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„Ich sah eine Hai-Art,<br />
mit der ich immer schon<br />
schwimmen wollte,<br />
zum ersten Mal in echt.<br />
Das Tier lag tot auf dem<br />
Markt. Das war hart.“<br />
Jeder hat einen Wohlfühlort.<br />
Für die einen ist es<br />
ein Haus, für andere eine<br />
bestimmte Stadt oder ein<br />
Land. Der Wohlfühlort<br />
der australischen Umweltschützerin<br />
Madison Stewart<br />
liegt unter Wasser – in der Gesellschaft<br />
von Haien. „Keine Ahnung, wann<br />
ich mich in den Ozean verliebt habe“,<br />
sagt Stewart. „Ich genieße einfach die<br />
Freiheit, mit diesen faszinierenden Tieren<br />
zusammen zu schwimmen.“<br />
Stewarts Eltern ermutigten sie von<br />
klein auf, die Natur zu erkunden. „Dass<br />
ich so früh mit dem Tauchen begann,<br />
liegt an meinem Vater. Er nahm mich<br />
von der Schule und ließ mich daheim<br />
unterrichten, damit wir öfter tauchen<br />
gehen konnten.“ Eines Tages – Stewart<br />
war gerade vierzehn – wollten sie bei<br />
einem Tauchgang am Great Barrier Reef<br />
eine große Gruppe Grauer Riffhaie beobachten,<br />
so wie sie es schon oft getan<br />
hatten. Von der Gruppe fehlte jede Spur.<br />
Jahre später sagt Stewart: „Meine<br />
Liebe zu den Haien begann, als sie langsam<br />
aus den Meeren verschwanden.“<br />
Die Haifischerei hat in den letzten<br />
Jahrzehnten massiv zugenommen. Sollte<br />
sich nichts daran ändern, wird sie nach<br />
der Einschätzung von Meeresschützern in<br />
dreißig Jahren zum unwiderruflichen<br />
Verlust vieler Spezies führen. Laut World<br />
Wide Fund for Nature sind derzeit fast<br />
40 HaiArten durch Überfischung gefähr<br />
det, jede vierte davon ist vom Aussterben<br />
bedroht. In den Medien allerdings sind<br />
Haie noch immer nicht gefährdete, sondern<br />
ihrerseits lebensbedrohliche Meeresbewohner.<br />
Dabei werden jährlich bis zu<br />
100 Millionen Haie von Menschenhand<br />
getötet – entweder als Beifang (so bezeichnet<br />
man Fische und andere Meerestiere,<br />
die beim Fang einer bestimmten<br />
Art unbeabsichtigt im Netz landen) oder<br />
indem man ihnen illegal die Flossen abschneidet,<br />
bevor sie zum Sterben zurück<br />
ins Wasser geworfen werden.<br />
Obwohl einige Länder, darunter auch<br />
mehrere USStaaten, den Besitz oder<br />
Verkauf von Haien verbieten, servieren<br />
Restaurants und Märkte in China und<br />
Vietnam nach wie vor Haifischflossensuppe<br />
und Haifischfleisch. Geht es nach<br />
Stewart, muss sich das ändern. Mit<br />
26 Jahren hat sie schon genug tote Haie<br />
gesehen. „Egal wie grauenhaft die Bilder<br />
sind, irgendwann stumpft man ab. Bei<br />
den ersten paar toten Haien weinte ich,<br />
jetzt ist da nur noch ein Gefühl von Taubheit.<br />
Meistens zumindest. Vor kurzem<br />
sah ich eine HaiArt, mit der ich immer<br />
schon schwimmen wollte, zum ersten Mal<br />
in echt – das Tier lag tot auf dem Markt.<br />
Das war hart.“<br />
Nach Jahren des Aktivismus –<br />
Stewart wurde von der Australian<br />
Geographic Society als „Young<br />
Conservationist of the Year“ ausgezeichnet<br />
– musste sie einsehen, wie<br />
aussichtslos der Kampf war. Nicht nur sie<br />
selbst, die ganze Welt war des Anblicks<br />
toter Haie müde. Es brauchte neue Wege,<br />
um den Wahnsinn zu stoppen. Ihr vor drei<br />
Jahren gegründetes Unternehmen „Project<br />
Hiu“ („Hiu“ ist das indonesische Wort für<br />
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