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09-01-22

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Sonntag, 9. Januar 20<strong>22</strong><br />

Gut informiert in die neue Woche<br />

Storys der Woche<br />

3<br />

Energiepreise steigen Stadtwerke schützen die Bestandskunden<br />

Für Neukunden wird es teuer<br />

Benzin und Butter, Lebensmittel<br />

insgesamt, Holz, Papier<br />

und Parkplatzmieten –<br />

zuletzt sind die Kosten in vielen<br />

Lebensbereichen gestiegen. Ganz<br />

zu schweigen von Wohn- und Immobilienpreisen.<br />

Immer teurer<br />

wird nicht zuletzt die Energie.<br />

Laut Statistischem Bundesamt<br />

sind in Deutschland die Lebenshaltungskosten<br />

gegenüber 2020<br />

um 3,1 Prozent gestiegen. Im November<br />

und Dezember lag die Inflationsrate<br />

sogar bei mehr als fünf<br />

Prozent. Für 20<strong>22</strong> erwarten Experten<br />

zwar niedrigere Raten. Allerdings<br />

werden die Preise weiter<br />

kräftig steigen – trübe Aussichten.<br />

Sorgen bereiten derzeit vor allem<br />

die Energiekosten. Die Weltmarktpreise<br />

für Gas und Strom<br />

sind seit Sommer um bis zu 400<br />

Prozent gestiegen. Weil folglich<br />

seit Monaten die Großhandelspreise<br />

massiv zulegen, haben die<br />

Stadtwerke Augsburg (swa) in beiden<br />

Sparten einen zweiten Grundversorgungstarif<br />

speziell für Neukunden<br />

eingeführt. Die swa schützen<br />

so Bestandskunden vor erheblichen<br />

Preissteigerungen. „Unsere<br />

treuen Kunden bleiben in bestehenden,<br />

günstigen Grundversorgungstarifen“,<br />

sagt swa-Geschäftsführer<br />

Alfred Müllner.<br />

„Für alle Neukunden, die von<br />

anderen Energieversorgern aus<br />

ihren Verträgen gekündigt oder<br />

wegen Insolvenzen nicht mehr<br />

versorgt werden, müssen wir zusätzliche<br />

Mengen Strom und Gas<br />

am Markt sehr teuer zukaufen.<br />

Steigende Energiepreise sorgen für Insolvenzen vieler Energieversorger.<br />

Die Stadtwerke haben als Grundversorger deshalb eigene Grundversorgungstarife<br />

