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Industrieanzeiger 28.18

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Themenschwerpunkte: Kunststoffverarbeitung und Composites zur Fakuma, Automatisiserung

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technik & wissen Inspektion komplexer 3D-Bauteile binnen Sekunden Roboter durchschaut die Qualität mit KI Visuelle Erfassung | Ein neues Inspektionssystem des PCCL in Leoben ermöglicht es erstmals, strukturierte oder hochglänzende 3D-Bauteile mit großen Freiformflächen inline einer Voll prüfung zu unterziehen. Für 1200 mm lange Bauteile braucht das System nur vier Sekunden. Bisher galt es als nahezu unlösbare Aufgabe, große Freiformflächen bildgebend zu erfassen. Aber gerade daran hängt sehr viel. In der Kunststoffverarbeitung mit ihren hohen Durchsätzen und Zykluszeiten etwa ist der Mensch nicht in der Lage, eine belastbare visuelle Kontrolle durchzuführen. Ähnliches gilt noch für viele andere Branchen. Milliardenumsätze hängen vom visuellen Qualitätseindruck ab, den Produkte bei potentiel- Vollinspektion eines komplex geformten 3D-Bauteils. len Kunden hinterlassen – insbesondere Automobilen sowie Geräten aus der Unterhaltungselektronik und dem Home-Care- Bereich. Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen einen Fehler auf Sichtbauteilen anders wahrnehmen als ein nüchternes Analysesystem ihn bewerten würde. Während der Produktion ist eine zuverlässige manuelle Sichtprüfung von komplexen 3D-geformten oder strukturierten Sichtoberflächen nicht möglich. Die subjektive Natur einer manuellen Beurteilung und der Zeitdruck führen unweigerlich zu übersehenen Fehlern und auch zu falschem und damit teurem Ausschuss von Gutteilen. Um den Verkauf mangelhafter Teile unter allen Umständen zu vermeiden, wird zuweilen ein Ausschuss von bis zu 80 % der produzierten 56 Industrieanzeiger 28.18

Teile in Kauf genommen. Für die Industrie verursacht dies untragbare Kosten. Zudem hat die Forderung nach „Null-Fehler- Produktion“, ausgelöst durch Reklamationen und Komponenten-Rückruf, einen enormen Aufwand zur Folge. Da das Einsparpotenzial durch eine automatisierte Inspektion allein in Europa bei 10 bis 20 Mrd. Euro liegt, verwundert es nicht, dass die Nachfrage nach einem entsprechenden System für frei-geformte 3D-Bauteilen groß ist. Gefragt ist ein Inspektionskonzept, das mit Hilfe von künstlicher Intelligenz eine automatisierte, reproduzierbare und menschenähnliche Prü fung der Oberfläche komplexer 3D-Bau- Das stark variierende Reflexionsverhalten der Bauteile muss berücksichtigt werden. teile bietet. Bislang war ein solches Qualitätssicherungssystem, das eine vollständige, fertigungsintegriete Prüfung ermöglicht, nicht verfügbar – die Aufgabenstellung galt vor allem bei großen 3D-Flächen als zu kompliziert. Am Polymer Compentence Center Leoben (PCCL), dem größten Kunststoff - forschungszentrum Österreichs, wurde jedoch bereits vor Jahren nachgewiesen, dass die Prüfung von 3D-Kunststoffkomponenten in Echtzeit während der Produktion möglich ist. Nun hat die darauf aufsetzende Technologie-Entwicklung ihr Ziel erreicht: Diese und zahlreiche weitere freigeformte 3D-Sichtbauteile lassen sich inline mit dem neuartigen Machine Vision System von PCCL auf Fehler prüfen. Die Teile im Bild sind von Wittmann Battenfeld, Schöfer, Payer und PCCL. Bilder: PCCL Ein am PCCL entwickeltes, neues Inspektionsverfahren ermöglicht es erstmals, komplex geformte 3D-Sichtteile inline zu prüfen. Mehrere Vision-Systeme im Einsatz Dieses weltweit erste, industrietaugliche Oberflächen-Inspek - tionskonzept für eine Vollprüfung von großen, komplex geformten Kunststoffbauteilen arbeitet mit einer Kombination aus mehreren, verschiedenen Machine-Vision- Methoden und einer neu entwickelten künstlichen Intelligenz für die Auswertung und Bewertung der Oberflächendaten. Dieses cyber-physische System ermöglicht eine vollständige, reproduzier - bare und fertigungsbegleitende Prüfung von 3D-geformten Bauteilen. Damit ein ensprechendes selbst-intelligentes Inspektionssystem auch komplex geformte Komponenten in wenigen Sekunden vollinspizieren kann, musste eine Reihe von Herausforderungen gelöst werden: • Vollflächige Detektion von 3D-Oberflächen in kurzer Zeit, wobei auch Fehler an geometrisch ansprechenden Flächen mit sehr kleinen Krümmungsradien und Kanten zuverlässig erkannt werden müssen • Berücksichtigung von sehr unterschied - lichem Reflexionsverhalten beziehungsweise Glanzgraden der Oberflächen • Erkennung und flexible Bewertung von Oberflächenstrukturen durch ein trainiertes neuronales Netz. Damit eng verbunden: • Zuverlässige Trennung von erlaubten Oberflächenerscheinungen und nicht zulässigen Anomalien – also jenen, die zum Ausschuss führen • Hohe Detektionsgeschwindigkeit für eine Prüfung in Echtzeit während der Produktion. Die Auswertung muss dabei der menschlichen Wahrnehmung und Beurteilung entsprechen, jedoch mit dem Vorteil, dass die Inspektionsergebnisse zuverlässig reproduzierbar sind. Erreicht wurde das Ziel nicht zuletzt durch grundlegend neue Methoden der bildgebenden Erfassung von 3D-Oberflächen und durch effiziente Konzepte des Bauteilehandlings – also dem Nachführen des Bauteils während der Prüfung. Die Inspektionsanlagen (Bilder) werden den Projektpartnern im PCCL-Technikum demonstriert. Neue Methoden der spektral selektiven Oberflächendetektion kommen dabei ebenso zum Einsatz wie eine grundlegend neuentwickelte Hochgeschwindigkeits-Deflektometriemethode. Die Effizienz beim Erfassen von projizierten Mustern konnte erheblich gesteigert werden. Somit lassen sich sowohl lokale als auch einen größeren Bauteilbereich betreffende Störungen mit reduziertem Aufwand in kurzer Zeit erfassen. Die wichtigsten Hardware-Komponenten des Prüfsystems sind Projektoren und Kameras, die die Oberflächenreflexion von projizierten Mustern detektieren. Die Prüffläche ist dabei Teil des optischen Systems. Veränderungen der „ground truth“ – meist die ungestörte Oberfläche – können bis zur Wahrnehmungsgrenze im einstelligen Mikro - meterbereich erfasst werden. Industrieanzeiger 28.18 57

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