenseitiger Absprache im Team - mith<strong>in</strong><br />

also nicht mehr durch die Führungskraft. Die eigenverantwortlichen, zeitautonomen<br />

Teams "übersetzen" also selbständig die vere<strong>in</strong>barten Serviceversprechen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

konkrete <strong>Arbeitszeit</strong>verteilung. Dabei kann sich die Gruppe eigene Spielregeln schaffen,<br />

die die Kommunikations- und E<strong>in</strong>igungsprozesse im Team beschleunigen. Als<br />

möglicher Übergang von <strong>der</strong> herkömmlichen zur zeitautonomen Dienstplangestaltung<br />

empfiehlt es sich, zunächst die Dienste bei <strong>der</strong> Festlegung des Servicetriangels<br />

noch mit zu def<strong>in</strong>ieren. Die Mitarbeiter e<strong>in</strong>igen sich dann zunächst nur über die Abdeckung<br />

dieser unpersönlich vorgegebenen Dienste; und erst im zweiten Schritt wird<br />

nach erfolgreicher Erprobung dieses Verfahrens dann auch die Dienstedef<strong>in</strong>ition auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage des Besetzungsbedarfs <strong>in</strong> die Selbststeuerung durch die Mitarbeiter<br />

übertragen.<br />

Beispiel 1: In den Stationen e<strong>in</strong>es städtischen Krankenhaus werden geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den Mitarbeitern <strong>in</strong> regelmäßigen Arbeitsplanungsgesprächen <strong>der</strong> Besetzungsbedarf<br />

und - daraus abgeleitet - die Dienstarten (zum Beispiel F1, F2, S1, N etc.) vere<strong>in</strong>bart.<br />

Die Mitarbeiter erstellen vor diesem H<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> gegenseitiger Absprache jeweils<br />

ihren Monatsdienstplan so, dass die auf dem Plan verzeichneten Dienstevorgaben<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

exakt e<strong>in</strong>gehalten werden.<br />

Beispiel 2: Die Krankengymnastik e<strong>in</strong>es Krankenhauses muss täglich von 8:00-<br />

17:00 (8,5h <strong>Arbeitszeit</strong> + 0,5h Pause)<br />

besetzt se<strong>in</strong>, und zwar Montag bis Freitag mit 15, am Wochenende mit 7 Mitarbeitern.<br />

Die rechnerische Wochenbesetzungszeit beträgt mith<strong>in</strong> (5 x 8,5h x 15 + 2 x 8,5<br />

x 7 =) 756,5h, so dass netto (756,5h : 38,5 = ca.) 20 Mitarbeiter benötigt werden.<br />

Ausfallzeiten werden <strong>in</strong> diesem Fall durch Mitarbeiter aus e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Bereich<br />

vertreten, so dass sie bei <strong>der</strong> Berechnung außer Betracht bleiben können. Die Mitarbeiter<br />

erstellen nun geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en Abwesenheitsplan so, dass Montag bis Freitag<br />

jeweils 5 und Samstag und Sonntag jeweils 13 von Ihnen arbeitsfrei haben; dabei<br />

achten sie darauf, dass im Jahresdurchschnitt alle Mitarbeiter gleich viele arbeitsfreie<br />

Tage haben.<br />

Beispiel 3: In e<strong>in</strong>em <strong>Pflege</strong>heim werden mit den Mitarbeitern die Besetzungsprofile<br />

erarbeitet. Die betriebliche Vorgabe beschränkt sich auf e<strong>in</strong>e unpersönliche Festlegung<br />

<strong>der</strong> Besetzungsstärke <strong>in</strong> Form von Tagesprofilen. Die Mitarbeiter s<strong>in</strong>d nun bei<br />

ihrer Dienstplangestaltung völlig frei, den Besetzungsbedarf <strong>in</strong> Absprache abzudecken<br />

- <strong>in</strong> diesem Fall auch durch e<strong>in</strong>e entsprechende Gestaltung <strong>der</strong> Dienstdauern<br />

und Dienstlagen. Die Mitarbeiter nutzen die regelmäßige Dienstplanbesprechung<br />

auch zur Diskussion über die Verbesserung <strong>der</strong> Arbeitsabläufe - beispielsweise mit<br />

dem Ergebnis, dass Übergabegespräche gekürzt werden konnten und durch e<strong>in</strong>e<br />

verbesserte Kommunikation hierbei nicht mehr alle Mitarbeiter präsent se<strong>in</strong> müssen.<br />

Auch bei <strong>der</strong> vormaligen E<strong>in</strong>teilung durch die <strong>Pflege</strong>kraft häufig auftretende Akzeptanzprobleme<br />

bei <strong>der</strong> Besetzung "unattraktiver" Dienstlagen s<strong>in</strong>d durch die Selbstverantwortung<br />

aufgelöst worden. Insbeson<strong>der</strong>e berichten die Mitarbeiter darüber,<br />

dass die Vere<strong>in</strong>barkeit <strong>der</strong> betrieblichen Anfor<strong>der</strong>ungen mit den privaten Zeit<strong>in</strong>teressen<br />

sich deutlich verbessert hat:<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>autonomie för<strong>der</strong>t die Mitverantwortung <strong>der</strong> Mitarbeiter für das Funktionieren<br />

des <strong>Arbeitszeit</strong>-"Systems". Das heißt aber auch, dass sich niemand mehr h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>-Vorgaben durch Stations- o<strong>der</strong> <strong>Pflege</strong>dienstleitung "verstecken" kann.<br />

Wer es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand hat, se<strong>in</strong>e <strong>Arbeitszeit</strong>en selbst e<strong>in</strong>zuteilen, von dem muss erwartet<br />

werden, dass er die betrieblichen Anfor<strong>der</strong>ungen unaufgefor<strong>der</strong>t bei se<strong>in</strong>er <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung<br />

berücksichtigt. Ergebnisorientierung statt Verhaltenssteuerung<br />

löst nicht selten ausgesprochen positive Motivationseffekte aus. So gehen beispielsweise<br />

die Fehlzeitenquoten <strong>in</strong> überschaubaren, eigenverantwortlich agierenden Organisationse<strong>in</strong>heiten<br />

häufig zurück, wie entsprechende Erfahrungen mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

von Gruppenarbeit immer wie<strong>der</strong> zeigen.<br />

Die Aufgabe <strong>der</strong> Führungskraft beschränkt sich auf die Überprüfung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung<br />

