Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
Bad Driburger Kurier Nr. 356 20. Mai 2020 Seite 9
Corona-Krise in Bad Driburger Unternehmen: Verhaltener Optimismus und offene Fragen an die Politik
Markus Schürmann: Es gibt ein Leben nach Corona
Heike Rüther-Tietze:
Kräfte bündeln
Heike Rüther-Tietze ist Geschäftsstellenleiterin
und Privatkundenbetreuerin
in Bad Driburg bei der
Vereinigten Volksbank. Sie spricht
von einer „großen Herausforderung“
für die regional ansässige Genossenschaftsbank
und ihrer Verantwortung
für Wirtschaft und Bürger. Auf Kundenseite
gibt es einen gestiegenen
Beratungs- und Informationsbedarf.
Heike Rüther-Tietze schreibt: „Nach
den Soforthilfen von Bund und Ländern
haben unsere Kunden bis Anfang
Mai über fünf Millionen Euro an
Soforthilfen erhalten. Auch die KfW-
Programme wurden und werden aktuell
regelmäßig angefragt, beantragt
und innerhalb weniger Tage zugesagt.
Natürlich gibt es auch Anfragen nach
Tilgungsaussetzungen bedingt durch
Corona. „Seitdem haben wir mehrere
hundert Anträge unbürokratisch und
innerhalb kürzester Zeit bearbeitet“,
so Heike Rüther-Tietze. Weiter habe
das Corona-Virus den Aktienmarkt in
eine Talfahrt gestürzt, der sich aber
allmählich wieder stabilisiert. Für
die Mitarbeiter und zur Aufrechterhaltung
des Bankbetriebes wurden
schnell Sicherheitsvorkehrungen
getroffen. Die Dimension der Krise
mag Rüther-Tietze noch nicht
abschätzen: „Mit welcher Wucht
es den Kreis Höxter treffen wird,
kann heute noch nicht abgeschätzt
werden. Obwohl die Corona-Krise
für die Vereinigte Volksbank nicht
existenzbedrohend ist, sorge man sich
um die Kunden und Mitglieder. Von
den Firmenkundenberatern bekommt
Heike Rüther-Tietze widergespiegelt,
dass die meisten Kunden der Krise
gut standhalten, sogar kreativ werden
und neue Angebote entwickeln: „So
richten Gaststätten einen Drive-In
ein, Taxiunternehmen werden zu
Lieferservices umfunktioniert und
Industrieunternehmen ändern ihr
Sortiment und stellen Desinfektionsmittel
und Schutzausrüstung her,
um weiterhin am Markt zu bleiben.“
Die Filialen der Bank sind weiterhin
besetzt, die Bank ist auf vielen Kanälen
erreichbar, das Kunden-Service-
Team ist personell verstärkt worden.
Die digitalen Serviceangebote rücken
durch die Krise in den Fokus. Dazu
Heike Rüther-Tietze: „Gerade die
Onlineberatung ist sehr komfortabel.
Unsere Kunden können es sich zu
Hause auf dem Sofa bequem machen
und sparen dabei wertvolle Zeit für
Martin Knorrenschild:
„Handwerker
sind Optimisten,
alles wird gut. Jede
Herausforderung
bringt auch wieder
neuen Schwung“
die Hin- und Rückfahrt. Über die
„Bildschirmteilen-Funktion“ können
Berater begleitend zum Telefongespräch
Präsentationen und Skizzen
über den Computerbildschirm den
Kunden zeigen“. Firmenkunden
können bis Ende September von
einem vorkonfigurierten Onlineshop
profitieren. Für Unternehmer, die
ihren Geschäften nur eingeschränkt
oder möglicherweise gar nicht mehr
nachgehen können, hat die Bank
die kostenlose Gutscheinplattform
„VR-ExtraPlus Hilft“ ins Leben
gerufen. Auf der Webseite https://
www.vr-extraplushilft.de kann man
sich in wenigen Schritten anmelden
und sofort Gutscheine zum Verkauf
anbieten. Das hilft, in der Coronakrise
wichtige Umsätze zu generieren, so
Lödige. Die Gutscheine können dann
eingelöst werden, wenn Kunden das
Geschäft wieder besuchen. Um getreu
dem Motto „Viele schaffen mehr“
die aktuelle Krise zu meistern, fördert
die Bank auf ihrer Crowdfunding-
Plattform Corona-Hilfsprojekte von
karitativen Institutionen mit einem
Startbonus von 1.000 Euro und verdoppelt
jede Spende bis zu 25 Euro.
