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Heft 4 (2009) - Igda.net

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Organ der<br />

Interessengemeinschaft<br />

deutschsprachiger<br />

Autoren e. V. (IGdA)<br />

ISSN 0930-7079<br />

33. Jahrgang <strong>2009</strong><br />

Ausgabe 4<br />

Einzelheft € 4,-


inhalt impressum<br />

EDITORIAL<br />

Gaby G. Blattl S. 3<br />

LYRIK<br />

A. Korte: Orangenfarben; C. Scheel: Unterwegs;<br />

W. Weiß: So golden; W. Volka: Haiku; K. Manke: Fenster;<br />

S. 5<br />

J.A.Stöckl: Grossstadt; G. Walz: Frostig; K. E. Hofmann: Im Winter;<br />

G. Walz: Schneesturm im Christbaum; H. Wolff:<br />

Ferngesteuerter Gast; U. Gressmann: Verwachten, Still is de<br />

Nacht, Winterdag; G. Jaekel: Aus einem Engel-Zyklus;<br />

T. Schmich: Auf dem Weihnachtsmarkt;<br />

C. Scheel: Nach dem Mauerfall<br />

PROSA S. 9<br />

Wie sich die Bilder gleichen G. Franze: S. 9<br />

Grenzübergang 1986 Ch. Engelmann: S. 11<br />

Berliner Mauer R. Weidauer: S. 12<br />

Das Geschenk E. Schanda S. 15<br />

Nun engeln sie wieder W. Ehrismann: S. 19<br />

Zu viel Weihnachten D. Buzatti/C. Scheel: S. 21<br />

Die letzte Weihnachtsgans I. Ott/S.Hinzmann S. 23<br />

Nikolaus, Klaubauf, Krampus & Co G. Hühn-Keller: S. 26<br />

Die etwas andere Weihnachtsgeschichte H. Schaller: S. 29<br />

Das Kellerfenster<br />

ESSAY<br />

R. Bachmann-Voelkel S. 32<br />

Ist Dichten lernbar? M. Andreotti S. 33<br />

Kitsch und Kunst I. M. Hörning S. 37<br />

IGdA<br />

Kleines Feuilleton S. 38<br />

Neue Mitglieder<br />

J.K. Kuppe: pfeil an die rippen<br />

M. H. Fischer: Kleiner Engel<br />

M. Stark: Zeit ohne Seele<br />

S. 40<br />

Aktivitäten der Mitglieder S. 41<br />

Bücherschau S. 42<br />

C. Matter: Moderne Literatur – ein neuer Zugang S. 42<br />

H. Knoll: Rätselbuch S. 43<br />

H. Knoll: Ich kenne gar kein Dezifit S. 43<br />

C. Scheel: Versöhnung S. 45<br />

Service S. 50<br />

G. Franze: Jahrestreffen <strong>2009</strong> S. 50<br />

K. Wirner: Protokoll <strong>2009</strong> S. 52<br />

G.G. Blattl: Ein paar Worte zum Festabend S. 54<br />

Interner Wettbewerb – Ergebnis S. 55<br />

Geburtstage und Leserbriefe S. 56<br />

MIT SPITZER FEDER BETRACHTET<br />

Georg Walz S. 57<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 2<br />

Redaktion der IGdA-aktuell:<br />

Angelika Zöllner (Lyrik u. Service)<br />

e-mail: angelika.zoellner@gmx.de)<br />

Gaby G. Blattl (Prosa)<br />

e-mail: gabyblattl@chello.at<br />

Renate Weidauer (Prosa)<br />

r-r.weidauer@free<strong>net</strong>.de<br />

Georg Walz (Mit spitzer Feder …)<br />

georgwalz@web.de<br />

Anschrift der Redaktion :<br />

IGdA-aktuell -Angelika Zöllner<br />

Imkerweg 11, 42279 Wuppertal<br />

Tel: 0202/526512<br />

Layout: Gaby G. Blattl<br />

Titelbild und Illustration:<br />

Mag. A. Wirski-Saini<br />

Fotos Frankenberg: Georg Walz<br />

Druck: Druckerei Meyer, Scheinfeld<br />

IGdA-aktuell<br />

- erscheint viermal pro Jahr<br />

Einzelpreis € 4.-zzügl. Porto<br />

Doppelnummer € 8.- zzgl. Porto<br />

Abonnement: € 21.-/Jahr<br />

Alle Rechte an den Beiträgen liegen<br />

bei den Autoren. Nachdruck nur mit<br />

ausdrücklicher Genehmigung der<br />

Redaktion. Namentlich gezeich<strong>net</strong>e<br />

Beiträge geben die Meinung der Autoren,<br />

nicht unbedingt die der Redaktion<br />

wieder.<br />

ISSN 0930-7079<br />

1. Vorsitzender:<br />

Othmar Seidner<br />

A-1020 Wien, Handelskai 224/5/9/59<br />

e-mail: othmar-seidner@chello.at<br />

Tel: 00431/9252565<br />

Geschäftsstelle:<br />

Gaby G. Blattl<br />

A-1230 Wien<br />

Anton- Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />

e-mail: gabyblattl@chello.at<br />

Tel: 00431/9671024<br />

Schatzmeister:<br />

Dr. Volker Wille<br />

D-30659 Hannover, Platanenhof 23<br />

e-mail: adl.wille@t-online.de<br />

Tel: 0511/652823<br />

Bankverbindung:<br />

Postbank Hannover, BLZ: 250 100 30<br />

Konto: 102088-302<br />

IBAN DE50 2501 0030 0102 0883 02<br />

BIC PBNKDEFF<br />

IGdA-Aktuell wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.


Liebe Mitglieder,<br />

liebe Leser,<br />

ein nicht ganz einfaches, in Summe aber doch gutes Jahr liegt hinter uns. Viele Probleme<br />

konnten gelöst werden. Wie überall bleibt auch einiges unerledigt, sozusagen in der Warteschleife;<br />

einige Ihrer Anregungen werden nach und nach aufgenommen.<br />

Vorweg zwei Termine:<br />

Editorial<br />

Karin Manke organisiert zum zweiten Mal ein Frühlingstreffen in<br />

Berlin vom 6. – 9. Mai 2010 und<br />

Wilfried Auer hat sich bereiterklärt, das nächste Jahrestreffen in<br />

Schlüsselfeld vom 23. – 26. September 2010<br />

zu organisieren.<br />

Bitte merken Sie beide Termine vor. Es wäre schön, wenn wir möglichst viele Mitglieder<br />

und interessierte Gäste begrüßen dürften.<br />

Nun zu dieser Ausgabe:<br />

Erstaunlich wenige Einsendungen haben uns erreicht. Offenbar ist der Mauerfall vor 20<br />

Jahren – an dem wir nicht vorbeigehen wollten – kein Thema oder kaum eines für Lyriker.<br />

Auch Prosabeiträge sind rar, und wenn, befassen sie sich mit dem ‚vorher‘. So ist es diesmal<br />

wohl eher ein ‚Bericht-<strong>Heft</strong>‘ geworden. Auch das hat seine Berechtigung.<br />

Wir werden hin und wieder ein Thema durch mehrere Lyrik- und Prosa-Beiträge vertiefen,<br />

wie jetzt z. B. „Mauerfall“. Das werden wir rechtzeitig, in der jeweils vorherigen Ausgabe<br />

ankündigen, Sie gleichzeitig zur Mitarbeit (Beiträge einsenden) einladen und den Redaktionsschluss<br />

bekannt geben.<br />

Eine Problematik besteht leider immer noch: kein Archiv. Trotz großer Anstrengungen ist<br />

es auch <strong>2009</strong> nicht gelungen, Unterlagen von Jutta Miller-Waldner zu bekommen. Deshalb<br />

appelliere ich an Sie: Zeitungen – Dokumente – Almanach … was Sie abgeben wollen bzw.<br />

können (Dokumente selbstverständlich auch in Kopie) schicken Sie bitte an die Geschäftsstelle.<br />

Das gilt auch für Texte. Sie wissen: Gedichte an Angelika Zöllner, Prosa, Essay, etc. an die<br />

Geschäftsstelle. Wenn es Ihnen möglich ist, per email, auf Diskette oder CD.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 3<br />

Gaby G. Blattl<br />

Der Vorstand der IGdA wünscht Ihnen einen schönen,<br />

stimmungsvollen Advent, ein frohes Fest und einen guten Jahresbeginn<br />

für ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2010 !


anneliese Korte<br />

Orangefarben<br />

Orangefarben wie ein letzter Gruß<br />

Versinkt die Sonne<br />

Sommergesättigt hinter dem Deich<br />

In windstiller Dämmerung<br />

Spreizt ein Nachtvogel<br />

Sein seidenglänzendes Gefieder.<br />

Im verblassenden Licht<br />

Entgleitet er meinem Blick.<br />

Cordula Scheel<br />

Unterwegs<br />

Schatten dunkeln<br />

im Feuermohn<br />

unbekannt<br />

die Stufen<br />

Veränderungen<br />

im Geröll<br />

Erinnerung der Füße<br />

In kühler Luft<br />

eine schimmernde Spur<br />

zu den Anhöhen<br />

weiß die Schlehen<br />

dunkler die Schatten<br />

weiß ich noch<br />

wer du bist?<br />

(wir entschuldigen uns für den unzureichenden abdruck im<br />

letzten <strong>Heft</strong> und wiederholen den text) .<br />

lyriK<br />

Spätsommer, Herbstliches und danach<br />

Waltraud Weiß<br />

So golden<br />

Und so durchsichtig<br />

Und so zart<br />

Scheint die Herbstsonne<br />

Auf das Leben<br />

Altgewordene Schönheit<br />

Färbt sich langsam<br />

Ins Goldene<br />

Und wird zur Ewigkeit<br />

Und so durchsichtig<br />

Und so zart<br />

Berühren wir<br />

Mit alten Händen<br />

Den Himmel<br />

Sehnsuchtsbang<br />

Und hoffnungsfroh<br />

Mit beiden Händen<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 4<br />

Wenn sich die Himmelspforte öff<strong>net</strong><br />

Werden wir<br />

In den Arm genommen<br />

Und sind angekommen<br />

Willi Volka<br />

Wie wirbelt im Wind<br />

blattverspielt der Übermut.<br />

Bunt maskiert der Herbst.


Karin Manke<br />

Fenster<br />

An manchen Tagen<br />

sind die Fenster blind<br />

und verschwommen<br />

wie meine Augen –<br />

und trauen der Welt nur<br />

In mir – meinem Lichtweg zur Seele,<br />

die mir die Stille öff<strong>net</strong>.<br />

An manchen Tagen<br />

stehe ich lange am Fenster,<br />

nehme wahr und lass mich<br />

mit den Wolken forttreiben.<br />

Dann zieht’s mich raus –<br />

Aus mir –in die Welt,<br />

ins Fremde und Ferne.<br />

An manchen Tagen strömt Licht,<br />

viel Licht und Sonnenschein,<br />

durch mein Fenster herein.<br />

Staubkörner spiegeln die Strahlen –<br />

Einer Milchstraße gleich,<br />

die den Wohnraum durchquert.<br />

Alles Lebendige in mir<br />

Und außerhalb von mir<br />

Strömt aus dem Licht,<br />

durch meine Fenster,<br />

die abgrenzen und<br />

mich immer wieder<br />

mit dem Universum verbinden.<br />

lyriK<br />

Josef albert Stöckl<br />

Grossstadt<br />

Was bist Du nur<br />

für eine Königin !<br />

Mächtige und Reiche<br />

birgst Du<br />

in Deinen Mauern<br />

Heimatlose aber verbirgst Du<br />

unter Brücken und Bäumen.<br />

Gewalztes Blech<br />

strömt unaufhörlich<br />

durch Deine Adern.<br />

Ruhelos bist Du<br />

denn noch in der Dunkelheit<br />

pulsiert in Dir<br />

das Blut der Nächte<br />

bereichert vom Geruch<br />

von Lust und Leid.<br />

Schlaftrunken wie eine<br />

heimkehrende Geliebte<br />

taumelst Du<br />

dem jungen Morgen entgegen.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 5


Georg Walz<br />

Frostig<br />

Ratlosigkeit geht<br />

Zwischen den Tagen spazieren<br />

Sucht verlorene Zeit<br />

In der Ruhe im Park<br />

Schritte verhallen<br />

Im Heulen streunender Hunde<br />

Kälte der Luft<br />

Lässt die Gedanken beim Einatmen<br />

In der Nase gefrieren<br />

Herzschlag<br />

pocht in wilder Hast<br />

einsam die verlassene Straße entlang<br />

lehnt sich<br />

von Stund zu Stund<br />

an eiserne Pfeiler<br />

die an der Spitze das Dunkel erhellen<br />

Kräftige Arme<br />

Umarmen den Schneemann<br />

Der über den Zugang zum Garten wacht<br />

brennendes Holz bläst weißen Atem<br />

in kräuselnden Säulen über rote Dächer<br />

obgleich in der Wärme der Stube<br />

spärliche Sonnenstrahlen neue Kraft geben<br />

und müde Bäume<br />

die längst alle Blätter verloren<br />

ihre entblößten Arme<br />

Erwartungsvoll gegen neues Leben strecken<br />

lyriK<br />

Winter und Weihnacht<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 6<br />