<strong>der</strong> vere<strong>in</strong>barten Serviceversprechen <strong>in</strong> Rahmen <strong>der</strong> verfügbaren <strong>Arbeitszeit</strong>kapazität.<br />

Sie haben zudem die Pflicht, <strong>in</strong> die eigenverantwortliche Steuerung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

durch die Mitarbeiter e<strong>in</strong>zugreifen (dann aber auch wirklich), wenn betriebliche<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen verletzt zu werden drohen. Schließlich dürften die <strong>in</strong>ternen und externen<br />

Kunden ke<strong>in</strong>esfalls unter <strong>in</strong>ternen Abstimmungsschwierigkeiten leiden; es muss<br />

ihnen vielmehr egal se<strong>in</strong> können, wie die Besetzungsanfor<strong>der</strong>ungen erfüllt werden.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Kommt es also beispielsweise zu Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten über die Gewährleistung<br />

<strong>der</strong> Serviceanfor<strong>der</strong>ungen im Team, mo<strong>der</strong>iert die Führungskraft die Konfliktlösung.<br />

Scheitert aber auch dies, ist die Führungskraft gezwungen, die <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter notfalls zu disponieren. Damit es gar nicht so weit kommt, sollten<br />

selbststeuernde Systeme immer durch im Team vere<strong>in</strong>barte "Flexi-Spielregeln" stabilisiert<br />

werden.<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>em selbstgesteuerten <strong>Arbeitszeit</strong>system e<strong>in</strong>es <strong>Pflege</strong>heims vere<strong>in</strong>baren<br />

die Mitarbeiter, dass im Nichte<strong>in</strong>igungsfalle über freie Tage jeweils <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

arbeitsfrei machen muss, dessen Zeitkonto den höchsten Saldo aufweist - nebenbei<br />

e<strong>in</strong> guter Anreiz, nicht mit dem höchsten Zeitguthaben glänzen zu wollen, weil<br />

dann die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>geschränkt werden.<br />

Zu den "Spielregeln" sollte auch gehören, dass nachweisbar unkooperatives o<strong>der</strong> gar<br />

blockierendes Verhalten E<strong>in</strong>zelner sanktioniert wird.<br />

Kurzfristige Reaktionen auf Auslastungsschwankungen<br />

Neben <strong>der</strong> bedarfsgerechten Abdeckung des Servicetriangels, also des Besetzungsbedarfs,<br />

spielt die flexible Abweichung von den vere<strong>in</strong>barten Dienstzeiten e<strong>in</strong>e<br />

gleichberechtigt wichtige Rolle. So sollte es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>system stets<br />

möglich se<strong>in</strong>, von sämtlichen Dienstzeiten bei Bedarf <strong>in</strong> Abstimmung im Team abzuweichen<br />

(siehe "Stellschraube 2" <strong>in</strong> Kapitel 5.2), zum Beispiel durch generell flexible<br />

Endzeiten aller Dienste, sowie Dienste qualifikationsgerecht beliebig mit Kollegen zu<br />

tauschen.<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>em Krankenhaus wurden <strong>der</strong> Arbeitsanfang im Frühdienst und das<br />

Arbeitsende im Spätdienst offen gestaltet - unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung, dass je e<strong>in</strong> Mitarbeiter<br />

im Früh- und Spätdienst die Übergabe vom bzw. zum Nachtdienst sicherzustellen<br />

hat.<br />

Auch hochflexible <strong>Arbeitszeit</strong>systeme stoßen aber, wenn "von jetzt auf gleich" reagiert<br />

werden muss, an ihre Grenzen: Hier hilft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur - auch stationsübergreifende<br />

- E<strong>in</strong>satzflexibilität weiter. Und auch kurzfristige Auslastungsschwankungen<br />

können mit flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>systemen nicht immer "automatisch" abgefangen<br />

werden. An dieser Stelle sollen deshalb zwei bewährte "Bewältigungsstrategien" vorgestellt<br />

werden:<br />

• Stand-by-System: Das aus Flugverkehrsunternehmen bekannte Stand-by-<br />

Verfahren wird <strong>in</strong> Krankenhäusern <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur Vertretung unvorhersehbar<br />

kranheitsbed<strong>in</strong>gter Ausfallzeiten e<strong>in</strong>gesetzt. Dazu werden Mitarbeiter (<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel ausschließlich exam<strong>in</strong>ierte <strong>Pflege</strong>kräfte) statt zum Dienst zum<br />

Stand-by e<strong>in</strong>geteilt und bei Bedarf, eben bei Krankheit e<strong>in</strong>es Mitarbeiters,<br />

kurzfristig e<strong>in</strong>bestellt.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>er Privatkl<strong>in</strong>ik leistet jede exam<strong>in</strong>ierte <strong>Pflege</strong>kraft monatlich<br />

zwei Stand-by-Dienste. Der erste Stand-by-Dienst wird an die Stelle e<strong>in</strong>es regulären<br />

Dienstes e<strong>in</strong>getragen, <strong>der</strong> zweite an die Stelle e<strong>in</strong>es arbeitsfreien Tages.<br />

An se<strong>in</strong>em Stand-by-Tag hält sich <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong>sgesamt jeweils 1,5h<br />

vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Spätschicht und <strong>der</strong> Nachtschicht zum E<strong>in</strong>satz bereit (im Frühdienst<br />

wird an<strong>der</strong>weitig vertreten). Er kann nun angerufen werden, wenn <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Nachbarstation krankheitsbed<strong>in</strong>gter Vertretungsbedarf besteht.<br />

