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Brachflächen - Literaturaustausch

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Anke Laufer: Bogotá – ein vom Wind durchblättertes BuchHeute ist mein letzter Abend in der Stadtund ich sehe den Zeitpunkt für mich gekommen,das Buch Bogotá zu schließen undjener Aufforderung auf dem Umschlag zufolgen. Vor dem Fenster meines Zimmersim vierzehnten Stock des Hotels Tequendamaleuchtet dieser grandiose, aber immerein wenig melancholische Himmel. Dieseunwiederbringlichen Farben, mit denen sichder Tag von den Bewohnern der Stadt zuverabschieden pflegt, machen es mir nichtleichter. Endlich schiebe ich die wenigen vonmir beschriebenen Blätter ganz hinten in dasBuch. Es ist seltsam zuzusehen, wie es sichder Seiten bemächtigt, wie mein Text einervon vielen wird. Ich lege es auf die Fensterbank,in den Streifen aus bernsteinfarbenemLicht. Dann mache ich mich im dämmrigenZimmer wieder ans Kofferpacken.Dabei überfällt mich Mutlosigkeit. Es ist ebennur ein löchriges Netz aus sich scheinbarzufällig aneinanderreihenden Vorkommnissen,Begegnungen, Flüchtigkeiten und schmerzhaftenAbschieden, das sich in viereinhalb Wochenknüpfen lässt. Ein unvollkommenes undsehr persönliches Geflecht aus Deutungenund deren Zusammenhängen, mit dem ichversuchen musste, mein Thema einzufangen.Während ich im Bad stehe und beim Zähneputzenmein blasses Gesicht im Spiegelbetrachte, denke ich nach, über all das. DieseStadt ist ein Buch. Dies ist eine Behauptung,die sich jedoch durch einen Blick auf jenenGegenstand, der auf meiner Fensterbank imAbendlicht liegt, leicht beweisen lässt.32

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