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S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS

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258<br />

<strong>Leitlinie</strong><br />

Kommentar<br />

Bei den primären Erkrankungen lassen sich in seltenen Fällen<br />

bestimmte genetische Veränderungen nachweisen. Beim klinisch<br />

variablen Morbus Hirschsprung beispielsweise liegt eine heterogene<br />

Vererbung vor; neben monogenen Formen sind polygen<br />

bedingte Störungen bekannt. Zu den Ursachen einer sekundären<br />

intestinalen Motilitätsstörung zählen neurologische oder rheumatologische<br />

Systemerkrankungen/Autoimmunerkrankungen,<br />

toxische oder endokrine Neuropathien, Strahlenenteritis, eosinophile<br />

Gastroenteritis, Angioödem, Paraneoplasien und<br />

postoperative oder postinfektiöse Zustände [313 – 316].<br />

Statement 3-3-2<br />

Prinzipiell wird pathophysiologisch zwischen intestinalen Neuropathien<br />

und Myopathien unterschieden. Mischformen kommen<br />

aber ebenfalls vor, und die pathophysiologische Bedeutung sonstiger<br />

Strukturen (interstitielle Cajal-Zellen, ICC; enterische Gliazellen)<br />

wird zunehmend evident.<br />

Kommentar<br />

Die Motilität von Dünn- und Dickdarm wird maßgeblich durch<br />

folgende Zellsysteme innerhalb der Darmwand reguliert: das<br />

enterische Nervensystem (ENS), die ICC und die glatte Muskulatur.<br />

Neuropathische intestinale Motilitätsstörungen beruhen<br />

häufig auf einer Affektion des enterischen Nervensystems,<br />

können aber auch durch Erkrankungen des autonomen und/<br />

oder zentralen Nervensystems verursacht werden [313 –315].<br />

Viszerale Myopathien sind insgesamt selten und treten überwiegend<br />

kongenital (familiär oder sporadisch) auf. Oft sind neben<br />

mehreren Abschnitten des tubulären Gastrointestinaltrakts<br />

auch die Muskulatur von Gallen- und Harnblase betroffen. Enterische<br />

Mesenchymopathien sind histopathologisch durch<br />

quantitative und morphologische Veränderungen der ICC gekennzeichnet<br />

[317 –319].<br />

Statement 3-3-3<br />

Bestimmte Formen des RDS sind histopathologisch durch neuromuskuläre<br />

Veränderungen gekennzeichnet, die auch bei definierten<br />

chronischen Motilitätsstörungen vorliegen können. Demnach<br />

könnte es sich um unterschiedliche Ausprägungsgrade einer intestinalen<br />

neuromuskulären Dysfunktion handeln mit fließenden<br />

Übergängen zwischen den verschiedenen Entitäten.<br />

Kommentar<br />

Die histopathologischen Veränderungen beim RDS tragen zum<br />

Verständnis der Pathogenese bei [320], sind aber aufgrund der<br />

Heterogenität, des uneinheitlichen Auftretens und der unterschiedlichen<br />

Ausprägung nicht geeignet für eine reliable histopathologische<br />

Diagnostik.<br />

Statement 3-3-4<br />

Als Motilitätsstörungen im engeren Sinn etabliert sind die chronische<br />

intestinale Pseudoobstruktion (CIPO), die akute kolonische<br />

Pseudoobstruktion (ACPO, syn.: Ogilvie-Syndrom), das idiopathische<br />

Megakolon/-rektum (IMC), der Morbus Hirschsprung, die<br />

„slow transit constipation“ (STC) und anorektale Funktionsstörungen<br />

(Beckenbodendyssynergie, Anismus, Beckenbodenspastik).<br />

Layer P et al. <strong>S3</strong>-<strong>Leitlinie</strong> zur <strong>Definition</strong>,… Z Gastroenterol 2011; 49: 237 –293<br />