In diesem Fall muss er b<strong>in</strong>nen 30 m<strong>in</strong> zum Dienst ersche<strong>in</strong>en und erhält<br />

se<strong>in</strong>en regulären Dienst als <strong>Arbeitszeit</strong> angerechnet, an<strong>der</strong>nfalls aber wird ihm<br />

<strong>der</strong> Dienst ohne Ableistung für die drei Stunden Telefonerreichbarkeit komplett<br />

angerechnet. Wird <strong>der</strong> Mitarbeiter auch zum zweiten Stand-by-Dienst gerufen,<br />

erhält er hierfür e<strong>in</strong>en arbeitsfreien Tag im nächsten Monat; an<strong>der</strong>nfalls wird<br />

<strong>der</strong> Tag als arbeitsfreier Tag behandelt.<br />

Dadurch, dass <strong>der</strong> Mitarbeiter dafür belohnt wird, dass er nicht zum Dienst gerufen<br />

wird, wird er e<strong>in</strong> großes Interesse haben, an se<strong>in</strong>em Stand-by-Tag nicht<br />

gebraucht zu werden. Da je<strong>der</strong> exam<strong>in</strong>ierte Mitarbeiter Stand-by-Dienste leistet,<br />

besteht - quasi nebenbei - e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Interesse an <strong>der</strong> Reduzierung<br />

von Kurzerkrankungen bzw. daran, sie ohne E<strong>in</strong>bestellung des Stand-by <strong>in</strong>tern<br />

aufzufangen Das Stand-by-Systeme ermöglicht damit - bei allerd<strong>in</strong>gs nicht unerheblichen<br />

Kosten - auch extrem kurzfristige Flexibilität.<br />

• Betriebliche An- und Absage von <strong>Arbeitszeit</strong>:<br />

E<strong>in</strong>e weitere s<strong>in</strong>nvolle "Flexi-Spielregel" ist die betriebliche An- bzw. Absage<br />

von <strong>Arbeitszeit</strong> bei kurzfristigen, aber noch vorhersehbaren Auslastungsschwankungen.<br />

Auf diese Weise kann beispielsweise die E<strong>in</strong>bestellungsfrequenz<br />

<strong>der</strong> Patienten bei <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung optimal berücksichtigt werden.<br />

Erfahrungsgemäß sehen diesbezügliche betriebliche Vere<strong>in</strong>barungen bei<br />

Ansagen zusätzlicher <strong>Arbeitszeit</strong> an arbeitsfreien Tagen e<strong>in</strong>en längeren Vorlauf<br />

vor als die Absage von <strong>Arbeitszeit</strong> aus Arbeitstagen <strong>in</strong> die Freizeit vor;<br />

dies ist auch e<strong>in</strong>fach begründbar, ist doch für die Freizeitplanung <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

e<strong>in</strong> kurzfristiger Freizeitgew<strong>in</strong>n regelmäßig unproblematischer als e<strong>in</strong> kurzfristiger<br />

Freizeitverzicht, beispielweise, wenn man sich schon etwas vorgenommen<br />

hatte. In e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>kl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>es Krankenhauses mit erheblichen und<br />

nur kurzfristig vorhersehbaren Auslastungsschwankungen können beispielsweise<br />

komplette Dienste mit zwei Tagen Vorlauf angesagt werden, während<br />

betriebliche Absagen spätestens am Vortag erfolgen müssen. In beiden Fällen<br />

wird die <strong>Arbeitszeit</strong>verschiebung auf den persönlichen Zeitkonten <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

saldiert. Und damit ist die zweite Stellschraube <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung<br />

angesprochen.<br />

5.2 <strong>Arbeitszeit</strong>-Stellschraube 2: Regelung des Zeitausgleichs<br />

Abweichungen von <strong>der</strong> Vertragsarbeitszeit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>systemen <strong>der</strong><br />

Normalfall. Sie müssen allerd<strong>in</strong>gs im Zeitablauf auszugleichen werden, damit die ver-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

traglich vere<strong>in</strong>barte <strong>Arbeitszeit</strong> e<strong>in</strong>gehalten wird. Welche Instrumente stehen hierfür<br />

zur Verfügung, und wie sollten sie gestaltet se<strong>in</strong>?<br />

• Persönliche Zeitkonten:<br />

Sie s<strong>in</strong>d das "Herzstück" vieler flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>regelungen, <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />

aber noch wenig verbreitet. Dies dürfte sich allerd<strong>in</strong>gs vor allem vor dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund entsprechen<strong>der</strong> Regelungen auch im BAT zu <strong>Arbeitszeit</strong>konten<br />

und -korridoren, wie sie <strong>der</strong>zeit von den Tarifvertragsparteien verhandelt werden,<br />

än<strong>der</strong>n. Sämtliche nachfolgende Gestaltungsempfehlungen erfolgen daher<br />

selbstverständlich vorbehaltlich etwaiger tarifvertraglicher Regelungen.<br />

Auf Zeitkonten werden Abweichungen <strong>der</strong> Ist- von <strong>der</strong> Vertragsarbeitszeit saldiert,<br />

um auf diese Weise betrieblicherseits im Zeitablauf e<strong>in</strong>e Rückführung<br />

<strong>der</strong> Zeitsalden auf die Nulll<strong>in</strong>ie ("Zeitausgleich") überwachen zu können. Das<br />

Führen von Zeitkonten ist an zwei Voraussetzungen geknüpft: Sie müssen <strong>in</strong><br />

aller Regel arbeitstäglich saldiert werden, das heißt, <strong>der</strong> Referenzwert, um den<br />

herum sich das Zeitkonto bewegt, ist die "anteilige Vertragsarbeitszeit", denn<br />

nur so können Ausfallzeiten (wie Urlaub, Krankheit etc) berücksichtigt werden.<br />

Die e<strong>in</strong>fachste und <strong>in</strong> hochflexiblen Systemen naheliegendste Möglichkeit, die<br />

anteilige Vertragsarbeitszeit zu ermitteln, besteht dar<strong>in</strong>, die tarifliche bzw. e<strong>in</strong>zelvertragliche<br />

