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The Red Bulletin Februar 2020 (AT)

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guide<br />

DER ERSTE<br />

ABS<strong>AT</strong>Z<br />

Logan hechtete zwischen den<br />

Bäumen hindurch; seine nackten<br />

Füße rutschten auf dem nassen<br />

Boden, dem Schlamm und den<br />

glitschigen Kiefernnadeln immer<br />

wieder aus. Pfeifend schoss<br />

der Atem aus seinem Mund, und<br />

das Blut dröhnte in seinem Kopf.<br />

Er stolperte und prallte hart auf<br />

der Seite auf, wobei er sich fast<br />

die eigene Axt in die Brust bohrte.<br />

Dann lag er keuchend da und<br />

spähte angestrengt in den<br />

dämmerigen Wald.<br />

schärfe gewinnen und diese rund<br />

5000 Seiten starke Sex-and-<br />

Crime-Orgie locker schultern.<br />

Magisches Material setzt Martin<br />

nur ein, um die Fugen seines<br />

martialischen Intrigantenstadls<br />

zu kitten. Und: Fast alle Figuren<br />

agieren jenseits von Gut und Böse.<br />

Die Moral von der Geschicht’, die<br />

gibt es schlichtweg nicht.<br />

Womit der „Für alle Fans von<br />

‚Game of Thrones‘!“-Kandidatenkreis<br />

bereits deutlich an Radius<br />

verliert. Genre-Durchstarter wie<br />

Scott Lynch, Jay Kristoff oder<br />

Michael J. Sullivan (siehe Tipps)<br />

liefern zwar erstklassigen Genre-<br />

Lesestoff ab – was die opulente<br />

Niedertracht betrifft, befinden sie<br />

sich aber nicht ganz auf Augenhöhe<br />

mit Mr. Martin.<br />

Und hier kommt Joe Aber-<br />

crombie ins Spiel. Der britische<br />

Autor, Jahrgang 1974, hat genau<br />

jenen Mix aus brachialer Action<br />

und intelligenter Personalpolitik<br />

im Programm, der das Zeug dazu<br />

hat, darbende „GoT“-Fans aus<br />

dem kalten Entzug zu reißen. Sein<br />

grandioser „<strong>The</strong> First Law“-Zyklus<br />

(dt. „Klingen“-Serie) wurde von<br />

Kritikern vom Stand weg in den<br />

Himmel gejauchzt, für das ganz<br />

große nächste Ding reichte es<br />

dann aber trotzdem nicht – was<br />

ein echter Jammer ist.<br />

Im Mittelpunkt der Serie<br />

(„Kriegsklingen“, „Feuerklingen“,<br />

„Königsklingen“), die Abercrombie<br />

mit vier Add-ons („Racheklingen“,<br />

„Heldenklingen“, „Blutklingen“,<br />

„Schattenklingen“) nachfettete,<br />

stehen drei Figuren: ein legendärer<br />

Barbar mit ausgeprägtem Hang<br />

zum Blutrausch, ein undurchsichtiger<br />

Magier, der keinen nennenswerten<br />

Unterschied zwischen<br />

Menschen und Marionetten macht,<br />

und ein verkrüppelter Inquisitor,<br />

in dessen Adern unverdünnter<br />

Zynismus zirkuliert. Um diese<br />

drei faszinierenden Protagonisten<br />

gruppiert Abercrombie – nebenbei<br />

diplomierter Psychologe – mit<br />

einem geradezu beängstigenden<br />

Gespür für Sidekicks weitere<br />

kongeniale Handlungsträger,<br />

die es ihm ermöglichen, seine<br />

kriegerische Abenteuerschwarte<br />

in einem von mehreren Feuern<br />

erhitzten, wunderbar würzigen<br />

Sud schmoren zu lassen.<br />

Aber Achtung: Auch wenn<br />

Abercrombie die Streitaxt mitunter<br />

mit der stilistischen Eleganz<br />

eines Floretts führt, ist das hier<br />

immer noch derbe Ware. Hart,<br />

räudig und sehr brutal.<br />