Kommentar<br />

Die CIPO ist eine schwere intestinale Motilitätsstörung, die intermittierend<br />

oder chronisch zu (Sub-)Ileussymptomen (und<br />

entsprechenden Befunden bei der bildgebenden Diagnostik)<br />

führt, ohne dass eine intestinale Obstruktion vorliegt. Motilitätsstörungen<br />

betreffen vorwiegend den Dünndarm, können<br />

sich aber auch an allen anderen Abschnitten des Magen-<br />

Darm-Traktes und im Bereich anderer Organe (Urogenitaltrakt)<br />

manifestieren [313 –315].<br />

Die ACPO (Ogilvie-Syndrom) ist charakterisiert durch eine<br />

massive Kolondilatation, die sich auf dem Boden einer Motilitätsstörung<br />

ohne Vorliegen einer mechanischen Obstruktion<br />

im Verlauf weniger Tage entwickelt. Sie tritt bei Patienten mit<br />

gravierenden, akuten Grunderkrankungen oder postoperativ<br />

auf [321–323].<br />

Das idiopathische Megakolon/-rektum (IMC) ist definiert als<br />

anhaltende Dilatation eines Kolonsegments, der keine organische<br />

Erkankung zugrunde liegt [324].<br />

Der Morbus Hirschsprung ist durch ein angeboren tonischkontrahiertes,<br />

damit funktionell obstruiertes distales Darmsegment<br />

mit konsekutiv massiv prästenotisch dilatiertem Darm<br />

charakterisiert. Ursache ist das segmental völlige Fehlen von<br />

enterischen Nervenzellen (Aganglionose) im Plexus myentericus<br />

und submucosus [316, 325].<br />

Die STC ist charakterisiert durch eine starke, das Krankheitsbild<br />

dominierende Verzögerung des Kolontransits (cave: sekundäre<br />

Verzögerung des Kolontransits bei Stuhlentleerungsstörung<br />

möglich). Betroffene (meist junge Frauen) sprechen<br />

oft selbst auf eine hoch dosierte Laxantienbehandlung nicht<br />

an [326 –328]. Die Beckenbodendyssynergie ist definiert als<br />

frustrane oder eingeschränkte Entleerung trotz versuchter Defäkation<br />

mit Pressen bei Ausschluss eines mechanischen Entleerungshindernisses,<br />

die auf einer willkürlich, aber unbewusst<br />

gesteuerten mangelnden Koordination zwischen intrarektaler<br />

Druckerhöhung und Relaxation des Sphinkterapparats beruht<br />

[328]. Sekundäre Störungen von Dünn- und Dickdarmmotilität<br />

treten als Folge von Erkrankungen wie Dumping-Syndrom,<br />

bakteriellem Dünndarmüberwuchs, Gallensäure-Malabsorption,<br />

Kohlenhydratmalabsorption und bei chronischer Inflammation<br />

auf. Klinisch steht meist das Symptom Durchfall im<br />

Vordergrund. Auch eine partielle Obstruktion des Darmlumens<br />

führt zu Änderungen der Motilität [329].<br />

Statement 3-3-5<br />

Die Symptomatik lässt weder eine sichere Differenzierung zwischen<br />

mechanischer Obstruktion und Motilitätsstörung noch zwischen<br />

etablierten Motilitätsstörungen und einem <strong>Reizdarmsyndrom</strong><br />

zu. Dies gilt insbesondere bei moderaten Beschwerden,<br />

die bei den meisten Patienten vorliegen.<br />

Kommentar<br />

Zu den unspezifischen Symptomen intestinaler Motilitätsstörungen<br />

zählen Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen,<br />

Völlegefühl, Blähungen, Diarrhö und/oder Obstipation. Bei<br />

schweren intestinalen Motilitätsstörungen kann es (infolge einer<br />

bakteriellen Fehlbesiedlung und/oder der reduzierten Absorptionskapazität<br />

des Darmes) zu Zeichen der (generalisierten)<br />

Malabsorption kommen. Rezidivierendes Erbrechen und/<br />

oder chronische Diarrhöen können zu sämtlichen Manifestationen<br />

der Exsikkose und des Elektrolytmangels führen. Die<br />

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