atw Vol. 64 (2019) | Issue 5 ı May
Feature | 60 Years DAtF (German Atomic Forum)
Atomkraft: „Nein danke.“ „Ja bitte.“
Energiepolitik in Deutschland im Wandel der Zeit
Deutsches Atomforum (DAtF) – 60 Jahre im Dienste
der Öffentlichkeitsarbeit
Der Weg der Bundesrepublik in die friedliche Nutzung der Kernenergie war für Industrie und Politik gleichsam eine
schwierige Geburt. Zu dicht folgte dieser Schritt auf den verlorenen zweiten Weltkrieg und auf die Atombombenabwürfe
auf zwei Städte in Japan. Gleichwohl sahen Energiepolitik und Wirtschaft in der Nutzung der Kernkraft und
Kernforschung einen guten Weg, die Energiewirtschaft zum Wohle der Bevölkerung in der Bundesrepublik
voranzubringen. Doch was waren das für mächtige Kräfte, die zuverlässig zu bündeln und zu kontrollieren waren?
Was verstanden die Menschen im Lande davon? Und, brauchten wir die Kernenergie überhaupt? Und falls ja, war sie
verantwortbar und sicher?
Wir brauchten also in Deutschland eine Institution, die als
Sprachrohr allen Bereichen und Anwendungsfeldern der
Kerntechnik eine Stimme mit den Instrumentarien der
Öffentlichkeitsarbeit gab. Das DAtF (Deutsches Atomforum
e. V.) wurde mit diesem Auftrag im Jahr 1959
gegründet. Zu seinen Mitgliedern zählten Unternehmen
und Organisationen aus Energieversorgungsunternehmen,
Herstellern, Zulieferern, Dienstleistern, Hochschulen und
Forschungsinstitute, Wirtschaftsvereinigungen etc.
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FEATURE | 60 YEARS DATF
Erinnern, nicht verdrängen
Nie vergessen! Hiroshima, Nagasaki 1945. Auch wenn
US-Präsident „Ike“ Eisenhower 1953 das Schlagwort
„Atoms for peace“ prägte, die Atombombenabwürfe und
die zerstörerischen Folgen begleiten uns noch heute.
Gleichwohl und vor dem Hintergrund des wachsenden
Energiebedarfs, begann in den 50er-Jahren in vielen
Ländern die Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
Doch Deutschland war als Folge des verlorenen
zweiten Weltkrieges zunächst außen vor.
Im Dezember 1954 stimmte die Französische Natio nalversammlung
der Ratifizierung der Pariser Verträge
zu. Damit stand der Wiederherstellung der deutschen
Souveränität nichts mehr im Wege. Mit Erlangung
der Souveränität bemühte sich die Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen der europäischen Einigung auch
um eine eigenständige Atompolitik. Man war bestrebt
Kern forschung zu betreiben und an der Entwicklung zur
friedlichen Nutzung der Kernenergie teilzuhaben.
Die USA waren unbestritten Vorreiter der Nutzung der
„Atomkraft“ zur zivilen Nutzung als Energiequelle. Im
Dezember 1951 wurde mit dem „Experimental Breeder
Reactor Number 1 (EBR-1)“ in Idaho erstmals Strom
erzeugt. Mitte der fünfziger Jahre war man überzeugt,
mit der Atomkraft alle Energieprobleme der Menschheit
lösen zu können. Das überzeugte auch Politik und
Industrie der jungen Bundesrepublik Deutschland. Im
Oktober 1955 rief Adenauer das „Bundesministerium für
Atomfragen“ ins Leben. Es hagelte Kritik aus den eigenen
Reihen, da es dafür kein Vorbild im Ausland gab. Ludwig
Erhard soll sich sogar darüber lustig gemacht haben,
indem er ein zusätzliches „Dampfkesselministerium“
forderte.
Erster Atomminister wurde Franz Josef Strauß. Gegenüber
dem NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk)
erläuterte Strauß am 21. Oktober 1955 seine Aufgaben als
Minister für Atomfragen. Unter anderem stellte er heraus,
| | Kernkraftwerk Grohnde.
dass es auch darum gehe, den Rückstand, den die Bundesrepublik
Deutschland in der Ausnutzung der Atom- Energie
für friedliche Zwecke habe, in möglichst geringer Zeit
einzuholen. Strauß erarbeitete in seiner kurzen Amtszeit
bis 1956 den sogenannten Drei-Stufen-Plan für ein eigenes
deutsches Atomprogramm.
Stufe 1 galt den durch Kriegsfolgen entstandenen
Mangel an qualifizierten Wissenschaftlern und Technikern
auszugleichen. Stufe 2 dem Erwerb von fünf Forschungsreaktoren
von den USA und Großbritannien, die in
München, Frankfurt, Königsforst bei Köln, Berlin und
Hamburg aufgestellt werden sollten. Stufe 3 beinhaltete
den Bau eines Kernreaktors deutscher Konstruktion und
Fabrikation durch das Reaktorzentrum Karlsruhe.
Strauß setzte auf US-Technologie
Am 26. Januar 1956 wurde die „Deutsche Atomkommission
(DAtK)“ nach dem Vorbild der US-amerikanischen
„Atomic Energy Commission“ gegründet. Unter dem
Vorsitz von Strauß, gehörten der Kommission 27 Personen
aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und den Gewerkschaften
an. In der Eröffnungsrede stellte Strauß u. a.
heraus: „Es ist ohne Zweifel eine Tragik in der Geschichte
der Menschheit, dass der Begriff Atom nicht als heilende
und helfende Kraft, sondern zuerst als Faktor von unvorstellbarer
Zerstörungswirkung zum Bewusstsein der Allgemeinheit
gekommen ist.“
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