für Neukunden eingeführt. Foto: swa / Thomas Hosemann<br />

Deshalb müssen wir dafür auch in<br />

einem eigenen Grundversorgungstarif<br />

marktgerechte Preise verlangen“,<br />

so Müllner. Diese belaufen<br />

sich auf fast das Dreifache.<br />

Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher<br />

Haushalt mit einem<br />

Jahresverbrauch von 15.000 Kilowattstunden<br />

(kWh) Gas bezahlt als<br />

Neukunde in dem zweiten Grundtarif<br />

19,79 Cent je kWh – Bestandskunden<br />

wie bisher 7,19 Cent.<br />

Hintergrund: Zahlreiche Energieanbieter<br />

haben sich mit ihrer<br />

kurzfristigen Preispolitik verhoben.<br />

Wegen der massiv steigenden<br />

Marktpreise können sie die einst<br />

versprochenen Billigtarife nicht<br />

mehr halten und kündigen ihren<br />

Kunden oder müssen Insolvenz<br />

anmelden. Diese Kunden werden<br />

von den jeweils örtlichen Grundversorgern<br />

aufgefangen und weiter<br />

mit Strom oder Gas versorgt. Dazu<br />

sind die Grundversorger gesetzlich<br />

verpflichtet. In Augsburg sind das<br />

die Stadtwerke Augsburg.<br />

Weil die swa eine langfristige<br />

Einkaufspolitik betreiben, haben<br />

sie für ihre Kunden die nötigen<br />

Energiemengen noch vor der Preisexplosion<br />

weitgehend durch günstige<br />

Verträge gesichert. „Diese<br />

langfristige Strategie schafft für<br />

die Kunden Sicherheit und garantiert<br />

jetzt vergleichsweise günstige<br />

Energiepreise“ – ein Weg, den neben<br />

den swa auch andere schwäbische<br />

Energieversorger gehen.<br />

Eine gewisse Zu- und Abwanderung<br />

von Kunden sei bei der Energiebeschaffung<br />

zwar einkalkuliert,<br />

„die erheblichen Mengen, die<br />

jetzt durch die Neukunden aus Insolvenzen<br />

von Wettbewerbern zusätzlich<br />

notwendig werden, müssen<br />

auch wir kurzfristig am Markt<br />

beschaffen“, so swa-Chef Müllner.<br />

Und da gelten jetzt ganz andere<br />

Preise. Die swa gehen von mehreren<br />

1000 Kunden aus, die von nicht<br />

mehr lieferwilligen oder -fähigen<br />

Wettbewerbern in die Grundversorgung<br />

der swa fallen.<br />

Verbraucherschützer sehen die<br />

Neukunden-Tarife kritisch. Die<br />

Grundversorger müssten allen offen<br />

stehen, zu gleichen Konditionen,<br />

fordern sie. Konsequenz wäre,<br />

eben für alle Kunden die Preise<br />

anzuheben, wenn man sonst nicht<br />

wirtschaftlich arbeiten könnten.<br />

Die swa und andere Grundversorger<br />

sehen das anders: Die Möglichkeit,<br />

die Preise für alle zu verteuern,<br />

sei laut Müllner nicht in<br />

Betracht gekommen. „Wir bieten<br />

unseren Kundinnen und Kunden<br />

eine sichere Energieversorgung zu<br />

fairen Preisen. Auf diese Sicherheit<br />

können sie auch in schwierigen<br />

Zeiten vertrauen.“ bub/pm<br />

■ Ansichten der Woche<br />

Zwei Tarife<br />

als gerechte<br />

Lösung<br />

Rosige Zeiten sehen anders<br />

aus: Der Blick auf 20<strong>22</strong> ist<br />

getrübt und stimmt erst mal wenig<br />

hoffnungsfroh. Unabhängig<br />

von der Coronakrise, aber sicher<br />

von ihr beeinflusst, müssen sich<br />

immer mehr Menschen, vor allem<br />

Familien mit geringeren Einkommen,<br />

um ihr Auskommen Sorgen<br />

machen – alles wird teurer.<br />

Was die Preisexplosion bei<br />

Gas und Strom angeht, sind zumindest<br />

die Stammkunden von<br />

etlichen Grundversorgern wie<br />

den Stadtwerken Augsburg soweit<br />

geschützt, dass sich drohenden<br />

Mehrkosten in Grenzen<br />

halten. Die swa (und andere)<br />

brummen nämlich Neukunden<br />

die Mehrkosten auf, die plötzlich<br />

entstehen (siehe Beitrag links).<br />

Ist das gerecht? Zumindest einige<br />

Verbraucherschützer sehen<br />

eine Ungleichbehandlung. Andererseits<br />

haben sich die betroffenen<br />

Neukunden gewissermaßen<br />

selbst in ihre jetzt missliche Situation<br />

