Istanbul
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PRESSESPIEGEL<br />
Nr.9 | Oktober 2009<br />
istanbulpost.net<br />
Zeitungen sind Zielscheibe, Akteure und Gegenstand einer Affäre, die geeignet ist, den Status Quo<br />
zu verändern: Der “Plan zur Bekämpfung der Reaktion”<br />
Verschwörung oder Gegenverschwörung?<br />
Als die Affäre das erste Mal hochkochte, mündete sie in einem mitternächtlichen Coup der AKP, die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit<br />
auch für Militärpersonal zu beschneiden. Mit der zweiten “Welle” von Nachrichten stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit der Militärführung<br />
ebenso wie die nach den Absichten, mit denen Informationen lanciert werden.<br />
M‹LL‹YET ZAMAN YEN‹ fiAFAK<br />
Keine Angst vor<br />
Tatsachen<br />
Schwerer Vorwurf,<br />
6 Soldaten verhört<br />
Der Brief, mit dem das Dokument zur Vernichtung von<br />
AKP und Gülen geschickt wurde, besagt, “Generalstabschef<br />
Basbug war informiert”. Die Staatsanwaltschaft hat die sechs<br />
Militärangehörigen, deren Namen im Brief genannt werden,<br />
einbestellt. Die Armee teilt mit, dass die militärische Staatsanwaltschaft<br />
aufgrund der neuen Entwicklung eine neue<br />
Ermittlung eingeleitet hat.<br />
Die Person, die das Original des “Plans zur Bekämpfung<br />
der Reaktion” an die Staatsanwaltschaft sandte und als aktiver<br />
Offizier bezeichnet wird, behauptet in der Anzeige, dass<br />
das Dokument auf Befehl des damaligen Vizegeneralstabschefs<br />
Hasan Igsiz mit Hilfe der Korps-Generale Mehmet Eröz und<br />
Mustafa Bakici erstellt wurde.<br />
Als bekannt wurde, dass das Dokument in der Presse erscheinen<br />
würde, wurden die 34 Computer im Hauptquartier 35<br />
Mal mit einem Verfahren gelöscht, das die Datenrekonstruktion<br />
unmöglich macht.<br />
CUMHUR‹YET<br />
Militärstaatsanwalt<br />
eingeschaltet<br />
In der Stellungnahme des Generalstabs heißt es, dass<br />
nicht die Medienorgane der Platz sein sollten, an dem sich<br />
Dokumente mit Beweischarakter befinden sollten, sondern<br />
die Ermittlungsorgane und dass “die aktuellen Ereignisse auch<br />
als ein Versuch wahrgenommen werden können, neue<br />
Beweise zu produzieren.”<br />
In der weiteren Meldung gibt die Cumhuriyet ausführlich<br />
die Erklärung des Generalstabs in neun Punkten wieder. Die<br />
ersten vier Punkte geben den Verlauf der Ermittlungen im vergangenen<br />
Sommer nach den ersten Meldungen über das<br />
aufgefundene Dokument wieder. Unter Punkt 5 wird mitgeteilt,<br />
dass der beschuldigte Oberst während der Untersuchung<br />
vorübergehend außerhalb des Generalstabs eingesetzt wurde.<br />
Punkt 6 verweist auf die Einstellungsentscheidung der militärischen<br />
Staatsanwaltschaft im ersten Verfahren, Punkt 7 auf<br />
die erneute Aufnahme, während Punkt 8 eine Würdigung des<br />
Vorfalls (s.o.) und Punkt 9 das Gebot der Rechtsstaatlichkeit<br />
betont.<br />
Über das Auftauchen des unterschriebenen Originals<br />
schmutzigen “Plans zur Bekämpfung der Reaktion” sagte<br />
Ministerpräsident Erdogan: “Ein solcher Preis ist mit der Türkischen<br />
Republik unvereinbar. Es ist inakzeptabel, die Armee<br />
unter einem solchen Verdacht zu belassen.” Er sagte weiter,<br />
dass das Dokument aufgrund der ersten Befunde diskussionswürdig<br />
geworden sei und dass niemand Angst haben müsse,<br />
wenn Tatsachen zum Vorschein kommen und dass er das<br />
Thema nach seiner Heimkehr unbedingt mit Generalstabschef<br />