Kornelia Eleonore Hofmann<br />

Im Winter<br />

Im Winter schwebt ein reifbesetztes<br />

Kleid im Geäst<br />

ich schweige<br />

bis der Wind mich heim jagt<br />

die Wolken erzittern, manchmal<br />

fliehen sie in das Wasser<br />

und finden Worte für alles<br />

diese Sprache verstehe ich nicht.<br />

sie wissen es<br />

und lachen auf offenem Feld<br />

Nebelland habe ich gesehen<br />

Georg Walz<br />

Schneesturm im Christbaum<br />

Nacht -<br />

denke ich Glockenklang<br />

es funkeln rote Sterne<br />

Kerzen flackern<br />

Bienenwachs<br />

tropft auf Harmonie<br />

im Gefolge der Weisen<br />

fällt Lametta in das Grün der Nadeln<br />

frischer Duft von Harz umhüllt<br />

die Ruhe spricht<br />

Hektik hält<br />

dagegen können Feiertage<br />

die Völlerei im Saufgelage<br />

übertreffen


Muße<br />

legt Mandelduft<br />

in Gesang der Chöre<br />

Freude in unbekümmertem Kinderlachen<br />

sorgt nach der Geburt für fröhlichen<br />

Ausklang.<br />

Hannelore Wolff<br />

Ferngestirnter Gast<br />

Neigt sich<br />

Ein unerschlossener Stern dir zu<br />

Setz bedächtig deine Schritte<br />

Überschattet sichtverklärt<br />

Der übrige Mut<br />

Kniet ein fremder Tag<br />

Vor dem Fensterkreuz<br />

Erschließe sein Ersinnen<br />

Lass Augenblicke da verweilen<br />

Wo Monde beflügelt<br />

Gewölk umgleiten<br />

Halt inne<br />

Wo gestirnter Regen<br />

Glühende Haut be<strong>net</strong>zt<br />

Lass ungeacht’ enteilen<br />

Den zweifelsträchtigen Blick<br />

Wo zügelscheue Zungen<br />

Deinen Traum entweihen.<br />

lyriK<br />

ursula Gressmann<br />

Verwachten<br />

In disse Tied, Advent,<br />

we wachten up uns Redder<br />

Jesus Christ, de Heiland.<br />

He sall und weer freeimaken<br />

vun Knojeree un Gebreken.<br />

Frede mit uns Heergott<br />

bedüded, dat geiht uns better.<br />

De Seel is denn neet so licht,<br />

as een Flinnerk un we möten<br />

uns Hart festhollen,<br />

umdat’t <strong>net</strong> offlegt.<br />

Still is de Nacht<br />

Noch is’t neet Dag,<br />

Maan un Steern<br />

över de Wulken lüchten.<br />

Still is den Welt.<br />

De Wind spöölt sein Musik.<br />

Wiet ofgelegen hör ik<br />

de Klocken gahn.<br />

Ruugfrost, dörsichtig<br />

as Glas, glinstert.<br />

Nu fleegen Engel dör<br />

de Nacht in disse stillste<br />

Stünne, keen Minsk<br />

mutt sück nu sörgen:<br />

Se flegen allerwegens.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 7


Winterdag<br />

Keen Klören, all witt,<br />

Ruugfröst up de Bomen,<br />

Swartdrussels as swarte<br />

Blössems in de Twiegen.<br />

Sneeiglinstern up de Felden,<br />

Sünn achter swarte Wulken.<br />

Ik hebb dien Hand in miene<br />

un frei me, da’t kold is<br />

un we uns tegensiedig<br />

warmhollen.<br />

Gerda Jaekel<br />

Aus einem Engel-Zyklus<br />

1 Engel der Barmherzigkeit<br />

2<br />

willst wieder leben<br />

aller Befürchtungen grau<br />

breitest ein weißes Tuch darüber<br />

kein Ruf gibt dir Auftrag<br />

wandelst nicht im Licht<br />

Engel der Freundlichkeit<br />

lächelst in den Morgen<br />

Wärme hüllt dich ein<br />

Trost bringt dein Licht<br />

Zieht mich selig hinan<br />

Strahlende Geborgenheit.<br />

lyriK<br />

Engel der Dankbarkeit<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 8<br />

3<br />

Wächter der Betrübten<br />

Weiß glänzt dein Mond<br />

Darunter sechs grüne Steine<br />

Mit ihrem hellen Glanz.<br />

(wir bedanken uns bei unserem Gast ursulaGressmann, die<br />

eine reihe von mundarttexten geschrieben hat, für diese zur<br />

Verfügung gestellten texte)<br />

theo Schmich<br />

Auf dem Weihnachtsmarkt<br />

Geschäftig-eilig<br />

Erwachsen-nüchtern<br />

Betrete ich den Weihnachtsmarkt –<br />

Auf einen raschen Schlenker nur<br />

Tauche ahnungslos<br />

Ganz ohne Vorbereitung<br />

Ins Land der Märchen, Träume ein –<br />

Das Herz sogleich schlägt<br />

Überglücklich jung<br />

Spielzeugautos, Puppen, Zinnfiguren<br />

Glitzerketten, bunter Christbaumschmuck<br />

Zuckeräpfel, Glühwein, Reibekuchen –<br />

Menschen<br />

Festtagsstimmung hüllt mich ein<br />

Und nimmt mich mit<br />

Tiefer in die Weihnachtszeit<br />

Mit jedem Schritt<br />

Zum Kind geworden<br />

Schwebe ich auf einer Wolke<br />

Seliger Erinnerung.


Cordula Scheel<br />

Nach dem Mauerfall<br />

wieder im Grenzland<br />

Sperrgebiet unbetretbar<br />

lange Jahre<br />

vermisst gemeldet<br />

die Kindheit.<br />

Erste Begegnung -<br />

Regen verwischt<br />

die Schwere<br />

die Kehle zu eng<br />

die Augen überflutet.<br />

Justiert die Waage<br />

der Gerechtigkeit<br />

leichter die Erinnerung<br />

erlöst gerückt<br />

an die Dankbarkeit<br />

lyriK / ProSa<br />

Zum zwanzigjährigen Mauerfall...<br />

Gabriela Franze<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 9<br />

Wie die Bilder sich gleichen<br />

- 20 Jahre deutsche Einheit -<br />

Gut, es war nicht alles schlecht. Aber<br />

dennoch: Endlich frei! Frei! Frei!!!<br />

Ich war siebenundzwanzig Jahre alt und<br />

bedauerte jeden einzelnen Wessi, weil<br />

er niemals wissen würde, wie restlos<br />

überwältigend sich das anfühlte. Bananen,<br />

Kiwis, Autos, Reisen – geschenkt. Aber<br />

sagen zu dürfen, was ich dachte, das war<br />

das Größte für mich. Es war, als hätte mir<br />

endlich jemand Leben eingehaucht. Ich<br />

fühlte, wie mein Herz klopfte, mein Hirn sich<br />

überschlug und mein Körper Endorphine<br />

am Fließband produzierte. Jemand hatte<br />

das Licht angeknipst. Es blendete meine<br />

Augen noch. An die Helligkeit musste ich<br />

mich erst gewöhnen.<br />

Nicht nur Deutschland, ganz Europa wuchs<br />

nach und nach zusammen. Kaum hatte ich<br />

die Währungsunion verdaut, mich an die<br />

neuen Münzen gewöhnt und mitgeschnitten,<br />

was Mehrwertsteuer, Freibetrag und<br />

Vorsteuerabzug bedeuteten, kamen neue<br />

DM-Scheine. Ich war bereits in Übung und<br />

nahm diese Hürde mit Leichtigkeit. Ein Jahr<br />

ohne Währungsreform ist kein Leben! Gott<br />

sei Dank wurde der Euro eingeführt! Mir<br />

hätte etwas gefehlt!<br />

„die Jungfer Europa ist verlobt mit dem schönen<br />

Genusse der Freiheit, sie liegen einander im arm<br />

und schwelgen im ersten Kusse.“<br />

Einen Wermutstropfen gab es allerdings.<br />

Das mit dem Sagen, was man denkt, hing<br />

irgendwie wiederum davon ab, was man<br />

dachte und wem man es sagte.<br />

Ich examinierte Vollblutidealistin stellte fest,<br />

dass Betonköpfigkeit und Ewiggestrigkeit


keine ostdeutschen Monopole waren.<br />

Nicht umsonst nannten wir die Wessis<br />

„Besserwessis“. Sie waren uns auch hierin<br />

überlegen. Ich hoffte, ausschließlich auf<br />

Großkarierte zu treffen, Nonkonformisten<br />

und Freidenker. Die gab es. Auch. Zuweilen.<br />

Aber es war im Grunde „noch immer das<br />

hölzerne Volk, noch immer ein rechter Winkel in<br />

jeder Bewegung und im Gesicht der eingefrorne<br />

dünkel“.<br />

Image war alles. Die Masse definierte sich<br />

überwiegend über den Schein statt über<br />

das Sein. Ich verstand die Wessis nicht. Sie<br />

hatten mit der Muttermilch aufgesogen, die<br />

freie Wahl aus Millionen von Möglichkeiten<br />

zu haben. Statt die Probleme auf dem Weg<br />

zum eigentlichen Sein zu meistern, sich ein<br />

Rückgrat anzuschaffen und mit Haltung<br />

durchs Leben zu gehen, duckten und<br />

schleimten sich die meisten auf dem Weg<br />

des geringsten Widerstandes in eine besser<br />

bezahlte Position, um vor ihren Nachbarn<br />

mit dem größeren Auto angeben zu können.<br />

Deutsche sind glücklich, wenn andere<br />

Deutsche neidisch auf sie sind. Das eint uns<br />

wirklich.<br />

„Sie stelzen noch immer so steif herum, so<br />

kerzengerade und geschniegelt, als hätten sie<br />

verschluckt den Stock, womit man sie einst<br />

geprügelt.“ Die körperliche Züchtigung ist<br />

längst abgeschafft. Aber in der seelischen<br />

setzt sie sich fort. Sie nennt sich jetzt<br />

Leistungsdruck, Markenjeans, Inter<strong>net</strong>handy<br />

und Cabrio zum Abi. Haste was, dann biste<br />

was, haste nüscht, dann wirste gemobbt.<br />

Erfolg ist sexy. Erfolg hat, wer mit der<br />

perfekten Kulisse perfekt ins Bild passt. Wer<br />

sind wir eigentlich?! Was haben wir nur<br />

aus unserer Freiheit gemacht?! Ich würde<br />

sagen, da sind auf beiden Seiten noch alle<br />

Möglichkeiten offen!<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 10<br />

An dieser Stelle bringe ich mich ins<br />

Spiel. Erinnern Sie sich: Examinierte<br />

Vollblutidealistin! Obendrein Sternzeichen<br />

Schütze! Schützen wollen die Welt<br />

verbessern. Ich auch. Vor allem ich! Die<br />

Welt baut auf mich! Zur Wende habe ich<br />

das Blut der Freiheit geleckt. Ein Schütze<br />

im Blutrausch fügt sich nicht. Er verbeißt<br />

sich, lässt nicht locker, kapituliert niemals!<br />

Durch Hindernisse ist er nicht aufzuhalten<br />

- im Gegenteil - er rennt sie um, aber mit<br />

einem Lächeln. Wozu sonst bin ich mit<br />

diesem abgrundtiefen Humor und diesem<br />

gottverdammten Schreibtalent geseg<strong>net</strong>?<br />

Absicht des Schöpfers! Ich bin ein moderner<br />

Till Eulenspiegel!<br />

„hier (im Kopf) hab ich die Spitzen, die feiner<br />

sind, als die von Brüssel und mecheln, und pack<br />

ich dereinst meine Spitzen aus, sie werden euch<br />

sticheln und hecheln.<br />

im Kopfe trag ich Bijouterien, der Zukunft<br />

Krondiamanten, die tempelkleinodien des neuen<br />

Gotts, des großen unbekannten.“<br />

Heute bin ich siebenundvierzig Jahre alt und<br />

lebe in Köln. Ich sächsle gegen jedes Image<br />

an, trete an gegen bürokratische Holzköpfe,<br />

Ignoranten und Krümelkacker. Wie eh und je.<br />

Aber die Menschen hier im Rheinland - wie<br />

soll ich sagen - oh Mann! - die Rheinländer<br />

sind irgendwie anders. Zum ersten Mal im<br />

Leben habe ich das Gefühl, dass das mit der<br />

besseren Welt machbar ist. Wenn nicht in<br />

Köln, wo sonst?!<br />

Ich war noch niemals in New York, ich war<br />

noch niemals auf Hawaii, ging noch nie<br />

durch San Franzisco in zerriss‘nen Jeans -<br />

aber ich bin seit Jahren frei!!!<br />

(Zitate aus Heinrich Heine „Deutschland - Ein<br />

Wintermärchen“ und Udo Jürgens „Ich war noch<br />

niemals in New York“)


Christiane Engelmann<br />

Im April 1985 heiratete unsere einzige<br />

Tochter. Wir hatten vor, ein schönes Familienfest<br />

zu feiern. Die Schwester unseres<br />

Schwiegersohnes war jedoch mit ihrer Familie<br />

einige Jahre zuvor aus der DDR in die BRD<br />

umgezogen. Strafe muss sein, sie bekam auf<br />

unseren Antrag hin keine Erlaubnis, an der<br />

Hochzeit ihres Bruders teilzu-nehmen. Die<br />

Einreise in die DDR wurde ihr verweigert.<br />

Da sie ihre Schwägerin und die dazugehörige<br />

Familie kennenlernen wollte, wir ebenfalls<br />

diesen Wunsch hatten, vereinbarten<br />

wir ein Familientreffen auf dem Boden der<br />

Tschechoslowakei, in Eger (Cheb). Aus Ost<br />

und West reisten alle der Familie zugehörigen<br />

Jungen und Alten an, wir verlebten<br />

frohe gemeinsame Stunden 1986 bei herrlichem<br />

Spätsommerwetter und trennten uns<br />

schweren Herzens wieder.<br />

Wir hatten in unserem Lada unsere hochschwangere<br />

Tochter mitgenommen, da er<br />

bequemer war als der Trabant des Schwiegersohnes.<br />

Im Trabant war der Bruder aus<br />

Leipzg mit angereist. Auf der Heimfahrt<br />

benutzten die beiden Männer, wieder Richtung<br />

Leipzig fahrend, einen anderen Grenzübergang<br />

als wir.<br />

Als wir im Dunklen die Grenze der DDR<br />

bei Reizenhain erreichten, schienen die<br />

Zollorgane regelrecht auf uns gewartet zu<br />

haben. Sie nahmen uns die Pässe ab und ließen<br />

uns dann eine halbe Stunde im Dunklen<br />

stehen, einfach so. Wir waren die Einzigen an<br />

der Grenze. Dann kamen sie zum Auto und<br />

fingen an, uns nach dem wohin und woher zu<br />

befragen. Da das Treffen mit Westdeutschen<br />

in der CSSR unerwünscht war, erzählten wir<br />

von einem Wochenendausflug, was ja auch<br />

stimmte. Nun mussten wir den Kofferraum<br />

öffnen, und da entdeckten die Zöllner einen<br />

Korb voller Südfrüchte, welche ein Hinweis<br />

auf Westkontakt waren. Sofort kam die Frage<br />

ProSa<br />

Grenzübergang 1986<br />

Ein Tatsachenbericht<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 11<br />

nach dem Spender des Obstes. Ich muss<br />

gestehen, dass ich die Beherrschung verlor<br />

und sehr laut und deutlich meine Meinung<br />

gesagt habe. Ich habe regelrecht gebrüllt,<br />

wie gerne ich diese Früchte für unsere<br />

schwangere Tochter in Dresden gekauft<br />

hätte, wenn es sie nur gäbe. Wie gern ich die<br />

westdeutschen Verwandten zur Hochzeit<br />

oder irgendwann im Jahr als Gäste in der<br />

DDR bewirtet hätte, wenn sie hätten kommen<br />

dürfen. Ich war sehr wütend und aufgeregt<br />

und habe sie noch darauf aufmerksam<br />

gemacht, dass unsere Tochter im Auto kurz<br />

vor der Entbindung sei und ihr Kind nicht in<br />

Reizenhain zur Welt kommen solle.<br />

Nachdem sich die Kontrollorgane noch einmal<br />

zurückgezogen und telefoniert hatten,<br />

durften wir nach Hause fahren, mit den Südfrüchten.<br />

Wir hatten fast zwei Stunden am<br />

Kontrollpunkt verbracht.<br />

Ich war dermaßen aufgebracht und ärgerlich,<br />

dass ich zu Hause Beruhigungsmittel<br />

schlucken musste.<br />

Diese Erlebnisse gehören mit in unser Leben<br />

und haben nicht dazu beigetragen, uns für<br />

die DDR und den praktizierten Sozialismus<br />

zu begeistern.