Mit der lang ersehnten Fortsetzung<br />

„Zauberklingen“, dem<br />

ersten Teil des neuen Zyklus<br />

„<strong>The</strong> Age of Madness“, kehrt Aber-<br />

crombie nun ins „<strong>The</strong> First Law“-<br />

Universum zurück. Und am Cover<br />

wird – Überraschung! – ein gewisser<br />

George R. R. Martin zitiert:<br />

„Ein Rache-Epos, das mich von<br />

der ersten Seite an gepackt hat.“<br />

Womit sich der literarische Kreis<br />

ganz fantastisch schließt.<br />

JOE ABERCROMBIE:<br />

DIE KLINGEN-SAGA<br />

Bislang sind sieben Bände erschienen,<br />

der achte, „Zauberklingen“ (Deutsch<br />

von Kirsten Borchardt; Heyne Verlag),<br />

ist ab 10. <strong>Februar</strong> <strong>2020</strong> erhältlich.<br />

GENRE-TIPPS<br />

VORSICHT:<br />

SUCHTGEFAHR!<br />

Erlesene Erfolgsserien: aktuelle Fantasy‐<br />

Zyklen, die Lust auf mehr machen<br />

JAY KRISTOFF:<br />

„NEVERNIGHT“<br />

In seiner Heimat Australien<br />

hat Kristoff so ziemlich<br />

alle Preise abgeräumt,<br />

die das Genre hergibt.<br />

Sein virtuoser „Nevernight“‐<br />

Zyklus rund um die junge<br />

Assassinin Mia Corvere ist<br />

stilistisch brillant, definitiv<br />

nicht jugendfrei und<br />

sehr, sehr böse.<br />

2 Bände; Fischer/Tor<br />

JOHN GWYNNE:<br />

„BLUT UND KNOCHEN“<br />

John Gwynnes neuer Zyklus<br />

schließt nahtlos an seine<br />

preisgekrönte High‐Fantasy‐<br />

Saga „Die Getreuen und<br />

die Gefallenen“ (vier Bände)<br />

an und ist ein gefundenes<br />

Fressen für alle Freunde<br />

reichlich garnierter<br />

Schlachtplatten mit Hang<br />

zur blutigen Rohkost.<br />

1 Band; Blanvalet<br />

MICHAEL J. SULLIVAN:<br />

„THE FIRST EMPIRE“<br />

In der sechsteiligen<br />

„Riyria“‐Serie hat Sullivan<br />

das vermutlich charmanteste<br />

Buddy‐Duo der<br />

Fantasy‐Literatur kreiert.<br />

Sein aktueller „Empire“‐<br />

Zyklus ist etwas epischer<br />

angelegt, punktet aber<br />

ebenso mit höchsten<br />

Sympathiewerten.<br />

3 Bände; Knaur<br />

SCOTT LYNCH:<br />

„GENTLEMAN BASTARDS“<br />

Mit dem genialen Meisterdieb<br />

Locke Lamora hat<br />

Scott Lynch einen Helden<br />

erschaffen, der sich den<br />

Titel „Schlafräuber“ wahrlich<br />

verdient hat. Spannung,<br />

Humor und Action in perfekter<br />

Balance – praller<br />

kann man Unterhaltungsliteratur<br />

kaum gestalten.<br />

3 Bände; Heyne<br />

ANTHONY RYAN:<br />

„DRACONIS MEMORIA“<br />

Fantasy‐Drachensteigen für<br />

Erwachsene: Nach seiner<br />

faszinierend düsteren<br />

„Rabenschatten“‐Trilogie<br />

heizt der Schotte dem<br />

Genre mit einem gewagten<br />

Mix aus blutrünstigem<br />

Abenteuer, stampfendem<br />

Steampunk und subtiler<br />

Politparabel ein.<br />

3 Bände; Klett-Cotta<br />

MARK LAWRENCE:<br />

„DAS BUCH DER AHNEN“<br />

Coming of Age auf die harte<br />

Tour: Mark Lawrence hat<br />

schon mehrfach bewiesen,<br />

dass er sich auf der dunklen<br />

Seite der Macht pudelwohl<br />

fühlt – sehr zum Leidwesen<br />

der kleinen Nona, die<br />

sich hier durch ein subversiv<br />

choreografiertes<br />

Rache‐Epos kämpft.<br />

2 Bände; Fischer/Tor<br />

THE RED BULLETIN 79

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