Christian Stein (2)Preisträgerin Astrid Lohöfer sprach bei der Verleihung der Auszeichnung in der Marburger Alten Universität.Auf die Zukunft gespanntPhilipps-Universität vergab Promotionspreise.Sie tragen zu der besonderenForschungsstärkebei, die eine Volluniversitätwie die unsereauszeichnet – mitdiesen Worten rühmte UlrichKoert sechs Nachwuchswissenschaftlerinnenund -wissenschaftler,als er sie mit Promotionspreisen<strong>für</strong> das Jahr 2013auszeichnete. Der Uni-Vizepräsident<strong>für</strong> Forschung und Nachwuchsder Philipps-Universitätnahm die Ehrungen währendder Jahresveranstaltung des Universitätsbundesvor, die MitteJuni 2015 in der Marburger „AltenUniversität“ stattfand.„Ihre Dissertationen belegen,dass Sie herausragendeWissenschaftlerinnen und Wissenschaftlersind“, sagte Koert.„Ich bin gespannt auf Ihren weiterenWerdegang!“<strong>Die</strong> Themen der Preisträger:Wer die Abwehr startetWas veranlasst Zellen des Immunsystems,Krankheiten zubekämpfen? Nadine Maria Bolligwies in ihrer Doktorarbeitnach, dass das Protein IRF4 Zellendazu bringt, Antikörper zuproduzieren. Außerdem entwickeltedie Biologin eine Methode,mit der sich Gene gezielt anundabschalten lassen, so dasszeitlich begrenzte Genaktivitätenuntersucht werden können.<strong>Die</strong> Patentierung des Systemswird derzeit geprüft.Bollig, geboren 1980, absolviertezunächst eine Ausbildungzur Biologielaborantin, ehe siezum Studium der Biologie nachMarburg kam. Sie verfertigte ihreDoktorarbeit bei Michael Lohoffam Institut <strong>für</strong> MedizinischeMikrobiologie und Hygienedes Marburger FachbereichsMedizin.Wie Vorurteile entstehen„Eine einseitige Orientierungam Bestehenden schädigt dieDemokratiefähigkeit unsererGesellschaft und trägt zur Abwertungvon Minderheiten bei“,erklärt die Soziologin VeronikaSchmid zu ihrer Dissertation.Darin entwickelt sie ein Modell,das die Neigung zu Vorurteilengegenüber Minderheiten ebensoerklärt, wie die Entstehung derEinstellung, dass man an dengesellschaftlichen Verhältnisseneh nichts ändern könne. Schmidprüfte das Konzept, indem siemehrere empirische Untersuchungendurchführte, zum Beispieltelefonische Befragungenund Gruppendiskussionen.<strong>Die</strong> Soziologin fertigte ihreDoktorarbeit bei Mathias Bösam Fachbereich Gesellschaftswissenschaftenund Philosophieder Philipps-Universität an.Enzyme auf Abwegen„<strong>Die</strong> von Johannes Freitag erzieltenErgebnisse haben einneues Feld eröffnet“, konstatiertein Kenner der Materie. PromotionspreisträgerFreitag untersuchte,wie Proteine an ihrenZielort innerhalb der Zelle gelangen.Der Biologe fand eine Reihevon Enzymen, die <strong>für</strong> den Zuckerabbauzuständig sind, aberoffenbar an Orte in der Zelle gebrachtwerden, an denen überwiegendFettabbau stattfindet –zumindest dachte man bislang,Zuckerabbau finde ausschließlichaußerhalb dieser Organellenstatt.Der gebürtige Osthesse Freitagverfertigte seine Dissertationbei Michael Bölker am MarburgerFachgebiet Genetik. Mittlerweilearbeitet der 33-Jährige alsWissenschaftler an der UniversitätBerkeley in den USA.22
Ebola-Lektion<strong>Die</strong> Promotionspreisträgerinnen und -preisträger und Uni-Vizepräsident Ulrich Koert lauschten.Selbstorganisation <strong>im</strong> AlltagSelbstorganisation ist eine prägendeErscheinung der Natur –man denke nur an die Komplexitätvon Lebewesen. Der ChemikerHendrik Martin Reinhardtuntersuchte in seiner Doktorarbeitselbstorganisierende Prozessean einem alltäglichen Material:an Edelstahl. Dem Chemikergelang es, durch gezielteSt<strong>im</strong>ulation mit Laserstrahlenhochgeordnete Strukturen zuerzeugen.