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Ehrenbürger Jakob Groß

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1. Advent 2019<br />

Simbacher Anzeiger<br />

Nr. 23/2019<br />

Simbacher<br />

EHRENBÜRGER<br />

Er ist Simbachs erster Heimatchronist<br />

und ein weiterer Ehrenbürger der Stadt –<br />

der königlich-bayerische Zollassistent <strong>Jakob</strong><br />

<strong>Groß</strong>. Er schrieb vor 155 Jahren die<br />

erste Ortschronik der damaligen Gemeinde.<br />

Nach Simbach kam der am 17. Januar<br />

1827 in Emmering, Landkreis Fürstenfeldbruck,<br />

geborene <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong> im Jahr 1858<br />

im Rahmen seines beruflichen Werdegangs.<br />

<strong>Groß</strong> hatte nach dem Besuch des Gymnasiums<br />

in München Rechtswissenschaft studiert<br />

und zeigte bereits in jungen Jahren eine<br />

besondere Vorliebe für Geschichte, Heraldik<br />

(Waffenkunde) und Genealogie (Ahnenforschung).<br />

Nach Ablegung der juristischen<br />

Prüfung entschloss sich <strong>Groß</strong>, zum<br />

Zollwesen überzutreten. Am 1. Februar<br />

1854 trat er seine erste Stelle als Stationsführer<br />

der Zollgrenzwache in Ritzing an.<br />

Seine Ernennung zum „Oberaufseher zu<br />

Fuß“ brachte <strong>Groß</strong> dann 1858 nach Simbach.<br />

Ein Glücksfall, denn seitens der Simbacher<br />

Bürgerschaft war der Wunsch nach einer<br />

umfassenden Chronik des Heimatortes<br />

geäußert worden. Mit <strong>Groß</strong> hatte man den<br />

richtigen Mann dafür gefunden. In vielen<br />

mühseligen Stunden durchforstete er in seiner<br />

Freizeit viele Archive, Schriftstücke und<br />

Bücher über Simbach. Das Ergebnis der jahrelangen<br />

Arbeit und die akribische Suche<br />

nach Fakten um die Gemeinde Simbach und<br />

der Region war die Herausgabe der ersten<br />

Simbacher Ortschronik. Obwohl zwischenzeitlich<br />

nach Kufstein (1859) und Passau<br />

(1862) versetzt, arbeitete er unermüdlich<br />

und fleißig an der umfangreichen Simbacher<br />

Chronik weiter. Am Mittwoch, 31. Juli 1861,<br />

erhielten die Mitglieder der Simbacher Gemeindeverwaltung<br />

in einem feierlichen Akt<br />

das erste handgeschriebene Exemplar<br />

durch seinen Schwiegervater, den kgl.<br />

Oberzollinspektor Alois Rehm, überreicht.<br />

Am 6. September 1859 hatte <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong><br />

nämlich in Kufstein die Tochter des dortigen<br />

Oberzollinspektors, Aloisia Rehm, geheiratet.<br />

Drei Jahre später, im Juni 1864, erschien<br />

das Werk in gekürzter Form als Sonderdruck<br />

in den „Verhandlungen des Historischen<br />

Vereins für Niederbayern“ in einem<br />

Landshuter Verlag. Nicht hoch genug ist der<br />

Umstand einzuschätzen, dass <strong>Groß</strong> die<br />

enorme und zeitaufwendige Arbeit ohne Honorar<br />

für die Gemeinde übernommen hatte.<br />

Eine Arbeit, die ohne den nötigen Idealismus<br />

und die Begeisterung für Heimatgeschichte<br />

nicht so erfolgreich hätte vollendet werden<br />

können. Vieles wäre heute in Vergessenheit<br />

geraten, gäbe es nicht das schriftliche Abbild<br />

unserer Heimat durch seine Aufzeichnungen.<br />

Für diese Leistung wurde <strong>Jakob</strong><br />

<strong>Groß</strong> im selben Jahr das Ehrenbürgerrecht<br />

der Gemeinde Simbach übertragen.<br />

Der Simbacher Ehrenbürger <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong> verfasste<br />

die erste Ortschronik kvon Simbach<br />

Insgesamt wurden nur 456 Bücher gedruckt.<br />

Zusätzlich gab es noch zwei besondere<br />

Exemplare. Sie waren in rotem Kalbsleder<br />

und in englischem Samt gebunden. Gedacht<br />

waren sie als Geschenk für König Ludwig<br />

II. von Bayern und Bischof Heinrich aus<br />

Passau. Die restlichen Bücher dienten der<br />

Gemeinde als Ehrengaben für besondere Verdienste<br />

und als jährlichen Preis für die besten<br />

Schüler bei den Abschlussprüfungen.<br />

In 68 Kapiteln wird auf 168 Seiten dieser<br />

ersten Simbacher Chronik die Geschichte unserer<br />

Region lebendig. Angefangen von der<br />

Römerzeit, der ersten urkundlichen Erwähnung<br />

Simbachs und den zahlreichen Katastrophen,<br />

insbesondere der vielen kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen. Auch wenn<br />

aus heutiger Sicht viele Passagen zum<br />

Schmunzeln verleiten, so gab <strong>Groß</strong> doch ein<br />

detailliertes Bild von Simbach und den Bewohnern<br />

dieser Region ab. Auf Seite 79 etwa<br />

ist über Simbach zu lesen: „Der Viehstand ist<br />

unbeträchtlich, das Vieh ist klein und unansehnlich<br />

und gleicht ganz der Menschenrasse.<br />

Klee- und Erdäpfelbau fangen erst an, die<br />

Wiesen- und Gartenkultur aber schläft noch<br />

tief. Gerste und dergleichen baut man nur zur<br />

Notdurft.“ Einen breiten Raum in den Erinnerungen<br />

von <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong> nimmt zudem die<br />