enate Weidauer<br />

ProSa<br />

„Ich habe Angst, Mutti, ich möchte<br />

lieber wieder zurück fahren“ reagierte<br />

meine Tochter, fast 17jährig, auf die<br />

seltsame Atmosphäre am innerdeutschen<br />

Grenzübergang Rudolfstein/Hirschberg.<br />

Straffer Kommandoton überdeckte notdürftig<br />

Hilflosigkeit und Unsicherheit bei den<br />

diensttuenden Grenzern. Weder sie noch<br />

wir wussten, woran wir eigentlich waren<br />

an diesem 30. Oktober 1989 . In der DDR<br />

rumorte es.<br />

Wir beide waren im Auto auf dem Weg nach<br />

Westberlin, ein Wunsch meiner Tochter, die<br />

die Mauer in Berlin zum ersten Mal sehen<br />

wollte, denn die kurzen Hinweise im knapp<br />

gehaltenen Unterricht in Zeitgeschichte<br />

hatten diese Reise ausgelöst.<br />

„Ich kann mir das mit der Grenze, an der<br />

geschossen wird, und einer Mauer, quer<br />

durch eine Stadt, gar nicht richtig vorstellen.<br />

Das will ich sehen,“ hatte sie mir erklärt, als<br />

sie nach Schuljahresbeginn im September<br />

1989 diesen Wunsch äußerte. Die in Bayern<br />

schulfreien Tage um das Reformationsfest<br />

und Allerheiligen, Allerseelen boten eine<br />

Gelegenheit, nach Berlin zu fahren.<br />

1945 bis 52 im englischen Sektor Westberlins<br />

aufgewachsen, bin ich in Grunewald<br />

zur Oberschule gegangen und wollte<br />

ihr bei dieser Gelegenheit auch die Orte<br />

meiner Kindheit und unsere Wohnung in<br />

Schmargendorf zeigen.<br />

Auf der Autobahn fuhren wir in München<br />

am Meilen-Gedenkstein für „Berlin: 600 km“<br />

und dem Berliner Bären als Krönung waren<br />

vorbei und standen nun bei Rudolfstein, auf<br />

die Grenzabfertigung in die DDR wartend, in<br />

einer der Autoschlangen. Ein beklemmendes<br />

Gefühl beschlich uns. Uniformierte Grenzer,<br />

bewusst abweisend und unfreundlich, gingen<br />

die Reihen der Fahrzeuge kontrollierend<br />

entlang, strahlten Abwehr und Fremdheit<br />

aus, freundlichen Worten unzugänglich.<br />

Der Hals war uns wie zugeschnürt, der<br />

Berliner Mauer:<br />

Besuch im letzten Moment<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 12<br />

Kloß dahinter wurde dicker und dicker, wir<br />

wagten nicht einmal laut zu husten oder<br />

gar miteinander zu reden, im Blick dieser<br />

Uniformierten, die dort standen, Gewehr<br />

im Anschlag. Andere nahmen uns durch die<br />

Autofenster die Papiere ab, unwirsch und<br />

jedes Gespräch erstickend, ließen uns in<br />

Unwissenheit des Kommenden im Wagen<br />

zurück. Aussteigen verboten! Formulare<br />

waren auszufüllen, Transitantrag für die<br />

Einreisebewilligung, die Pässe wurden uns<br />

abgenommen sowie pro Person 25.- DM<br />

West als „Eintrittsgeld“ wie es heimlich<br />

genannt wurde. Umtausch West- in Ostgeld<br />

1 : 1. Unsere Papiere verschwanden durch<br />

kleine Luken, uneinsehbar, zur Bearbeitung<br />

(„Was machen die jetzt so lange damit?“)<br />

und dann hieß es warten. Wie lange? Das<br />

wusste keiner, niemand sprach mit anderen<br />

Wageninsassen, immer fürchtend, etwas<br />

Falsches zu tun. Angst hatte uns fest im<br />

Griff.<br />

In ungleichem Schneckentempo rückte Auto<br />

für Auto – es waren drei oder vier wartende<br />

Reihen – an die Absperrung vor. Uns klopfte<br />

das Herz oben im Hals, wir waren eingesperrt<br />

im Auto, malten uns Schreckensszenarien<br />

der Gefahr und Willkür aus. Die Atmosphäre<br />

des Ganzen, ein Gemisch aus Hilflosigkeit,<br />

befürchteter Gewalt, Kasernenton<br />

und körperlich fühlbarer Unfreiheit<br />

umgab uns lähmend. Und wir meinten,<br />

Unsicherheit auch auf der Gegenseite zu<br />

erkennen. Grenzbefestigungen, Schilder:<br />

DDR STAATSGRENZE und „Motoren<br />

abstellen!“, „Wagen nicht verlassen!“<br />

waren unsere einzige Lektüre, fürchteten<br />

wir doch, ein Buch zum Lesen in die Hand<br />

zu nehmen, es hätte auf dem Index der<br />

DDR stehen können, wer wusste das schon<br />

genau. Sorgfältig hatten wir es vermieden,<br />

Gedrucktes mit uns zu führen, nicht einmal<br />

Taschenkalender waren gestattet, da dort<br />

der 17. Juni als „Tag der Deutschen Einheit“<br />

ausgewiesen war – eine Provokation für das<br />

SED-Regime. Fanden NVP oder NVA solches


ei „Westlern“ drohten drastische Strafen,<br />

bis hin zu Gefängnis.<br />

Nach Rückgabe der Papiere und Kontrolle<br />

des Kofferraumes durften wir endlich<br />

weiterfahren, hinein in die DDR. Mit<br />

mulmigem Gefühl und unter Beachtung aller,<br />

auch sinnloser Vorschriften näherten wir uns<br />

– meist mit Tempo 80, 100 km/h waren selten<br />

auf den Autobahnen erlaubt – Westberlin.<br />

Keinesfalls anhalten und aussteigen!<br />

(Toilettenpause gestrichen) Nichts aus dem<br />

Wagen werfen (es könnte Westpropaganda<br />

sein)! Nicht nach links ausweichen, um bei<br />

Einfahrten Autos sicher auf die AB fahren zu<br />

lassen.<br />

Endlich erreichten wir Dreilinden, den<br />

DDR-Kontrollpunkt vor der Einfahrt nach<br />

Westberlin. Wieder die beängstigende<br />

Prozedur der Grenzkontrolle: Abgabe der<br />

Pässe und der Einreisegenehmigung mit<br />

Transiterlaubnis. Die darf keinesfalls verloren<br />

werden, sonst setzen die uns fest! Und wieder<br />

warten, warten – Taktik der DDR-Grenzer<br />

zur Einschüchterung der Reisenden. Auch<br />

hier die gleiche Atmosphäre der aggressiven<br />

Unsicherheit. Schließlich bekamen wir die<br />

Papiere mit Stempeln zurück und durften<br />

nach Westberlin hinein fahren. Wir atmeten<br />

tief durch, fühlten uns wieder in frei.<br />

Westberlin – Insel der Freiheit!<br />

Am nächsten Tag näherten wir uns am<br />

Reichstag von westlicher Seite her der<br />

Mauer. Meine Tochter wollte unbedingt auf<br />

die Aussichtsplattform, auf der seinerzeit<br />

Kennedy gestanden und mit Blick in den<br />

Osten seine historischen Worte: „Ich bin<br />

ein Berliner!“ gesagt hatte. Auch sie sah<br />

hinüber in den anderen Teil Deutschlands,<br />

spürte die Trennung durch die Mauer, sah<br />

auf die schwarzen Kreuze mit der weißen<br />

Beschriftung, die Namen der Toten an<br />

der Mauer, die ihr Freiheitsstreben mit<br />

dem Leben hatten bezahlen müssen – ein<br />

ergreifendes Erlebnis für eine 16Jährige.<br />

Erst recht lebte bei meiner Tochter das<br />

Gefühl der Beklemmung wieder auf,<br />

als mein Vetter, dank seines politischen<br />

Amtes – er war als Zehlendorfer Bezirksrat<br />

zeitweise Beauftragter für Steinstücken<br />

– mit uns in diese Westberliner Exklave*<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 13<br />