Wochenarbeitszeit gleichmäßig mit 1/5 auf die Tage Montag<br />

bis Freitag o<strong>der</strong> gleichmäßig mit 1/7 auf die Tage Montag bis Sonntag zu verteilen.<br />

Beispiel: In e<strong>in</strong>er zeitautonomen Gruppe e<strong>in</strong>er <strong>Pflege</strong><strong>in</strong>richtung können die<br />

Mitarbeiter ihre <strong>Arbeitszeit</strong> von Montag bis Sonntag eigenverantwortlich im<br />

Team disponieren. Die anteilige Vertragsarbeitszeit beträgt, da es sich um<br />

Vollzeit-Mitarbeiter handelt, 1/7 von 38,5h, mith<strong>in</strong> 5,5h. Arbeitet e<strong>in</strong> Mitarbeiter<br />

an e<strong>in</strong>em Tag zum Beispiel 8h lang (ausschließlich Pausenzeit), geht <strong>der</strong> Saldo<br />

se<strong>in</strong>es Zeitkontos um 2,5h <strong>in</strong>s Plus; wird er krank o<strong>der</strong> hat er Urlaub, wird<br />

ihm die anteilige Vertragsarbeitszeit angerechnet; se<strong>in</strong> Zeitkontensaldo bewegt<br />

sich also nicht (sogenanntes Durchschnittspr<strong>in</strong>zip). In diesem Fall muss<br />

zum e<strong>in</strong>en an allen Wochentagen Urlaub genommen werden - bei e<strong>in</strong>em gegenüber<br />

e<strong>in</strong>er Fünf-Tage-Woche entsprechend um 2/7 erhöhten Urlaubstageanspruch<br />

-, zum an<strong>der</strong>en muss ggf. für jeden Tag, auch den potentielle arbeitsfreien<br />

Tag, e<strong>in</strong>e Krankmeldung abgegeben werden.<br />

Zeitkonten sollten stets als Ampelkonten ausgestaltet werden: Verlässt <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter die symmetrisch um die Nullachse angelegte "Grünphase" (zum<br />

Beispiel +/- 25h), während <strong>der</strong> er se<strong>in</strong> Zeitkonto entsprechend den betrieblichen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen eigenverantwortlich disponiert, muss er sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> "Gelbphase"<br />

mit <strong>der</strong> Führungskraft über weitere Entfernungen vom Nullwert absprechen.<br />

Erreicht <strong>der</strong> Zeitkontensaldo gleichwohl die "Rotphase" (zum Beispiel<br />

bei +/- 40h), disponiert die Führungskraft die <strong>Arbeitszeit</strong> des Mitarbeiters so-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

lange, bis diese Phase wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Richtung Gelb verlassen wurde. Spätestens<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rotphase führt die Führungskraft mit dem Mitarbeiter e<strong>in</strong><br />

Gespräch über die Gründe <strong>der</strong> Saldenüberschreitung und erörtert Wege zur<br />

nachhaltigen Rückführung des Zeitsaldos <strong>in</strong> Richtung Nullwert. Der Mitarbeiter<br />

weist die Führungskraft auf jeden Phasenwechsel unverzüglich h<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Beispiel<br />

für die Ampelkontenregelung e<strong>in</strong>es Krankenhauses zeigt Abb. 06.<br />

Abb.06: Persönliches Zeitkonto als Ampelkonto<br />

Zeitkonten sollten zu ke<strong>in</strong>em Zeitpunkt abgerechnet - grundsätzlich auch nicht<br />

bei Ausscheiden: Etwaige bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens (aus dem Geltungsbereich<br />

<strong>der</strong> Regelung, also auch aus dem Betrieb) nicht ausgeglichene<br />

Salden werden e<strong>in</strong>fach auf 0 gestellt, um jedwede Zeitverbrauchsanreize zu<br />

vermeiden. Beson<strong>der</strong>s wichtig ist dabei <strong>der</strong> Verzicht auf e<strong>in</strong>en Entgelte<strong>in</strong>behalt<br />

bei M<strong>in</strong>usstunden, wie er noch <strong>in</strong> vielen Regelungen enthalten ist: Würde hiervon<br />

Gebrauch gemacht, bestünde - abgesehen von rechtlichen Bedenken -<br />

nämlich für den Mitarbeiter e<strong>in</strong> Anreiz, den Zeitschulden-Fall durch entsprechendes<br />

Anwesenheits-Engagement unabhängig vom Arbeitsanfall zu vermeiden<br />

- und damit mögliche Produktivitätspotentiale zu verschenken. Auch<br />

wenn - umgekehrt - <strong>der</strong> Arbeitgeber dem Mitarbeiter die M<strong>in</strong>usstunden ersatzlos<br />

streicht, profitiert er davon: Die Arbeit wurde schließlich schneller erledigt,<br />

und zudem hat <strong>der</strong> Mitarbeiter ggf. wertvolle Verbesserungsmöglichkeiten aufgedeckt,<br />

die bei <strong>der</strong> künftigen Kapazitätsplanung berücksichtigt werden können.<br />

Und für die Mitarbeiter ist es e<strong>in</strong> weiteres Signal, mit M<strong>in</strong>usstunden "gelassener"<br />

umzugehen.<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Beson<strong>der</strong>s wichtig ist es, dass Führungskraft und Mitarbeiter permanent darauf<br />

achten, die Zeitsalden <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong> vergleichbaren Größenordnungen<br />

zu halten, um die Mitarbeiter möglichst gleichmäßig auszulasten. Während also<br />

Zeitkonten stets <strong>in</strong>dividuell geführt werden, kann ihre Steuerung <strong>in</strong> gruppenbasierten<br />

flexiblen <strong>Arbeitszeit</strong>systemen nur kollektiv erfolgen.<br />

Außerdem sollte darüber nachgedacht werden, die Saldierung des Zeitkontos<br />

umzudrehen: Schließlich ist es nicht logisch - an<strong>der</strong>s als bei allen an<strong>der</strong>en<br />

