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atw - International Journal for Nuclear Power | 06/07.2019

The atw reports on developments and trends in all major areas of nuclear power technology and the nuclear power industry. The international topicality and competence of its coverage make the atw monthly a valuable source of information and, in this way, also an important aid in decision making. Its rich background of reporting, and the contributions by competent authors make atw a valueable source of information.

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<strong>atw</strong> Vol. 64 (2019) | Issue 6/7 ı June/July<br />

332<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW<br />

Das neue Strahlenschutzrecht (III) –<br />

SSV und SSB<br />

Die bewährten Funktionen des Strahlenschutzverantwortlichen (SSV) und des Strahlenschutzbeauftragten (SSB)<br />

sind vom neuen Strahlenschutzrecht übernommen worden. Regelungen dazu finden sich sowohl im Strahlenschutzgesetz<br />

(StrlSchG), dort in den §§ 69-72, als auch in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vom 29.11.2018, dort in<br />

den §§ 43 und 44 und an weiteren Stellen.<br />

SSV ist bekanntlich u.a. derjenige, der einer der atom- oder<br />

strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen bedarf, wie sie<br />

in der relevanten Norm (früher § 31 Abs. 1 StrlSchV a.F.,<br />

jetzt § 69 Abs. 1 StrlSchG) aufgezählt werden. Zu diesen<br />

Genehmigungen zählen jetzt auch solche zur Beförderung<br />

radioaktiver Stoffe. Das hat zur Folge, dass man hier jetzt<br />

auch einen SSB mit entsprechender Fachkunde braucht;<br />

§ 204 StrlSchG bringt eine Übergangsregelung hierzu mit<br />

einer Frist bis Ende 2021. Von der Ausweitung des Kreises<br />

der Strahlenschutzverantwortlichen sind ferner diejenigen<br />

Aktivitäten betroffen, die nach dem alten Recht “Arbeiten”<br />

darstellten, jetzt aber im erweiterten Begriff der<br />

“ Tätigkeiten” aufgehen. Das betrifft etwa Airlines sowie<br />

Unternehmen mit Arbeitsplätzen, an denen relevante<br />

­Exposition durch natürliche Strahlenquellen stattfindet.<br />

§ 33 Abs. 1 der alten StrlSchV enthielt einen Katalog der<br />

Vorschriften, für deren Einhaltung der SSV verantwortlich<br />

ist. Die lange Liste von Paragraphen war zwar sperrig, aber<br />

immerhin vollständig. In dieser Form gibt es sie jetzt nicht<br />

mehr. Das liegt an der Aufspaltung der Materie in Gesetz<br />

und Verordnung. Das StrlSchG bringt in § 72 Abs. 1 einen in<br />

der Anlage ähnlichen Katalog, der aber nur die relevanten<br />

Vorschriften des StrlSchG selbst aufzählt – die Verordnung<br />

gab es ja noch gar nicht. Die StrlSchV vom 29.11.2018<br />

wiederum enthält ihrerseits keinen zusammenfassenden<br />

Katalog. Stattdessen werden alle Einzelvorschriften, für<br />

deren Einhaltung der SSV verantwortlich sein soll, jeweils<br />

mit den Worten einge leitet: “Der Strahlenschutzverantwortliche<br />

hat dafür zu sorgen, dass…” (In der alten<br />

StrlSchV gab es an dieser Stelle immer eine unpersönliche<br />

Partizipialkonstruktion, etwa: “Strahlenschutzbereiche …<br />

sind einzurichten”). Um sich einen Überblick über die<br />

Pflichten des SSV zu verschaffen, muss man also die<br />

StrlSchV durchlesen und sich alle Vorschriften, auch<br />

einzelne Absätze oder Sätze, notieren, die so anfangen.<br />

Angabegemäß sind es über 100.<br />

Zu Diskussionen gab § 43 Abs. 2 StrlSchV Anlass. Die<br />

Norm lautet: “Die Pflichten der folgenden Vorschriften<br />

dürfen dem Strahlenschutzbeauftragten nicht übertragen<br />

werden: …”. Die in Bezug genommenen Vorschriften enthalten<br />

Grundlegendes wie z. B. die Einhaltung der Grenzwerte<br />

für Ableitungen und für Störfallplanung, aber auch<br />

eher Bürokratisches wie die Aufbewahrung von ärztlichen<br />

Bescheinigungen. Muss der Geschäftsführer also künftig<br />

solche Bescheinigungen auf seinem Schreibtisch stapeln,<br />

neben der Cognac-Karaffe und dem Zigarrenkästchen? Bei<br />

Lichte besehen, war die Regelung aber schon in der alten<br />

StrlSchV angelegt: in § 33 Abs. 2 der alten StrlSchV stand,<br />