Steinstücken fuhr. Als einziges Zehlendorfer<br />

Territorium, also zu Westberlin gehörend,<br />

war sie, umgeben vom „Roten Meer“, dem<br />

Ostsektor, nur auf östlichem Gebiet, durch<br />

einen schmalen Korridor, ihre Lebensader,<br />

mit dem Westen verbunden. Er durfte nur<br />

mit Sondergenehmigung befahren werden,<br />

die hatte mein Vetter. Beidseits der schmalen<br />

Zufahrtsstraße standen hart, hoch und grau<br />

die Betonmauern, ein besonderer Teil der<br />

Berliner Mauer. Musste jemand schnell die<br />

Enklave* verlassen oder erreichen, war dies<br />

nur per alliiertem Hubschrauber möglich,<br />

denn der Luftraum über Gesamtberlin<br />

unterstand dem Alliierten Kontrollrat,<br />

bestehend aus den drei Westmächten und<br />

der UdSSR (seinerzeit Rechtsgrundlage für<br />

die Luftbrücke während der Blockade).<br />

Dieser Besuch im abgesperrten Steinstücken<br />

und der Anblick von Mauer als sichtbarer<br />

Grenze, mit Todesstreifen, ebenso auch<br />

die unsichtbare Grenze im Wasser, z. B. in<br />

der Mitte des Teltowkanals, prägten sich<br />

meiner Tochter unauslöschlich ein, so wie<br />

die Erinnerung an Angst und Beklemmung,<br />

die uns dort, auch auf der Rückfahrt,<br />

wieder befielen. Das Verhalten und die<br />

Stimmung der DDR-Grenzer war in den<br />

wenigen Tagen unseres Berlinaufenthaltes<br />

noch diffuser, unerklärlicher, eigentlich<br />

hilfloser geworden. Es lag etwas in der Luft,<br />

aber was? Zwar verfolgten wir im Radio<br />

und Fernsehen die kärglichen Nachrichten<br />

über Montagsdemonstrationen und<br />

Friedensgebete in Leipzig, doch ohne zu<br />

wissen, wie umfassend Protest und Aufruhr<br />

zu diesem Zeitpunkt bereits in der DDR<br />

waren Wir wussten nicht, dass es bereits die<br />

Agonie des Unterganges war. Noch konnte<br />

keiner ahnen, dass nur wenige Tage nach<br />

unserer Rückkehr die Mauer fallen und die<br />

DDR sich auflösen würde.<br />

Heute noch, nach 20 Jahren, ist meine längst<br />

erwachsene Tochter froh darüber, die Mauer<br />

noch als tödliche Realität erlebt zu haben.<br />

„Bloß vorstellen könnte ich sie mir nicht. Es<br />

ist gut, dass ich sie wirklich selbst gesehen<br />

habe, nicht nur davon gehört!“<br />

*Steinstücken = enklave vom Osten her gesehen, vom Westen her<br />

= Exklave


enate Weidauer<br />

Vor 20 Jahren – Mauerfall<br />

Die Wunde vernarbt,<br />

die Mauer gefallen,<br />

verjährt und<br />

abgebaut<br />

Wachttürme,<br />

Stacheldraht und<br />

Elektrozaun;<br />

Todesstreifen.<br />

Verheißungsvoll<br />

holte sich<br />

die Natur<br />

das Leben zurück<br />

an vielen Stellen,<br />

Todesstreifen ehemals.<br />

Todesschüsse -<br />

ebenfalls verjährt,<br />

vergessen?<br />

Zwanzig Jahre erst<br />

nach dem Mauerfall.<br />

Jetzt aber<br />

beginnt sie wieder<br />

zu wachsen<br />

die Mauer<br />

in den Köpfen<br />

der Menschen.<br />

lyriK<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 14


Erich Schanda<br />

»Du bist sicher, dass dieses – Spiel – auch<br />

funktioniert?«<br />

Mein Freund Harald blickte mich an, als<br />

sei ich nicht Herr meiner Sinne; nicht ganz<br />

zu Unrecht, wie ich angesichts der Situation<br />

einräumen musste.<br />

»Natürlich! Ich kenne doch meine Cousine<br />

lange genug. Sie wird dich begeistert wieder<br />

in ihre Arme nehmen. Alles wird gut, keine<br />

Sorge. Los jetzt!«<br />

Er reckte das Kinn vor, verschränkte seine<br />

Arme vor der Brust und nickte auffordernd<br />

in Richtung des bereits geöff<strong>net</strong>en Kartons,<br />

der zwischen Dutzenden anderen in seiner<br />

großen Garage stand. Irgendwie deplatziert<br />

wirkte er schon zwischen dem roten Ferrari<br />

und dem schwarzen Porsche, dessen<br />

imposanter Heckflügel als Ablage seiner<br />

Aktentasche diente. Vielleicht auch nur<br />

deswegen, weil er einerseits der mit Abstand<br />

größte Karton war und zum andern nicht in<br />

weihnachtliches Geschenkpapier eingehüllt<br />

war, sondern nur nüchtern, pappbraun und<br />

vergleichsweise lieblos auf seinen Inhalt<br />

zu warten schien – ähnlich einer weit offen<br />

stehenden Toilettentür auf einem zugigen<br />

Bahnhof. Und ebenso einladend.<br />

»Ich weiß wirklich nicht, ob ...«<br />

»Willst du sie wiederhaben oder nicht?<br />

Hast du den dummen Streit am Nikolaustag<br />

vom Zaun gebrochen oder nicht? Hast du<br />

einen besseren Vorschlag?«<br />

Resigniert schüttelte ich den Kopf und ging<br />

mit langsamen Schritten auf den hässlichen<br />

Karton zu.<br />

»Aber ich kann doch nicht in diesem ...«<br />

»Du musst!«, schnitt mir Harald brüsk das<br />

Wort ab. »Ich bin Unternehmer, wie du weißt.<br />

Ich kenne mich mit Schadensregulierung<br />

aus. Du bist nur Zahnarzt, beschäftigst dich<br />

ProSa<br />

Das Geschenk<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 15<br />

zuviel mir Ruinen und faulen Wurzeln. Deine<br />

Lebenserfahrung beschränkt sich auf zwei<br />

Zahnreihen, Kassen- und Privatpatienten<br />

und darüber hinaus nur noch auf Prophylaxe.<br />

Das hier, mein Freund, ist in gewisser Weise<br />

auch ein prophylaktischer Eingriff! Er<br />

wird dein gestörtes Liebesleben wieder in<br />

Ordnung bringen. Steig also endlich ein!«<br />

Gegen die Autorität und den imperativen<br />

Ton eines Firmenchefs kann man nur<br />

bestehen, wenn der Erstgenannte als Patient<br />

auf Einfühlsamkeit angewiesen ist. Im<br />

Augenblick war ich sein Patient. Seufzend<br />

schlüpfte ich also aus meinen Schuhen, zog<br />

den Mantel enger um mich und kletterte<br />

ich in den Karton, der früher einmal einen<br />

großen Farbfernseher beherbergt hatte und<br />

versuchte, mit angezogenen Knien eine<br />

halbwegs passable Sitzposition auf der<br />

Styroporschale einzunehmen.<br />

»Er ist viel zu klein«, protestierte ich<br />

schwach und halbherzig, doch Harald ging<br />

überhaupt nicht darauf ein. Entschlossen<br />

drückte er mich tiefer in den Karton und<br />

stülpte das abschließende Styroporpolster<br />

über mich.<br />

»Perfekt. Fast wie ein Zahnersatz für<br />

Elefanten. Geht doch wunderbar. In<br />

spätestens zwei Stunden packt sie dich<br />

aus. Also, mach es dir einstweilen bequem!<br />

Carola wird Augen machen!«<br />

»Was ist, wenn der Karton aufreißt? Ich<br />

bin doch viel zu schwer!«<br />

»Das Schlimmste, was passieren kann, ist,<br />

dass du ihr vor die Füße kullerst, wenn dich<br />

der Bote ablädt! Und jetzt Schluss – er muss<br />

ohnehin jeden Moment kommen!«<br />

»Ja, aber ...«<br />

Er schlug die beiden offenen Kartondeckel<br />

über mir zusammen. Schlagartig wurde es


dunkel um mich. Einen Moment überfiel mich<br />

Panik: Würde die Luft reichen? Was, wenn<br />

der Paketdienst in einen Unfall verwickelt<br />

würde? Wenn das Fahrzeug ausgerech<strong>net</strong><br />

am späten Nachmittag des Heiligen Abends<br />

in den Fluss stürzte? Oder gar in Flammen<br />

aufging?<br />

»Ja, ich komme sofort«, hörte ich Haralds<br />

dumpfe Stimme von außerhalb. Das<br />

schabende Geräusch des Klebebandrollers,<br />

mit dem er den Karton versandfertig machte,<br />

hörte auf. Seine Schritte entfernten sich. Das<br />

elektrische Garagentor wurde geöff<strong>net</strong>. Die<br />

Kette quietschte rhythmisch, seit Monaten<br />

quietschte sie schon. Ich konnte förmlich mit<br />

einem inneren Auge sehen, wie das Tor von<br />

der Kette nach oben gezogen wurde.<br />

»Alle Pakete heute ausliefern?«, hörte ich<br />

dann mit angehaltenem Atem die Stimme<br />

des Boten. Er sprach mit stark südländischem<br />

Akzent. Vermutlich ein Türke, dachte ich.<br />

Oder doch ein Pole? Egal. Hauptsache,<br />

Carola ...<br />

»Ja. Sind alle in Berlin abzuliefern«, erklärte<br />

Harald in meine Gedanken hinein. »Meine<br />

Sekretärin hat Paketzettel geschrieben. Aber<br />

dann bemerkte sie, dass heute nur noch private<br />

Zusteller ausliefern. Macht es Ihnen etwas<br />

aus, wenn Sie die Adressen abschreiben und<br />

mit Ihren Aufklebern auf die Kartons kleben?<br />

Sehen Sie: alle Kartons sind nummeriert und<br />

auf der Rückseite meiner Paketzettel steht<br />

die jeweilige Nummer ebenfalls. Sie können<br />

gar nichts falsch machen.«<br />

Undeutliches Gemurmel setzte ein.<br />

Schritte, die offenbar das Gebirge aus<br />

Kartons umwanderten und dann vor meiner<br />

Behausung zur Ruhe fanden.<br />

»Kostet mich aber viel Zeit. Ist schon fast<br />

vier Uhr...«<br />

»Klar, ich verstehe. Reicht das für den<br />

Zeitvertreib?«<br />

Ich kannte das Geräusch von Haralds<br />

Portemonnaie; ein kurzes, an ein scharfes<br />

Beil erinnerndes schnelles Ziehen am<br />

Reißverschluss, welches durch den dicken<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 16<br />

Karton jedoch nur dumpf zu vernehmen<br />

war. Der Schein, den er aus der Börse<br />

entnommen hatte, schien den Boten jedoch<br />

schnell überzeugt zu haben.<br />

»Alles klar, Boss!«<br />

»Perfekt. Die Rechnung geht an meine<br />

Firma? Sehr gut. Ich werde Sie weiterhin<br />

beauftragen, wenn Sie diesen Eilauftrag<br />

erledigt haben. Schließen Sie bitte das<br />

Garagentor, wenn Sie fertig sind? Danke. Ich<br />

muss jetzt los ...«<br />

Eine Autotür wurde geöff<strong>net</strong> und fiel<br />

gleich darauf mit einem satten und für<br />

diese Luxusklasse typischen »Flopp«<br />

wieder zu. Sicher hatte er zwischen Öffnen<br />

und Schließen seine Aktentasche vom<br />

Spoiler genommen und zielsicher auf den<br />

Beifahrersitz befördert, so wie er es immer<br />

zu tun pflegte. Sekunden später röhrte<br />

der Porsche auf und entfernte sich schnell.<br />

Angestrengt lauschte ich nach draußen,<br />

doch außer meinem eigenen Herzschlag war<br />

nichts zu hören.<br />

Wo war der verdammte Paketbote?<br />

Bestimmt nutzte er die Gelegenheit, in Haralds<br />

Ferrari Probe zu sitzen. Wahrscheinlich<br />

träumte er davon, ebenfalls als Schuhfabrikant<br />

in diesem Boliden durch Berlin zu<br />

dröhnen, von jungen und älteren Mädchen<br />

angelächelt zu werden, während ich in meiner<br />

unbequemen Haltung bereits Nackenschmerzen<br />

bekam. Entsetzt stellte ich fest,<br />

dass ich trotz der zunehmenden Kälte zu<br />

schwitzen begann. Ich versuchte, langsam<br />

und konzentriert zu atmen und meine Phantasien<br />

abzuschalten.<br />

Plötzlich wurde ich noch tiefer in mein<br />

Styroporlager gepresst. Der Kerl hatte<br />

sich auf meinen Karton gesetzt und war<br />

offenbar damit beschäftigt, die Adressen der<br />

Paketaufkleber in seine eigenen Formulare<br />

zu übertragen. Zu allem Überfluss begann<br />

er auch noch, eine mir fremde Melodie zu<br />

pfeifen und mit dem Absatz den Takt gegen<br />

den Karton zu klopfen. So ein Karton ist<br />

ein hervorragender Resonanzkörper und<br />

innerhalb kürzester Zeit befand ich mich in


einem Zustand lethargischer Jenseitsfreude,<br />

wie ihn nur ein langzeitgefolterter Mensch<br />

nachvollziehen kann, der endlich den<br />

erlösenden Genickschuss bekommt.<br />

Irgendwann hörte er auf und der lästige<br />

Druck über mir verschwand wieder. Der<br />

Bote schien fertig zu sein und klebte nun<br />

die Empfängerkarten auf die Kartons. Mein<br />

Karton schien der letzte zu sein, den er mit<br />

einem klatschenden Geräusch hinter meinem<br />

gebeugten Rücken reisefertig machte. Kurz<br />

danach rumpelte eine Sackkarre durch die<br />

Garage.<br />

Und dann lud er mich auf.<br />

Ich wurde zur Seite gekippt, unter Stöhnen<br />

und fremdsprachlichen Flüchen (ich hatte<br />

mich inzwischen dazu entschlossen, dass<br />

er doch Türke sein musste) in eine leichte<br />

Schräglage versetzt und dann einige<br />

Meter weit aus der Garage bis zu seinem<br />

Transporter gerollt, wo ich kurzerhand auf<br />

den Kopf gestellt wurde.<br />

Idiot, schoss es mir durch den Kopf,<br />

kannst du nicht lesen? Fragile! Handle with<br />

care! Nicht stürzen! Vermutlich war der Bote<br />

ein Emigrant aus Schwarzafrika. Obwohl –<br />

pfeifen und schreiben konnte er offenbar.<br />

Egal.<br />

Ich versuchte, wieder flach und bewusst<br />

zu atmen, schloss ergeben meine Augen,<br />

dachte an gewisse Stellungen mit Carola<br />

und wartete ab.<br />

Er stellte den Karton tatsächlich wieder<br />

aufrecht, so wie es auch die entsprechenden<br />

Beschreibungen auf dem Karton<br />

vorschrieben. Mittlerweile versuchte ich<br />

gar nicht mehr, die Augen zu öffnen, um<br />

die absolute Dunkelheit zu durchdringen,<br />

sondern verließ mich in immer stärkerem<br />

Maße auf meine anderen Sinne.<br />

Es war erstaunlich, selbst für einen<br />

Mediziner wie mich, festzustellen, wie schnell<br />

man auf einen scheinbar lebensnotwendigen<br />

Sinn verzichten kann. Die Nase übernahm<br />

plötzlich die Kontrolle über meine nächste<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 17<br />

Umwelt. Styropor hat einen ganz eigenen,<br />

unverwechselbaren Geruch in so einer<br />

Situation. Auch der Karton lebt – alle<br />

paar Zentimeter verströmt der Abfallstoff<br />

seine eigene Nuance, die zu beschreiben<br />

selbst die Phantasie eines Stephen King<br />

überstrapazieren dürfte. Über Heu, Blut und<br />

Schweiß bis hin zu diversen menschlichen<br />

Ausdünstungen und sogar anorganischen,<br />

metallischen Verbindungen wie verloren<br />

gegangenen Auspuffrohren oder dem<br />

typischen Ampèregeruch eines elektrischen<br />

Kurzschlusses – alles war seltsam intensiv zu<br />

erriechen. Und während sich das Fahrzeug<br />

in Bewegung setzte, irgendwelche Berliner<br />

Straßen durchquerte, an unsichtbaren roten<br />

Ampeln oder vor die Straße überquerenden<br />

Fußgängern stehen blieb und ruckelnd (das<br />

Getriebe schien Probleme mit dem ersten<br />

Gang zu haben) und widerspenstig wieder<br />

Fahrt aufnahm, dachte ich notgedrungen<br />

noch einmal über Erfolg und Misserfolg<br />

meiner Mission nach.<br />

Carola. Zufällig kennen und lieben gelernt<br />

auf einer Party meines Freundes Harald, wo<br />

er sie mir vorgestellt hatte. Drei Wochen lang<br />

das perfekte Glück. So lange, bis ich einer<br />

dummen Eingebung folgend versucht hatte,<br />

sie betrunken zu machen, um endlich ...<br />

»So schnell geht das nicht«, hatte sie mich<br />

wiederholt abgewehrt. »Ich möchte dich erst<br />

besser kennen, bevor ich mit dir schlafe. Das<br />

verstehst du doch sicher?«<br />

Ich hatte verständnisvoll genickt und ihr<br />

weiter eingeschenkt. So lange, bis sie auf<br />

meiner Couch eingeschlafen war. Doch als<br />

ich sie in mein Schlafzimmer tragen wollte,<br />

wachte sie schlagartig auf.<br />

Wenige Worte danach und eine schallende<br />

Ohrfeige später stand sie unten auf der<br />

Strasse und kletterte in das Taxi, ohne sich<br />

noch einmal umzudrehen. Sie ging nicht ans<br />

Telefon, beantwortete keine Mails und öff<strong>net</strong>e<br />

nie auf mein Läuten an ihrer Haustür.<br />

So wandte ich mich an ihren Cousin Harald.<br />

Er hatte schließlich den Vorschlag gemacht<br />

und mich zum Mitmachen überredet ...


Der Wagen bremste scharf und kam zum<br />

Stehen. Die Hecktür wurde geöff<strong>net</strong>. Kartons<br />

wurden zur Seite geschoben, dann setzte<br />

sich mein Karton ebenfalls in Bewegung.<br />

Schräglage, einige Meter über knirschenden<br />

Schnee, dann unsanft auf den Boden gestellt.<br />

Der Bote schien zu klingeln. Verzerrte Worte<br />

aus einer Sprechanlage waren zu hören.<br />

Ein Türöffner summte. Dann wurde ich<br />

wieder auf die Sackkarre gehievt und ins<br />

Innere des Hauses geschoben. Ich biss auf<br />

die Zähne. Nur noch wenige Minuten, dann<br />

war ich am Ziel. Zum ersten Mal in Carolas<br />

Wohnung, mit ihr allein! Das Fest der<br />

Freude konnte beginnen. Ich war in einer<br />

so erwartungsfrohen Stimmung, dass ich<br />

dem Boten sogar verzieh, mich die Treppe<br />

hinauf in den ersten Stock noch einmal<br />

richtig durchzuschütteln. Offenbar besaß die<br />

Sackkarre einen Radkranz aus drei oder vier<br />

Rädern auf jeder Seite und war demzufolge<br />

imstande, Lasten auch über Treppen hinweg<br />

zu bewegen. Vor Aufregung bekam ich<br />

Kopfschmerzen, konnte kaum noch etwas<br />

hören. Erst als eine Tür geöff<strong>net</strong> wurde und<br />

ich noch einige Meter weit geschoben wurde,<br />

kam ich auch innerlich wieder zur Ruhe.<br />

Entspannt atmete ich aus. Ich war am Ziel!<br />

Schritte auf einem Parkettboden näherten<br />

sich. Leise Weihnachtsmusik erfüllte mein<br />

Versteck. Vom Himmel hoch, da komm ich<br />

her...<br />

Sie blieb vor dem Karton stehen. Welche<br />

Gedanken mochte sie wohl jetzt haben? Wer<br />

käme auf die Idee, ihr einen Farbfernseher<br />

ins Haus zu schicken? Sicher studierte<br />

sie bereits den Paketzettel. Harald hatte<br />

in weiser Voraussicht natürlich meine<br />

Anschrift angegeben. Ob sie eine Ahnung<br />

überschleichen würde? Einen furchtbaren<br />

Augenblick lang wartete ich darauf, dass<br />

sie den Boten zurück beordern würde,<br />

um sich des Geschenkes sofort wieder zu<br />

entledigen.<br />

Nein, sie hatte beschlossen, es zu<br />

behalten.<br />

Ohne Vorwarnung durchstach eine<br />

Messerklinge den Kartondeckel, genau in<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 18<br />