Budgetgrößen - zusätzlichen Ressourcenverbrauch <strong>in</strong>s Plus zu buchen. Stattdessen<br />

sollten Überschreitungen des Zeitbudgets <strong>in</strong>s M<strong>in</strong>us, Unterschreitungen<br />

<strong>in</strong>s Plus gebucht werden.<br />

Beispiel: Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es solchen Zeitbudgetkontos <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Pflege</strong>heim<br />

hat bei vielen Mitarbeitern zu e<strong>in</strong>em Bewusstse<strong>in</strong>swandel beigetragen. Frühere<br />

"Zeitschulden" werden nicht mehr länger kritisch beargwöhnt. Vielmehr haben<br />

es sich die Mitarbeiter zum Pr<strong>in</strong>zip gemacht, für von Ihnen mit den Bewohners<br />

geplante Zusatzaktivitäten (wie e<strong>in</strong>en Ausflug) zuvor e<strong>in</strong> entsprechendes<br />

Zeitpolster "anzusparen", <strong>in</strong> dem sie entsprechend sparsam mit <strong>der</strong><br />

<strong>Arbeitszeit</strong> umg<strong>in</strong>gen und so den Saldo ihrer Zeitkonten möglichst laufend <strong>in</strong>s<br />

Plus (das frühere M<strong>in</strong>us!) steuern.<br />

Für das Führen persönlicher Zeitkonten, auf denen Abweichungen <strong>der</strong> Ist- von<br />

<strong>der</strong> Vertragsarbeitszeit saldiert werden, ist e<strong>in</strong>e Zeiterfassung unerlässlich - für<br />

welche Form <strong>der</strong> Zeiterfassung man sich jedoch entscheidet, gehört zu den<br />

entscheidenden Weichenstellungen <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung. Von Systemen,<br />

die nur die Anwesenheit erfassen, ist grundsätzlich abzuraten. Auf den ersten<br />

Blick sprechen komplizierte Zuschlagsarten <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>schlägigen Tarifverträgen<br />

(<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im BAT) durchaus für e<strong>in</strong>e elektronisch gestützte Anwesenheitszeiterfassung.<br />

Dies ist jedoch wesentlich e<strong>in</strong>e Frage e<strong>in</strong>es funktionierenden<br />

Zeitwirtschaftssystems, das <strong>in</strong> vielen Krankenhäusern noch häufig mit<br />

<strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> elektronischen Zeiterfassung verwechselt wird. Gegen letztere<br />

spricht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e, dass e<strong>in</strong>e elektronische Zeiterfassung für die - notwendige<br />

- Unterscheidung von <strong>Arbeitszeit</strong> und Anwesenheitszeit e<strong>in</strong> nur sehr ungenaues<br />

Mess<strong>in</strong>strument ist. Aus <strong>der</strong> Anwesenheit am Arbeitsplatz kann nicht<br />

auf die <strong>Arbeitszeit</strong> geschlossen werden. Die Zeiterfassung zw<strong>in</strong>gt die Mitarbeiter<br />

quasi zum Lügen, weil e<strong>in</strong>e nachträgliche Trennung <strong>der</strong> gestempelten Zeit<br />

<strong>in</strong> Anwesenheits- und <strong>Arbeitszeit</strong> regelmäßig unmöglich ist - und deshalb fast<br />

immer unterbleibt.<br />

Beispiel: Im ärztlichen Bereich e<strong>in</strong>es Krankenhauses wurde die elektronische<br />

Zeiterfassung e<strong>in</strong>geführt. Zuvor war allen Beteiligten klar, dass e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter<br />

langsamer arbeiten als an<strong>der</strong>e und e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter zudem mehr Zeit für<br />

die Weiterbildung aufwenden als an<strong>der</strong>e; und dies war auch ke<strong>in</strong> Problem, da<br />

sich die Leistungsbeurteilung vor allem an den Ergebnissen ausrichtete. Nach<br />

E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> "Uhr" hatten genau jene Mitarbeiter <strong>in</strong> relativ kurzer Zeit hohe<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Zeitkontenstände, die zuvor - auch nach eigenem Bekunden - langsamer bzw.<br />

weiterbildungs<strong>in</strong>tensiver gearbeitet hatten. Gut e<strong>in</strong>gearbeitete, rout<strong>in</strong>ierte Mitarbeiter<br />

h<strong>in</strong>gegen kamen mit ihren Zeitbudgets besser zurecht. Der Chefarzt<br />

sah sich nun mit überquellenden Zeitsalden und damit e<strong>in</strong>hergehenden Freistellungsansprüchen<br />

konfrontiert, die zuvor niemals e<strong>in</strong> gewesen Thema waren<br />

- hatten doch die Mitarbeiter eigenverantwortlich und auf diese Weise sehr<br />

genau selbst zwischen Anwesenheit und <strong>Arbeitszeit</strong> abwägen können. Die<br />

Führungskraft sah sich nun gezwungen, obwohl we<strong>der</strong> er noch se<strong>in</strong>e Mitarbeiter<br />

dies eigentlich wollten, die Mitarbeiter zur Arbeitsbeschleunigung anzuhalten<br />

- obwohl es gerade im Interesse <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Arbeit ist, dass je<strong>der</strong> se<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong>dividuellen Arbeitsrhythmus f<strong>in</strong>den kann.<br />

Wie kann also bei Zeitkontenführung das Dilemma zwischen <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Zeiterfassung und den Nebenwirkungen <strong>der</strong> Erfassungstechnik aufgelöst<br />

werden?<br />

Vor allem durch die Selbstaufschreibung durch die Mitarbeiter - und zwar nur<br />

mehr <strong>der</strong> Abweichungen von ihrer anteiligen Vertragsarbeitszeit und bewusst<br />

unpräzise <strong>in</strong> 1/2h- o<strong>der</strong> 1/4h-Schritten. Die entsprechenden e<strong>in</strong>fachen, ggf.<br />

