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INTERVIEW<br />
W U P P E R T A L<br />
Lässt sich von seiner Familie inspirieren: Wladimir Kaminer<br />
Weit in die Welt muss Wladimir Kaminer<br />
nicht schauen, um Inspiration für seine Geschichten<br />
zu finden: Er schreibt einfach über<br />
seine Familie. In seinem neuen Buch ist Frau<br />
<strong>und</strong> Muse Olga die Protagonistin. Tossia Corman<br />
sprach mit ihm über Geheimnisse, Kreuzfahrten<br />
<strong>und</strong> Handtaschen.<br />
Familienmensch<br />
Foto: Michael Ihle<br />
Ihr Buch heißt „Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß“ – haben Sie<br />
das Gefühl, Sie müssten noch mehr wissen? Oder ist es auch gut, Geheimnisse<br />
voreinander zu haben?<br />
Man weiß niemals alles. Sogar das meiste wissen wir nicht voneinander.<br />
Und das ist auch sehr wichtig für jedes Zusammenleben, glaube ich. Dass<br />
die Geheimnisse bleiben. Ich bin froh, dass ich einige Dinge weiß. Und diese<br />
Dinge haben ausgereicht, um ein ganzes Buch zu schreiben.<br />
Weiß Ihre Frau auch genauso viel über Sie?<br />
Bestimmt, sie könnte Bände schreiben. Aber sie hat keine Lust. Sie hat<br />
früher mal Bücher verfasst, über Katzen <strong>und</strong> auch Männer. Aber jetzt, sagt<br />
sie, habe sie der Welt nichts mitzuteilen.<br />
Nach Ihrer Mutter, der Schwiegermutter <strong>und</strong> den Kindern ist nun Ihre Frau<br />
die Hauptperson – macht die Familie das immer gerne mit?<br />
Ich hoffe <strong>und</strong> glaube sehr, dass meine Familie auch großen Spaß daran<br />
hat, nicht nur als Menschen, sondern auch als Stück Literatur eine neue<br />
Existenz bekommen. Meine Mutter zum Beispiel: Ich habe neulich eine<br />
Einladung nach Dortm<strong>und</strong> bekommen, zum Deutschen Rentnertag – nur<br />
unter der Bedingung, dass ich meine Mutter mitbringe. Und meine Frau bekommt<br />
selber Einladungen zu Auftritten, wo sie die Dinge aus ihrer Sicht<br />
erklären soll. Ich denke also schon, dass sie das gerne mitmachen.<br />
Sind alle Geschichten <strong>und</strong> Anekdoten auch immer so passiert?<br />
Es sind keine ausgedachten Geschichten. Vielleicht sind manche von ihnen<br />
künstlerisch etwas überspitzt. Aber das ist auch das gute Recht eines<br />
Autors, das Leben etwas zurechtzubiegen. Auf dem Papier geht das zum<br />
Glück.<br />
14<br />
Klären Sie vorher ab, welche Anekdoten Sie einbauen?<br />
Manchmal, sehr selten, hat meine Frau tatsächlich Einwände, sagt „Ach,<br />
lass die Schwiegermutter da jetzt raus.“ Meine Familienmitglieder sind alle<br />
erwachsene Menschen, sie wissen um den Unterschied zwischen Literatur<br />
<strong>und</strong> Wirklichkeit. Und in der Wirklichkeit stimmt ja auch nicht immer alles.<br />
Alle geben an, im Gr<strong>und</strong>e genommen. Warum sollen das die Literaten<br />
nicht tun? Ich finde, dass ich das ziemlich realistisch dargestellt habe, das<br />
geheime Wesen der Frau, die ganz am Ende die Welt rettet.<br />
Im Buch kommt sehr oft die Handtasche Ihrer Frau vor – warum?<br />
Das ist meine Lieblingsgeschichte: Sie zeigt die fast magische Fähigkeit<br />
der Frau, diese handlichen Paradiese zu schaffen. Die Taschen haben einen<br />
Sinn: Die Gemütlichkeit, das Familiäre. Zum Mitnehmen. Aber dieser<br />
Sinn wird nur ersichtlich, wenn die Frau dabei ist. Ist sie fort, verwandelt<br />
sich die Tasche wieder in einen Kürbis. Und deshalb sorge ich auch gerne<br />
für Handtaschen-Nachschub bei meiner Frau.<br />
Sind Sie durch Ihre Bücher vielleicht unfreiwillig zu<br />
einem Experten in diesem Thema geworden? Werden<br />
Sie oft um Rat gefragt?<br />
Nicht direkt ein Experte, aber ich bin großer Fan von<br />
„Küchengesprächen“. Ich weiß, dass Männer am<br />
liebsten über Frauen reden, <strong>und</strong> umgekehrt. Dieser<br />
Tradition bleibe ich treu.<br />
Haben Sie manchmal Angst, dass Ihnen die Themen<br />
ausgehen könnten? Dass Sie alles erzählt haben?<br />
Das kann nur passieren, wenn ein Autor etwas erschafft, was das Buch<br />
seiner Träume ist, wenn er das Gefühl hat, er kann sich selbst nicht überbieten.<br />
Die einzig würdige Haltung wäre dann, für immer in Schweigen zu<br />
veharren. So ein Buch habe ich noch nicht geschrieben. Vielleicht wird<br />
mein nächstes Buch dieses Werk. Das Ende meiner literarischen Karriere.<br />
Es geht um Kreuzfahrer. Wir waren bereits mehrmals auf dem Schiff unterwegs,<br />
das Thema hat mich schon lange fasziniert.<br />
Wladimir Kaminer: 17.3. (20 Uhr), Apollo Club, <strong>Wuppertal</strong>; 16.6. (20 Uhr),<br />
zakk, <strong>Düsseldorf</strong>; wladimirkaminer.de<br />
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