der Mitte, und zog sich sägend durch den<br />

entstandenen Schlitz zwischen meinen Knien<br />

hindurch weiter auf mich zu. Spärliches<br />

Licht drang in das Innere, während die<br />

Klinge unbeirrt weiter auf mich zu eilte.<br />

Der einladende Duft nach Lebkuchen,<br />

Tannennadeln und Kerzenwachs folgte ihr<br />

nach. Ich holte noch einmal tief Luft. Dann<br />

stemmte ich mich nach oben, riss die Deckel<br />

auseinander und breitete die Arme aus,<br />

während der rote Morgenmantel von meinen<br />

Schultern rutschte.<br />

»Ho ho! Hier kommt das Geschenk des<br />

Herrn!«, rief ich in den Raum hinein, bemüht<br />

um ein strahlendes Lächeln. Meine Augen<br />

mussten sich erst an das Kerzenlicht des<br />

Weihnachtsbaumes gewöhnen.<br />

»Mein Gott!«, sagte die Frau mit dem<br />

Messer in der Hand, bevor sie zu Boden<br />

stürzte und dabei den brennenden Baum mit<br />

sich riss.<br />

»Ihr Kinderlein kommet«, plärrte es aus<br />

einem altmodischen Grammophon aus der<br />

Ecke.<br />

Zwei Tage saß ich in Untersuchungshaft.<br />

Grober Unfug, Hausfriedensbruch, Verstoß<br />

gegen das Transportsicherungsgesetz,<br />

fahrlässige Körperverletzung und Verstoß<br />

gegen die guten Sitten lauteten die<br />

Anklagepunkte, um nur die wichtigsten zu<br />

nennen.<br />

Der von mir eiligst herbei gerufene<br />

Notarzt konnte die alte Dame erfolgreich<br />

reanimieren. Schlimmer war der Schaden<br />

durch den ausgelösten Wohnungsbrand. Die<br />

Feuerwehr rückte mit drei Wagen an, obwohl<br />

ich geistesgegenwärtig den Brand mit einem<br />

Teppich ersticken konnte, nachdem ich die alte<br />

Dame in Sicherheit gebracht hatte. Trotzdem<br />

löschten die Feuerwehrleute ausgiebig nach.<br />

Das gab dem Parkett und dem teuren Perser<br />

den Rest. Harald und der Paketbote, der<br />

zwei der Aufkleber miteinander vertauscht<br />

hatte (die 6 und die 9), konnten schließlich<br />

den Richter davon überzeugen, dass es sich<br />

um ein tragisches Versehen gehandelt hatte.


Alles war wieder in Ordnung. Ich<br />

musste lediglich für den ganzen Schaden<br />

aufkommen und mich bei besagter Dame<br />

– einer im wahrsten Sinn des Wortes alten<br />

Stammkundin von Harald - entschuldigen.<br />

Ich habe sie natürlich zum Essen eingeladen,<br />

zusammen mit Harald.<br />

»Was ist denn nun mit Ihnen und der<br />

jungen Dame, der Sie sich als erotischer<br />

Weihnachtsmann schenken wollten?<br />

Ich meine, es ist schon etwas frivol, sich<br />

gleich nackt unter dem Nikolausmantel<br />

zu präsentieren, oder?«, fragte sie mich<br />

augenzwinkernd beim Nachtisch. Ich blickte<br />

etwas verlegen zu Boden, doch Harald klärte<br />

sie mit einem verschwörerischem Lächeln<br />

auf.<br />

»Ach, meine kleine Cousine Carola? Nun,<br />

wissen Sie – sie hat bereits einen neuen<br />

Freund, einen belgischen Medizinstudenten.<br />

Gérard. Er arbeitet übrigens neben seinem<br />

Studium als Kurierfahrer. Und wissen Sie,<br />

was das Unglaubliche ist?«<br />

»Nein, was denn?«<br />

In diesem Moment beschloss ich, ihm bei<br />

Walter Ehrismann<br />

ProSa<br />

Nun engeln sie wieder<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 19<br />

seinem nächsten Besuch in meiner Praxis<br />

ohne Betäubung einen Backenzahn zu<br />

extrahieren. Ich versuchte verzweifelt, einen<br />

Freundschaft beschwörenden Blickkontakt<br />

mit ihm herzustellen, doch er nahm mich<br />

gar nicht mehr wahr. Mit gekreuzten Armen<br />

saß er am Tisch und genoss die kleine,<br />

dramaturgische Pause.<br />

Die alte Dame blickte ihn auch<br />

erwartungsvoll an und beugte sich etwas<br />

nach vorn. Harald machte eine bedauernde<br />

Geste mit den Händen, die durch sein<br />

schadenfrohes Grinsen sofort der Lüge<br />

überführt wurde.<br />

»Wissen Sie, Gnädigste: Es ist derselbe<br />

Mann, der Ihnen am Heiligen Abend dieses<br />

...«, er musterte mich aus den Augenwinkeln<br />

und hatte sichtlich Mühe, nicht laut<br />

loszuprusten, »... Geschenk zugestellt hat.<br />

Zuletzt brachte Gerard Carolas Geschenk zu<br />

ihr und blieb gleich selbst da. Seitdem wohnt<br />

er wohl auch dort...«<br />

Während ich mich insgeheim fragte, warum<br />

so etwas immer nur mir passiert, winkte er<br />

lachend nach dem Ober und bestellte noch<br />

eine Flasche Chardonnay trocken.<br />

Da steh ich unterm Lichterraum<br />

Und möchte wohl was denken<br />

Ein Weihnachtslamento<br />

Vor wenigen Jahren leistete sich meine<br />

Stadt den Luxus, den Himmel über<br />

der Bahnhofstrasse neu zu ordnen und zu<br />

gestalten. Sie kennen Zürichs Luxusmeile?<br />

Ich spüre weder Zeit noch Raum<br />

Nebst dem Broadway die teuerste Einkaufstrasse<br />

der Welt. Sie führt vom Haupt-<br />

Und nichts, mich zu verschenken<br />

bahnhof an vielen Modegeschäften, dem<br />

Hier bin ich sehr verloren<br />

Hotel St. Gotthard mit seiner Austernbar,<br />

dem Baur en Ville, den Bankgebäuden<br />

Im Warten auf das Licht<br />

und der Confiserie Sprüngli vorbei zum<br />

See. Bislang erstrahlte sie im Advent unter<br />

Vielleicht doch auserkoren<br />

einem Baldachin leuchtender Punkte,<br />

So plötzlich diese Zuversicht<br />

kleine Glühlämpchen an Elektrokabeln, in<br />

unterschiedlicher Höhe und Länge aufge-<br />

J. E.<br />

hängt, den Sternenhimmel vortäuschend.


Das war ein Wintererlebnis! Aus der weiten<br />

Welt reisten Leute an, nur um diesen Lichterhimmel<br />

zu sehen. Man fühlte sich traumhaft<br />

wohl, wenn man nach oben blickte.<br />

In den Geschäftsauslagen war das<br />

ganze Weihnachtspersonal als Dekoration<br />

anwesend. Die Heiligen Drei Könige beim<br />

Juwelier, die Hirten hinter der Mortadella<br />

und dem Rollschinken, Josef und Maria<br />

mit Kind, von Seidenblusen und Schals<br />

umrahmt. Und viel Stroh. Und erst die<br />

Kinderaugen, wenn die Spielzeugeisenbahn<br />

bei Franz Carl Weber, von nickenden<br />

Schäfchen beladen, mitten durch den Stall<br />

fuhr. In einem Tordurchgang drei Mitglieder<br />

der Heilsarmee, den Spendenkessel vor sich<br />

und zur Gitarre mit dünner Stimme »Süßer<br />

die Glocken nie klingen« intonierend.<br />

Weihnachtsengel und der neue Velohelm.<br />

Engel mit lockigem Haar, daneben die Nikon<br />

mit Lametta. Alles auf engstem Raum.<br />

Wie alleine wir in dieser Zeit sind.<br />

Wie unergründlich ist unser Dasein. In einer<br />

kalten Nacht der Traum: Der Kampf mit<br />

dem Engel, den Jakob nicht loslässt, bis er<br />

geseg<strong>net</strong> wird, aber eine Wunde davonträgt.<br />

Ich habe große Scheu, Engel zu denken,<br />

gerade im Advent. Sie sind da, und doch<br />

nicht da, ihre Gewalt und Leichtigkeit ist<br />

nicht fassbar. Giotto hat es getan, und Blake.<br />

Bei ihm ist es das Abgründige, bei Giotto das<br />

Lichtvolle.<br />

Eine Findungskommission wurde von<br />

der City-Vereinigung der Geschäfte an der<br />

Bahnhofstrasse eingesetzt mit dem Auftrag,<br />

für Zürichs Edelstraße einen neuen Himmel<br />

zu erfinden. Das dauerte. Was dabei endlich<br />

herauskam, war der Eindruck einer sterilen,<br />

tiefgekühlten Aufbewahrungshalle. Vom<br />

Bahnhofplatz bis hinauf zum See hängen,<br />

hingen, muss man bald sagen, schmale,<br />

längliche Lichtquader, einer neben dem<br />

andern wie Eisstangen, die der Bierfuhrmann<br />

oder der Eismann früher anlieferten, auf<br />

groben Säcken über der Schulter getragen.<br />

Wellenartig flossen kalte, wirre Schatten- und<br />

Lichtspiele die Bahnhofstrasse hinauf und<br />

hinab, computergesteuert. Die Menschen<br />

erstarrten. Das ist vielleicht Kunst, äußerten<br />

sich viele in den Leserbriefspalten der<br />

Zeitungen, aber was hat das mit Weihnachten<br />

zu tun? Dann doch lieber die Kitschengel<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 20<br />

und den Lichterbaldachin. Vom nächsten<br />

Jahr an wieder alles, wie gehabt.<br />

Sich Engel denken. Zur Weihnachtszeit<br />

wird seit einigen Jahren in Zürich ein<br />

alter Tessiner Brauch neu belebt: Von der<br />

Hauptkirche herab, bei herein brechender<br />

Nacht, ruft, singt eine Frau Weihnachtsklagen<br />

(Lamenti) über Dächer und Sträßchen der<br />

Altstadt. Archaische Laute, die einen das<br />

Blut in den Adern gefrieren lassen.<br />

Ich komme durch ein schmales Tor<br />

bei der Kirche und gehe den Weg entlang der<br />

verschneiten Gräber. Die Schritte knirschen<br />

im ersten Schnee. Überall stehen Tempelchen<br />

mit Urnen und Seitenkapellen, Stelen und<br />

Altären aus orange- und ockerfarbigem<br />

Gestein, das wie Marmor wirkt,<br />

symbolträchtig aufgebrochene Grüfte, aber<br />

auch kalte, glatte Ottomanen, darauf halb<br />

hingestreckte, halb hochgelagerte schlafende<br />

Frauengestalten in faltenreichen, weißen<br />

Gewändern, Gestalten zwischen Tod und<br />

Traum, deren endgültiges Wiedererwachen<br />

nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Ein<br />

Handrücken ist wie in Trance an die Stirne<br />

gelegt, versucht, das Unfassbare aus dem<br />

Bewusstsein zu bannen.<br />

Ich bleibe stehen und betrachte lange<br />

diese Engelsfiguren, Mädchengestalten aus<br />

glattem Stein, mit schwerelosen Flügeln, die<br />

Hände bittend zum Himmel erhoben, unter<br />

ihren luftigen Gewändern in Andeutungen<br />

erste erwachende Reize, da die Figuren etwas<br />

zeitlos Erhabenes, Entrücktes ausstrahlen,<br />

die Gedanken und menschliches Sehnen<br />

weit hinaus führend in den endlosen<br />

Raum, wo das Irdische, auch wenn es nur<br />

angedeutete kleine, weiße Marmorbrüste<br />

und verborgene Venushügel sind, den<br />

Wunsch nach unbelasteter Unsterblichkeit,<br />

vom Geschlechtlichen unberührter<br />

Unendlichkeit wecken, einer makellosen,<br />

aber nie zu stillenden Sehnsucht, für immer<br />

in diese Sphären zu entschweben. Jedes der<br />

Gräber ist anders gestaltet, geharkter Kies<br />

hinter den tiefhängenden Absperrketten,<br />

die nur einen einzigen Sinn haben können,<br />

den Betrachter darauf einzustimmen, dass<br />

die Überwindung dieser kleinen Distanz<br />

zwischen Lebensweg und Totenplatz auf<br />

dem Zufall eines zu lange geratenen Schritts<br />

beruht. Frohe Weihnachten!