EDV-gestützten Formulare werden regelmäßig von <strong>der</strong> Führungskraft abgezeichnet,<br />

damit sie über ausreichende Informationen zur Zeitkontensteuerung<br />

zu verfügen. Gewissermaßen nebenbei wird auf diese Weise <strong>der</strong> bei m<strong>in</strong>utengenauer<br />

Erfassung häufig unvermeidbaren "M<strong>in</strong>utenorientierung" die belegmäßige<br />

Grundlage entzogen.<br />

In <strong>der</strong> Praxis s<strong>in</strong>d folgende Vorteile e<strong>in</strong>er Selbsterfassung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> zu<br />

beobachten: Sie ist das e<strong>in</strong>zige (potenziell) genaue Erfassungsverfahren, weil<br />

die Unterscheidung zwischen Anwesenheit und <strong>Arbeitszeit</strong> durch die Mitarbeiter<br />

problemlos berücksichtigt werden kann. Sie ist ortsunabhängig, unaufwendig<br />

sowie e<strong>in</strong>fach. Und sie symbolisiert Vertrauen <strong>in</strong> die Mitarbeiter. Zudem<br />

lässt sie sich auch mit Formen <strong>der</strong> Erfassung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> nach Verwendungszwecken<br />

problemlos komb<strong>in</strong>ieren, wie sie ja im Rahmen <strong>der</strong> Bedarfsanalyse<br />

(siehe oben) angewandt werden können. Und schließlich fallen - häufig<br />

unterschätzt - wesentlich ger<strong>in</strong>gere System- und Adm<strong>in</strong>istrationskosten an<br />

als bei Kommt-Geht-Zeiterfassung.<br />

Noch e<strong>in</strong>facher und weitgehen<strong>der</strong> ist e<strong>in</strong> Entwicklungsschritt <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung,<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Privatwirtschaft immer größere Verbreitung f<strong>in</strong>det:<br />

die Vertrauensarbeitszeit. Hier verzichtet <strong>der</strong> Arbeitgeber bewusst auf die<br />

Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Vertragsarbeitszeit und legt auch diese Aufgabe<br />

<strong>in</strong> die Eigenverantwortung <strong>der</strong> Mitarbeiter. Vertrauensarbeitszeit lässt sich<br />

damit ideal mit selbstgesteuerten Formen <strong>der</strong> Dienstplangestaltung (Stellschraube<br />

1) komb<strong>in</strong>ieren. Der Mitarbeiter führt e<strong>in</strong>e <strong>Arbeitszeit</strong>saldierung nur<br />

durch, wenn er möchte bzw. wenn er das Gefühl hat, überlastet zu se<strong>in</strong>, stets<br />

aber nur zur Selbstkontrolle. Kommt <strong>der</strong> Mitarbeiter bzw. das Team mit <strong>der</strong><br />

Vertragsarbeitszeit auch auf Sicht nicht aus, melden sie dies bei <strong>der</strong> Führungskraft<br />

an. Die Führungskraft ist anschließend für die Entlastung verant-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

wortlich und vere<strong>in</strong>bart mit den Mitarbeitern geeignete Maßnahmen - von <strong>der</strong><br />

Verlagerung <strong>der</strong> Arbeit auf an<strong>der</strong>e über Effizienzverbesserungen bis h<strong>in</strong> zu<br />

zusätzlich bereitgestellter Kapazität, unter Umständen <strong>in</strong> Form von - bezahlter<br />

- Mehrarbeit.<br />

Vertrauensarbeitszeitsysteme sollen durch bewusst deklariertes gegenseitiges<br />

Vertrauen nicht nur die herkömmliche wertschöpfungsfreie <strong>Arbeitszeit</strong>adm<strong>in</strong>istration<br />

und die häufig detailfreudigen <strong>Arbeitszeit</strong>regelungen auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß<br />

reduzieren, son<strong>der</strong>n zudem die Mitarbeiter zu e<strong>in</strong>em sparsamen<br />

Umgang mit ihrer <strong>Arbeitszeit</strong> anregen: Schließlich hat <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

solchen System e<strong>in</strong> hohes Eigen<strong>in</strong>teresse, durchschnittlich nicht mehr als se<strong>in</strong>e<br />

Vertragsarbeitszeit abzuleisten, und wird so im Idealfall jede sich bietende<br />

Zeitausgleichsmöglichkeit wahrnehmen. Die Mitarbeiter achten also selbst<br />

stärker darauf achten, dass sie nicht extensiv und zu lange arbeiten, und die<br />

Führungskräfte achten stärker darauf, dass die Ergebnisse stimmen. An<strong>der</strong>s<br />

ausgedrückt: Erst dann, wenn ke<strong>in</strong> Instrument zur Dokumentation gedehnter<br />

Arbeitskapazitäten mehr zur Verfügung steht, besteht für die Mitarbeiter e<strong>in</strong><br />

Anreiz, mit ihrer Vertragsarbeitszeit auszukommen bzw. das Gespräch mit <strong>der</strong><br />

Führungskraft zu suchen, wenn dies e<strong>in</strong>mal nicht möglich se<strong>in</strong> sollte.<br />

Der Fokus <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>gestaltung soll sich auf diese Weise weg von formalen<br />

Regeln h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em ergebnisorientierten Umgang mit <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> verlagern<br />

- und das genau ist ja e<strong>in</strong> wichtiger potentieller Vorteil flexibler <strong>Arbeitszeit</strong>systeme.<br />

Beispiel 1: In e<strong>in</strong>em Krankenhaus werden <strong>in</strong> Pilotstationen sogenannte "Vertrauensdienstpläne"<br />

erprobt. Die Mitarbeiter erstellen auf <strong>der</strong> Grundlage vere<strong>in</strong>barter<br />