gebracht. Sie kommen<br />

nämlich von Billiganbietern, die<br />

– offensichtlich, weil sie nicht<br />

langfristig kalkulieren, sondern<br />

nur auf schnelle Gewinne aus<br />

waren – gescheitert sind.<br />

Die Marktfreiheit hat diesen<br />

Weg ermöglicht. Jeder kann<br />

Von Chefredakteur<br />

Wolfgang Bublies<br />

nach Lust und Laune (nicht nur<br />

bei der Energieversorgung) Anbieter<br />

wechseln und nach günstigeren<br />

Lösungen Ausschau halten.<br />

Zur freien Marktwirtschaft<br />

gehört aber auch, dass Angebot<br />

und Nachfrage den Preis bestimmen.<br />

Und jetzt, da die<br />

Grundversorger verpflichtet sind<br />

„stromlose“ Kunden aufzufangen,<br />

kann man die zweigeteilte<br />

Preisgestaltung durchaus goutieren.<br />

Weil es wohl auch nicht<br />

gerecht wäre, jetzt die treuen<br />

Kunden mehr zu belasten.<br />

Grundsätzlich ist freilich der<br />

Staat gefordert, die zunehmend<br />

ausufernden Kosten wieder<br />

mehr in den Griff zu bekommen.<br />

Das gilt nicht nur auf dem<br />

Energiesektor, auch für andere<br />

Bereiche, speziell für den Wohnungs-<br />

und Finanzmarkt. Es<br />

wird immer noch zu wenig gebaut.<br />

Und es fehlt an wirksamen<br />

Fördermitteln, zum Beispiel<br />

beim Eigenheimwunsch<br />

junger Familien, von denen es<br />

sich – anders als noch vor Jahren<br />

– viele nicht mehr leisten<br />

können, zu bauen oder eine<br />

Wohnung zu erwerben.<br />

Damit gehen Zukunftschancen<br />

verloren, die man in diesen Zeiten<br />

dringend benötigt.<br />

Pandemie: Testzentrum im Pferseepark in der Warteschleife<br />

Corona: Warten statt testen<br />

von Michael Siegel<br />

Warten statt testen“ ist<br />

nach wie vor die Devise<br />

einer geplanten Neueinrichtung<br />

auf dem Gelände eines<br />

Laborbetriebs im Pfersee-<br />

Park. Um den eigenen sowie den<br />

Mitarbeitern der Firmen in der<br />

Umgebung eine nahegelegene<br />

Anlaufstelle für vorgeschriebene<br />

Corona-Tests anbieten zu können,<br />

hat sich der Augsburger Labor-<br />

Unternehmer Roland Rager<br />

überzeugen lassen, auf dem Gelände<br />

seines Betriebes ein Testzentrum<br />

einzurichten. Seit Wochen<br />

wäre alles bereit, aber nach<br />

wie vor fehlt eine Genehmigung<br />

des zuständigen städtischen Gesundheitsamtes.<br />

Bitte warten.<br />

Schon einmal, vor Weihnachten,<br />

war bei Rager und seinen Mitstreitern<br />

die Hoffnung auf ihr Testzentrum<br />

gesunken. Damals war eine<br />

vom zuständigen Bundesgesundheitsministerium<br />

verhängte Frist<br />

für die Neugenehmigung solcher<br />

Testzentren verstrichen. Verstrichen,<br />

ohne dass es für das Augsburger<br />

Zentrum eine Zusage gegeben<br />

hatte. Manfred Groh, Geschäftsführer<br />

bei Rager, räumte<br />

seinerzeit ein, dass es zu Unpässlichkeiten<br />

bei der Beantragung gekommen<br />

war, dass die Stadt zusätzliche<br />

Informationen angefordert<br />

hatte. Und bekommen hatte.<br />

Allerdings war in diesem Zuge die<br />

damalige Frist verstrichen.<br />

Was sich im Nachhinein als<br />

nicht schlimm herausgestellt hatte,<br />

denn beim Ministerium gab<br />

es ein Umdenken: Nur zwei Tage<br />

später war die Frist gestrichen,<br />

waren wieder neue Anträge<br />

möglich. Eine Entscheidung, mit<br />

der man auch bei Rager geliebäugelt<br />

hatte. Und<br />

so sandte man<br />

zuletzt am 24.<br />

Dezember erneut<br />

Antragsunterlagen<br />

an das städtische<br />

Gesundheitsamt,<br />

wo auch sämtliche<br />

noch offenen Fragen beantwortet<br />

sein sollten, so Groh.<br />

Seitdem sei wieder Warten angesagt.<br />

Ungeduldige Nachfragen<br />

seien mit Verweis auf Arbeitsbelastung<br />

beschieden worden. Und<br />

bei dem Labor-Unternehmen<br />

Seit Wochen steht dieser Test-Container im Pferseepark, wo eigentlich längst Corona-Tests stattfinden sollten.<br />

