atw - International Journal for Nuclear Power | 03.2020

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atw Vol. 65 (2020) | Issue 3 ı March EDITORIAL 124 Silbernes Jubiläum, aber im Ergebnis noch nicht einmal ein zweiter Platz: Die UN-Klimakonferenz 2019 Liebe Leserin, lieber Leser, zwischenzeitlich aus den vorderen Schlagzeilen der Medien verdrängt und kaum noch von diesen vermerkt, fanden in den ersten Dezemberwochen 2019 die 25. UN-Klimakonferenz, offiziell „25. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention und 15. Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls (COP – Conference of the Parties)“ sowie das „4. Treffen der Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Paris Agreement” statt. Die COP ist die jährliche Konferenz als höchstes Gremium der Klimarahmenkonvention UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change). In diesem internationalen Übereinkommen haben sich Staaten zur Reduktion ihres Ausstoßes an Treibhausgasen verpflichtet. Dieses multinationale Treffen stand schon organisatorisch für 2019 unter keinem guten Vorzeichen: Brasilien zog sein Angebot der Ausrichtung wegen „finanzieller Engpässe und des Regierungswechsels“ zurück. Daraufhin luden der Präsident von Chile und seine Umweltministerin für Dezember 2019 oder Januar 2020 in die Hauptstadt des Landes, Santiago de Chile, ein. Aufgrund der politischen Lage im Land, mit Protesten von Bürgern u. a. gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik, musste auch Chile seine Einladung zurückziehen. Als dritte Option sprang Spanien mit Madrid als Ausrichter ein, wobei die politische Leitung bei der chilenischen Regierung verblieb. Unter dem Leitmotto „Tiempo De Actura/Time for Action“ – Es ist Zeit zu handeln, fanden nach offiziellen Angaben zwischen sage und schreibe 25.000 und 26.000 direkte Teil nehmende an den Konferenzen den Weg nach Madrid. Zentrales Thema und Ziel war die Fertigstellung des ergänzenden Regelwerks zum „Übereinkommen von Paris“. Doch was zumindest vom Titel her ambitioniert eingeläutet worden war, endete bei Kommentatoren unter Begriffen wie „Minimalkonsens“ bis hin zu „ergebnislos“. Die Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig. Zum einen trägt die zunehmend ablehnende Haltung zu Emissionsverboten von Ländern mit hohen Emissionen dazu bei. Aber auch ein immer mehr zum Schaulaufen politischer Einzelinteressen oder NGO-Vertreter abdriftender Konferenzablauf und ein immer weniger auf sichtbare Sachthemen, denn mehr auf Verbote fixiertes Regelwerk tun ihr übriges. An Visionen zur Umsetzung von Emissionsminderungen scheint es zudem mehr und mehr zu fehlen. Ganz im Schatten der Konferenz endete dann auch noch die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto- Protokolls, da bis Ende November 2019 die Mindestzahl an Ratifikationen noch nicht erreicht worden war. Dabei war man einmal so ambitioniert gestartet: Erinnern wir uns: Das Kyoto-Protokoll von 1992 hatte die Zielsetzung, die Emissionen der sechs als besonders klimawirksam eingestuften Gase – im Wesentlichen Kohlendioxid, Methan und Stickoxide – in der Periode 2008–2012 bezogen auf das Basisjahr 1990 weltweit um ca. 5 Prozent zu vermindern. Für die Kohlendioxidemissionen bedeutete dies bei Emissionen von rund 21 Mrd. T onnen in 1990 eine Reduzierung um ca. 1 Milliarde Tonnen der jährlichen Emissionen. Die einzelnen Unterzeichnerstaaten verpflichten sich dabei auf unterschiedliche Emissionsmengen. So sagte die damalige EU-15 zu, einen Beitrag von minus 8 Prozent zu leisten. Im Jahr 2012, am Ende der Kyoto-Periode, lagen die CO 2 -Emissionen dann bei rund 32 Mrd. Tonnen weltweit, was einem Plus von 51 % entspricht und nicht dem angestrebten Minus von 5 %. Erreicht man ein politisches Ziel nicht, vereinbart man ein neues. Das Ringen um neue Ziele währte angesichts der „Kyoto-I Verfehlung“ dann fünf Jahre, von der UN- Klimakonferenz auf Bali 2007 bis zu der in Doha, Katar 2012. Es endete mit einer sogenannten zweiten Verpflichtungsperiode („Kyoto II“). Doch während aus „ Kyoto I“ noch Zahlen zu Minderungszielen zu lesen waren, verliert sich „Kyoto II“ mehr und mehr in einem Emissions- Ablasshandel. Aber letztendlich ist „Kyoto II“ nur noch historisch und ohne jegliche Wirkung. In Summe, von Kyoto bis Santiago de Chile/Madrid ist nach 25 Jahren politischer Diskussionen über Emissionsminderungen also wenig zu identifizieren, was überhaupt ein Ranking erlaubt. Unabhängig von der Frage des Ob und des Umfangs des Einflusses des Menschen auf das Klima, ist jegliche Nutzung nachhaltiger Energieformen an sich schon sinnvoll. Es stellt sich an diesem Punkt die Frage, ob die Kernenergie überhaupt in der Lage ist, einen maßgeblichen Beitrag zu Reduktionen zu leisten? Denn die Kernenergie wird aktuell immer stärker als ein Baustein für die zukünftige Energieversorgung in den Fokus gerückt. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen, nicht nur Emissionen in allen Sektoren zu mindern, sondern auch eine weiter wachsende Welt bevölkerung mit ausreichend Energie zu versorgen, stellt sich die Frage, welche diesbezüglichen Potenziale vorhanden sind. Lasst also die Fakten sprechen: Kernenergie hat in den letzten Jahren einen Anteil an der weltweiten Stromversorgung von rund 11 Prozent. Jährlich werden ca. 2.500 Mrd. Kilowattstunden erzeugt. Dabei ist der Kernkraftwerksbetrieb selbst weitgehend frei von klimawirksamen Emissionen. Fundierte, nachvollziehbare Studien weisen unter Einbeziehung aller Prozessschritte für den Bau, Betrieb und Rückbau von Kernkraftwerken zu Gesamtemissionen von 6 bis 30 Gramm Kohlendioxid pro erzeugter Kilowattstunde Strom aus. Damit liegen Wasserkraft, Wind und Kernenergie quasi gleichauf. Die jährlichen durch Kernenergie vermiedenen CO 2 -Emissionen liegen bei rund 2,5 Mrd. t und damit höher – mehr als doppelt so hoch – als gemäß dem Kyoto-I-Ziel zu erreichen war, aber nie erreicht wurde. Diese konkreten Zahlen sollen verdeutlichen, dass sich mit Kerntechnik vielfältig strukturierte Ziele wie Emissionsminderung und eine verlässliche Energie versorgung realisieren lassen. Insgesamt müssen emissionsarme Technologien für alle Energieträger, zum Tragen kommen und dürfen nicht via ideologisch geprägter „einspurige“ Pfade, die z. B. die Kernenergie bewusst ausschließen wollen, wie es sich leider gerade auch auf europäischer Ebene mancherorts abzeichnet. Sollte es die Weltgemeinschaft ernst meinen mit der tatsächlichen Umsetzung ihrer ambitionierten Klimaschutzziele, wird sie an der Nutzung der Kernenergie nicht vorbei kommen. Christopher Weßelmann – Chefredakteur – Editorial Silver Jubilee, but not even a Second Place at the End: The UN Climate Change Conference 2019
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