ProSa<br />

dino Buzatti (Übersetzung: Cordula Scheel)<br />

Erinnerst du dich noch, - fragte im Paradies<br />

der Tiere die Seele des kleinen Esels<br />

die Seele des Ochsen - erinnerst du dich zufällig<br />

noch an jene Nacht vor so vielen Jahren,<br />

als wir uns in einer Art Stall befanden<br />

und dort, ausgerech<strong>net</strong> in der Krippe ...<br />

- Lass mich nachdenken - Aber ja, -<br />

bestätigte der Ochse, - in der Krippe war<br />

ein neugeborenes Kind. Wie konnte ich das<br />

vergessen? Es war ein so schönes Kind.<br />

- Seither, wenn ich mich nicht irre, - sagte<br />

der Ochse - weißt du wie viele Jahre seither<br />

vergangen sind?<br />

- Was denkst du, ich mit meinem<br />

Ochsengedächtnis!<br />

- Fast zweitausend.<br />

- Du liebe Zeit.<br />

- Und, à propos, weißt du, wer dieses Kind<br />

war?<br />

- Woher soll ich das wissen? Es waren reisende<br />

Leute. Allerdings, es war ein wunderbares<br />

Kind. Es ist mir niemals aus dem Sinn<br />

gegangen, warum auch immer. Und ja, die<br />

Eltern schienen sehr einfache Leute zu sein.<br />

Sag mir, wer war es?<br />

Der Esel flüsterte etwas in das Ohr des<br />

Ochsen.<br />

- Aber nein! - sagte dieser verwirrt. - Wirklich?<br />

Du machst dich bestimmt über mich lustig.<br />

- Das ist die reine Wahrheit. Ich schwöre es ...<br />

Übrigens, ich hatte das sofort begriffen.<br />

- Ich nicht, das muss ich schon zugeben<br />

- sagte der Ochse. - Man sieht, dass du<br />

intelligenter bist. Mir ist nicht einmal der<br />

Verdacht gekommen. Obwohl, wenn ich es<br />

recht betrachte, das Kind war schon etwas<br />

Besonderes.<br />

Zu viel Weihnachten<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 21<br />

- Siehst du, seit damals feiern die Menschen<br />

jedes Jahr ein großes Fest zu Ehren seines<br />

Geburtstages. Es gibt für sie keine schöneren<br />

Tage. Wenn du sie sehen könntest. Es ist<br />

die Zeit der Fröhlichkeit, des Ausruhens, der<br />

Muße für die Seele, des Friedens, der Familienfreuden,<br />

man ist einander gut. Selbst die<br />

Mörder werden lammfromm. Sie nennen<br />

das Fest Weihnachten. Ach, lieber Freund,<br />

mir kommt da eine Idee. Soll ich dich nicht<br />

hinbringen, damit du sie sehen kannst?<br />

- Wen?<br />

- Die Menschen, die Weihnachten feiern.<br />

- Wo?<br />

- Unten auf der Erde natürlich.<br />

- Bist du schon dort gewesen?<br />

- Ich schaue jedes Jahr einmal schnell vorbei.<br />

Sie haben mir eine Spezialerlaubnis dafür<br />

gegeben. Aber ich denke, ich kann dir auch<br />

eine beschaffen. Immerhin haben wir beide<br />

uns damals auch einen kleinen Verdienst<br />

erworben.<br />

- Weil wir das Kind mit unserem Atem<br />

gewärmt haben?<br />

- Also los, komm, wenn du nicht das<br />

Beste verpassen willst. Genau heute ist<br />

Heiligabend.<br />

- Und wie soll das gehen?<br />

- Das ist schnell gemacht. Ich habe einen<br />

Vetter auf der Pass-Stelle.<br />

Sie bekamen einen Ausweis und reisten<br />

ab. Ganz sanft schwebten sie vom Himmel<br />

auf die Erde. Sie erblickten ein Licht. Sie<br />

schwebten darauf zu, und das Licht wurde<br />

zu einer Myriade von Lichtern, es war eine<br />

große Stadt. Und ecco der kleine Esel und der<br />

Ochse, wie sie sich unsichtbar auf den Straßen<br />

inmitten der Stadt bewegten. Da sie Geister


waren, fuhren die Autos, die Autobusse und<br />

die Straßenbahn durch sie hindurch, ohne<br />

ihnen weh zu tun und sie ihrerseits gingen<br />

unbekümmert durch Mauern hindurch, als<br />

wären diese aus Luft.<br />

So konnten sie in Ruhe alles betrachten.<br />

Wohin sie auch kamen, überall das gleiche<br />

Spektakel. Ein Kommen und Gehen, Kaufen<br />

und Einpacken, Schicken und Bekommen,<br />

Rufen und Antworten. Alle sahen unentwegt<br />

auf die Uhr, alle liefen, alle hatten Angst,<br />

nicht rechtzeitig zu kommen, und manch<br />

einer brach erschöpft zusammen unter der<br />

Sturzflut von Paketen, Broschüren, Papieren,<br />

Kalendern, Geschenken, Telegrammen,<br />

Briefen, Karten, Eintrittskarten usw.<br />

- Du hast mir gesagt - bemerkte der Ochse -<br />

es sei das Fest der Fröhlichkeit, des Friedens,<br />

der Erholung für Leib und Seele.<br />

- Ja, schon - antwortete der Esel. - Früher<br />

war es so. Aber, was willst du machen,<br />

seit einigen Jahren werden die Menschen,<br />

sobald Weihnachten herankommt, von einer<br />

geheimnisvollen Tarantel gestochen und<br />

verstehen nichts mehr. Höre ihnen nur zu.<br />

Der Ochse lauschte erstaunt. Auf den<br />

Straßen, in den Büros, in den Fabriken<br />

sprachen Männer und Frauen nur noch<br />

abgehackt miteinander und tauschten wie<br />

Automaten monotone Formeln aus. Frohe<br />

Weihnachten, alles Gute, alles Gute für sie,<br />

danke gleichfalls, gute Wünsche, alles Gute,<br />

frohes Fest, danke, alles Gute, alles Gute,<br />

alles Gute. Ein Stimmengewirr erfüllte die<br />

ganze Stadt.<br />

Es war ein eindrucksvolles Schauspiel:<br />

die tausend Lichter der Ladenfenster, der<br />

Schmuck, die Girlanden, die Tannenbäume<br />

und der unendliche Autostrom, das eilige<br />

Schwanken der Menschen, ihr Kommen<br />

und Gehen, Eintreten und Herauskommen,<br />

das Gedränge in den Geschäften, das<br />

Beladensein mit Paketen und Päckchen, alle<br />

waren sie ängstlich und gehetzt, als würden<br />

sie verfolgt. Der Esel schien sich über diesen<br />

Anblick zu amüsieren. Der Ochse hingegen<br />

sah sich voller Entsetzen um.<br />

- Hör mal, Freund Esel, du hast mir gesagt,<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 22<br />

dass du mir Weihnachten zeigen würdest.<br />

Und was ist das hier? Du musst dich geirrt<br />

haben. Ich will dir mal eines sagen: Dies hier<br />

ist ein Krieg.<br />

- Aber siehst du nicht, wie alle zufrieden<br />

sind?<br />

- Zufrieden? Mir scheinen sie verrückt<br />

zu sein. Sieh dir doch nur ihre verstörten<br />

Gesichter an. Ihre fieberhaften Augen.<br />

- Weil du ein Trottel vom Lande bist, mein<br />

lieber Ochse, weil du dich niemals aus dem<br />

Paradies herausbewegt hast. Du bist die<br />

modernen Menschen nicht gewohnt, daran<br />

liegt das. Sie müssen sich eben ihre Nerven<br />

ruinieren, um Spaß zu haben, um sich zu<br />

freuen, um sich glücklich zu fühlen.<br />

Der Ochse, als reiner Geist, machte einen<br />

hohen Sprung und hielt an einem Fenster<br />

im siebten Stockwerk an, um ein bisschen zu<br />

schauen. Und das Eselchen kam gutmütig<br />

hinterher.<br />

Sie sahen in ein reich möbliertes Zimmer,<br />

und im Zimmer an einem Tisch eine sehr<br />

beschäftigte Dame sitzen. Zu ihrer Linken<br />

auf dem Tisch befand sich ein Stapel, etwa<br />

einen halben Meter hoch, von Karten und<br />

Kärtchen in allen Farben, zu ihrer Rechten<br />

ein Stapel weißer Karten.<br />

Flink nahm die Dame eine der bunten<br />

Glückwunschkarten, betrachtete sie kurz,<br />

schlug in einem dicken Buch nach, schrieb<br />

etwas auf eine der weißen Karten, tat diese<br />

in einen Umschlag, schrieb etwas darauf<br />

und verschloss ihn. Dann nahm sie vom<br />

Stapel zu ihrer Linken eine weitere bunte<br />

Glückwunschkarte und begann von vorne.<br />

- Sie werden sie wohl wenigstens gut<br />

bezahlen für eine solche Arbeit - sagte der<br />

Ochse, - für eine solche Strafarbeit.<br />

- Was du dir so vorstellst, mein lieber Freund.<br />

Das ist eine ganz reiche Dame, aus der besten<br />

Gesellschaft.<br />

- Aber warum tut sie sich das an?<br />

- Sie tut sich nichts an. Sie beantwortet nur<br />

Glückwunschkarten.


- Glückwünsche? Wozu sind die gut?<br />

- Zu nichts, absolut nichts. Aber, warum auch<br />

immer, die heutigen Menschen haben dafür<br />

geradezu eine Manie entwickelt.<br />

Sie flogen zu einem weiter entfernten Fenster.<br />

Und auch hier gab es wieder Menschen, die<br />

voller Eifer und mit feuchter Stirn Karte um<br />

Karte schrieben.<br />

- Aber glauben sie daran? - Meinen sie das<br />

ernst? Wünschen sie ihren Nächsten wirklich<br />

so viel Gutes?<br />

Der Esel schwieg.<br />

- Sag‘ mir mal, du, der du so praktisch<br />

bist, - fragte der Ochse, immer noch wenig<br />

überzeugt, bist du ganz sicher, dass sie nicht<br />

alle verrückt sind?<br />

- Nein, nein, es ist nur Weihnachten.<br />

- Dann ist es zuviel Weihnachten. Erinnerst<br />

du dich an jene Nacht in Bethlehem, an den<br />

Stall, die Hirten, an jenes schöne Kind? Es war<br />

kalt, dort auch, aber ein Frieden herrschte,<br />

eine Zufriedenheit, es war ganz anders!<br />

Das vorweihnachtliche Einkaufsfieber<br />

war in die letzte Runde gekommen. Die<br />

nervösen Kunden, die es noch nicht geschafft<br />

hatten, Geschenke für ihre Familienangehörigen,<br />

Freunde und Bekannten zu besorgen,<br />

hetzten durch die Geschäfte, deren leer geräumten<br />

Regale und Vitrinen davon zeugten,<br />

dass durch diese Räume eine Armada<br />

von Käufern gerauscht war, die alles, was<br />

wertvoll und schön war, mit sich fortgerissen<br />

hatte. Das Konsum-Weihnachten war bereit,<br />

den Staffelstab an seinem Nachfolger, das<br />

religiöse Weihnachtsfest zu überreichen. Es<br />

fehlten nur noch ein paar Schritte, ein paar<br />

Meter, ein paar Stunden bis zur Übergabe.<br />

In der kroatischen Familie Kovač<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 23<br />

- Das ist wahr. Und die wunderbare Musik<br />

von weither, kaum zu hören.<br />

- Und auf dem Dach ein leichtes<br />

Flügelrauschen. Wer weiß, was das für Vögel<br />

waren.<br />

- Vögel! Du Dummkopf! Das waren Engel.<br />

- Und diese drei reichen Herren, die<br />

Geschenke brachten, erinnerst du dich an<br />

sie? Wie gut erzogen sie waren, wie leise sie<br />

sprachen, vornehme Leute. Könntest du dir<br />

vorstellen, wie das wäre, wenn sie plötzlich<br />

mitten in diesem Wirrwarr auftauchten?<br />

- Und der Stern? Erinnerst du dich nicht,<br />

was für eine besondere Art von Stern das<br />

war, genau über dem Stall? Wer weiß, ob er<br />

nicht immer noch dort ist. Die Sterne haben<br />

im Allgemeinen ein langes Leben.<br />

- Ich denke mir eher nicht - sagte der Ochse.<br />

- Für Sterne bleibt hier wenig Platz.<br />

Sie erhoben die Köpfe um nachzusehen, und<br />

wirklich, es war nichts zu sehen. Über der<br />

Stadt lag dichter Nebel.<br />

ivan ott Übersetzung: Silvija Hinzmann<br />

Die letzte Weihnachtsgans<br />

war alles bereit für das höchste christliche<br />

Fest, Weihnachten. Die Geschenke waren<br />

eingekauft und versteckt, damit sie von<br />

den Familienmitgliedern nicht vorzeitig<br />

gefunden wurden. Auf dem Balkon breitete<br />

sich die duftende Tanne aus, die in einem<br />

Ständer mit Wasser steckte, damit sie<br />

nicht austrock<strong>net</strong>e. Mutter Kovač hatte die<br />

letzten Lebensmittel und Getränke für den<br />

Heiligabend kurz vor dem Schließen des<br />

Supermarktes erledigt. Vollbeladen mit<br />

schweren Plastiktüten stapfte sie zum ersten<br />

Stock zu ihrer Wohnung hinauf, stellte die<br />

Einkaufstüten in der Küche ab und ließ<br />

sich völlig erschöpft in einem Sessel im<br />

Wohnzimmer fallen.


Kurz darauf kam ihr Mann Marko<br />

nach Hause, der seine Schicht in der Fabrik<br />

auch hinter sich gebracht hatte. Als er seine<br />

Frau sah, die von der Müdigkeit übermannt<br />

im Sessel eingenickt war, ging er in die<br />

Küche, packte die Tüten aus und legte die<br />

Lebensmittel in den Kühlschrank oder stellte<br />

sie auf die Regale in der Vorratskammer. Als<br />

er fertig war, öff<strong>net</strong>e er eine Flasche Bier und<br />

setzte sich zu seiner Frau. Sie blinzelte ihn<br />

an.<br />

„Ich habe die Weihnachtsgans nicht<br />

gesehen. Falls du sie in die Kühltruhe getan<br />

hast, solltest du sie jetzt herausnehmen, damit<br />

sie auftaut. Sonst bleiben wir womöglich<br />

noch ohne den Weihnachtsbraten.“<br />

Seine Frau wurde blass.<br />

„Oh je, die habe ich völlig vergessen!<br />

Ich wollte sie erst heute kaufen, weil die<br />

Kühltruhe so voll ist. Die Gans hätte da<br />

gar nicht mehr reingepasst. Die ganze Zeit<br />

habe ich überlegt, was ich noch besorgen<br />

muss. Und wegen der vielen Kleinigkeiten,<br />

die ich dann noch gekauft habe, hab‘ ich<br />

die wichtigste Sache vergessen“, vertraute<br />

sie ihrem Mann an. Sie verschwieg ihm<br />

allerdings dabei, dass sie eine Bekannte im<br />

Supermarkt getroffen und sie ein Weilchen<br />

getratscht hatten, worüber sie dann die Gans<br />

ganz vergaß. Nach dieser Beichte schaute sie<br />

auf die Uhr und sagte zu ihrem Mann:<br />

„Heute machen die Geschäfte früher<br />

zu, aber bis zum Mittagsladenschluss bleibt<br />

noch eine Stunde. Sei so gut, beeil dich in<br />

unseren Supermarkt und hol eine Gans. Ich<br />

bin so müde, dass ich nicht mehr auf den<br />

Beinen stehen kann.“<br />

Sie musste es Marko nicht zwei<br />

Mal sagen. Neben allen weihnachtlichen<br />

Leckereien wie die obligatorische Sarma<br />

mit geräucherten Rippchen und Speck, war<br />

ihm die Weihnachtsgans mit Mlinci doch<br />

viel lieber. Auch die Kinder mochten eher<br />

den Braten als Sarma, die sie mehrere Tage<br />

hintereinander würden essen müssen, weil<br />

Sarma bekanntlich aufgewärmt viel besser<br />

schmeckte. Er schnappte seinen Mantel,<br />

rannte die Treppe hinunter zum Haus hinaus<br />

und zu seinem Auto, das davor stand.<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 24<br />

