Komplement und Verstaerker Amplifier and Compliment
ISBN 978-3-86859-578-9 https://www.jovis.de/de/buecher/product/komplement-und-verstaerker.html
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formal structures of dominant society. Places like empty lots between buildings,<br />
l<strong>and</strong> adjacent to infrastructure, <strong>and</strong> informal slums provide these opportunities<br />
because, since they do not represent the main interests of the system in<br />
power, they are overlooked as valueless <strong>and</strong> thus provide an opportunity for the<br />
study <strong>and</strong> the development for new, more inclusive production of space. These<br />
are in fact the places that design activism, both historical <strong>and</strong> contemporary,<br />
has primarily engaged.“ 8 Doch wo setzt man an, wenn es kaum noch Lücken<br />
<strong>und</strong> Nischen abseits des Machtinteresses gibt? Denn: Konnten damals Lücken<br />
programmatisch wie disziplinär gefüllt werden, sind Lücken als Möglichkeitsräume<br />
in der Stadt selten geworden – unter dem Investitionsdruck internationaler<br />
Immobilienfonds sind diese längst bebaut, projektiert oder flächendeckend<br />
erfasst, beispielsweise in den Wohnungsbauprogrammen der Freien <strong>und</strong> Hansestadt<br />
Hamburg. Oder aber es bleibt zwischen „EnEV Zigtausend“, Br<strong>and</strong>-, Lärmschutz<br />
etc. kein <strong>und</strong>efinierter Meter zur spontanen Selbstaneignung übrig, jeder<br />
einzelne Quadratzentimeter dient der höheren Ausnutzung renditeoptimierter<br />
Gr<strong>und</strong>risse. Wo <strong>und</strong> wie kann dann noch Stadt als Möglichkeitsform entstehen?<br />
Und durch wen? Wie kann man also Prozesse gestalten, die diese Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Differenzialitäten im Gleichzeitigen erlauben?<br />
Von der Lücke zur Urbanen Praxis<br />
Stadt als Produktion von urbanen Situationen zu verstehen, verlangt von den<br />
Disziplinen, die Stadt planen, entwerfen <strong>und</strong> gestalten, sich umfassend mit<br />
all dem ausein<strong>and</strong>erzusetzen, was Stadt ausmacht. Gerade Architektur <strong>und</strong><br />
Planung, beziehungsweise raum- <strong>und</strong> planungswissenschaftliche Forschung,<br />
benötigen ein mehrdimensionales Raumverständnis. 9 Allzu oft, so scheint es,<br />
werden die Ebenen sozialen H<strong>and</strong>elns <strong>und</strong> des kulturellen Ausdrucks nicht in<br />
die Raumproduktion der Planung einbezogen. Planung beschränkt sich selbst<br />
auf das Normative, Architektur häufig auf die materiale Gestalt. Prozesse der<br />
Stadtentwicklung müssen jedoch alle vier Raumebenen – „Materiale Gestalt,<br />
Normative Regulation, Soziales H<strong>and</strong>eln, Kultureller Ausdruck“ 10 – einbeziehen,<br />
damit sich Stadt als Möglichkeitsform entfalten kann.<br />
Zwischennutzungen <strong>und</strong> urbane Interventionen schaffen immer wieder<br />
neue Möglichkeiten an neuen Orten in neuen Zeitfenstern – den Lücken der<br />
Stadt. Beide gelten heute in der Stadtplanung als strategische Planungstools,<br />
um Leerstände in Planungszeiträumen (den Momenten, in denen neue Zukünfte<br />
generiert werden) zu vermeiden, um auch in diesen Zeiträumen wenn nicht hohe<br />
Gewinne zu erwirtschaften, so doch zumindest kostendeckend Infrastrukturen<br />
zu erhalten oder diese Räume auf eine höherwertige Nutzung vorzubereiten<br />
beziehungsweise in diese zurückzuführen. Durch ihre zeitliche Begrenztheit<br />
sind die mit <strong>und</strong> durch sie entstehenden Möglichkeitsräume ebenfalls begrenzt,<br />
die investierten <strong>und</strong> etablierten Ressourcen verpuffen. Dem gegenüber verwendet<br />
Urbane Praxis urbane Interventionen als Methode, 11 indem sie in bestehende<br />
Räume eingreift <strong>und</strong> „alternative Realitäten“ 12 mit lokalen Akteuren „koproduktiv“<br />
13 <strong>und</strong> „lokal spezifisch“ 14 herstellt. Die drei Raumebenen materiale Gestalt,<br />
soziales H<strong>and</strong>eln <strong>und</strong> kultureller Ausdruck werden verknüpft, um auf der normativen<br />
Ebene der Planung Veränderung zu erzielen.<br />
Zeit für alternative Stadtentwicklung<br />
Im Rückschluss bedeutet dies aber für Planung: „Wenn wir über Entwicklungen<br />
in der Stadt diskutieren wollen, dann braucht es die Zeit, braucht es die<br />
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