Physik neobarockEin besonderes Jubiläum feierteder Fachbereich Physik <strong>im</strong>Mai: Vor genau 100 Jahrenhatte das Physikalische Institutder Philipps-Universität seinneues Domizil am Renthof 5bezogen. Ungeachtet seinerneobarocken Fassade galt diesesals eines der modernstenphysikalischen Institutsgebäudeder Zeit. Vor allem ein Namevebindet sich mit demHaus: Franz Richarz. Als derPhysiker 1901 nach Marburgberufen wurde, setzte er sichunermüdlich <strong>für</strong> den dringendbenötigten Neubau ein. Damitdie Wissenschaftler mit einerverfeinerten Messtechnik arbeitenkonnten, waren erschütterungsfreie,trockeneArbeitsräume nötig. Der festeFelsengrund am Renthof 5 botideale Bedingungen <strong>für</strong> denBau: Noch 100 Jahre späterwird hier höchst erfolgreichgeforscht und gelehrt.„Frisch, jung und wissbegierig“Ganz schön was los: Wir fragten Besucher des Uni-Sommerfests, wie es ihnen gefällt.Vicky Effinghausen (21),Lehramtsstudentin: „Ich binheute Abend mit Freunden zumPoetry Slam verabredet undschon etwas früher da als dieanderen. Ich war vorher nochnie auf dem Sommerfest. Manmerkt, dass die Uni sich vorstelltund bekommt einen echt gutenEinblick in die verschiedenenBereiche der Forschung. Ich habeDinge gesehen, von denenich gar nicht wusste, dass siemit Uni zu tun haben!“Ludwig Micheler (54),Onlinepublizist: „Ich warzwar lange Zeit nicht mehr aufdem Uni-Sommerfest, aber es istschön, wieder hier zu sein. EinVorteil ist es, das Fest zu veranstalten,wenn es warm genugist. Als ich eben die Schlosstreppenhochkam, bin ich direkt anden ersten Ständen hängengeblieben.Den Anblick der Würstchenbudenfinde ich nur so mäßiggut, aber da<strong>für</strong> sind die naturwissenschaftlichenExper<strong>im</strong>entespannend und laden zumMitmachen ein!“Owen Breitbarth (31), Unternehmer:„Ich komme aus Leipzigund bin selbst kein Studentmehr. Früher hatte ich einen negativenEindruck vom Studieren– heute sehe ich das anders.Den Vortrag über Gehirnforschunghabe ich zwar geradeknapp verpasst, war dann aberstattdessen be<strong>im</strong> Vortrag überGoogle und optische Täuschung,wobei dieser nicht sobunt war, wie erhofft. <strong>Die</strong> Leutehier präsentieren sich sehr wissbegierig.<strong>Die</strong> Uni scheint jung,frisch und lebendig zu sein!“Kathrin Strauch (31), Sachbearbeiterin:„Ich habe Mathematikstudiert und kenne dasSommerfest von früher, als esnoch am Hörsaalgebäude stattgefundenhat. Heute hat es sichdrastisch verändert, es ist vorallem beschaulicher geworden.“Anja Müller (54), Lehrerin:„Früher war ich einmal be<strong>im</strong>Sommerfest am Hörsaalgebäude.Heute ist es kleiner und überschaubarer– <strong>im</strong> positiven Sinne,da dadurch mehr Atmosphäreherrscht. Ich hatte jedoch auchdamit gerechnet, dass sich dieeinzelnen Fachbereiche vorstellen,um Menschen, die nichtsoder noch nichts mit der Uni zutun haben, zu vermitteln, wasda jeweils behandelt wird.“>> Umfrage:Helena SchwedhelmMarkus FarnungSpaska Fortevalinks: Neue Technik <strong>im</strong> historischen Gemäuer: Das EKG-Gerät wird <strong>im</strong> Praktikum des Fachbereichs Physik am Renthof 5 eingesetzt.rechts: Be<strong>im</strong> Uni-Sommerfest konnten sich die Besucher von Umweltinformatikern mit einer Wärmebildkamera knipsen lassen.30