Im letzten Moment erreichte er den<br />

Supermarkt. Nur noch wenige Kunden waren<br />

da. Die Lebensmittelregale waren fast leer<br />

geräumt und die gereizten Verkäuferrinnen<br />

waren dabei, die restlichen Waren<br />

wegzuräumen. Marko rannte zu der großen<br />

Kühltruhe mit Geflügel, Wild und Gemüse.<br />

Eine Frau beugte sich über den Kasten,<br />

verschwand fast mit dem Oberkörper darin<br />

und untersuchte dessen Inhalt. Auch Marko<br />

beugte sich vor. Was er darin erblickte, jagte<br />

seinen Blutdruck, der sowieso schon hoch<br />

war, noch mehr in die Höhe. Außer ein paar<br />

Päckchen Tiefkühlspinat, Möhrchen und<br />

Erbsen, befand sich in der Truhe nur noch eine<br />

einzige Gans. Marko stellte sich brav hinter<br />

der Frau an und wartete geduldig, dass sie<br />

sich entfernte. Doch sie hatte es nicht eilig.<br />

Marko wurde schwarz vor Augen, als sie<br />

ausgerech<strong>net</strong> nach der Gans griff. Sie nahm<br />

sie heraus und betrachtete sie neugierig von<br />

allen Seiten. Marko stellte eindeutig fest, dass<br />

es eine mickrige, magere Gans war, die zuvor<br />

von hunderten neugierigen Kundenhänden<br />

betastet worden war. Die tiefen Druckspuren<br />

ihrer Finger sprachen Bände.<br />

Die Frau drehte den armen Eisvogel<br />

noch ein paar Mal um, legte ihn dann,<br />

unzufrieden mit dessen Aussehen, in die<br />

Kühltruhe zurück. Markos Stirn erhellte sich.<br />

Ein Lächeln breitete sich augenblicklich über<br />

sein Gesicht, als er nach der Gans griff. Doch<br />

bevor noch sie seine Hände fassen konnten,<br />

packte die Frau, die immer noch vor ihm<br />

stand, plötzlich wieder danach. Sie hob sie<br />

unter die Nase, wohl um zu prüfen, ob sie<br />

nach dem so häufigem Herausnehmen und<br />

Betasten einen Geruch angenommen hatte.<br />

Sich ihres Qualitätsurteils nicht<br />

sicher, machte sie eine Bewegung, als würde<br />

sie die Gans zurücklegen. Schnell streckte<br />

Marko die Hände aus, um die Gans im Flug<br />

zu fangen, bevor sie den Boden der Truhe<br />

erreichte. Doch da drehte sich die Frau zu<br />

ihm um und sprach ihn an.<br />

„Ach, wären Sie so <strong>net</strong>t und halten mal<br />

kurz. Meine Finger sind schon ganz gefroren.<br />

Ich muss ein Taschentuch herausnehmen.“<br />

Das Lächeln auf Markos Gesicht<br />

gefror ebenfalls. Als er die eiskalte Gans in


den Fingern spürte, schoss ihm ein Gedanke<br />

durch den Kopf: Los, mach dich auf die<br />

Socken, auf zur Kasse! Sein Gefühl trieb ihn<br />

zur Flucht an, der Verstand jedoch befahl<br />

ihm zu bleiben. Was, wenn die Frau zu<br />

schreien anfinge? Die Leute würden denken,<br />

er sei ein Dieb, der die Frau bestohlen hatte.<br />

Nein. Es würde ihm gerade noch fehlen sich<br />

zu blamieren, ausgerech<strong>net</strong> an Heiligabend.<br />

Unwillig hielt er die Gans und als die Frau<br />

die Taschentücher herausnahm, gab er ihr<br />

seinen bescheidenen Weihnachtsbraten<br />

zurück.<br />

„Was meinen Sie? Soll ich diese arme,<br />

gemarterte Gans nehmen oder nicht?“<br />

Markos Gesicht erhellte sich.<br />

Seine Chancen, doch noch an den Braten<br />

zu kommen, stiegen plötzlich wieder.<br />

Er runzelte die Stirn und schnitt eine<br />

unzufriedene Grimasse und antwortete, wie<br />

aus der Kanone geschossen:<br />

„An Ihrer Stelle, liebe Frau, würde ich<br />

diese Gans, die Hunderte von Kunden nicht<br />

haben wollten, auch nicht nehmen. Sehen sie<br />

nur wie mager und abgegriffen sie ist. Das<br />

ist doch ein jämmerlicher Weihnachtsbraten.<br />

Nein, kaufen sie die bloß nicht!“<br />

„Sie haben recht“, sagte die Frau.<br />

„Das meine ich auch.“ Sie machte eine<br />

Bewegung, als würde sie die Gans in die<br />

Truhe zurücklegen.<br />

In der Angst, die Frau könnte es sich<br />

doch noch überlegen, unterstrich Marko sein<br />

Urteil mit einem weiteren Argument:<br />

„Sehen Sie nur den Preis. Es ist eine<br />

Unverschämtheit für diesen armen Vogel so<br />

viel zu verlangen. Der ist doch nicht mal die<br />

Hälfte Wert. Wird so oder so nicht verkauft.<br />

Außerdem wird der Laden in ein paar<br />

Minuten geschlossen.“<br />

Bei diesen Worten zuckte die Frau<br />

zusammen und, als ob ihr ein Licht der<br />

Vorsehung aufgegangen wäre, lächelte sie<br />

dankbar und antwortete dem verdutzten<br />

Marko:<br />

„Danke, daran habe ich gar nicht<br />

gedacht. Ich gehe gleich zum Geschäftsführer<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 25<br />

und frage ihn, ob er sie mir um die Hälfte<br />

verkauft.“ Sie drückte die schon zu<br />

genüge verdrückte Gans an ihre Brust und<br />

machte sich auf zu der Stelle, wo man den<br />

Geschäftsführer antreffen müsste.<br />

Marko verfluchte seine lose Zunge und<br />

verabschiedete sich in Gedanken von seinem<br />

Weihnachtsbraten. Was sollte er jetzt bloß<br />

seiner Frau sagen? Sollte er sie wegen ihrer<br />

Vergesslichkeit ausschimpfen oder ihr sein<br />

erfolgloses taktisches Spiel beichten? So oder<br />

so, die Weihnachtsgans konnte er vergessen.<br />

Zu allem Unglück wurden jetzt die Kunden<br />

über die Lautsprecher an die Kassen gebeten,<br />

da in ein paar Minuten geschlossen würde.<br />

Traurig ging er in Richtung Ausgang. Noch<br />

bevor er die Schiebetür erreichte, drehte er<br />

sich um und sah zum Ort seiner Niederlage,<br />

der Kühltruhe. Es war genau im richtigen<br />

Moment. Die Frau mit der Gans näherte sich<br />

der Truhe und ließ sie krachend hineinfallen.<br />

Marko drehte sich auf dem Absatz um und<br />

rannte wie von einer Rakete angetrieben zur<br />

Kühltruhe. Er wäre beinahe mit der Frau<br />

zusammengestoßen, hörte im Vorbeirennen<br />

nur ihre letzten Worte.<br />

„… wollte nicht den Preis<br />

nachlassen!“<br />

Marko war der Preis egal. Hauptsache, er<br />

hatte die letzte Weihnachtsgans ergattert.<br />

Auch der böse Blick der Kassiererin, die ihre<br />

Kasse endlich schließen wollte, war ihm egal.<br />

Das bekannte „Alle Jahre wieder...“ begleitete<br />

ihn zum Ausgang. Das war ihm nicht egal.<br />

So ein Einkauf passiert dir nie wieder,<br />

dachte er, als er seine Beute triumphierend<br />

im Kofferraum verstaute. Dann gab er Gas<br />

und verließ mit quietschenden Reifen das<br />

Kampffeld um die letzte Weihnachtsgans.


Gaby Hühn-Keller<br />

Als ich im Mai 1946 als vierjähriges Kind<br />

mit meinen Eltern aus Ungarn ausgesiedelt<br />

wurde, hatte ich sofort, schon im<br />

Aussiedlerzug, ein Problem: Ich konnte mit<br />

niemandem, außer mit ihnen sprechen. Erst<br />

jetzt hörte ich, dass meine Eltern mit den<br />

Mitausgesiedelten anders sprachen als mit<br />

mir. In Ungarn hatten wir zusammen mit der<br />

Schwester meiner ungarischen Mutter, deren<br />

Mann und den drei Kindern in einem dieser<br />

lang gestreckten burgenländischen Gehöfte<br />

gewohnt und ausschließlich ungarisch gesprochen.<br />

Meine Cousine und meine Cousins<br />

vermisste ich als Spielkameraden sehr.<br />

Wir lebten jetzt in Bayern, in einem Dorf in der<br />

Nähe von Landsberg am Lech. Täglich wurde<br />

ich vors Haus geschickt, damit ich andere<br />

Kinder treffe, um schnell deutsch zu lernen. Es<br />

gab auch viele Kinder. Aber, die so genannten<br />

Flüchtlingskinder sprachen ein Deutsch,<br />

wie man es im südlichen österreichischen<br />

Burgenland spricht, die bayerischen einen lokal<br />

begrenzten Lechraindialekt. Solcherlei feine<br />

Unterscheidungen kenne ich jetzt. Damals<br />

verstand ich noch gar nichts. Ich musste<br />

hinhören, aufpassen, den Gesichtsausdruck<br />

des Sprechenden studieren und überhaupt<br />

alle Zusammenhänge um das Gesprochene<br />

herum genau beobachten. Nach und nach<br />

blieb ein Wort oder Halbsatz hängen und ich<br />

erriet den Inhalt des Gehörten. Mit richtigem<br />

Verstehen hatte das noch nichts zu tun.<br />

Der Herbst 1947 war vorbei. Es hatte schon<br />

etwas geschneit, da begannen die Buben, die<br />

schon in die Schule gingen, etwas von einem<br />

Nikolaus zu erzählen: „I furcht mi itt“, sagte<br />

der bayerische Bub. Der Flüchtlingsbub sagte:<br />

„I fiacht mi aa <strong>net</strong>. Awa wan da Krampus<br />

kummt, scho.“ „Was isch’n a Krampus?“ der<br />

erste. „Dees iis da Schwoaze mit’m Sook. Dear<br />

nimmt di mit, mei Liawa, wanst <strong>net</strong> ziagst.“<br />

„Was fiar a Schwarzer, a Neger oder was?“<br />

„A Krampus hojt.“ Ein anderer bayerischer<br />

ProSa<br />

Nikolaus, Klaubauf, Krampus & Co.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 26<br />

Bub mischt sich ein: „Woasch waas, der<br />

muant vielleicht an Klaubauf.“ „Sog i ja eh,<br />

Krampus.“<br />

Ich, mit gespitzten Ohren immer zwischen<br />

drin, habe längst gespürt, dass sie alle<br />

furchtbar Angst hatten. Sie taten nur so, als<br />

machte ihnen nichts etwas aus. Mit dem<br />

Wort „Krampus“ war bei mir der Groschen<br />

gefallen. Und, da es schon zu dämmern<br />

begann, lief ich sofort nach Hause zu<br />

meiner Mutter. „Stell dir vor“, sprudelte es<br />

gleich in Ungarisch aus mir heraus, denn<br />

das ging mir viel schneller von der Zunge,<br />

„es gibt hier einen Krampus. Und der soll<br />

bald kommen. Die Buben sagen, sie hauen<br />

ihn um oder reißen ihm den Sack weg<br />

oder verstecken sich auf dem Heuboden.<br />

Aber sie haben Angst, das merke ich ganz<br />

genau. Es ist wie beim Tihamér.“ Tihamér<br />

war mein etwas älterer Cousin in Ungarn.<br />

Ein äußerst aufgewecktes Bürschlein,<br />

dessen Kreativität und Können noch nicht<br />

sinnbringend in Schulfächer kanalisiert<br />

war. Kindergarten gab es auch keinen. Ihm<br />

wurde oft mit dem Krampusz gedroht. Ich<br />

wusste vom Krampusz noch nichts. Nur so<br />

viel: ‘Mikolás és (und) Krampusz’ wurden<br />

immer gemeinsam erwähnt. Offensichtlich<br />

gehörten sie zusammen. Und jetzt sah ich<br />

die Szene wieder ganz genau vor mir.<br />

Tihamér prahlte: „Ich werde doch einen<br />

Krampusz nicht fürchten.“ Kurz darauf<br />

jedoch, beide Familien waren in der großen<br />

Wohnküche versammelt, hörte man ein<br />

Poltern, Stampfen, Glockenklingeln,<br />

Kettenrasseln auf das Haus zukommen.<br />

„Jaj, a Mikolás és a Krampusz“ kreischte<br />

Tihamér völlig hysterisch und verschwand<br />

auch schon unter dem großen Küchentisch.<br />

Angesteckt von seinem Geschrei, folgten<br />

ihm sein kleiner Bruder und ich. Wir<br />

kauerten uns mucksmäuschenstill neben<br />

ihn. Nur seine ältere Schwester blieb bei


den Erwachsenen. Der Lärm kam näher.<br />

Nun hörte man die Ketten an die Außentür<br />

schlagen. Nach drei, vier schweren Schritten<br />

pochten wuchtige Schläge an die Küchentür<br />

und schon ging sie auf. Herein traten<br />

zwei riesige, Furcht erregende Gestalten,<br />

gekleidet in Sackleinen und vielerlei Fell. Ich<br />

saß zu vorderst neben einem Tischbein und<br />

sah ihre Knüppel und einen großen Sack.<br />

Einer hatte einen langen grauen Bart, der<br />

andere ein mit Ruß verschmiertes schwarzes<br />

Gesicht und schwarze Hände. „Sind hier<br />

keine anderen Kinder im Haus?“ ertönte die<br />

tiefe Stimme des Bärtigen. „Ich sehe nur ein<br />

Mädchen. Wo ist der freche Bube, den der<br />

Krampusz sucht?“ Tihamér fing nun wieder<br />

an zu kreischen. Wir Kleinen stimmten ein.<br />

Der Krampusz bückte sich, griff mit seiner<br />

schwarzen Hand an mir vorbei und holte<br />

sich Tihamér zielsicher mit einem Ruck<br />

unter dem Tisch hervor und klemmte ihn<br />

unter die Achsel. Da zappelte er nun, kratzte<br />

und schlug um sich, um sich zu befreien und<br />

schrie ein ums andere Mal „Ich will mich<br />

bessern, ich will mich bessern.“ Wir Kleinen<br />

krochen weinend zu unseren Müttern, die<br />

uns auf den Arm nahmen. Der Mikolás half<br />

nun, den großen Sack zu öffnen. Schon steckte<br />

Tihamér halb drin, da schrieen alle: „Nein,<br />

nein, lass ihn da. Er will sich bessern.“ Der<br />

Krampusz ließ ihn noch ein wenig zappeln,<br />

dann stellte er ihn auf den Boden. Ruckzuck<br />

war Tihamér weg und verschwand unter<br />

dem Küchensofa. Während der Krampusz<br />

mit der Kette rasselte und herumschimpfte,<br />

dass man ihn nicht einmal die frechsten<br />

Buben mitnehmen lässt, kramte der Mikolás<br />

aus einem kleineren Sack Walnüsse und<br />

getrock<strong>net</strong>e Birnen heraus und legte sie<br />

auf den Tisch. Er mahnte dann die Kinder,<br />

immer brav zu sein und den Krampusz, sich<br />

endlich zu beruhigen. Er wünschte noch eine<br />

gute Vorweihnachtszeit, dann stapften die<br />

beiden mit Geglockel und Gerassel weg.<br />

„Kommt der Krampus auch hierher?“,<br />

wollte ich wissen, wieder ins Deutsche<br />

umschwenkend. „Ich weiß nicht, wie hier<br />

ist die Brauch“, antwortete meine Mutter in<br />

ihrem Deutsch. Ich hätte jetzt fragen müssen,<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 27<br />