Stadt Braunau ein.<br />

Beruflich blieb für <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong> auch Passau<br />

nicht lange seine Heimat. Nach nur zwei Jahren<br />

verließ er die schöne Donaustadt in Richtung<br />

Wegscheid, wohin er als Grenzoberkontrolleur<br />

berufen wurde. Hier erblickte, nach<br />

seinen Töchtern Luise und Maria, sein Sohn<br />

<strong>Jakob</strong> am 16. Oktober 1865 das Licht der<br />

Welt. 1868 hieß es wieder Abschied nehmen<br />

aus der vertrauten Umgebung. Zur Nachversteuerung<br />

ging es nach Mecklenburg-Schwerin.<br />

In diesem Sommer siedelte <strong>Groß</strong> nach<br />

Grabow an der Elbe über. Hier traf ihn ein<br />

schwerer Schicksalsschlag – seine Ehefrau<br />

Aloisia starb am 12. Mai 1869 im Alter von<br />

knapp 32 Jahren. Am 1. Juni 1870 wurde er<br />

Heimatchronist<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong><br />

zum Stationskontrolleur<br />

und Zollinspektor<br />

des deutschen<br />

Zoll- und<br />

Handels vereins in<br />

Lübeck befördert,<br />

fünf Jah re später<br />

bekam er den<br />

Rang eines Hauptzollamtsverwalters<br />

verliehen. Dazwischen<br />

heiratete<br />

er, um seiner<br />

drei Kinder willen,<br />

die Lehrerstochter<br />

Anna Wesselack<br />

aus Sattelpeilnstein<br />

in der Oberpfalz.<br />

Während seines<br />

Aufenthaltes in der<br />

von Walter Geiring<br />

Ein Dankesschreiben<br />

der Gemeinde Simbach<br />

an den Autor der<br />

ersten Chronik gibt es<br />

im Heimatmuseum zu<br />

bestaunen – sie ist auf<br />

den 19. Oktober 1864<br />

datiert<br />

alten Hansastadt<br />

schrieb er die Chronik von Fürstenfeldbruck.<br />

Für dieses Lebenswerk wurde ihm am 14.<br />

Januar 1879 das Ehrenbürgerrecht der<br />

Markt Bruck verliehen.<br />

Die letzte Arbeitsstation von <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong><br />

war 1881 Memmingen, als kgl. Hauptzollamtsverwalter<br />

des Hauptzollamtes. Unter<br />

seiner Führung entsteht dort eine Zweigstelle<br />

der Deutschen Anthropologischen<br />

Gesellschaft, die 1885 in den Memminger<br />

Altertumsverein umgewandelt wurde. Nach<br />

Vollendung seines 70. Lebensjahres trat er<br />

am 1. April 1897 in den Ruhestand. Seine gemütskranke<br />

Frau starb am 19. Mai 1897.<br />

Durch ein Nierenleiden mit nachfolgender<br />

Wassersucht wurde <strong>Groß</strong> jegliche Arbeitskraft<br />

und Freude genommen. Am Mittwoch,<br />

4. Mai 1898, starb <strong>Jakob</strong> <strong>Groß</strong> an einem<br />

Herzschlag und wurde auf dem alten Friedhof<br />

in der Familiengrabstätte in Memmingen<br />

am 7. Mai 1898 begraben.<br />

In Memmingen gibt es heute keine Spuren<br />

mehr, die an den eifrigen Schreiber und<br />

Chronisten erinnern, die Familiengrabstätte<br />

existiert nicht mehr. In Simbach und Fürstenfeldbruck<br />

erinnern jeweils Straßen an<br />

den bekannten Autor. Auch in Weibersbrunn/Kreis<br />

Aschaffenburg gibt es eine <strong>Jakob</strong>-<strong>Groß</strong>-Straße.<br />

Diese ist allerdings nach<br />

seinem Sohn benannt, der in Wegscheid geboren<br />

wurde und als Oberregierungsrat am<br />

Bezirksamt Aschaffenburg sich in den 1920<br />

Jahren besonders für arme und hilfsbedürftige<br />

Mitmenschen eingesetzt hatte.<br />

Quellennachweis: Textarchiv: Heimatmuseum<br />

Simbach, Stadtarchiv Memmingen, Memminger<br />

Zeitung vom 8. Mai 1898 und vom 17. Januar 1927,<br />

Aufzeichnungen von Dr. J. Miedel, Heimat- und Geschichtsverein<br />

Weibersbrunn/Christian Schreck<br />

und Heimatbuch Stadt Simbach/Rudolf Vierlinger.<br />

Bildnachweis Stadtarchiv/Heimatmuseum und Fritz<br />

Scherer/Olching.

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