Am 23. März 2020 wurde auch in Bad Driburg das Kontaktverbot
eingeführt. Etliche Geschäfte mussten schließen, nur für die Versorgung
der Bevölkerung dringend nötige Geschäfte erhielten eine
Genehmigung. Das gesellschaftliche Leben kam weitgehend zum
Erliegen, Treffen von mehr als zwei Personen wurden verboten. Am
20. April 2020 erlaubte das Land NRW angesichts der sinkenden Zahl
an Neuinfektionen die Öffnung aller Geschäfte bis 800 Quadratmeter.
Auch Möbelhäuser und Buchhandlungen durften öffnen, unabhängig
von der Verkaufsfläche. Seit Montag, 27. April 2020, gilt in Nordrhein-
Westfalen die Verpflichtung für Bürgerinnen und Bürger, Mund und
Denn eins ist klar, so Heike Rüther-
Tietze: „Eine solche Krise kann man
nur bestehen, indem wir unsere Kräfte
bündeln und uns gemeinsam dafür
einsetzen.“ Und er zieht eine Parallele
zur Finanzmarktkrise 2008: „Wir als
Volksbank waren eines der stabilsten
und verlässlichsten Kreditinstitute
der deutschen Bankengruppe und
kamen ohne staatlichen Hilfen aus.“
Markus Schürmann:
Werden Krise gut
überstehen
Markus Schürmann ist Inhaber des
Geschäftes SCHÜRMANN brille
+ linse in Bad Driburg
und beschäftigt
sechs Mitarbeiter.
Er berichtet: „Mit
der Einführung des
Kontaktverbotes
ist mein Umsatz
im März und April
massiv eingebrochen.
Gott sei Dank durfte
ich mein Geschäft
auflassen, so dass ich
ca. 25 Prozent meines
Umsatzes im April
hatte. Besser als die
Gastronomen, die gar
keinen Umsatz hatten.
Ich habe einen massiven
Verlust. Gott sei Dank habe ich
9.000 Euro vom Staat bekommen
(Anm. der Red.: Soforthilfe), das hat
den Verlust erträglicher gemacht. Im
Moment nutze ich den Kontokorrent
meiner Bank. Hätte diese Krise länger
gedauert, wäre mein Geschäft
sehr in Schieflage gekommen“. Für
die Mitarbeiter hat Schürmann Kurzarbeit
angemeldet und die Öffnungszeiten
reduziert. Seit dem 4. Mai
2020 kann er etwas aufatmen. „Ich
habe wieder voll geöffnet und freue
mich, dass die Kunden wiederkommen“,
sagt Schürmann. Kein Verständnis
hat er für den Lock-Down:
„Von der Politik fordere ich, die
Corona-Maßnahmen mit sofortiger
Wirkung aufzuheben. Ich verlange,
dass nur die als Corona-Tote gezählt
werden, die auch an Corona wirklich
gestorben sind. Entschuldigung,
aber ein 95-Jähriger, der verstirbt
am Ende seines Lebens, darf nicht
mitgezählt werden“. Kein gutes
Haar lässt er an den Politikern, er
verlangt eine echte Aufklärung und
kreidet ihnen den wirtschaftlichen
Einbruch an. Schürmann verweist
auf das schwedische Modell und
sieht die demoratischen Grundrechte
in Corona-Zeiten außer Kraft gesetzt:
„Ich hätte nie gedacht, dass die Bundesregierung
uns, den Bürgern, verbietet
zu demonstrieren und
unsere Meinung zu
sagen. Ich hatte
bis dahin
geglaubt
in einer
Demokratie
zu leben
und war stolz
darauf. Ich war
stolz auf Deutschland, ich
war stolz darauf in Deutschland zu
leben.“ Am Ende kommt dann doch
wieder Optimismus
auf: „Nichtsdestotrotz
glaube ich, dass ich
diese Krise gut überstehen
werde, es gibt ein
Leben nach Corona“.
Christiane
Seemer: Wiedereröffnung
im Juni
Banges Warten bei
Christiane Seemer
von der Driburg-
Therme. Häufig ändern
sich die Verordnungen,
und nach
dem jetzigen Stand
ist eine Wiedereröffnung am 26.
Juni 2020 geplant, mit Saunen 75
C und höher. Dampfbad, Aufgüsse
und Peelings bleiben offenbar nicht
erlaubt, steht auf ihrer Facebook-
Seite.
Seit dem 13. März 2020 ist die
Nase bei der Fahrt im ÖPNV, dem Einkauf im Einzelhandel und in
Arztpraxen zu bedecken. Seit Montag, 11. Mai 2020, traten weitere
Lockerungen der Corona-Maßnahmen in Kraft; es dürfen unter
anderem Restaurants in Nordrhein-Westfalen wieder öffnen.