Metall in HaufenHumboldt-Stipendiatin Lies Broeckaert forscht in Marburg.Lies Broeckaert beschäftigt sichmit Quantenchemie. <strong>Die</strong> belgischeNachwuchswissenschaftlerinforscht als Humboldt-Stipendiatinin der Marburger Arbeitsgruppe<strong>für</strong> anorganischeChemie von Stefanie Dehnen.„Ich untersuche die Bindungssituationund Reaktivitätvon negativ geladenen Metall-Clustern, also Molekülen, in denenmehrere Metallatome direktaneinander gebunden sind“, erklärtdie Chemikerin ihr Forschungsfeld.„Dazu gehört auchdie Beschreibung bisher nochunbekannter Bindungsmechanismen.“Stefanie Dehnen freut sichüber die Verstärkung <strong>für</strong> ihrTeam: „Lies Broeckaert passtsehr gut zu unserem Forschungsprofil.In der AnorganischenChemie arbeiten wir ander Schnittstelle von Theorieund Exper<strong>im</strong>ent. Das schließtauch die Quantenchemie ein.“<strong>Die</strong> Quantenchemie ist ein Teilgebietder Theoretischen Chemie,in der Methoden der Quantenmechanikauch auf Fragestellungender Anorganischen Chemieangewendet werden.„Ich arbeite gerne in diesemGrenzgebiet zwischen Theorieund Exper<strong>im</strong>ent“, sagt Broeckaert.„So kann ich überprüfen, obsich meine Vorhersagen in derPraxis bestätigen und ob neueMethoden <strong>für</strong> deren Beschreibunggeeignet sind.“Auch der Aufenthalt in Marburgsei ein Transfer von derTheorie in die Praxis, vom Wissenüber Sprache und Kultur zurÜberprüfung dieses Wissens <strong>im</strong>Alltag: „Ich möchte entdecken,wie es ist, in Deutschland zuforschen und zu leben.“>> Matthias FejesAndrea RuppelVorarbeiter <strong>im</strong> HirnStipendiatin Anna Antoniou untersucht mikroRNAs.Anna Antoniou hofft, mit ihrerForschungsarbeit an der Philipps-Universitätdazu beizutragen,effektivere Therapien gegenAutismus, Epilepsie oder Demenzzu entwickeln. <strong>Die</strong> Britinverstärkt <strong>für</strong> ein Jahr das vonGerhard Martin Schratt geleiteteInstitut <strong>für</strong> Physiologische Chemieam Fachbereich Medizin.Möglich macht dies ein Forschungsstipendiumder Alexander-von-Humboldt-Stiftung.In ihrem Projekt erforschtAntoniou, wie mikroRNAs inZellbestandteilen, den Zellorganellen,arbeiten. Sogenannte„mikroRNAs“ sind kleine Abschriftender genetischen Information.„Konkret untersucheich, ob und wie mikroRNAs ineinem <strong>für</strong> die Eiweißbildungwichtigen Zellorganell, dem EndoplasmatischenRetikulum, arbeiten“,sagt die Biochemikerin.Denn in welchen Zellorganellengenau mikroRNAs agieren, seiauf molekularer Ebene bisherunerforscht.Bekannt ist, dass die mikroRNAsin den Nervenzellenquasi eine Vorarbeiter-Rolleübernehmen – sie überwachenund koordinieren die Bildungwichtiger Eiweiße. <strong>Die</strong>se wiederumdienen als Baustoffe <strong>für</strong> Synapsen,durch die Nervenzellenmiteinander verschaltet sind.Arbeiten mikroRNAs fehlerhaft,können neurologische Erkrankungenwie Autismus, Epilepsieoder Demenz die Folge sein.Das Verfahren zur Beobachtungder mkroRNAs entwickelteAntoniou in ihrer Doktorarbeit.Dabei wendete sie ein Mikroskopie-Verfahrenan, das einehochauflösende Darstellung dieserKleinstbausteine bei der Arbeitermöglicht – in Echtzeit.„Frau Anonious Expertise ist einegroße Bereicherung <strong>für</strong> unser<strong>Labor</strong>“, freut sich Schratt.>> Matthias FejesMatthias FejesLies Broeckaert (oben) und Anna Antoniou kamen beide dank eines„Humboldt-Forschungsstipendiums“ nach Marburg. <strong>Die</strong> Alexander-von-Humboldt-Stiftung ermöglicht mit den Stipendien überdurchschnittlichqualifizierten Postdoktorandinnen und Postdoktoranden aus dem Auslandeinen sechs- bis 24-monatigen Forschungsaufenthalt in Deutschland.<strong>Die</strong> Stipendiatinnen und Stipendiaten wählen ihre Forschungsvorhabenselbst, die Durchführung erfolgt dann in Kooperation mit dengastgebenden Forschungseinrichtungen in Deutschland.31