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Titelthema: Dachschildkröten

PanoramaBücherkisteAmphibien und Reptilien FloridasKrysko, Kenneth L., Kevin M. Enge & Paul E. Moler (2019):Amphibians and Reptiles of Florida. – Hardcover, 728 S.,2 kg; ISBN 978-1683400448; ca. 75–130 US $.Im vergangenen Sommer konnte ich mir endlich einenJugendtraum erfüllen: Fotografieren in den viel gerühmtenEverglades! Wer sich für die Vogelwelt interessiert,kann von der Infrastuktur des Nationalparks profitieren,denn er ist für diese Tiergruppe weltberühmt. Doch wiesieht das aus, wenn man sich speziell mit Schlangen undFroschlurchen beschäftigen möchte? Hier kann man nichtsvon dem Parkführer erwarten, den man am Parkeingangausgehändigt bekommt; die einzigen Hinweisschilder zurSchlangenfauna warnen davor, Schlangen in die Hand zunehmen; Informationen zu Anuren fehlen völlig. Da führtkein Weg an der eigenständigen Vor- und Nachbereitungvorbei.Bei herpetologisch motivierten Reisen setze ich nach wievor auf solide Bestimmungsliteratur. In den USA ist dasbesonders leicht zu bewerkstelligen: Vielfach finden sichBestimmungswerke zu den einzelnen Bundesstaaten.Auf der Suche nach einem geeigneten Buch für Floridastieß ich auf das vorliegende Werk. Um es vorwegzunehmen:Ich habe es selten erlebt, dass ein einzelnes Buchso umfassend und tiefgründig über ein zu erwartendesArtenspektrum mitsamt den gegebenen Lebensumständeninformiert. Damit ist auch gleich ausgesagt, wemdas Buch empfohlen wird: Wer immer mit Reptilien und/oder Amphibien im Sinn Florida bereisen möchte, kannsich hier optimal vorbereiten. Und vor Ort die fraglichenTiere bestimmen. Das Buch eignet sich zwar von Größeund Gewicht her schlecht für den Fotorucksack. Aberdazu, anhand der Fotos (oder der frischen Erinnerung)beim morgendlichen Frühstück nach der Exkursionsnachtdie Funde nachzuschlagen. So habe ich es gehalten undkonnte mit vorliegendem Werk rasch die meisten Bestimmungsunsicherheitenausräumen.Dem eigentlichen Bestimmungsteil wird tiefstapelnd eine„Introduction“ vorangestellt. Was hier als Einführungkleingeredet wird, ist tatsächlich als ausführliches Handbuchzu werten. Auf die Darstellung des Artenspektrums,Abhandlungen zur Taxonomie und zur Geschichte derherpetologischen Erforschung Floridas folgt ein ausgesprochenumfangreicher zoogeographischer Teil. Diegeomorphologische Struktur des Bundesstaates Floridawird mit zwei detailreichen Karten vorgestellt; eineweitere Karte gehört zur Beschreibung der wichtigstenGewässer und Flusssysteme. Unter „Climate“ werdendie Eigenarten der verschiedenen Klimazonen des Bundesstaatesvorgestellt. Ein Kapitel zur „Biogeography“ordnet den unterschiedlichen Landschaftstypen Floridaseine typische Zusammensetzung der Herpetofauna zu.Abgerundet wird der zoogeographische Teil von einerDarstellung sämtlicher Habitate inklusive Bodenbeschaffenheitund prägender Pflanzengesellschaften, jeweils miteiner Fotografie illustriert. Ein dritter Abschnitt dieser„Introduction“ diskutiert ausführlich die Bestandsentwicklungund Gefährdung der Herpetofauna. Dabei werdendie unterschiedlichen Gefahrenquellen sowie feldherpetologischeNachweismethoden ausführlich dargestellt.Der eigentliche Bestimmungsteil beschreibt in detailreichenEinzelporträts die 57 autochthonen Amphibien- und 98einheimischen Reptilientaxa; zudem 62 eingeführte Arten.Dabei wird jedes aufgeführte Tier ausführlich, z. T. mehrseitig,nach seinen Merkmalen und Verhaltensäußerungen beschrieben.Die Fotos zeigen nach Möglichkeit in Florida gefundeneTiere; existieren in Florida verschiedene Unterarten,dann werden auch diese abgebildet. Jede Artbeschreibungist mit einer Karte versehen, die den Teil Floridas darstellt,in welchem ein Vorkommen festgestellt werden kann. Überunterschiedlich gefärbte und geformte Symbole erfährt derLeser (der die entsprechende Legende beachtet), ob es sichum bestätigte oder unbestätigte Nachweise handelt, ob siegenau oder ungenau getätigt wurden und zudem, ob nochimmer aktuelle oder lediglich Sichtungen vor 1980 vorliegen.Die aus den Einzelbeobachtungen hergeleitete Ausbreitungist in unterschiedlich gefärbten Feldern, gegebenenfallsdifferenziert nach Unterarten, dargestellt. Eine verkleinerteKarte zeigt zusätzlich die Verbreitung innerhalb der USA.Bei der Beschreibung der Ranidae wird der Amphibienkennerzunächst in ungläubiges Erstaunen versetzt: die EchtenFrösche werden nicht, wie durch Frost eingeführt, der GattungLithobates zugerechnet, sondern firmieren unter demGattungsnamen Rana. Ochsenfrosch & Co. sollen demnachder gleichen, recht eng definierten Gattung angehören, zuder man in Europa ausschließlich die Braunfrösche zählt?Die Aufregung über einen – gelinde ausgedrückt – aus-42