<strong>Die</strong>s ermöglicht es, dieOberflächeneigenschaften desMetalls nach Wunsch zu verändern,so einfach und effizientwie nie zuvor: Egal, ob es sichum optische, elektrische, magnetischeoder chemische Eigenschaftenhandelt. „<strong>Die</strong> Verbindungvon Grundlagenforschungund einem Blick <strong>für</strong> ihre Anwendbarkeitist hier mustergültigdemonstriert worden“, heißtes in der Begründung <strong>für</strong> dieAuszeichnung.Hendrik Martin Reinhardt,geboren 1980 in Dresden, fertigteseine Doktorarbeit in der Arbeitsgruppevon Norbert Hamppam Fachbereich Chemie der Philipps-Universitätan.Schlüssel zur WahrheitBeschäftigen Sie Schwarzarbeiter?Haben Sie schon einmalSteuern hinterzogen oder Versicherungsbetrugbegangen?Auf Fragen wie diese erhält manin Umfragen häufig keine Antwort– zumindest keine ehrliche.Heiko Grönitz hat in seinerDoktorarbeit ein Verfahrenentwickelt, mit dem man trotzdemverlässliche Informationenüber solch heikle Fragen gewinnenkann: Er nennt die Methodedas „Diagonal-Modell“.„Obwohl man durch eineDatenerhebung gemäß Diagonal-Modell von keinem Befragtenden Wert des sensiblen Merkmalskennt, lassen sich trotzdemaus den beobachteten verschlüsseltenAntworten Rückschlüsseauf die Verteilung des sensiblenMerkmals ziehen“, erklärt der30-jährige.Heiko Grönitz studierteMathematik an der Justus-Liebig-UniversitätGießen; er verfertigteseine Dissertation beiKarlheinz Fleischer, der die AbteilungStatistik am FachbereichsWirtschaftswissenschaftender Philipps-Universität leitet.Lyrik erschließt die Welt„<strong>Die</strong> ethischen Implikationenmoderner Dichtung sind unmittelbaran deren Sprachgebrauchgeknüpft“ – dies ist die These,die Astrid Lohöfer in ihrerdeutsch-französischen Dissertationvertritt. <strong>Die</strong> Anglistin beziehtsich dabei auf das Konzept,Sprache als Möglichkeit zurWelterschließung aufzufassen,und wendet dies auf Gedichtedes französischen Symbolismussowie des kanadischen Modernismusan. „Ziel der Arbeit istes, sowohl ästhetisch-poetologischeals auch ethisch-politischeD<strong>im</strong>ensionen in den untersuchtenTexten aufzuzeigen,die bislang unbeachtet gebliebensind“, erklärt die Preisträgerin.„<strong>Die</strong> wesentliche Leistung derArbeit besteht darin, dem Klischeeder gesellschaftlich-ethischenIrrelevanz von Lyrik entgegenzuwirken“,konstatiert einGutachter.Lohöfer schloss eine binationalePromotion ab, die von demmittlerweile verstorbenen MarburgerAnglisten Claus Uhligund Claire Omhovère aus Montpellierbetreut wurde.>> Texte: Johannes Scholten„Ebola hat gezeigt, dassman nie sicher sein kann,dass nichts passiert. Manmuss vorbereitet sein“ –dies ist eine der Folgerungen,die der MarburgerVirologe Stephan Beckeraus der Ebola-Virus-Epidemiein Westafrika zieht.Der Direktor des Instituts<strong>für</strong> Virologie der Philipps-Universität hielt den Festvortrag,als der MarburgerUniversitätsbund Mitte Juniseine diesjährige Jahresveranstaltungin der Aula derMarburger Alten Universitätabhielt.Mehr als 10.000 Todesopferforderte die Ebola-Virus-Epidemie – und das,obwohl das Virus nicht überdie Luft übertragbar ist. DerAusbruchsort nahe einerGrenze, die dichte Populationin den Städten, Beerdigungsritenmit Hautkontaktsowie tiefes Misstrauengegenüber ausländischenÄrzten nannte Becker alsUrsachen <strong>für</strong> die Ausbreitungder Krankheit. Als <strong>im</strong>Januar 2015 endlich Impfstoffenach Westafrika kamen– entwickelt von demMarburger WissenschaftlerHans Feldmann und anderen–, kamen sie zu spät:Der Ausbruch war längstabgeebbt.Marburger Virologen halfenvor Ort in Westafrika beider <strong>Labor</strong>diagnostik derInfektion und sammeltenProben; das Institut ist aucham Test eines Impfstoffesgegen den Erreger beteiligt.„Wir waren auf Ebola nichtvorbereitet“, erklärte derVirologe <strong>im</strong> Rückblick. „Wirmüssen klinisch getesteteImpfstoffe zur Hand haben.Das hätte einen Unterschiedgemacht.“ Wennman gegen eine derartigeSeuche vorgehen wolle,so müsse man es sofortzu Beginn einer Epidemiemachen – „entschieden undschnell!“>> Iris Rubinich23