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Nr. 27 Auf Spritztour durch Sachsen - Hotel Alt Connewitz

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im fokus<br />

Das Kalenderblatt – 31.3.1925<br />

85. Geburtstag von Bernhard Heisig<br />

In der Havelaue<br />

Da lebt er jetzt mit seiner Frau<br />

Gudrun Brüne. Der Nestor der<br />

ostdeutschen Malergilde, Bernhard<br />

Heisig. Als Letzter des bekannten<br />

Triumvirats mit Wolfgang<br />

Mattheuer und Werner<br />

Tübke ist er noch recht produktiv.<br />

Im letzten Jahr hat der<br />

Künstler mehrere Porträts von<br />

Claus Graf Schenk von Stauffenberg<br />

gemalt. Eines davon wird<br />

von ars mundi im Internet angeboten.<br />

Zu einem ordentlichen<br />

Preis. Im Land des Theodor<br />

Fontane, genauer im havelländischen<br />

Strodehne, entstehen<br />

eben nicht nur farbensprühende<br />

Stillleben. Betritt man sein<br />

Atelier, steht immer ein Bild auf<br />

der Staffelei. Im status nascenti,<br />

wie auch andere im Raum. Beim<br />

nächsten Besuch sind die<br />

Arbeiten geändert. „Neue Einsichten“,<br />

wie er gern sagt. Das<br />

Ändern ist sein Markenzeichen.<br />

Häufig ließen ihn Museumsdirektoren<br />

„bewachen“, wenn<br />

er mit Malutensilien als „Restaurator“<br />

seiner Werke unterwegs<br />

war. Auch Künstler kollege Rolf<br />

Kuhrt berichtete, dass er das<br />

Bildnis seines Schwiegervaters<br />

Walter Schiller gern sicherte,<br />

wenn „Bernhard mal kam“. Das<br />

Ändern wurde selbst von amtlicher<br />

Stelle (Berliner Nationalgalerie)<br />

angemahnt. Ein 1990<br />

verschwundenes fünfteiliges Gemälde<br />

von Heisig tauchte elf<br />

Kunstreise nach Leipzig<br />

Dieses Reiseangebot für<br />

Kunstvereine und kunstinteressierte<br />

Gruppen enthält u.a.<br />

2 Übernachtungen in einem<br />

First-Class Hotel, Gästeführer<br />

für eine große Stadtrundfahrt<br />

(5 h) im eigenen Bus zu den<br />

Zentren des künstlerischen<br />

Schaffens, Mittagsimbiss und<br />

Eintritt und Führung im Museum<br />

der bildenden Künste.<br />

Preis: Ab 125 Euro im DZ (ab<br />

20 Personen).<br />

Tel.: +49 (0)341 7104-275<br />

www.ltm-leipzig.de/<br />

reiseangebote<br />

Jahre später wieder auf. Zwei der<br />

Tafeln hatte der Meister so „revidiert“,<br />

dass das Museum mitteilte:<br />

„auf Herrn Professor<br />

Heisig dahingehend einzuwirken,<br />

dass er von der weiteren<br />

Bearbeitung der sich bei ihm befindlichen<br />

Tafeln absieht“. Geminderte<br />

öffentliche Aufmerksamkeit<br />

und fehlende großstädtische<br />

Kommunikation hindern<br />

ihn nicht daran, den Alltag zeitkritisch<br />

wahrzunehmen. Auch an<br />

(prominenten) Besuchern fehlt<br />

es nicht. Im Nachbarort Warnau,<br />

wo die Malerin Gudrun Brüne<br />

noch ein Anwesen hat, ging<br />

Bernhard Heisig gern mit seinen<br />

Gästen in die Fischerstube speisen.<br />

Ein Blick in deren Gästebuch<br />

verrät, Honoratioren wie Altbundeskanzler<br />

Helmut Schmidt<br />

oder Kurt Masur hat es geschmeckt.<br />

Der Einladende steuerte<br />

dem Buch eine Karikatur bei<br />

und die Wirtsleute strahlten.<br />

Sein Berufsleben beschreibt er<br />

nicht so lustig: „Wenn etwas gelingt,<br />