Nach wie vor fehlt aber eine Betriebsgenehmigung. <br />

Foto: Goth<br />

Unverständnis:<br />

Keine Tests am<br />

Uniklinikum<br />

grassiert weiter die Besorgnis,<br />

dass das Thema einer Pandemie<br />

und einer vor der Tür stehenden<br />

fünften „Omikron“-Welle nicht<br />

überall so ernst genommen werde.<br />

Dass das mit dem Testen nicht<br />

immer so naheliegend<br />

funktioniert,<br />

wie man es sich<br />

wünschen würde,<br />

mit dieser Erfahrung<br />

hat sich am<br />

Samstag ein Leser<br />

an unsere Zeitung gewandt.<br />

Sein Plan sei gewesen, eine Angehörige<br />

zu besuchen, die im Uniklinikum<br />

Augsburg auf Station<br />

liegt. Wozu dieser Tage auch für<br />

Geimpfte oder Genesene ein Test<br />

vorgeschrieben ist (sogenannte<br />

2-G-plus-Regelung), der unter<br />

Aufsicht in einer Teststation<br />

durchgeführt werden muss. Und<br />

da man solche Teststationen ja inzwischen<br />

auf nahezu jedem Parkplatz<br />

eines größeren Einkaufszentrums,<br />

in Augsburg in zahlreichen<br />

geschlossenen Gaststätten etc.<br />

finden kann, da sei man davon<br />

ausgegangen, dass es gewiss am<br />

Klinikum auch solch eine Testgelegenheit<br />

gebe. Aber man habe<br />

einfach nichts finden können. Ob<br />

denn das sein könne?<br />

Ein Anruf in der Telefonzentrale<br />

des Großkrankenhauses bestätigt:<br />

Nein, auf dem Gelände<br />

des Klinikums, auch nicht auf<br />

dem großen Parkplatz davor, gebe<br />

es ein derartiges Zentrum.<br />

Falls jemand nachfrage, würden<br />

die Besucher auf Testmöglichkeiten<br />

im Umkreis verwiesen.<br />

Diese könnte jedermann selbst<br />

im Internet finden.<br />

Mit hölzernen Tripods, wie sie bei Besetzungen verwendet werden, wiesen<br />

Klimaaktivisten am Samstag auf dem Rathausplatz auf die Zerstörung<br />

von Dörfern wie Lützerath im Rheinland durch Kohleabbau hin.<br />

Klima-Protest: „Lützi lebt“<br />

Augsburger Aktion für<br />

Dörfer im Kohlerevier<br />

von Michael Siegel<br />

Ein bisschen fühlte man sich<br />

an den Augsburger Fasching<br />

erinnert: Ein eisiger<br />

Wind fegt über das nasse Pflaster,<br />

laute Musik erfüllt den Rathausplatz.<br />

Auf der Bühne müht sich<br />

eine Aktivistin ab, die kleine Schar<br />

Zuschauer zu fesseln.<br />

Aber nein, es ist noch nicht ganz<br />

die fünfte Jahreszeit angebrochen.<br />

Vielmehr versuchen die „Students<br />

for Future Augsburg“, Interesse für<br />

den Klimawandel zu wecken. Unter<br />

dem Motto „Hoch mit der Klimagerechtigkeit,<br />

runter mit der<br />

Kohle“ möchte die Gruppe gegen<br />

die Zerstörung von rheinländischen<br />

Dörfern wie Lützerath<br />

(„Lützi“) für den Kohleabbau protestieren.<br />

Die Aktion ist laut der<br />

Veranstalter Teil eines deutschlandweiten<br />

dezentralen Aktionstages,<br />

zu dem das Bündnis ‚Alle<br />

Dörfer bleiben‘ aufgerufen hatte.<br />

Nach dem rheinländischen Vorbild<br />

haben Augsburger Student*innen<br />

sogenannte „Tripods“, meterhohe<br />

dreibeinige Holzkonstruktionen<br />

aufgebaut, wie sie von Aktivist*innen<br />

bei Blockaden und Besetzungen<br />

verwendet werden.<br />

Der Protest der „Students for<br />

Future Augsburg“ richte sich jedoch<br />

nicht nur an rheinländische<br />

Energiekonzerne. „Die Augsburger<br />

Stadtwerke beziehen nach wie<br />

vor Kohlestrom. Damit tragen<br />

auch sie zur Zerstörung der rheinländischen<br />

Dörfer und der Klimakrise<br />

allgemein bei“, erklärte die<br />

Augsburger Aktivistin Franziska<br />

Falterer (26).<br />

Außerdem besäßen die Stadtwerke<br />

Augsburg Anteile an Bayerngas,<br />

welche in der Nordsee<br />

nach neuen Erdgasquellen suchen<br />

und so das fossile Energiesystem<br />

bewusst aufrecht erhielten.

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