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Nr. 17 In Mitteldeutschland: Parks, Gärten und Natur erleben
Nr. 17 In Mitteldeutschland: Parks, Gärten und Natur erleben
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titelthema<br />
„Die Leipziger Gärten sind<br />
so prächtig, als ich in<br />
meinem Leben etwas gesehen<br />
habe …“ schwärmte<br />
der junge Goethe 1765.<br />
Und tatsächlich, Leipzig war<br />
um diese Zeit die führende<br />
Stadt der bürgerlichen Gartenkunst<br />
und besaß darin<br />
europäische Bedeutung.<br />
Linckesches Gartenhaus (Seeburgstraße 45)<br />
Gartenkunst: Leipziger Bürgergärten<br />
im 18. und 19. Jahrhundert<br />
Vereinshaus des weltweit ersten Schrebervereins (gegr. 1864),<br />
des heutigen Kleingärtnervereins „Dr. Schreber“<br />
Die durch den Handel und<br />
die Messe reich gewordenen<br />
Bürger legten bereits<br />
im Mittelalter außerhalb der<br />
Stadtbefestigung imposante<br />
Gärten an. Die<br />
Zieranlagen waren mit<br />
prunkvollen Klein archi tekturen<br />
geschmückt und<br />
konnten es durchaus mit<br />
höfischen Anlagen aufnehmen.<br />
Um 1790 besaß<br />
Leipzig etwa 30 Lustgärten.<br />
Aus gartenkünstlerischer<br />
Sicht waren besonders die<br />
barocken Gärten bedeutsam.<br />
Der um 1685 angelegte<br />
Großbosesche Garten<br />
war der älteste und bedeutendste<br />
der Leipziger Barockgärten.<br />
Im französischen<br />
Stil angelegt, verfügte<br />
er u. a. über einen<br />
Konzertsaal und Treibhäuser<br />
mit seltenen Pflanzen.<br />
Während der Völkerschlacht<br />
bei Leipzig 1813 gab es auf<br />
dem Grundstück schwere<br />
Käm p fe. Anschließend wurde<br />
es veräußert. Leider<br />
zeugt heute nichts mehr<br />
von dem einst prächtigen<br />
Garten.<br />
Löhrs Garten<br />
In der Seeburgstraße 45 befindet<br />
sich mit dem<br />
Gartenhaus des Apothekers<br />
Lincke ein barockes Kleinod.<br />
Er ließ es 1757 in seinem<br />
Garten errichten, der an<br />
den Boseschen Garten<br />
grenzte.<br />
Gartenkunst wurde auch in<br />
Apels Garten zelebriert. Der<br />
Kaufmann Dietrich Apel<br />
ließ ihn 1717 durch David<br />
Schatz fächerförmig gestalten.<br />
Hof bildhauer Balthasar<br />
Permoser schuf die Plastiken<br />
Jupiter, Juno, Mars und<br />
Venus. Kopien der Plastiken<br />
Jupiter und Juno wurden<br />
auf dem heutigen Dorotheen<br />
platz aufgestellt; die<br />
Ori ginale befinden sich im<br />
Museum der bildenden Künste.<br />
Die vom Dorotheenplatz<br />
strahlenförmig ausgehenden<br />
Straßen erinnern an<br />
das einstige Hauptwegesystem<br />
des Apel’schen<br />
Gartens.<br />
Reste barocker Gestaltung<br />
sind auch im Rosental anhand<br />
der großen Wiese und<br />
einiger Sichtschneisen erkennbar.<br />
Nach einem Entwurf<br />
von 1707 wollte hier<br />
August der Starke ein königliches<br />
Lustschloss bauen,<br />
das im Schnittpunkt von 13<br />
strahlenförmig angelegten<br />
Sichtschneisen stehen sollte.<br />
Die Leipziger Bürger verhinderten<br />
jedoch den Bau.<br />
Aber auch Anlagen wie<br />
Löhrs Garten und Gerhards<br />
Garten, die den damals<br />
neuen englischen Geschmack<br />
repräsentierten,<br />
erlangten große Berühmtheit.<br />
Letzterer wurde durch<br />
den Legations rat Wilhelm<br />
Ger hard – der mit Goethe<br />
gut befreundet war – ab<br />
1827 im Stil eines Landschaftsgartens<br />
angelegt.<br />
Seine Hauptachse entsprach<br />
dem heutigen<br />