Servicestandards und vor dem H<strong>in</strong>tergrund festgelegter Qualitätsansprüche<br />

ihre Dienstpläne <strong>in</strong> gegenseitiger Abstimmung im Team und gewährleisten<br />

auch die E<strong>in</strong>haltung ihrer Vertragsarbeitszeit. Beide <strong>Arbeitszeit</strong>-<br />

Stellschrauben, die Regelung <strong>der</strong> Leistungserstellung wie die Regelung des<br />

Zeitausgleichs, werden damit weitestgehend <strong>in</strong> die Hände <strong>der</strong> Mitarbeiter gelegt<br />

- auf <strong>der</strong> Basis klarer betrieblicher Ergebnis- und Qualitätsstandards.<br />

Beispiel 2: In <strong>der</strong> Präambel e<strong>in</strong>er Betriebsvere<strong>in</strong>barung zur Vertrauensarbeitszeit<br />

e<strong>in</strong>er Reha-Kl<strong>in</strong>ik heißt es: "Ziel dieser Betriebsvere<strong>in</strong>barung ist e<strong>in</strong>e<br />

deutlich erweiterte Selbstverantwortung für e<strong>in</strong>e patientenorientierte <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung<br />

im Team - bei selbstverständlicher Berücksichtigung hiermit<br />

zu vere<strong>in</strong>baren<strong>der</strong> Zeit<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong> Mitarbeiter. Auf formale <strong>Arbeitszeit</strong>regeln<br />

(Zeitkonten etc.) und betriebliche Zeitkontrollen (Zeiterfassung etc.) wird verzichtet;<br />

die Basis unserer Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen. Damit<br />

soll die Zufriedenheit unserer Patienten und die Effizienz unserer Arbeit gesteigert<br />

werden: Nur wenn die verfügbare <strong>Arbeitszeit</strong> optimal e<strong>in</strong>gesetzt wird,<br />

kann unser Haus se<strong>in</strong>e Marktposition halten und verbessern.<br />

Die Mitarbeiter werden an <strong>der</strong> laufenden Aktualisierung <strong>der</strong> auf Basis ihrer<br />

Vertragsarbeitszeiten vere<strong>in</strong>barten Qualitätsstandards beteiligt. E<strong>in</strong>griffe <strong>der</strong><br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

Führungskräfte <strong>in</strong> die eigenverantwortliche <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung im Team<br />

erfolgen nur, wenn den Erfor<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong> Arbeitsaufgabe an<strong>der</strong>s nicht entsprochen<br />

werden kann, bzw. bei Überlast."<br />

6. Von <strong>der</strong> Konzeption zur Umsetzung<br />

Patentlösungen für die Umsetzung gibt es nicht; bewährt hat sich jedoch folgende<br />

Vorgehensweise:<br />

• Konsens über die Ziele: Ohne e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>nerbetrieblichen Konsens über klare,<br />

anspruchsvolle und ehrliche Ziele <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung geht es nicht.<br />

Mit gegensätzlichen Auffassungen von Leitung und Mitarbeitervertretung über<br />

die Absichten <strong>der</strong> Flexibilisierung ist e<strong>in</strong>e hochflexible <strong>Arbeitszeit</strong>regelung<br />

nicht zu machen. Und setzen Sie sich realistische Ziele, die Sie anschließend<br />

nicht mehr aus dem Auge verlieren dürfen: Es kommt nicht darauf an, was Sie<br />

se<strong>in</strong> wollen, son<strong>der</strong>n was Sie se<strong>in</strong> können.<br />

• Frühzeitige E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Mitarbeiter und des Betriebs-/Personalrats: Die<br />

Mitarbeiter müssen - als diejenigen, die die Regelung anschließend mit Leben<br />

füllen sollen - über die Ziele und Beweggründe <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>flexibilisierung<br />

frühzeitig und am besten <strong>in</strong>formiert se<strong>in</strong>, weil<br />

o nur durch die offene und klare Darstellung die <strong>in</strong> Krankenhäusern und<br />

<strong>Pflege</strong>heimen bei den Mitarbeitern anfangs häufig weitverbreitete verbreitete<br />

Vermutung zu wi<strong>der</strong>legen ist, die Vorschläge richteten sich gegen<br />

Ihre Interessen;<br />

o nur so verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden kann, dass die Mitarbeiter e<strong>in</strong> lediglich re<strong>in</strong><br />

formales Verständnis <strong>der</strong> Neuregelung entwickeln. Wäre dies nämlich<br />

<strong>der</strong> Fall, hat das <strong>Arbeitszeit</strong>projekt se<strong>in</strong>e wichtigste Wirkung verfehlt:<br />

Formale Regeln, die man nicht von ihrem Zweck her versteht, werden<br />

nur zur Vermeidung von Strafe o<strong>der</strong> aus Gehorsam befolgt - nicht aber<br />

als Chance zur notwendigen ergebnisorientierten Selbstentfaltung <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter im Team;<br />

o nur so "Gerüchten" über verme<strong>in</strong>tliche "H<strong>in</strong>tergedanken" <strong>der</strong> Krankenhausleitung<br />

<strong>der</strong> Nährboden entzogen wird;<br />

o nur so e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Handhabung <strong>der</strong> neuen Regeln sichergestellt<br />

werden kann, ohne die die Regelung ihre Dase<strong>in</strong>sberechtigung verlöre;<br />

o weil nur so die Ideen <strong>der</strong> Mitarbeiter, die das Thema <strong>Arbeitszeit</strong> ja auch<br />

ganz persönlich betrifft, <strong>in</strong> die Konzeption e<strong>in</strong>fließen können - was die<br />

spätere Akzeptanz im übrigen erfahrungsgemäß deutlich erleichtert.<br />

Mitarbeiterbeteiligung heißt nicht Mitarbeiterbefragung: Man kann ke<strong>in</strong>e Mark-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

forschung über e<strong>in</strong> Produkt machen, das noch nicht am Markt e<strong>in</strong>geführt ist.<br />

• E<strong>in</strong>beziehung und Schulung <strong>der</strong> Führungskräfte: Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung<br />

ist <strong>in</strong> flexiblen Systemen, wie die Führungskräfte ihre neue Rolle ausfüllen.<br />

