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Drachenpost 108

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Düsseldorfer <strong>Drachenpost</strong> – Ausgabe <strong>108</strong> (4/2018) 37. Jahrgang<br />

Dieter Beste<br />

Warum ich Mitglied der GDCF bin<br />

Alles begann mit einer Adresse, die auf dem<br />

Schulhof von Hand zu Hand ging: Guozi Shudian,<br />

Peking. Dort, so hieß es, könne man ein Exemplar<br />

der „Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung“<br />

bestellen, – und zwar kostenlos. Die Neugierde<br />

war geweckt, kurzerhand ein Brief nach China<br />

zur Post gebracht, und tatsächlich traf schon nach<br />

etwa zwei Wochen das kleine rote Büchlein auf<br />

dem heimischen Bauernhof in Ostwestfalen ein.<br />

Es handelte sich um die „Erste Miniatur-Ausgabe<br />

1968“, versehen mit einer Kalligraphie von Lin<br />

Biao: „Studiert die Werke des Vorsitzenden Mao<br />

Tse-tung, hört auf seine Worte, handelt nach seinen<br />

Weisungen und seid seine guten Kämpfer!“<br />

Das rot eingeschlagene Büchlein war mein erster<br />

Kontakt zur großen weiten Welt, und ich hielt<br />

mit ihm den handfesten Beweis Händen, dass ich<br />

mich über alle Dorfgrenzen hinweg einmischen<br />

konnte. Der bibliophile Schatz ziert bis auf den<br />

heutigen Tag mein Bücherregal.<br />

Wir Studenten wussten wenig bis nichts über<br />

China und die dort ausgerufene „Kulturrevolution“.<br />

Dorthin zu reisen war schließlich unmöglich.<br />

Alles war Propaganda. Gleichwohl meinten<br />

wir in den 70er Jahren, uns anhand der Literatur<br />

aus China, etwa den in fünf Bänden publizierten<br />

„Ausgewählten Werken“ Maos, ein zutreffendes<br />

Bild über den dort eingeschlagenen Entwicklungsweg<br />

machen zu können. Mehr noch. Unzufrieden<br />

mit gesellschaftlichen Verhältnissen<br />

hierzulande suchten und fanden wir in der Literatur<br />

aus China Instrumente zur Lösung unserer<br />

Probleme. Welch ein riesengroßer Irrtum. Und<br />

welch eine bodenlose Ernüchterung, als Ende der<br />

70er Jahre nach und nach klar wurde, was sich in<br />

den zehn Jahren Kulturrevolution wirklich ereignet<br />

hatte.<br />

Wenn man so will, hatten wir uns selbst hinters<br />

Licht geführt. Hatten unsere Hirngespinste für ein<br />

Abbild der Realität gehalten und waren damit auf<br />

den Bauch gefallen. „Die Wahrheit in den Tatsachen<br />

suchen“ hielt Deng Xiaoping dagegen, und<br />

das wurde auch zu unserem Weckruf.<br />

Wir fanden uns in der Gesellschaft für<br />

Deutsch-Chinesische Freundschaft wieder, leckten<br />

unsere Wunden und brachen gemeinsam zu<br />

neuen Ufern auf. In Düsseldorf hatten wir anfangs<br />

– ich stieß 1978 hinzu – vielleicht eine Handvoll<br />

Mitglieder. Bald konnten wir tatsächlich nach China<br />

reisen, und es gab so viel Neues zu entdecken.<br />

Mich faszinierte besonders die Technik- und Wissenschaftsgeschichte.<br />

Joseph Needhams Analysen<br />

zu Wissenschaft und Zivilisation in China waren<br />

Inspirationen für journalistische Recherchen.<br />

Zum Beispiel für eine Reportage über die Astronomie<br />

im alten China, die ich im November 1987 im<br />

„Magazin“ der Wochenzeitung VDI-Nachrichten<br />

veröffentlichte.<br />

Begeistert hat mich bei meinen China-Reisen<br />

in den 80er Jahren die Aufbruchstimmung, die im<br />

ganzen Land herrschte, und der unbedingte Wille<br />

der Menschen, die in der Kulturrevolution erlittenen<br />

Schmerzen in Energie für den Aufbau des<br />

Landes umzuwandeln. Binnen 30 Jahren, so die<br />

politische Marschroute, sollte China wirtschaftlich<br />

und technologisch zur Weltspitze aufzuschließen.<br />

Von Stein zu Stein tastend den Fluss überqueren,<br />

hatte Deng Xiaoping die Art und Weise des Vorgehens<br />

dabei charakterisiert. Dass es gelingen würde,<br />

konnte man kaum glauben. Aber wenn man mit<br />

offenen Augen durch Chinas Sonderwirtschaftszonen<br />

reiste – dazu hatte ich Anfang der 90er Jahre<br />

Gelegenheit – zeichnete sich ab, dass das Land zu<br />

Großem fähig war.<br />

Dieter Beste ist seit 1978<br />

Mitglied der GDCF-Düsseldorf.<br />

Er ist freier Journalist<br />

und begleitet mit seinem<br />

Redaktionsbüro MEDIA-<br />

KONZEPT seit Anfang 1995<br />

im Auftrag von Verlagen,<br />

Unternehmen, Forschungseinrichtungen<br />

oder Ministerien die Herausgabe von<br />

Publikationen im Themenspektrum von Technik<br />

und Wissenschaft.<br />

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