dass dem SSB ein bestimmter Teil des Pflichtenkatalogs des<br />

SSV aus Abs. 1 der Norm übertragen werden konnte, aber<br />

eben nicht alles. Was bedeutet das nun? Der SSV konnte<br />

natürlich schon immer, und kann auch jetzt, die operative<br />

Wahrnehmung dieser Pflichten delegieren. Er muss nicht<br />

eigenhändig rechnen oder aufbewahren. Das Übertragungsverbot<br />

des § 43 Abs. 2 StrlSchV kann nur den Sinn haben,<br />

ihm eine gesteigerte Verantwortung zuzuweisen, dass das<br />

auch funktioniert. Da der SSV aber ohnehin immer verantwortlich<br />

bleibt, auch nach ­Delegation von Pflichten an den<br />

SSB (siehe § 70 Abs. 1 S. 2 StrlSchG), bleibt der Unterschied<br />

zwischen “übertrag baren” und “nicht übertragbaren”<br />

Pflichten insgesamt schwer fasslich.<br />

Die in der Praxis entwickelte Funktion des<br />

“Strahlenschutz bevollmächtigten”, auf den der SSV seine<br />

eigenen Aufgaben delegiert, hat es wieder einmal nicht in<br />

den Text des Gesetzes oder der Verordnung geschafft. Sie<br />

wird aber in der amtlichen Begründung des Gesetzes<br />

ausdrücklich erwähnt und gutgeheißen, sodass sie <strong>for</strong>tgeführt<br />

werden kann.<br />

Interessant sind auch einige Neuregelungen im Gesetz<br />

zum Verhältnis von SSV und SSB. Das Verbot der alten<br />

StrlSchV (§ 32 Abs. 5), den SSB zu behindern oder zu<br />

benachteiligen, ist (selbstverständlich) in das Gesetz übernommen<br />

worden. § 70 Abs. 6 S. 2 StrlSchG gibt dem SSB<br />

nunmehr zusätzlich einen Kündigungsschutz – sofern der<br />

Arbeitgeber, also letztlich der SSV, nicht zur fristlosen<br />

Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt ist. Goldene<br />

Löffel darf der SSB also weiterhin nicht klauen.<br />

Wenn der SSV einen Vorschlag ablehnt, den der SSB<br />

“zur Behebung von aufgetretenen Mängeln” macht, dann<br />

hat der SSB weiterhin einen Anspruch darauf, dass der<br />

SSV ihm die Ablehnung schriftlich mit Begründung mitteilt,<br />

mit Kopie an den Betriebsrat und an die zuständige<br />

Behörde. Die Neuregelung des § 71 Abs. 2 S. 3 StrlSchG<br />

gibt dem SSB jetzt das Recht, sich unmittelbar an die<br />

Behörde zu wenden, wenn die Mitteilung des SSV insgesamt,<br />

oder wenigstens die Übermittlung einer Kopie an<br />

die Behörde, unterbleibt. Das erinnert zunächst an die<br />

spannende Thematik des sog. Whistleblowers, also eines<br />

Arbeitnehmers, der Missstände in seinem Unternehmen<br />

oder seiner Institution der Öffentlichkeit oder den Behörden<br />

bekannt macht; gegenwärtig wird ja ganz allgemein<br />

diskutiert, ob eine solche Person eines besonderen gesetzlichen<br />

Schutzes bedarf. Die neue Regelung im StrlSchG<br />

ist aber, wenn man genau hinschaut, doch sehr begrenzt.<br />

Sie greift nur, wenn der Arbeitgeber/SSV seine ohnehin<br />

­ausdrücklich bestehende Pflicht zur Unterrichtung der<br />

Behörde verletzt. Außerdem muss der SSB abwägend vorgehen:<br />

Da das StrlSchG für die Mitteilung des SSV wie<br />

bisher keine Frist setzt, muss der SSB sicherlich eine angemessene<br />

Zeit abwarten und er<strong>for</strong>derlichenfalls noch<br />

einmal nachhaken, bevor er als ultima ratio selbst die<br />

Behörde in<strong>for</strong>miert.<br />

Insgesamt kann man feststellen: Der SSV wird durch<br />

das neue Recht an seine Pflichten erinnert; die Rolle des<br />

SSB wird gestärkt. Nach dem (sicherlich subjektiven)<br />

Eindruck des Verfassers wäre das in der Kernenergie mit<br />

ihrer hoch entwickelten Sicherheitskultur nicht unbedingt<br />

nötig gewesen. In anderen Bereichen dagegen, etwa in<br />

Kliniken oder in Unternehmen, in denen der Umgang mit<br />

Radioaktivität nur einen Randaspekt darstellt, könnte das<br />

neue Recht durchaus dazu führen, dem SSB in praxisrelevanter<br />

Weise den Rücken zu stärken.<br />

Author<br />

Rechtsanwalt Dr. Christian Raetzke<br />

Beethovenstr. 19, 04107 Leipzig, Deutschland<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

The New Radiation Protection Law (III) – Supervisor and Commissioner ı Dr. Christian Raetzke

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