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Document 2 :<br />

« Ich glaube », sagte Oma Berta, « wir können auf dem Balkon Kaffee trinken.“<br />

Während Opa Hans-Georg die Stühle zurechtrückte und ein altvertrautes Tischtuch<br />

ausbreitete, stand Janna Berta am Balkongeländer und schaute hinunter auf die Stadt. Die lag still<br />

in der Sonne.<br />

„Damals, an diesem Tag -, begann sie langsam.<br />

„Pst“, unterbrach sie Oma Berta und machte eine ängstlich abwehrende Handbewegung,<br />

„ich will nichts hören. Bitte! Ich will an das alles nicht erinnert sein. Seien wir froh, dass alles noch<br />

gut ausgegangen ist.“<br />

„Vom Frankfurter Flughafen aus“, sagte Opa Hans-Georg, „haben wir Helga angerufen. Wir<br />

haben erfahren, dass es allen gut geht. Sie können bald entlassen werden.“<br />

Janna-Berta atmete tief durch. Sie sah Oma Berta an. Die lächelte so zärtlich, so zufrieden<br />

zurück.<br />

„Ja“, sagte Janna-Berta ruhig, und sie war sich einen Augenblick lang ganz sicher, dass sie<br />

nicht log, „es geht ihnen gut. Sehr gut.“<br />

„Nun, dann ist ja alles in Ordnung“, sagte Opa Hans-Georg. (…)<br />

„Nimm doch die Mütze ab, Kind“, sagte Opa Hans-Georg.<br />

Janna-Berta schüttelte den Kopf. Sie langte nach einem Stück Kuchen. Sie hatte an diesem<br />

Tag noch nichts gegessen, nicht einmal gefrühstückt. Sie stopfte. Ein Stück gute alte Zeit, garantiert<br />

verseucht. Sie versuchte, gar nicht daran zu denken (…)<br />

„Lass sie doch“, sagte Oma Berta, an den Opa gewandt – und dann zu Janna-Berta:<br />

„Sicher hast du sie selber gestrickt und bist stolz auf sie. Ich finde sie auch wirklich wunderhübsch.<br />

Du auch – nicht wahr, Hans-Georg?“<br />

„Mich stört die Farbe“, sagte Opa Hans-Georg. „Von weitem könnte man das Kind damit für<br />

eine alte Dame mit weißem Haar halten. Zumal sie ja ihr eigenes Haar ganz und gar darunter<br />

versteckt hat.“<br />

Oma Berta legte ihre Hand auf Janna-Bertas Arm und sagte mit einer eigensinnigen<br />

Kopfbewegung: „Mir gefällt sie. Und gerade die Farbe finde ich Zauberhaft. Außerdem“, sie beugte<br />

sich wieder zu Opa Hans-Georg hinüber, „vergiss nicht, dass das Kind eine Menge Aufregung hinter<br />

sich hat.“<br />

„Allerdings“, sagte Opa Hans-Georg<br />

(…)<br />

„Ich will euch sagen worauf es ankommt“, dozierte er wie vor einer vielköpfigen<br />

Zuhörerschaft. „Es kommt darauf an, dass solche Zwischenfälle vor der Presse abgeschottet<br />

werden. Dann käme so eine Hysterie gar nicht erst auf, und man wäre vor Übertreibungen und vor<br />

dieser elenden Propaganda sicher. Heutzutage wird viel zuviel aufgeklärt. Wozu soll Lieschen<br />

Müller über das Innere des Reaktors Bescheid wissen, über Rem und Becquerel? Am Ende versteht<br />

sie ja doch nichts. Wozu muss alle Welt die Anzahl unserer Toten erfahren? Durch dieses<br />

Großkatastrophenmärchen wird unser Ansehen im Ausland unnötig geschädigt. Ich sage nur so viel:<br />

Es hat in diesem Land Politiker gegeben, die hätten die ganze Sache so diskret gehandhabt, dass<br />

schon hier in Schlitz dieser Zwischenfall gar nicht bemerkt worden wäre. Und kein Pressemensch<br />

hätte es gewagt, in der Sache herumzuschnüffeln.“<br />

Oma Berta nickte zustimmend.<br />

Da zog Janna-Berta die Mütze vom Kopf und begann zu sprechen.<br />

Gudrun PAUSEWANG, Die Wolke, Ravensburger, 1987<br />

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