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März 2018 - coolibri Düsseldorf und Wuppertal

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INTERVIEW<br />

W U P P E R T A L<br />

Lässt sich von seiner Familie inspirieren: Wladimir Kaminer<br />

Weit in die Welt muss Wladimir Kaminer<br />

nicht schauen, um Inspiration für seine Geschichten<br />

zu finden: Er schreibt einfach über<br />

seine Familie. In seinem neuen Buch ist Frau<br />

<strong>und</strong> Muse Olga die Protagonistin. Tossia Corman<br />

sprach mit ihm über Geheimnisse, Kreuzfahrten<br />

<strong>und</strong> Handtaschen.<br />

Familienmensch<br />

Foto: Michael Ihle<br />

Ihr Buch heißt „Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß“ – haben Sie<br />

das Gefühl, Sie müssten noch mehr wissen? Oder ist es auch gut, Geheimnisse<br />

voreinander zu haben?<br />

Man weiß niemals alles. Sogar das meiste wissen wir nicht voneinander.<br />

Und das ist auch sehr wichtig für jedes Zusammenleben, glaube ich. Dass<br />

die Geheimnisse bleiben. Ich bin froh, dass ich einige Dinge weiß. Und diese<br />

Dinge haben ausgereicht, um ein ganzes Buch zu schreiben.<br />

Weiß Ihre Frau auch genauso viel über Sie?<br />

Bestimmt, sie könnte Bände schreiben. Aber sie hat keine Lust. Sie hat<br />

früher mal Bücher verfasst, über Katzen <strong>und</strong> auch Männer. Aber jetzt, sagt<br />

sie, habe sie der Welt nichts mitzuteilen.<br />

Nach Ihrer Mutter, der Schwiegermutter <strong>und</strong> den Kindern ist nun Ihre Frau<br />

die Hauptperson – macht die Familie das immer gerne mit?<br />

Ich hoffe <strong>und</strong> glaube sehr, dass meine Familie auch großen Spaß daran<br />

hat, nicht nur als Menschen, sondern auch als Stück Literatur eine neue<br />

Existenz bekommen. Meine Mutter zum Beispiel: Ich habe neulich eine<br />

Einladung nach Dortm<strong>und</strong> bekommen, zum Deutschen Rentnertag – nur<br />

unter der Bedingung, dass ich meine Mutter mitbringe. Und meine Frau bekommt<br />

selber Einladungen zu Auftritten, wo sie die Dinge aus ihrer Sicht<br />

erklären soll. Ich denke also schon, dass sie das gerne mitmachen.<br />

Sind alle Geschichten <strong>und</strong> Anekdoten auch immer so passiert?<br />

Es sind keine ausgedachten Geschichten. Vielleicht sind manche von ihnen<br />

künstlerisch etwas überspitzt. Aber das ist auch das gute Recht eines<br />

Autors, das Leben etwas zurechtzubiegen. Auf dem Papier geht das zum<br />

Glück.<br />

14<br />

Klären Sie vorher ab, welche Anekdoten Sie einbauen?<br />

Manchmal, sehr selten, hat meine Frau tatsächlich Einwände, sagt „Ach,<br />

lass die Schwiegermutter da jetzt raus.“ Meine Familienmitglieder sind alle<br />

erwachsene Menschen, sie wissen um den Unterschied zwischen Literatur<br />

<strong>und</strong> Wirklichkeit. Und in der Wirklichkeit stimmt ja auch nicht immer alles.<br />

Alle geben an, im Gr<strong>und</strong>e genommen. Warum sollen das die Literaten<br />

nicht tun? Ich finde, dass ich das ziemlich realistisch dargestellt habe, das<br />

geheime Wesen der Frau, die ganz am Ende die Welt rettet.<br />

Im Buch kommt sehr oft die Handtasche Ihrer Frau vor – warum?<br />

Das ist meine Lieblingsgeschichte: Sie zeigt die fast magische Fähigkeit<br />

der Frau, diese handlichen Paradiese zu schaffen. Die Taschen haben einen<br />

Sinn: Die Gemütlichkeit, das Familiäre. Zum Mitnehmen. Aber dieser<br />

Sinn wird nur ersichtlich, wenn die Frau dabei ist. Ist sie fort, verwandelt<br />

sich die Tasche wieder in einen Kürbis. Und deshalb sorge ich auch gerne<br />

für Handtaschen-Nachschub bei meiner Frau.<br />

Sind Sie durch Ihre Bücher vielleicht unfreiwillig zu<br />

einem Experten in diesem Thema geworden? Werden<br />

Sie oft um Rat gefragt?<br />

Nicht direkt ein Experte, aber ich bin großer Fan von<br />

„Küchengesprächen“. Ich weiß, dass Männer am<br />

liebsten über Frauen reden, <strong>und</strong> umgekehrt. Dieser<br />

Tradition bleibe ich treu.<br />

Haben Sie manchmal Angst, dass Ihnen die Themen<br />

ausgehen könnten? Dass Sie alles erzählt haben?<br />

Das kann nur passieren, wenn ein Autor etwas erschafft, was das Buch<br />

seiner Träume ist, wenn er das Gefühl hat, er kann sich selbst nicht überbieten.<br />

Die einzig würdige Haltung wäre dann, für immer in Schweigen zu<br />

veharren. So ein Buch habe ich noch nicht geschrieben. Vielleicht wird<br />

mein nächstes Buch dieses Werk. Das Ende meiner literarischen Karriere.<br />

Es geht um Kreuzfahrer. Wir waren bereits mehrmals auf dem Schiff unterwegs,<br />

das Thema hat mich schon lange fasziniert.<br />

Wladimir Kaminer: 17.3. (20 Uhr), Apollo Club, <strong>Wuppertal</strong>; 16.6. (20 Uhr),<br />

zakk, <strong>Düsseldorf</strong>; wladimirkaminer.de<br />

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