E<strong>in</strong>e stärkere Selbstverantwortung <strong>der</strong> Mitarbeiter entb<strong>in</strong>det die Führungskraft<br />

nicht von ihrer Führungsverantwortung - im Gegenteil: Sie ist für die<br />

Vere<strong>in</strong>barung des Ziel-, Ergebnis- und Kapazitätsrahmens verantwortlich, <strong>in</strong>nerhalb<br />

dem sich die Selbststeuerungsmechanismen entfalten sollen; ihr<br />

Kompetenzbereich steigt. Führen <strong>in</strong> flexiblen Systemen heißt Unterstützung<br />

statt Kontrolle. Nicht wenige Führungskräfte wehren sich gegen ihre neue Rolle;<br />

viele Stationsleistungen legen beispielsweise e<strong>in</strong>e ausgesprochen defensive,<br />

jegliche Neuerungen tendenziell ablehnende "Arbeitnehmerhaltung" an<br />

den Tag - häufig auch dadurch, dass sie den Mitarbeitern e<strong>in</strong>e weitgehende<br />

Eigensteuerung <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> mit dem Argument "Unsere Mitarbeiter s<strong>in</strong>d<br />

noch nicht so weit" nicht zutrauen. Gerade dieses Argument erweist sich aber<br />

bei genauerem H<strong>in</strong>sehen als "selbsterfüllende Prophezeiung". Flexible <strong>Arbeitszeit</strong>systeme<br />

funktionieren erfahrungsgemäß <strong>in</strong> Bereichen, <strong>in</strong> denen die<br />

Führungskräfte den Mitarbeitern deutlich sagt, was sie von ihnen erwartet, <strong>in</strong><br />

denen sie den Mitarbeitern e<strong>in</strong>e eigenverantwortliche <strong>Arbeitszeit</strong>en-Steuerung<br />

auch zutraut und <strong>in</strong> denen sie selbst <strong>in</strong> punkto Ergebnisorientierung und Zeitmanagement<br />

e<strong>in</strong> glaubwürdiges Vorbild ist. Ohne Schulung <strong>der</strong> Führungskräfte<br />

wird es daher häufig nicht gehen. Sie wird aber nur dann s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>,<br />

wenn sie anschließend Gelerntes auch praktisch erproben kann: Nie sollten<br />

Sie geschulte Führungskräfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> unverän<strong>der</strong>tes organisatorisches Umfeld<br />

entlassen.<br />

• Ausprobieren statt Perfektionismus: Nicht alles sollte im Voraus geregelt werden<br />

- im Gegenteil: Damit werden bereits die wichtigsten Potentiale für Gestaltungsspielräume<br />

und für Vertrauensentwicklung bereits verschenkt. Und erfahrungsgemäß<br />

steigt das Konfliktpotential mit zunehmen<strong>der</strong> Regelungsdichte<br />

sogar an. Nichts lässt sich im Übrigen besser zerreden als e<strong>in</strong> neues <strong>Arbeitszeit</strong>system.<br />

Konfliktfälle lassen sich ohneh<strong>in</strong> besser im E<strong>in</strong>zelfall und dann lösen,<br />

wenn sie aufgetreten. Machen Sie also kle<strong>in</strong>e und kurze Projekte.<br />

Zudem sollte als vertrauensbildende Maßnahme e<strong>in</strong>e "Clear<strong>in</strong>gstelle" e<strong>in</strong>gerichtet<br />

werden, die paritätisch aus je zwei Vertretern <strong>der</strong> Krankenhausleitung und <strong>der</strong> Mitarbeitervertretung<br />

besetzt ist und die bei Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten, die sich beim<br />

Praktizieren <strong>der</strong> flexiblen Regelung ergeben und nicht im Team bzw. mit <strong>der</strong> Führungskraft<br />

gelöst werden können, e<strong>in</strong>geschaltet werden kann, um dann e<strong>in</strong>vernehmlich<br />

zu entscheiden.<br />

Neue <strong>Arbeitszeit</strong>systeme sollten zudem zunächst für e<strong>in</strong>e bestimmte Zeit (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

maximal e<strong>in</strong> Jahr) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong>teressierten "Schaufenster"-Bereichen ausprobiert<br />

werden - als vertrauensbildende Maßnahme und im Interesse e<strong>in</strong>er "lernenden<br />

Regelung": Letztlich kann e<strong>in</strong>e flexible <strong>Arbeitszeit</strong>regelung ohneh<strong>in</strong> erst beurteilt werden,<br />

nachdem sie ausprobiert wurde. E<strong>in</strong> Privatkrankenhauses hat sich für die Umsetzung<br />

organisatorischer Verän<strong>der</strong>ungen folgenden praktischen Grundsatz aufge-<br />

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<strong>Arbeitszeit</strong> und Organisation im Krankenhaus<br />

stellt: "Jede Ideen wird kurz im Team besprochen - dann entwe<strong>der</strong> sofort umgesetzt<br />

o<strong>der</strong> verworfen - und anschließend beurteilt."<br />

Die Bereitschaft <strong>der</strong> Betriebsparteien, den Sprung <strong>in</strong> die Unsicherheit, die mit jedwe<strong>der</strong><br />

Flexibilisierung e<strong>in</strong>hergeht, zu wagen, kann schließlich dadurch erhöht werden,<br />

dass sowohl Mitarbeitervertretung als auch Krankenhausleitung während <strong>der</strong> Erprobungsphase<br />

e<strong>in</strong>en Notausknopf" drücken können. In diesem Falle würde dann automatisch<br />

die Vorgängerregelung wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Kraft gesetzt. In <strong>der</strong> Praxis bleibt dieser<br />

"Knopf" übrigens <strong>in</strong> aller Regel unbenutzt: weil allen Beteiligten gerade auch durch<br />

die Existenz dieser "Stopptaste" die Verantwortung für das Gel<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Neuregelung<br />

bewusst gemacht wird.<br />

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