PanoramaDas rezensierte Buch imFeldeinsatz in Florida: die Wassermokassinotterlinks wirdsicher bestimmt Foto: O. Dostgesprochen konservativen Standpunkt des Buches weichtrasch einsichtiger Erleichterung: Die Autoren wollen denGattungsnamen Rana lediglich als Platzhalter verstandenwissen, bis die noch im Fluss befindliche taxonomischeRevision der wohl doch nicht so einheitlichen Gattung Lithobatesabgeschlossen ist.Ein Anhang stellt als „potential or problematic species“ inbebilderten Kurzporträts noch 15 weitere Arten vor, bezüglichderer unsicher erscheint, ob sie nur gelegentlicheFunde ausgesetzter Terrarientiere darstellen oder bereitsreproduzierende Populationen ausgebildet haben.Naturgemäß gehen die Autoren an mehreren Stellen innerhalbdes Einleitungs- und Bestimmungsteiles auf dasPhänomen der zahlreichen eingeschleppten Amphibienund Reptilien ein; schließlich gilt Florida weltweit als Spitzenreiter,wenn man die Anzahl der allochthonen Tiereund Pflanzen bemisst. Ausführlich werden die Amphibienund Reptilien unter ihnen und deren Einfluss auf die angestammteHerpetofauna dargestellt. Der Leser erhält hierein unaufgeregt-ausgewogenes Bild über die Situation, diesich durch die zahlreichen eingeschleppten Arten ergibt.Zum einen erfahren wir, dass nur relativ wenige der vielenNeubürger wirklich invasiven Charakter tragen, währendsich die meisten anderen weitgehend unschädlich in dieneubesiedelten Ökosysteme eingenischt haben.Zwei prominente Beispiele: Während man in der ÖffentlichkeitFloridas den Tigerpython (Python bivittatus) zuminvasiven Vorzeigeschädling stempelt, dem man mit volksfestartigenJagdwettbewerben zu Leibe rückt, wird der Leserdes Buches wissenschaftlich geerdet und erhält so ein differenziertesBild. Demnach habe der Tigerpython wenig schädigendenEinfluss auf die Herpetofauna und nutze diesersogar, da die (freilich an sich problematische) Dezimierungverschiedener Säuger zu deutlich weniger geplündertenSchildkrötengelegen führe. Und der ebenfalls eingeführteund mittlerweile ubiquitäre Bahamas-Anolis (Anolis sagrei)habe durch hohe Individuendichten in urbanisiertem Terraindazu geführt, dass sich die Kornnatter (Pantherophisguttatus) noch immer in Menschennähe behaupten kann,was ihr sonst aufgrund der fehlenden natürlichen Beutetierevielerorts nicht mehr möglich wäre.Wer das Buch bezahlt und danach in Händen hält, wird esmöglicherweise für zu teuer, zu schwer und zu großformatighalten. Wenn wir uns aber vor Augen führen, dass es sichhier inhaltlich nicht um ein einzelnes Buch, sondern um eineveritable Bibliothek über alle Bereiche der HerpetofaunaFloridas handelt, dann müssen wir zu dem Schluss kommen,dass es dafür sehr kostengünstig und ausgesprochenhandlich ist.Ole Dost43

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