07.04.2017 Views

SPECTRUM #1/2017

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UNIPOLITIK<br />

Islamzentrum muss sich keiner Volksabstimmung<br />

stellen<br />

Knapp fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung sind Muslime. Die meisten sind hier geboren und<br />

verwurzelt. Ihre Imame und Prediger allerdings sind zumeist fernab unserer Gesellschaft ausgebildet.<br />

Um diese Diskrepanz zu beseitigen, schlug eine Nationalfonds-Studie 2010 eine schweizerische<br />

Imam-Ausbildung vor, was zu einer kaum je da gewesenen Auseinandersetzung führte. Mittendrin: Die<br />

Uni Freiburg. LORENZ TOBLER<br />

Die SVP scheiterte mit ihrer Initiative gegen das SZIG vor dem Bundesgericht in Lausanne<br />

© Graphique : Kalinka Janowski<br />

© Foto: Wikimedia Commons<br />

Dass Studierende der katholischen<br />

Theologie in der Miséricorde seit<br />

jeher ein und aus gehen, sorgt in<br />

Freiburg kaum mehr für Entrüstung. Im<br />

Gegenteil – die hiesige theologische Fakultät<br />

ist die grösste der Schweiz und<br />

prägte die Universität entscheidend mit.<br />

Als aber 2013 bekannt wurde, dass ein<br />

Zentrum für Islam und Gesellschaft als<br />

interfakultäres Institut nach Freiburg<br />

kommen soll, meldeten viele Politiker<br />

Bedenken an. Bürgerliche Grossräte versuchten<br />

in der Folge, das geplante Zentrum<br />

auf parlamentarischem Weg zu<br />

verhindern. Als dies scheiterte und das<br />

Zentrum im Frühjahr 2015 eröffnet wurde,<br />

reichte die SVP des Kantons Freiburg<br />

eine Initiative ein, die das geplante Zentrum<br />

sowie jegliche staatliche Imam-Ausbildung<br />

verhindern sollte. Als Regierung<br />

und Parlament die Initiative, welche über<br />

achttausend Mal unterschrieben worden<br />

war, für ungültig erklärten, rekurrierte<br />

das SVP-Komitee ans Bundesgericht.<br />

Negativer Bundesgerichtsentscheid<br />

Im letzten Dezember schliesslich wiesen<br />

die Richter in Lausanne die Beschwerde<br />

gegen die Ungültigkeitserklärung ab.<br />

Mit einer einzigen Ausnahme votierte<br />

der fünfköpfige Spruchkörper geschlossen<br />

dagegen, die Ungültigkeitserklärung<br />

der Freiburger Instanzen aufzuheben.<br />

Die Bundesrichter wiesen insbesondere<br />

daraufhin, dass sich die Initiative gezielt<br />

gegen das Zentrum für Islam und Gesellschaft<br />

richte. Ein derartig einseitiges<br />

Verbot sei diskriminierend und verstosse<br />

damit gegen die Verfassung, schloss das<br />

Gericht schliesslich.<br />

Dies dürfte das vorläufige Ende des Seilziehens<br />

um das Schweizerische Zentrum<br />

für Islam und Gesellschaft (SZIG) bedeuten.<br />

„Es sind keine weiteren rechtlichen<br />

oder politischen Schritte geplant.“, erklärt<br />

die SVP auf Anfrage und schliesst auch<br />

den Gang vor den Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte aus. Das Urteil<br />

sei keine Überraschung gewesen, fährt<br />

Emanuel Waeber, Fraktionspräsident der<br />

Volkspartei im Grossen Rat, fort: „Gegenüber<br />

den unterzeichnenden Personen<br />

der Initiative haben wir es aber als unsere<br />

Pflicht erachtet, vor Bundesgericht zu<br />

gehen.“<br />

Positive Folgen für das SZIG<br />

Dr. Hansjörg Schmid, Direktor des SZIG,<br />

kann den erlebten Querelen durchaus<br />

Positives abgewinnen. „Durch die Auseinandersetzung<br />

waren wir von Anfang an<br />

verpflichtet, so transparent wie möglich<br />

zu arbeiten und das Gespräch mit sehr<br />

vielen Menschen und Institutionen zu<br />

suchen. Wir haben so einen Arbeits- und<br />

Kommunikationsstil entwickelt, den wir<br />

beibehalten haben.“ Laut Schmid hat die<br />

Auseinandersetzung dem SZIG auch zu<br />

einer breiten öffentlichen Sichtbarkeit<br />

verholfen. Er betont zudem, dass das<br />

Zentrum jederzeit von sehr vielen Seiten<br />

unterstützt worden sei.<br />

Das Zentrum baut sein Angebot seit Betriebsaufnahme<br />

kontinuierlich aus. Neben<br />

grossen Tagungen zu Themen wie der<br />

Spitalseelsorge werden in Freiburg auch<br />

Weiterbildungen, Seminare sowie ein<br />

Doktoratsprogramm angeboten. Zudem<br />

belegen gemäss Schmid etliche Anfragen<br />

von Lehrpersonen, Sozialarbeitern sowie<br />

der Verwaltung die Notwendigkeit des Instituts.<br />

Ab Herbst <strong>2017</strong> startet zusätzlich<br />

das Masternebenprogramm „Islam und<br />

Gesellschaft“. Eine eigenständige, grundlegende<br />

Imam-Ausbildung ist aber nicht<br />

geplant.<br />

Vorläufig ruhen die Diskussionen<br />

Die SVP verspricht trotzdem, weiterhin<br />

ein Auge auf die Entwicklung des SZIG<br />

zu haben und bei Bedarf an die zuständigen<br />

Aufsichtsbehörden zu gelangen. Der<br />

Bundesgerichtsentscheid dürfte damit<br />

den gesellschaftlichen Disput rund um<br />

die Position des Islams an der Universität<br />

Freiburg sowie in der schweizerischen<br />

Gesellschaft höchstens vorläufig aussetzen<br />

lassen. Ein Disput, vor welchem sich<br />

die Universität nicht scheut. Hansjörg<br />

Schmid erklärt, gerne auch Kritiker zu<br />

begrüssen: „Unsere Türen sind offen für<br />

alle.“<br />

1/<strong>2017</strong><br />

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