ist es eine Sensation, oft ist<br />

es Schinderei bis in die Nacht hinein“.<br />

Paulinerkirche (Bernhard<br />

Heisig, Lithografie, 1991)<br />

Altes von einer Neuen<br />

Anläßlich einer Ausstellung der<br />

Galerie Däberitz 1988 in<br />

Bergisch-Gladbach (bei Köln)<br />

hatten vier Leipziger Künstler,<br />

Ulrich Forchner, Lutz Hirschmann,<br />

Andreas Mueller und<br />

Rainer Schade ein Plakat entworfen.<br />

Darauf wurde hintersinnig<br />

auf die „Neue Frankfurter<br />

Schule“ der dortigen Kollegen<br />

Bernhard Heisig in seinem Atelier<br />

Heisigs Gemälde „Zeit und Leben“ (1999) ist in der Cafeteria<br />

des Dt. Bundestages ausgestellt (nicht öffentlicher Bereich)<br />

Atelierhaus in Strodehne<br />

Als minderjähriger Teilnehmer<br />

des Zweiten Weltkrieges hat der<br />

Künstler aus dem Trauma einer<br />

verführten und missbrauchten<br />

Jugend sein Lebensthema gemacht.<br />

Nach einem unwürdigen<br />

Streit hielt sein Panoramabild<br />

„Zeit und Leben“ Einzug in den<br />

Deutschen Bundestag. Es hängt<br />

im nichtöffentlichen Bereich, in<br />

der Cafeteria des Hauses. 60<br />

Jahre nach Kriegsende ist in<br />

Heisig der deutsche Maler zu<br />

entdecken, der den Wahnsinn<br />

des vergangenen Krieges ebenso<br />

wie seine persönliche Verstrickung<br />

in diesen wie kein<br />

zweiter Künstler zu seinem<br />

Thema gemacht hat, heißt es in<br />

einem Kommentar zum Bildfries.<br />

Nicht nur zahlreiche Gemälde<br />

spiegeln die Kriegsthematik wider.<br />

Sie wird in der Mappe „Der<br />

faschistische Alptraum“ besonders<br />

deutlich. Die Technik der<br />

Lithografie macht den Hauptteil<br />

seiner fast 600 Druckgrafiken<br />

aus, davon zwei Drittel Illustrationen<br />

für die Literatur. Bücher<br />

zu illustrieren, war Bernhard<br />

Heisig immer ein Bedürfnis. Zu<br />

den jüngeren Arbeiten zählt eine<br />

von Faber&Faber 2002 edierte<br />

Ausgabe des „Faust“. Er stattete<br />

Teil I der Dichtung aus. Teil II<br />

wurde von Max Slevogt Mitte<br />

der 1920er Jahre illustriert.<br />

Schon 1982 hatte er den I. Teil<br />

der Tragödie (II. Teil von Max<br />

Beckmann) in einer Ausgabe des<br />

Reclam-Verlages mit 44 Zeichnungen<br />

ausgeschmückt. Als der<br />

Künstler Fontanes „Schach von<br />

Wuthenow“ mit Lithografien<br />

versehen hatte, titelte eine<br />

Zeitung „Schlacht von Wuthenow“.<br />

Ja, Schlachten hat er viele<br />

geschlagen. Also wünscht man:<br />

„Bleiben Sie gesund! Professor<br />

Bernhard Heisig.“ Diesen Satz<br />

hatte er immer den Absolventen<br />

der Leipziger Kunsthochschule<br />

nach der Diplomübergabe mit<br />

auf den Weg gegeben.<br />

F.W. Bernstein, Robert Gernhardt,<br />

F.K. Waechter angespielt.<br />

Die „Neue“ war wiederum als<br />

spöttisches Pendant zur „Frankfurter<br />

Schule“ des Theodor W.<br />

Adorno, Max Horkheimer u.a.<br />

gedacht. Die Plakataufschrift<br />

„Neue Leipziger Schule“ hatten<br />

sich die vier Messestädter leider<br />

nicht patentieren lassen. Heute<br />

ist es ein Label.<br />

32 <strong>NÄHER</strong>><strong>dran</strong> Nr. 27/März 2010 – Mai 2010

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