Büyükanit besprechen werde.<br />
Im weiteren Verlauf der Meldung wird weiter darauf<br />
hingewiesen, dass Erdogan während des Flugs von Pakistan<br />
nach Teheran Fragen von Journalisten beantwortete und<br />
hinsichtlich des Dokuments darauf hinwies, dass seine Partei<br />
bereits im Sommer Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft<br />
gestellt habe.<br />
AKfiAM<br />
Der Armeereport<br />
beim Staatsanwalt<br />
Der Offizier, der das Original des “Plans zur Bekämpfung<br />
der Reaktion” der Staatsanwaltschaft sandte, hat als Anlage<br />
außerdem ein weiteres Dokument angefügt, das Generalstabschef<br />
Büyükanit nach der Parlamentswahl vom 22. Juli bezüglich<br />
des Präsidentenamts anfertigen ließ.<br />
Auf der Titelseite finden sich zwei weitere Meldungen. Die<br />
eine berichtet, dass der im Brief an die Staatsanwaltschaft<br />
beschuldigte jetzige Kommandeur der 1. Armee, General Hasan<br />
Igsiz der <strong>Istanbul</strong>er Polizeidirektion einen überraschenden<br />
Besuch abstattete.<br />
Die andere Meldung gibt die Reaktion der Armeeführung<br />
wieder, die mitteilt, dass neue Ermittlungen eingeleitet wurden,<br />
aber auch die Berichterstattung kritisiert: “Es könnte sich<br />
auch um einen Versuch handeln, neue Beweise herzustellen.<br />
Die Entwicklung ist besorgniserregend.”<br />
Unvereinbar mit der<br />
Republik<br />
05<br />
In seiner Bewertung zum “Plan zur Bekämpfung der Reaktion”<br />
sagte Ministerpräsident Erdogan “Es bleibt zu hoffen,<br />
dass all das, was jetzt geschrieben und entworfen wird, nicht<br />
wahr ist.”<br />
Auf seinem Weg von Pakistan in den Iran beantwortete Ministerpräsident<br />
Erdogan die Fragen von Journalisten: “Weil die<br />
Untersuchung durch die Justiz fortgeführt wird, finde ich es<br />
nicht richtig, inhaltlich darauf einzugehen. Ich möchte hoffen,<br />
dass das, was berichtet und entworfen wird, sich nicht bewahrheitet.<br />
Ein solcher Preis ist mit der Republik unvereinbar.<br />
Auf eine Frage sagte Erdogan: “Ich möchte nicht über die<br />
Medien mit dem Generalstabschef sprechen. Nach meiner<br />
Rückkehr haben wir ohnehin unsere wöchentliche Besprechung.<br />
Wir werden darüber sprechen, wenn wir zusammenkommen.<br />
Zudem hat die Staatsanwaltschaft beim Generalstab die erneute,<br />
jedoch auf andere Weise auf die Tagesordnung kommenden<br />
Meldungen über den “Plan zur Bekämpfung der Reaktion”<br />
als Anzeige bewertet und eine neue Untersuchung begonnen.<br />
VATAN<br />
Mit der Aussage<br />
kommt alles ans Licht<br />
Erdogan sagte über den Offizier, der das Original des<br />
“Plans zur Bekämpfung der Reaktion” an die Staatsanwaltschaft<br />
schickte: “Niemand sollte bedauern, wenn er aussagt.<br />
Letztlich ist es zum Besten für die Türkei.”<br />
Auf der anderen Seite fragt sich der Kolumnist der Vatan<br />
Mustafa Mutlu, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn der<br />
Ministerpräsident bei seiner Abreise nach Pakistan bereits<br />
erklärte, dass die gerichtstechnische Untersuchung des eingereichten<br />
Dokuments die Echtheit der Unterschrift ergeben<br />
habe, so lege dies die Überlegung nahe, dass die Information<br />
wohl gleichzeitig Regierung und Staatsanwaltschaft erreicht<br />
haben müsse. Angesichts der von der Strafprozessordnung<br />
vorgeschriebenen Geheimhaltung einer laufenden Ermittlung<br />
erscheint weder dies, noch dass Ermittlungsergebnisse Zeitungen<br />
zugespielt werden, vertrauenserweckend.