07.08.2015 Views

Die Wiege im Labor Einstieg für Aussteiger

1KSg9hL

1KSg9hL

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

AG ErbJeder Buchstabe zählt: Eine neu entdeckte reduktive Carboxylase (rechts) bindet Kohlendioxid (O=C=O) in einer zusätzlichen Tasche.schließlich handelt es sich umeine Antibiotika-Vorstufe.Erb und sein Team sindnun dabei, um ihre hocheffizienteSekundärstoffwechsel-Carboxylase herum einen synthetischenStoffwechselweg <strong>für</strong>die Speicherung von Energie inBiomasse zu bauen – also einenopt<strong>im</strong>alen Pr<strong>im</strong>ärstoffwechselweg.<strong>Die</strong>sen Weg haben die Forschersozusagen am Reißbrettentworfen: Ausgehend von derAntibiotika-Vorstufe, in der diereduktive Carboxylase das Kohlendioxidfixiert, wurde überlegt,über welche chemischenZwischenstufen ein Produktentstehen könnte, aus demschließlich neue Biomasse generiertwerden könnte. Das Ergebnisdieser Überlegungen war einKreislauf, in dem das Substrat<strong>im</strong>mer wieder recycelt wird undals Produkt Pyruvat entsteht,ein wichtiges Zwischenprodukt<strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärstoffwechsel allerOrganismen und damit eine Artchemische Universalwährung.„Dann haben wir uns in biologischenDatenbanken aus mehrals 40.000 beschriebenen Enzymensolche Enzyme gesucht, diediese Zwischenstufen generierenkönnten“, erzählt Erb. Insgesamtzwei Dutzend dieser Enzymewurden in seinem Marburger<strong>Labor</strong> in vitro – also <strong>im</strong> Reagenzglas– daraufhin getestet,ob und wie gut sie die ihnenzugedachte Reaktion tatsächlichkatalysieren, zunächst einzeln,später in <strong>im</strong>mer größeren Gruppen.„So konnten wir sehen,welche Enzyme gut miteinanderfunktionieren und bei welchenSchritten oder Kombinationenes Probleme gab, und wir alter -native Enzyme suchen mussten“,erklärt Erb. Inzwischen konnteder künstliche Stoffwechselwegkomplett in vitro zusammengesetztund verschiedene Zwischenstufenüber Massenspektrometrienachgewiesen werden. <strong>Die</strong>verwendeten Enzyme stammenteilweise aus Purpurbakterien,andere aus Darmbakterien, ausThaumarchaeoten, eines sogaraus der menschlichen Leber.„Sie sind also alle natürlichen Ursprungs“,betont Erb. „IhreKombination zu einem hocheffizientenCO 2 -fixierenden Stoff -wechselweg ist aber neu; vermutlichsind die jeweiligen Enzyme<strong>im</strong> Laufe der Evolution einfachnie in einem biologischen Kontextzusammen gekommen.“Parallel zu diesen Versuchenhaben die Forscher schon begonnen,geeignete Wirtsorganismen<strong>für</strong> ihren synthetischenStoffwechsel vorzubereiten.Ihr Augenmerk liegt dabei aufMikroorganismen, die ihre Energiemit Hilfe von Sonnenlichtoder Wasserstoff gewinnen,also aus erneuerbaren Energien.Demnächst können die Wissenschaftlerdamit beginnen, dieGene <strong>für</strong> ihre Stoffwechselenzymein das Erbgut dieser Wirteeinzubauen. „Auch dabei werdenwir von unseren in vitro-Analysen profitieren“, so Erb.Kann man einen Schlüsselprozessdes Lebendigen neu konstruieren?„Dort haben wir nämlich gesehen,welche Enzyme schnellerarbeiten und welche langsamer.Damit es dadurch in vivo nichtzu einem Stau kommt, sondernder Stoffwechsel auch wirklichopt<strong>im</strong>al läuft, müssen wir dieseUnterschiede über die Mengeder produzierten Enzyme wiederausgleichen, also über unterschiedlichstarke Expression derjeweiligen Gene.“Verläuft weiterhin alles nachPlan, werden am Ende dieserArbeiten Mikroorganismen stehen,die mit Hilfe erneuerbarerEnergie Kohlendioxid aus derLuft binden und in Biomasseumwandeln können. „Solltedieser Prozess tatsächlich wiegeplant zehnmal effizienter seinals die bisher bekannten natürlichenStoffwechselwege, wäresogar denkbar, nur jedes zehnteKohlenstoffatom in den Stoffwechseldes Wirts und damitin dessen Wachstum fließen zulassen, und die restlichen neunzum Beispiel in die Produktionvon Biodiesel oder Grundlagenchemikalien<strong>für</strong> die chemischeIndustrie“, meint Erb.„Aber selbst wenn die Um -wandlung von kl<strong>im</strong>aschädli chemKohlendioxid – etwa aus Abgasenvon Kraftwerken – in Biomasseoder einen nachhaltigen Rohstoffdurch unseren künstlichenStoffwechsel ein attraktivesFernziel ist, so liegt unsereeigentliche Motivation doch woanders“,führt der Biologe aus:„Uns geht es eher um die grundsätzlicheFrage, ob wir durchrigoroses Anwenden unseresnaturwissenschaftlichen Verständnisseseinen biologischenSchlüsselprozess tatsächlichvöllig neu konstruieren können.Denn nur wenn wir die Umwandlungvon unbelebter in belebteMaterie <strong>im</strong> <strong>Labor</strong> nachstellenkönnen, haben wir einen dergrundlegendsten Prozesse desLebens wirklich verstanden.“>> Vera Bettenworth12

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!