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The Red Bulletin Februar 2020 (AT)

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„Ich sah eine Hai-Art,<br />

mit der ich immer schon<br />

schwimmen wollte,<br />

zum ersten Mal in echt.<br />

Das Tier lag tot auf dem<br />

Markt. Das war hart.“<br />

Jeder hat einen Wohlfühlort.<br />

Für die einen ist es<br />

ein Haus, für andere eine<br />

bestimmte Stadt oder ein<br />

Land. Der Wohlfühlort<br />

der australischen Umweltschützerin<br />

Madison Stewart<br />

liegt unter Wasser – in der Gesellschaft<br />

von Haien. „Keine Ahnung, wann<br />

ich mich in den Ozean verliebt habe“,<br />

sagt Stewart. „Ich genieße einfach die<br />

Freiheit, mit diesen faszinierenden Tieren<br />

zusammen zu schwimmen.“<br />

Stewarts Eltern ermutigten sie von<br />

klein auf, die Natur zu erkunden. „Dass<br />

ich so früh mit dem Tauchen begann,<br />

liegt an meinem Vater. Er nahm mich<br />

von der Schule und ließ mich daheim<br />

unterrichten, damit wir öfter tauchen<br />

gehen konnten.“ Eines Tages – Stewart<br />

war gerade vierzehn – wollten sie bei<br />

einem Tauchgang am Great Barrier Reef<br />

eine große Gruppe Grauer Riffhaie beobachten,<br />

so wie sie es schon oft getan<br />

hatten. Von der Gruppe fehlte jede Spur.<br />

Jahre später sagt Stewart: „Meine<br />

Liebe zu den Haien begann, als sie langsam<br />

aus den Meeren verschwanden.“<br />

Die Haifischerei hat in den letzten<br />

Jahrzehnten massiv zugenommen. Sollte<br />

sich nichts daran ändern, wird sie nach<br />

der Einschätzung von Meeresschützern in<br />

dreißig Jahren zum unwiderruflichen<br />

Verlust vieler Spezies führen. Laut World<br />

Wide Fund for Nature sind derzeit fast<br />

40 Hai­Arten durch Überfischung gefähr­<br />

det, jede vierte davon ist vom Aussterben<br />

bedroht. In den Medien allerdings sind<br />

Haie noch immer nicht gefährdete, sondern<br />

ihrerseits lebensbedrohliche Meeresbewohner.<br />

Dabei werden jährlich bis zu<br />

100 Millionen Haie von Menschenhand<br />

getötet – entweder als Beifang (so bezeichnet<br />

man Fische und andere Meerestiere,<br />

die beim Fang einer bestimmten<br />

Art unbeabsichtigt im Netz landen) oder<br />

indem man ihnen illegal die Flossen abschneidet,<br />

bevor sie zum Sterben zurück<br />

ins Wasser geworfen werden.<br />

Obwohl einige Länder, darunter auch<br />

mehrere US­Staaten, den Besitz oder<br />

Verkauf von Haien verbieten, servieren<br />

Restaurants und Märkte in China und<br />

Vietnam nach wie vor Haifischflossensuppe<br />

und Haifischfleisch. Geht es nach<br />

Stewart, muss sich das ändern. Mit<br />

26 Jahren hat sie schon genug tote Haie<br />

gesehen. „Egal wie grauenhaft die Bilder<br />

sind, irgendwann stumpft man ab. Bei<br />

den ersten paar toten Haien weinte ich,<br />

jetzt ist da nur noch ein Gefühl von Taubheit.<br />

Meistens zumindest. Vor kurzem<br />

sah ich eine Hai­Art, mit der ich immer<br />

schon schwimmen wollte, zum ersten Mal<br />

in echt – das Tier lag tot auf dem Markt.<br />

Das war hart.“<br />

Nach Jahren des Aktivismus –<br />

Stewart wurde von der Australian<br />

Geographic Society als „Young<br />

Conservationist of the Year“ ausgezeichnet<br />

– musste sie einsehen, wie<br />

aussichtslos der Kampf war. Nicht nur sie<br />

selbst, die ganze Welt war des Anblicks<br />

toter Haie müde. Es brauchte neue Wege,<br />

um den Wahnsinn zu stoppen. Ihr vor drei<br />

Jahren gegründetes Unternehmen „Project<br />

Hiu“ („Hiu“ ist das indonesische Wort für<br />

54 THE RED BULLETIN

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