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Brachflächen - Literaturaustausch

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Anke Laufer: Bogotá – ein vom Wind durchblättertes Buch„In den Süden fahren wir nicht“, sagtendie meisten Taxifahrer, „zu gefährlich. Undschon gar nicht, wenn es dunkel wird.“Mir fällt unversehens ein, wie mich einmal,als ich im Taxi zu einer Verabredungunterwegs war, ein erschöpfter, ein seitwärtshingeworfener Blick aus einem jener überfülltenKleinbusse traf, wie sie in den Südenunterwegs sind. Es war eine Frau, etwa inmeinem Alter, ihre Bluse leuchtete sehr weißzu mir herüber, doch man sah ihr an, wiesie versuchte, die Enge zu ertragen und mitgroßer Anstrengung Haltung zu bewahren.Ich selbst teilte mir das Taxi nur mit demfreundlich plaudernden Fahrer. Es schmeckteplötzlich schal, dieses Privileg.An der nächsten roten Ampel erschienaus dem Nichts ein verhärmtes Gesichtam Seitenfenster und bot mir gestenreichLotterielose an. Ein paar Sekunden verstrichen,ich zögerte zu lang, um nach Münzenzu kramen und die Scheibe herunterzulassen.Die Ampel schaltete auf Grün undwir fuhren weiter. Ich sagte mir, dass meinKleingeld doch auch nichts geändert hätteund schämte mich sofort für den Gedanken.Währenddessen schob sich der klapprigeKleinbus immer noch neben uns durch denFeierabendverkehr. Die Frau in der weißenBluse hatte sich abgewandt und starrte geradeaus,während im Mittelgang des Bussesein hagerer Junge Musik machte, eine kleineTrommel im Arm, den Kopf zurückgeworfen,den Mund aufgerissen zu einem fürmich unhörbaren Gesang, verschlucktvom Motorenlärm.58

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