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Titelthema: Dachschildkröten

TitelthemaMännchen von

TitelthemaMännchen von Pangshura sylhetensis, man beachte den steilen Carapax undseine spitze Ausformung Foto: V. InffeldPangshura sylhetensisDies ist die kleinste und seltenste allerPangshura-Arten.Beschreibung: Jerdon (1870) hat Kachugasylhetensis aufgrund von dreiExemplaren beschrieben, die im DistriktSylhet, im Norden von Bangladesch,lebten. Er hegte selbst Zweifelan ihrer Eigenständigkeit gegenüberK. tecta, listete aber dennoch einigeUnterschiede der beiden Arten auf.Umso verwunderlicher ist es, dasserstmals Boulenger (1889) auf dieaugenscheinliche Besonderheit der26 Randschilde (Marginalia) anstattder üblichen 24 aufmerksam machte.Erst Smith (1931) lieferte eine umfangreicheBeschreibung von Kachugasylhetensis bezüglich Zeichnung undFärbung von Panzer und Weichteilen.„Auch wenn diese Art in gewisserWeise Kachuga tecta ähnelt (Theobald(1876) hielt sie für synonym mit K.tecta), verfügt sie über einige Merkmale,die sie von anderen Kachuga-Artenunterscheidet. Weitere Studiensind notwendig, um die genaue taxonomischeEinordnung zu klären“(Ernst & Barbour 1989).Ich habe wohl über 1.000 Exemplarevon P. tecta und über 100 von P. sylhetensisin der Natur gesehen, undwir pflegen und züchten beide seitJahren. Jerdons damalige Zweifelan deren Verschiedenartigkeit kannich absolut nicht verstehen. Die dreideutlichsten Merkmale von P. sylhetensisscheinen mir: 1) bei Jungtierenund adulten Männchen die extremerelative Höhe, Steilheit bzw. der gezähnteund zugespitzte Mittelkiel(Vertebralia) ihres Carapax, die vonkeiner anderen Schildkrötenart derartextrem ausgebildet werden; 2) die umzwei vermehrte Anzahl ihrer Marginalia,die bei beiden Geschlechternund in jeder Altersstufe ersichtlichist und die besonders bei Jungtierenund adulten Männchen deutlich, beigrößeren Weibchen weniger, aberauch noch stark gesägt sind; 3) diebeidseitig C-förmigen, roten Zeichnungenhinter den Augen, die sichmeist am Schädeldach vereinigen.Auch diese Kopfzeichnung ist unabhängigvon Alter und Geschlecht, inForm und Farbe wenig variabel unddeutlich erkennbar.Weniger auffallend, aber als arttypischesMerkmal geeignet sind die zwei,selten vier symmetrisch angeordnetendunklen Punkte an der cremefarbenenSchwanzunterseite vor der Kloake.Die Männchen erreichen kaum 9 cmCL, die relativ weniger hoch, abermassiver gebauten Weibchen erreichenmaximal 20 cm CL.Vorkommen: Die größten Populationendieser Art leben heute imindischen Bundesstaat Assam, ihrVorkommen nördlich des Brahmaputrawurde erst spät erkannt. DiesesGebiet war lange Zeit aus politischenGründen für Touristen unzugänglich;die ersten Nachweise kennen wirdaher erst seit dem Ende des vorigenJahrhunderts (Sarma 1988).Lebensraum: Die ersten Angabenstammen von Das (1985). Pangshurasylhetensis lebt sowohl in Flüssen alsauch in Überschwemmungsgebietenund Teichen mit starkem Wasserpflanzenbewuchs.Wir fanden kleinereTiere vornehmlich in klaren, oftschnell fließenden Bächen und in denAusläufern von größeren Flüssen;ausnahmslos dort, in 1–2 m Tiefe, haltensich offensichtlich die größerenWeibchen auf. Aber wir beobachtetenauch beide Geschlechter beim gruppenweisenSonnen in schwach fließendem,ja sogar stehendem Wasser amRand des Kaziranga-Nationalparks.Der Bodengrund ihrer Biotope ist seltenschlammig, sicherlich werden sandigebis steinige Böden der Gewässervon den Tieren bevorzugt, wo sie sichgerne an 10–20 cm große Steine angelehntverstecken. Wenn allerdings zurRegenzeit die Flüsse stark ansteigen,entwickeln sie eine reißende Strömung.An guten Fundorten von P.sylhetensis konnten wir keine anderenPangshura-Arten finden – und umgekehrt.Ob das am gegenseitigen Konkurrenzdruckliegt, bleibt ungeklärt.Lebensweise: Sowohl in den Flüssenwie auch in Überschwemmungsgebietensonnen sich die Tiere gerne, besondersin den Vormittagsstunden. ImGegensatz zu anderen Pangshura-Artensuchen sie dafür keine Uferbänkeauf; in ihren Biotopen finden sie nochausreichend Holzstämme, Äste undWurzeln, die vom Wasser allseitigumspült werden und daher bei Störungeine Flucht in alle Richtungenermöglichen (ähnlich wie bei Graptemys).„Das Fluchtverhalten bestehtaus einem sehr schnellen Abtauchen,wobei K. sylhetensis versucht, sichmöglichst rasch am Gewässergrundzwischen Steinen oder Wurzeln zuverbergen (...). Die Jungtiere schwimmenauf der Flucht gezielt zu Totlaubansammlungen,um hier, sich auf ihregute Tarnung verlassend, regungslos24