Die Corona-Krise wirkt auf alle Teile der Gesellschaft. Von einer auf die
andere Woche sorgte der „Lock-Down“ für ein Einfrieren sämtlicher
Aktivitäten. Der Bad Driburger Kurier hat Bad Driburger Firmen
angeschrieben und sie gefragt, wie sie mit der Krise umgehen. Heraus
kam eine eindrucksvolle Momentaufnahme der Corona-Krise in der
Bad Driburger Wirtschaft.
Die Arme hoch für die Driburg Therme: Ende Juni soll es wieder losgehen, bis dahin wird alles auf Vordermann gebracht.
Therme geschlossen, man hat die
Corona-Soforthilfe (45 Mitarbeiter)
in Anspruch genommen und
die Therme gereinigt, gewartet und
Revisionsarbeiten
vorgezogen.
Von der
Po-
li-
t i k
wünscht
sie sich klare
Zeitvorgaben für die Planung.
Antje Kiewitt:
„Für den Standort Bad
Driburg und den Gesundheitstourismus
dürfte es in der nahen
Zukunft zu einem
qualitätsorientierten
Wachstum kommen“
Martin Knorrenschild:
Sind nicht betroffen
Wenig zu spüren bekommt Martin
Knorrenschild und sein Unternehmen
Metallbau Knorrenschild GmbH
& Co KG mit seinen 14 Mitarbeitern:
Foto: privat
„Wir sind im Grunde nicht betroffen,
weder durch Krankheit noch durch
Auftragsausfall oder dergleichen.
Allerdings hört man von einigen
Lieferengpässen bei Vormaterial.“
Kontakt- und Hygieneregeln werden
eingehalten, Teams werden getrennt.
Seine Forderung an die Politik:
„Die richtigen Entscheidungen
zur Erhaltung der Gesundheit der
Bevölkerung, danach die besten
Entscheidungen für den Erhalt
der Wirtschaft.“ Sein Blick in
die Zukunft fällt positiv aus:
„Handwerker sind Optimisten,
alles wird gut. Jede Herausforderung
bringt auch
wieder neuen Schwung.
Auch wenn die Pandemie
noch länger dauert, sind
die Aussichten für die
Zukunft gut.“
Philipp Potente:
Klare Regeln
gefordert
Wie ein Leuchtturm im Sturm
haben Apotheken die Grundversorgung
der Bevölkerung
sichergestellt. Die City-Apotheke
von Philipp Potente war auch dann
geöffnet, als fast alle anderen Lokale
schließen mussten. Zunächst musste
er eine gesunkene Kundenfrequenz
feststellen, der Trend zu Botendiensten
und Internetbestellung hält
an. Er reagierte so auf die Krise: Es
mussten strenge Hygienevorschriften
eingehalten werden, die Mitarbeiter
arbeiteten in Schichten in getrennten
Teams mit eingeschränkter Öffnungszeit,
am Handverkaufstisch wurden
Plexiglas-Trennscheiben installiert.
Er fordert von der Politik Augenmaß
und Umsicht sowie klare Regeln für
Beschränkungen. Die Krise sieht er
als Herausforderung: „Es wird weiter
gehen und nichts ist so beständig wie
die Veränderung und der Zwang zur
Anpassung.“
Antje Kiewitt: Wachstum
zu mehr Qualität
Antje Kiewitt ist PR-Direktorin
der Unternehmensgruppe Graf von
Oeynhausen-Sierstorpff (UGOS).
Unter dem Dach arbeiten 1.500 Mitarbeiter
in Gastronomie und Hotellerie,
Gesundheitswesen, Reha-Kliniken,
Getränkeherstellung (Mineralwasseranbieter).
