S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS
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<strong>Leitlinie</strong><br />
4-3: Allgemeine, komplementäre und alternative Verfahren<br />
beim RDS bei Kindern (AG 9)<br />
Statement 4-3-1<br />
Die Betreuung eines Kindes mit RDS sollte ggf. unter Einbeziehung<br />
psychosozialer Professionen erfolgen. In therapierefraktären Fällen<br />
sollte frühzeitig ein Kindergastroenterologe mit einbezogen werden.<br />
[Evidenzgrad D, Empfehlungsstärke ↑, Konsens]<br />
Kommentar<br />
Hierzu gibt es keine Studien. Wegen der Häufigkeit psychischer<br />
Komorbiditäten und psychosozialer Belastungsfaktoren erscheint<br />
aber die Einbeziehung von psychosozialen Professionen sinnvoll,<br />
auch zur Vorbereitung eventueller kognitiv-behavioristischer<br />
Trainingsprogramme. Der pädiatrische Gastroenterologe bringt<br />
seine Expertise bezüglich seltener organischer Erkrankungen<br />
und die erweiterten, spezifischen Diagnoseverfahren (z.B. Endoskopie,<br />
Funktionstests) für die differenzierte Suche nach organischen<br />
Ursachen ein.<br />
Statement 4-3-2<br />
In der Interaktion mit Kindern und Eltern sollten die Beschwerden<br />
der Kinder ernst genommen werden. Funktionelle Beschwerdemodelle<br />
und das biopsychosoziale Bauchschmerzmodell sollten<br />
nach entsprechender Vordiagnostik thematisiert werden.<br />
[Evidenzgrad C, Empfehlungsstärke ↑, Konsens]<br />
Kommentar<br />
Die Akzeptanz eines biopsychosozialen Krankheitsmodells<br />
durch die Eltern verbessert den Outcome bei Kindern mit rezidivierenden<br />
Bauchschmerzen [356]. Eine Beratung bzw. eine<br />
Schulung der Eltern zum richtigen Umgang mit den Schmerzen<br />
(„Ablenkung statt Verstärkung“) kann einen positiven Einfluss<br />
auf den Verlauf der Schmerzsymptomatik haben [357].<br />
Statement 4-3-3<br />
Komplementäre oder alternative Therapieformen (Akupunktur,<br />
TCM, Homöopathie etc.) sollten beim kindlichen RDS eher nicht<br />
angewendet werden.<br />
[Evidenzgrad D, Empfehlungsstärke ↓, Konsens]<br />
Kommentar<br />
Diese Therapieverfahren werden häufig angewendet [358], ihre<br />
Sicherheit und Wirkung sind bislang aber nicht dokumentiert.<br />
Ein starker Placeboeffekt ist aufgrund der Daten zu placebokontrollierten<br />
Medikamentenstudien zu postulieren [359, 360].<br />
Kapitel 5 – Ernährung<br />
5-1: Diagnostische und therapeutische Rolle der Ernährung<br />
beim RDS bei Erwachsenen (AG 5)<br />
I. Einleitung<br />
Das Thema „Ernährung“ im Kontext von <strong>Reizdarmsyndrom</strong><br />
(RDS) wird kontrovers diskutiert. Zum einen ist unklar, ob<br />
Ernährungsfaktoren bei der Entstehung von RDS eine Rolle<br />
spielen, zum anderen ist wenig bekannt, inwieweit ernäh-<br />
Layer P et al. <strong>S3</strong>-<strong>Leitlinie</strong> zur <strong>Definition</strong>,… Z Gastroenterol 2011; 49: 237 –293<br />
rungsmedizinische Maßnahmen sinnvoller Bestandteil eines<br />
Therapiekonzepts für Patienten mit RDS sein können. Nachdem<br />
ein Paradigmenwechsel in der <strong>Definition</strong> des RDS zu erwarten<br />
ist, wonach das Krankheitsbild nicht ausschließlich<br />
anhand von Symptomkonstellationen und Ausschluss anderer<br />
Erkrankungen, sondern nach pathophysiologischen Veränderungen<br />
wie subklinische Entzündung, Störung des Darmnervensystems<br />
oder Störung im Bereich der Darm-Hirn-Achse<br />
definiert wird, kann erwartet werden, dass auch die Rolle<br />
der Ernährung in der <strong>Pathophysiologie</strong> des RDS neu definiert<br />
werden muss. Derzeit ist lediglich festzuhalten, dass das RDS<br />
gegenüber Nahrungsmittelunverträglichkeiten ( = immunologisch<br />
vermittelte Nahrungsmittelallergien oder meist durch<br />
Enzymdefekte verursachte Nahrungsmittelintoleranzen) abgegrenzt<br />
werden muss und dass nur wenige pauschale Ernährungsempfehlungen<br />
evidenzbasiert sind. Dem steht eine<br />
Erwartungshaltung vieler Patienten bez. der Ernährungstherapie<br />
gegenüber, die die evidenzbasierten Empfehlungen vielfach<br />
übersteigt. Da andererseits bekannt ist, dass Placeboeffekt<br />
und Suggestion eine relevante Rolle in der Behandlung<br />
des RDS spielen können, ist es möglich, dass durch eine allzu<br />
„nüchterne“ Darstellung der Evidenz ernährungstherapeutischer<br />
Maßnahmen wertvolle Therapieoptionen vertan werden<br />
könnten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Fehlen<br />
einheitlicher Ernährungsempfehlungen in keiner Weise<br />
ausschließt, dass individuelle Ernährungstherapien wie beispielsweise<br />
auf subjektiven Unverträglichkeiten basierende<br />
Eliminationsdiäten sehr erfolgreich sein können, ohne dass<br />
andere Erkrankungen als RDS nachgewiesen sind. Daraus<br />
mag verständlich werden, warum hier präsentierte, nach<br />
strengen Kriterien geprüfte Empfehlungen und therapeutischer<br />
Alltag manchmal divergieren. Trotz all dieser Limitationen<br />
können 11 Empfehlungen ausgesprochen werden, die<br />
überwiegend mit starkem Konsens gestärkt wurden.<br />
Statement 5-1-1<br />
Es gibt keine einheitliche Ernährungsempfehlung für alle Patienten<br />
mit einem <strong>Reizdarmsyndrom</strong>, aber es gibt zahlreiche individuelle<br />
Ernährungsempfehlungen, die sich an den jeweiligen Symptomen<br />
orientieren.<br />
[Evidenzgrad B, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]<br />
Kommentar<br />
Der Evidenzgrad B dieser Äußerung basiert auf zahlreichen Arbeiten<br />
(aller Evidenzgrade inklusive Grad I), die zu dieser Thematik<br />
negative Ergebnisse erbracht haben. Auf deren Nennung<br />
wird verzichtet. Ebenso haben zahlreiche Arbeiten belegt, dass<br />
es für Subgruppen von Patienten mit RDS evidenzbasierte<br />
Empfehlungen gibt, die im Folgenden mit entsprechender Literatur<br />
dargestellt werden. Andererseits gibt es keine Arbeit, die<br />
das Statement 5-1-1 als primäre Fragestellung adressiert. Aus<br />
diesem Grund wurde der Evidenzgrad von A nach B abgestuft.<br />
Statement 5-1-2<br />
Ernährungsbezogene Empfehlungen für Patienten mit der Diagnose<br />
<strong>Reizdarmsyndrom</strong> vom postinfektiösen Typ weichen nicht von<br />
den Empfehlungen für Patienten mit anderen Typen des <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s<br />
ab.<br />
[Evidenzgrad D, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]<br />
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