Titelthemazu verharren“ (Praschag & Fachbach2001). Dieses Verhalten erinnert michan jenes von Sägerückenschildkröten(Graptemys) und besonders von FlachenMoschusschildkröten (Sternotherusdepressus) in den USA (Praschag2005). „Jungtiere, und meist auchMännchen, zeigen eine deutliche, wellenförmigeTarnfärbung, vergleichbarmit Chitra indica. Diese Tarnfärbungwirkt in klarem Wasser durch dievon der bewegten Wasseroberflächeauf den Gewässergrund projiziertenLicht-Schattenmuster somatolytisch“(Praschag & Fachbach 2001). Beiunserer Haltung konnten wir ein beiSchildkröten seltenes Phänomen beobachten:Die adulten Weibchen zeigtenuntereinander intraspezifischeAggressionen, wie wir das bei vielenArten nur von Männchen kennen!Nahrung: Das monsunabhängigwechselweise Klima übt auf alle Phasendes Lebens dieser Art im Jahresablaufeinen großen Einfluss aus. Dastrifft sowohl auf die Reproduktion alsauch auf das Nahrungsangebot zu.„Während K. sylhetensis in den Biotopender Überschwemmungsebenenganzjährig makrophytische Wasserpflanzenzur Verfügung stehen, dürftesich die Nahrung der Populationenin ,hill streams´ in der Trockenzeithauptsächlich aus Algen und tierischerKost wie Mollusken, Würmer,Garnelen und Insektenlarven zusammensetzen“(Praschag & Fachbach2001).Reproduktion: Die Paarungszeit fälltin die Regenperiode von Juni bis August.Die Eiablage beginnt im Oktoberund kann bis März dauern. Dasbedeutet für die Herbstgelege, dasssie eine Diapause machen, jene imFrühjahr hingegen nicht. Die Weibchenverlassen das Wasser nachts,suchen bis über 100 m an Land nacheiner geeigneten Stelle und legen ihreEier nur in feinstem Sand ab. LautEinheimischen findet die Eiablage bevorzugtum Mitternacht bei Vollmondstatt. Wir konnten bei unseren Tierennoch nie eine solche beobachten. EinGelege beinhaltet 6–12 Eier, im Mittel8–9. Auch von den Herbstgelegen, diesicherlich im Jänner bzw. Februar eineEntwicklungspause einlegen, sind dieSchlüpflinge dann im März bis Maianzutreffen. In der Literatur sind diesbezüglichkeine Angaben zu finden.Gefährdung: Auch bei dieser seltenenArt wandern nur die Weibchenmanchmal in die Kochtöpfe. Nur einMal fanden wir eines bei privaten Fischernals Beifang des Tages.Ich kenne nur eine Person in Deutschland,die diese Art erfolgreich züchtet.Wir pflegen die markanten Tiereseit gut 20 Jahren. Unsere ersten Naturerlebnissehatten wir im Nameri-Nationalparkin Assam, nördlichdes Brahmaputra. Etwas außerhalbfanden wir Unterkunft in einem Hüttendorf,wo wir auch einen Besuch desNationalparks buchen konnten. Dazubekommt man einen Aufseher zugeteilt,der den gesamten Aufenthalt,wie die Route, die Aktivitäten unddas Verhalten der ihm anvertrautenBesucher, überwacht. Jedes Sammeln,Fangen oder Angreifen von Tierenund Pflanzen ist strengstens untersagt.Immerhin konnten wir uns dabeierstmals einen Eindruck vom Lebensraumder damals geradezu unbekanntenP. sylhetensis verschaffen.Die Art ist in der Haltung oft problematisch,weil intraspezifisch stressanfällig;man sollte die Tiere bessergetrennt halten. Wenn es ihnen gutgeht,kommt es oft zu Attacken, auch,wie erwähnt, unter Weibchen. Dieerste Nachzucht gelang uns 2009. Mitzwei unserer Weibchen verzeichnetenwir von 2017–2021 im Jahresablauffolgende Anzahlen an Gelegen: 1 imSeptember, 2 im November, 3 im Dezember,8 im Jänner, 4 im März und1 im April. Ein einzelnes Gelege beinhaltetebisher 3–10 Eier, im Schnitt4–6 Eier. Eigrößen: 43,0–46,0 x 21,0–23,0 mm. Die Eiablage findet wohl inden frühen Abendstunden statt. Beieiner Zeitigung von 27–29 °C schlüpftendie Jungen bei uns nach 101–117Tagen.Pangshura tectaAuch diese Art ist selten, aber dochnoch am häufigsten von allen Pangshurenbei Schildkrötenliebhabern vertreten.Schon in der ersten Auflage desBüchleins „Schildkröten“ von Jahn(1995) fiel mir unter den Farbbildern25

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