Verlauf der Lessingstraße.<br />
Ihn zierten einst der achteckige<br />
Pavillon, der sich seit<br />
1908 im heutigen Clara-<br />
Zetkin-Park befindet und<br />
ein schmiedeeisernes Tor,<br />
das heute den Eingang zum<br />
Gohliser Schlösschen in der<br />
Mencke straße bildet.<br />
Aufgrund des Wachstums<br />
der Stadt Leipzig, seit Mitte<br />
des 18. Jh., wurden die<br />
Bürgergärten nach und<br />
nach bebaut, so dass heute<br />
leider meist nur noch die<br />
Straßennamen an die einstige<br />
Pracht erinnern.<br />
Die Wiege der Schreberbewegung<br />
Infolge der zunehmenden<br />
Industrialisierung im 19. Jh.<br />
verschlechterte sich die Gesundheit<br />
der Stadt be völkerung.<br />
Eine Antwort darauf<br />
war die Entwicklung des<br />
organisierten Klein gartenwesens.<br />
Als wichtigster<br />
Schub erwies sich die<br />
Schreberbewegung, deren<br />
Geburtsstunde 1864 in<br />
Leipzig mit der Gründung<br />
des ersten Schrebervereins<br />
schlug. Noch heute ist die<br />
Auffassung weit verbreitet,<br />
dass der Leipziger Arzt und<br />
Pädagoge Dr. Moritz<br />
Schreber (1808-1861) der<br />
Erfinder der Kleingärten gewesen<br />
ist. Dies ist falsch.<br />
Richtig ist, dass Schreber in<br />
seinen Schriften dafür eintrat,<br />
im Freien Spielplätze<br />
zu errichten. Unter pädagogischer<br />
Anleitung sollten<br />
sich Kinder und Jugendliche<br />
körperlich ertüchtigen. Der<br />
Leipziger Schuldirektor Dr.<br />
Ernst Hauschild (1808-<br />
1866) griff diesen Gedanken<br />
auf und gründete 1864 einen<br />
Erziehungsverein, der<br />
den Namen „Schreberverein“<br />
erhielt. Dieser errichtete<br />
einen Spiel- und<br />
Turnplatz, an dessen Rand<br />
der pensionierte Oberlehrer<br />
Karl Gesell (1800-1879),<br />
vier Jahre später, Kinderbeete<br />
anlegte. Daraus entwickelten<br />
sich schnell<br />
Familien beete, die umzäunt<br />
und mit Gar tenlauben ausgestattet<br />
wurden. Die ursprüngliche<br />
Struk tur der<br />
„kleinen Gärten“, die eine<br />
große Spielwiese als<br />
Mittelpunkt hatten, erkennt<br />
man vor allem in den Kleingarten<br />
anlagen „Dr. Schreber“<br />
und „Südvor stadt“.<br />
Heute ist jeder vierte Leipziger<br />
Mitglied in einem der<br />
278 Schrebervereine.<br />
Textquelle: Gekürzt und<br />
bearbeitet aus „Der Leipzig<br />
Atlas“, Emons Verlag, 2005<br />
Friedenseiche im Rosental<br />
Deutsches<br />
Kleingärtnermuseum<br />
Hier kann man die weltweit<br />
einzigartige Daueraus<br />
stellung „Deutschlands<br />
Klein gärtner vom 19. zum<br />
21. Jahrhundert“ besichtigen.<br />
Sie veranschaulicht<br />
die Geschichte des organisierten<br />
Kleingarten wesens.<br />
Geöffnet: Di.–Do.<br />
10-16 Uhr<br />
www.kleingarten-museum.de<br />
Raus in die Natur – Parkanlagen<br />
und Auenwald<br />
Ein umfangreiches Angebot<br />
an speziellen Führungen<br />
bietet Leipzig<br />
Details: Mit der Kräuterhexe<br />
Grit Nitzsche gehen<br />
Sie auf Entdeckungstour<br />
in die Leipziger Aue. In<br />
das Gartenreich Lütz schena<br />
entführt Sie ein<br />
Spaziergang zu den romantischen<br />
Parkbauten.<br />
Auf der Exkursion „Bekannte<br />
Unbekannte aus<br />
der Nachbarschaft“ werden<br />
Ihnen Allerweltspflanzen<br />
im Alltagsleben<br />
unserer Vorfahren sowie<br />
deren heutige Anwendung<br />
näher gebracht.<br />
Tel.: 0341/3039112<br />
www.leipzigdetails.de<br />
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