ChefHeads-Magazin #05/11

ÜBER DEN TELLERRAND

ÜBER DEN TELLERRAND Executive-Chef Sven Kracht blickt für die ChefHeads auf die große weite Köche-Welt. Artgerechte Haltung Mund auf und raus aus der Legebatterie der Köche! „Zukunft durch Leistung!“ Na gut, ist ja nicht so, dass man dafür nichts tun möchte. „Leistung ist aber nicht alles!“ Klingt nach einem Loser, dem der Tag schon viel zu lang erschien. So weit zur Sichtweise. Kommen wir zu den tatsächlichen Verhältnissen in den Küchen von heute. Dort steht geschrieben: „Suchen wieder dringend Küchenpersonal. Führungspersöhnlichkeiten. Kreativ, stressresistent, kalkulationssicher, an selbstständiges Arbeiten gewohnt, überdurchschnittlich belastbar, berufserfahren.“ In Wahrheit geboten wird dagegen ein lärmbelasteter Arbeitsplatz, Tageslicht (Einfall von rechts hinten) mit etwas Glück inklusive. Gezahlt wird für den Verzicht auf das Privatleben ein großzügiges Taschengeld. Ach ja: „Der Verantwortungsbereich Ihrer Zuständigkeit erstreckt sich über 16 Stunden in sieben Tagen.“ Interesse? Andere Berufsgruppen nennen das einen „General-Manager“. Mit etwas Glück wird man in den ersten Tagen von kriegerischen Handlungen verschont, dafür in ein humanitäres Krisengebiet verlegt: Seite an Seite mit drei Völkern und neun Nationen für mehr Toleranz unter Gesichtspunkten der Funktionalität. Ein Extrem jagt das andere: eiskalt oder sauheiß, zwischen Katastrophe und Routine, im fliegenden Wechsel. Klar stemmen wir das, der Rest läuft mit, wird abgespult, angegast und chic geschickt. Die Berufsehre steht auf dem Spiel, der letzte Gast bestellt um fünf vor elf das Fünf-Gang-Menü. Aber wer beißt schon die Hand, die ihn füttert? Wer nun auf geschichtliche Sequenzen verweist und mutig zitiert („Wo Bestrafungen groß sind, sollten auch die Belohnungen groß sein“), dem wird erklärt, dass der Gast nun mal nicht mehr Geld für Essen zahle. Aber bei Eiern funktioniert das doch auch: Vielleicht wäre der Gast bereit, für die Produkte frei laufender Köche mehr auszugeben? Bei denen, die in „Bio-Umständen“ arbeiten, schmeckt es bestimmt auch besser! Fehlt nur noch ein Fernsehteam, das auf die katastrophalen Haltungsumstände aufmerksam macht ... Aber, es gibt sie ja noch, die netten, aufmerksamen, belohnungsintensiven Arbeitsplätze mit Streicheleinheiten! Von denen hört man auch immer mehr als von den anderen. Klar mache ich mit meiner Legebatterie keine Werbung. Ihr Weicheier! Stellt euch nicht so an! Der Fraß ist gut und billig, die Zahlen geben uns doch recht. Aha! Kopf oder Zahl, Hopp oder Top, hire and fire, hau raus die Scheiße, halt’s Maul und arbeite! Nun, wer haut’s denn raus? Die Küche ist stärker denn je. Mund auf und raus, statt Augen zu und durch. Auch das geht im Team leichter. Auf die Frage, wie seine Köche heißen, sollte der Betrieb zumindest eine Antwort wissen. Ansonsten nehmen wir den Umstand zum Anlass. Kopf oder Zahl? sven.kracht@chefheads.eu Fotoquellen: Titelfoto Koppert Cress, Seite 4–5 Markus Haxter, Seite 12 Eickhoff, Fritz, Seite 13 Fritz, Seite 20–25 Koppert Cress, Seite 42 bis 47 Kirberg Catering, Seite 34 bis 45 Claudia Stern Seite 54 gize.com, Seite 55 links oben: Reed Exhibitions Messe Wien/vanderdan.com. Alle anderen Fotos: Klaus Lawrenz (www.qualitaeter.de) 58 chefheads 2-2011

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