Das Gräflicher Park
Health & Balance Resort musste am
19. März 2020 aufgrund gesetzlicher
Vorgaben in der Corona-Krise alle
touristischen Aktivitäten einstellen
und schließen. Nach zwei Monaten
Lock-Down werden das Hotel und
Caspar´s Restaurant am 20. Mai 2020
wieder eröffnet, berichtet sie. Als
Folge des bundesweiten Operations-
Stopps in den Akutkliniken sind die
Belegungszahlen in den Gräflichen
Kliniken entsprechend gesunken. Hygiene-
und Besucherkonzepte, sowie
neue Prozesse in der Patientenaufnahme
mussten entwickelt werden. Eine
Mitarbeiter- und Patientenkommunikation
wurde erstellt, die insbesondere
die Kommunikation der Klinik- und
Hygienemaßnahmen zum Schwerpunkt
hat. Aufgrund der Positivtestung
eines Patienten wurde eine Klinik
kurzzeitig mit einem Belegungsstopp
versehen, was unmittelbar zu einem
Schaden von etwa einer halben Million
Euro geführt hat. Durch die Schließung
der gastronomischen Betriebe
und die Absagen von Schützenfesten,
Vereinsfeiern usw. sind auch die Bad
Driburger Naturparkquellen von der
Corona-Krise betroffen. In der Folge
musste auch die Unternehmensgruppe
Fördergelder aus den Hilfsprogrammen
beantragen. Das Gräflicher Park
Health & Balance Resort war vorübergehend
geschlossen, Kurzarbeit wurde
seit dem 1. April 2020 beantragt. Davon
betroffen sind über 200 Mitarbeiter. Bei
den Gräfliche Kliniken Bad Driburg
herrscht Kurzarbeit seit dem 1. Mai
2020. Davon betroffen sind über 600
Mitarbeiter. In der Krise schuf die
Unternehmensgruppe neue Angebote:
Innerhalb des Verbunds der Gräflichen
Kliniken wurden Indikationen zusammengelegt
und neue Angebote wie z.B.
eine Kurzzeitpflege in der Park Klinik
entwickelt, um die freien Kapazitäten
besser zu nutzen. Alle drei Gräflichen
Kliniken Bad Driburg wurden mit Wirkung
zum 03. April 2020 durch das Ministerium
für Arbeit, Gesundheit und
Soziales NRW als Einrichtungen zur
Entlastung akutstationär zu versorgender
Patienten im Rahmen des Covid-
19-Krankenhausentlastungsgesetzes
bestimmt. Somit gelten die Caspar
Heinrich Klinik, die Marcus Klinik und
die Park Klinik derzeit als Krankenhäuser
nach § 108 SGB V. Das bedeutet,
dass im Akutfall eine Belegung aus den
bisherigen Krankenhäusern durch und
in Abstimmung mit dem Krisenstab
des Kreises Höxter erfolgt.Kritische
Fragen an die Entscheider in der Politik
kommen vom Grafen. Marcus Graf
von Oeynhausen-Sierstorpff, Inhaber
und geschäftsführender Gesellschafter
der UGOS:
„Wir wissen, dass im Winter 2018
in nur acht Wochen 25.000 Menschen
in Deutschland an dem Influenzavirus
gestorben sind und dass Corona und
Influenza einen sehr ähnlichen Verlauf
haben. Somit stellt sich für mich als
Unternehmer die Frage, ob das was die
Politik gerade mit uns macht, richtig ist.
Die Erkenntnisse der letzten Wochen
zeigen, dass die Operation des andauernden
Stillstands in vielen Ansätzen unverhältnismäßig,
autoritär und in weiten
Teilen maßlos waren. Als Bürger erwarte
ich wissens- und faktenbasiert, vernünftig
und maßvoll informiert zu werden.
Das vermisse ich. Die Virologen, die
Medien und die Politik beherrschen
unser Leben. Das muss sich ändern.“
Trotzdem bleibt ein optimistischer Blick
in die Zukunft. Antje Kiewitt schreibt:
„Unsere Aussichten sind im Kleinen
hoffnungsvoll. Sollten die Lockerungen
weiter voranschreiten und sich die
positive Entwicklung weiter fortsetzen,
sehen wir hoffentlich ein erstes Zeichen
der Erholung Ende Juli/Anfang August
2020. Für den Standort Bad Driburg
und den Gesundheitstourismus dürfte
es in der nahen Zukunft zu einem qualitätsorientierten
Wachstum kommen.
Als Teil des bevölkerungsreichsten
Bundeslandes hat Bad Driburg eine
gute Ausgangsposition und damit gute
Karten von der steigenden Nachfrage zu
profitieren.“ Der gesamtwirtschaftliche
Schaden jedoch, insbesondere für das
Hotel und die Reha-Kliniken, werde
nicht mehr einzuholen sein. Der lange
öffentliche Stillstand werde noch viele
Opfer fordern und weltweit die größte
Rezession hervorrufen, die unsere
Generation je erlebt hat. Als Folge des
Stillstandes brechen jetzt schon Steuereinnahmen
weg – die Sozialausgaben
schießen in die Höhe. Viele Waren
werden wir wegen der Unterbrechung
der Produktions- und Lieferketten nicht
mehr erhalten.“