was ein Brauch ist, weil ich das Wort nicht<br />

kannte. Aber ich war viel zu aufgeregt. „Und<br />

wenn er kommt, nimmt er dann nur freche<br />

Kinder mit oder auch brave oder überhaupt<br />

alle?“ „Letztes Jahr war die Mikulàs nicht<br />

da“, fuhr meine Mutter fort, „aber wenn ich<br />

recht sinne, habe ich eine umgehen gehert.“<br />

Mein Vater mischte sich ein: „Du kannst<br />

noch dreimal ruhig schlafen, bis es so weit<br />

ist. Wenn ein Nikolaus kommt, hört man<br />

ihn am Klingeln. Dann kommst du zu mir.<br />

Ich lasse nicht zu, dass er dich mitnimmt.“<br />

Langsam beruhigte ich mich. Ohne Wenn<br />

und Aber ging ich in den nächsten drei<br />

Abenden ins Bett. Das Zubettgehen war<br />

meine Schwachstelle.<br />

Der vierte Tag war gekommen. Ich spielte,<br />

wie immer, draußen. Die meisten Kinder<br />

waren in der Schule und die kleineren<br />

verbreiteten keine Angst. Gegen Abend<br />

ging ich zum Bauern Winterholler in den<br />

Stall. Dort gab es junge Kätzchen, die sich<br />

mit der alten Miezl um die Melkzeit im Stall<br />

einfanden. Die ließen gerne mit sich spielen.<br />

Da kam Seppl, der etwa zwanzigjährige<br />

Sohn des Bauern mit einem Korb Heu aus<br />

der Tenne und sagte: „Dasch du no drauß<br />

rumlofsch, heit kimmt dr Kloos. Dear<br />

kennt di doch mitnejma, wennsch dann<br />

hua geasch.“ Das hatte ich noch gar nicht<br />

bedacht und bekam einen fürchterlichen<br />

Schreck. Das sah er mir wohl an. „Bisch itt<br />

brav gwejsa?“ fragte er nach. „Doch, doch“,<br />

gab ich schnell zurück. „Ja, dann brauchsch o<br />

koa Angscht itt hawa.“ „Ich hab aber Angst“<br />

sagte ich weinerlich und versuchte, ihm die<br />

Geschichte von Tihamér so gut ich eben<br />

konnte, zu erzählen. Er hörte mir genau zu<br />

und ließ mich ausreden. Dann meinte er. „Ja,<br />

a diamol isch so a wülder Hund dabei. Aber<br />

wennsch schia betsch, tuat a dr nix. Und iaz<br />

hau ab, bevors naacht weard.“ Ich lief sofort<br />

nach Hause. Aber was hatte er eigentlich<br />

gesagt? Ich hatte etwas von einem „wilden<br />

Hund“ verstanden und von einem „schönen<br />

Bett“ oder ähnlich. Wollte er mir sagen,<br />

dass hier der Nikolaus außer dem Krampus<br />

sogar noch einen wilden Hund dabei hatte?<br />

Ich fürchtete ja sogar schon Winterhollers


kleinen Spitz. Und was war mit dem Bett.<br />

Meinte Seppl, ich müsste immer schia brav<br />

ins Bett gehen? Wusste jeder, auch der<br />

Nikolaus, dass ich ...? Ich setzte mich gleich<br />

neben meinen Vater, der die Zeitung las und<br />

fragte: „Weiß der Nikolaus überhaupt, dass<br />

ich jetzt in Petzenhausen wohne?“ Er schaute<br />

auf: „Das werden ihm irgendwelche kleinen<br />

Engel schon gesagt haben“. „Hörst du schon<br />

was klingeln?“ „Noch nicht. Ich lese dir<br />

jetzt vor, was gestern in Landsberg passiert<br />

ist. Und dann wollen wir zu Abend essen.“<br />

Ich merkte, er wollte mich ablenken. Und<br />

unversehens, ich wollte gerade wieder ohne<br />

Widerrede „schia ins Bett gehen“, klingelte<br />

eine kleine Glocke am Gartenzaun entlang.<br />

Der Ton kam auf die Haustür zu und schon<br />

klopfte es an unserer Küchentür. Mein Vater<br />

rief mit fester Stimme „herein“ und ein<br />

Nikolaus mit knielanger Kutte, um die Taille<br />

eine Art Kälberstrick, an dem eine kleine<br />

Kuhglocke hing, kam herein. Mit weißem<br />

Bart, einer Zipfelmütze auf dem Kopf, einem<br />

kleinen Sack in der einen und einer Rute in<br />

der anderen Hand, stand er direkt vor mir.<br />

Ist er allein? Kommt noch ein Krampus<br />

nach oder ein wilder Hund...?, schoss es mir<br />

gerade durch den Kopf, da fragte er mich,<br />

bemüht, hochdeutsch zu sprechen: „Wie<br />

heißt du?“ Ich sagte meinen Namen. „Aha. Ist<br />

sie brav?“ Er schaute zu meinen Eltern. „Ja,<br />

ja, sie ist brav“, gab mein Vater die Antwort.<br />

„Kannst du beten?“ Beten! Bett! beten? Was<br />

will er? Jetzt hat er mich! „Ich geh schon<br />

immer schia ins Bett,“ stotterte ich. „Ich will<br />

nicht wissen, ob du ins Bett gehst. Du sollst<br />

das „Vater unser“ beten.“ Vater unser ...?<br />

Ich schaute Hilfe suchend zu meinem Vater.<br />

Vielleicht war er gemeint. Meine Mutter sagte<br />

ja „unser Vater“, wenn sie in Deutsch von<br />

ihm sprach. Er reagierte nicht. „Ich, ich weiß<br />

nicht ...“, begann ich zögerlich. Nun hob der<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 28<br />

Nikolaus die Rute und fragte mit tadelnder<br />

Stimme: „Was, du kannst nicht das „Vater<br />

unser“ beten?“ „Halt, halt, Nikolaus“, griff<br />

mein Vater jetzt ein, „sie kann es wirklich<br />

nicht. Aber sie kann ein Abendgebet. Das<br />

allerdings in Ungarisch. Das könnte sie<br />

beten. Ich muss ihr aber erstmal sagen, um<br />

was es geht.“ „Gut, soll sie ungarisch beten.“<br />

Mein Vater erklärte mir nun, dass beten<br />

„imátkozni“ ist und dass der Nikolaus als<br />

frommer Mann mein Abendgebet hören<br />

möchte. Ich hatte begriffen und stellte mich<br />

ordentlich hin, faltete die Hände und begann<br />

laut und deutlich „O édes Istenem ...“ zu<br />

beten, bis das Gebet zu Ende war. Ich merkte,<br />

dass der Nikolaus gerührt war. Er sagte, so<br />

ein schönes Gebet hätte er noch nie gehört.<br />

Dann ging er zum Tisch und legte Äpfel,<br />

Haselnüsse und einen Lebkuchen mit einem<br />

schönen aufgeklebten Nikolausbild auf den<br />

Tisch. Nach einem „Guat Nacht mitnand“<br />

ging er.<br />

Ich seufzte vor Erleichterung. Man hörte noch<br />

das eine oder andere Geklingel. Die großen<br />

Wachhunde der reichen Bauern schlugen<br />

dabei an und zerrten an ihren Laufketten.<br />

Aber das gehörte zu den normalen<br />

Dorfgeräuschen. Lange betrachtete ich das<br />

Bild auf dem Lebkuchen. Der Nikolaus darauf<br />

hatte einen dunkelroten Mantel mit Kapuze<br />

und einen mit weißem Pelz verbrämten<br />

Kragen. Ein Sack voller Spielzeug stand vor<br />

ihm und er trug wunderschöne schwarze<br />

kniehohe Schaftstiefel. „Schau mal her“, sagte<br />

ich zu meinem Vater, der angefangen hatte,<br />

die Nüsse zu knacken, „dieser Nikolaus<br />

hier hat genau so schöne Stiefel wie sie der<br />

Opa in Ungarn hatte. Und die vom Nikolaus<br />

vorhin, die sahen aus wie die Stallstiefel vom<br />

Winterholler Seppl.“


Heidrun Schaller<br />

Eine etwas andere „Weihnachtsgeschichte“<br />

„Leise rieselt der Schnee“ und „Kling -<br />

Glöckchen - kilingelingeling“ haben sich in<br />

„Stille Nacht, Heilige Nacht“ und „ O Du<br />

Fröhliche“ emotional und zeitlich verdichtet<br />

, haben die Poren der Mitmenschlichkeit<br />

verkitscht, eine Illusion von Friede und<br />

Freude auf Erden erzeugt, das Alibi für<br />

Gedankenlosigkeit und Abgrenzung wieder<br />

mal perfekt geliefert.<br />

Das Familienfest hinter fest verschlossenen<br />

Türen. Ja, der Zusammenhang zwischen<br />

„ Fest“ und „fest-verschlossen“ wird<br />

offensichtlich.<br />

Selbst da, hinter diesen “fest“ verschlossenen<br />

Türen, wo man das „Fest der Liebe“ feiert<br />

, wird unter der oberflächlich heilen<br />

süßlichen Weihnachtsharmonie züngelnder<br />

Frust und wabernder Unfriede nur mühsam<br />

unterdrückt und kann sich bei der kleinsten<br />

Unaufmerksamkeit heftig entladen.<br />

Mit jeder verschlossenen Türe hinter der<br />

die Weihnachtsstimmung steigt, werden<br />

die, die nicht dazugehören, noch mehr<br />

ausgeschlossen.<br />

Wer sieht die Frau, die nach der Scheidung,<br />

das Kind musste dieses Jahr - man ist ja<br />

aufgeklärt, liberal, tolerant und so vernünftig<br />

und wechselt sich jedes Jahr ab - in die neue<br />

Familie des Mannes, sie ist zum ersten Mal<br />

nach der Scheidung ganz alleine, mit dem<br />

traurigen Blick, die ganz alleine zwischen<br />

all den Paaren und den Familien in der<br />

Heiligabendmesse sitzt ?<br />

Einsam, alleine und ihrer kummervollen<br />

Gedanken bewusst, ist sie aus ihrem<br />

Traum von Familienglück, aus diesem<br />

Traum vom Einssein, vom Familienkreis<br />

als Paradieszustand unsanft in der Realität<br />

erwacht.<br />

Sie fühlt sich nackt und isoliert von allen<br />

sozialen Kontakten, Möglichkeiten,<br />

Beziehungen. Keine Nähe, Geborgenheit ist<br />

für sie in dieser „ Heiligen Nacht „ bereit.<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 29<br />

Die unerbittlich vergehenden Sekunden,<br />

Minuten ticken die Energie aus ihrer<br />

Lebenskraft, hinterlassen ein Vakuum in<br />

dem keine Bewegung, Freude, Initiative,<br />

mehr möglich ist.<br />

Sie erlebt ihre Einsamkeit als schwere<br />

Last und Bürde und ist kaum noch fähig<br />

zu spüren, dass dieses Getrenntsein von<br />

der einlullenden Harmonie, von der<br />

Scheingeborgenheit ihre Chance ist zu<br />

eigenem Willen, zu Bewusstheit und aktiver<br />

Lebensgestaltung.<br />

Noch sieht sie auf ihrem Heimweg mit<br />

tränenfeuchtem Gesicht nur zu den<br />

hellerleuchteten Fenstern hinauf und fühlt<br />

schwarze, festverschlossene Türen, in dem<br />

Bewusstsein, herausgefallen zu sein aus der<br />

Welt der Lebenden, der Glücklichen.<br />

Doch dann huscht ihr ein Gedanke durch den<br />

Sinn, und schon diese gedankliche Bewegung,<br />

lässt das Vakuum zischend wieder mit Luft,<br />

Atemluft, Energie volllaufen.<br />

Bewegung wird wieder möglich.<br />

Ihr kommt der aufmüpfige Gedanke, diese<br />

heiligabend-seligen Menschen mit sich und<br />

ihrer Einsamkeit zu konfrontieren, einfach<br />

zu klingeln, an einer dieser Türen und zu<br />

sagen:<br />

„Im Namen dieses Weihnachtsheiligenabends,<br />

bitte ich um Teilhabe an ihrem<br />

Fest“ und sie malt sich in Gedanken aus,<br />

wie die Reaktionen der von ihr so betroffen<br />

gemachten sein könnten:<br />

„ Das tut mir leid, wir haben die<br />

Schwiegereltern zu Besuch, das geht leider<br />

nicht, aber warten Sie, ich bringe ihnen einen<br />

Schluck Wein an die Türe, damit sie sich<br />

stärken können.“ oder „Was fällt ihnen denn<br />

ein, wir sind doch nicht von der Wohlfahrt,<br />

scheren sie sich weg zu ihren eigenen<br />

Angelegenheiten, sonst muss ich die Polizei<br />

rufen“ oder „ Sie sind ganz alleine an diesem


Abend, das trifft sich gut, ich bin auch alleine,<br />

da können wir zusammen sitzen und diesen<br />

Abend begehen“ - doch alle diese oder<br />

auch ganz andere Reaktionen können nicht<br />

stattfinden, da sie nicht zu klingeln wagt. Ihr<br />

Gedanke scheint ihr im wirklichen, in ihrem<br />

so traurig, einsamen Leben unausführbar.<br />

So muss sie an diesem zähen, schmerzhaften<br />

Abend ihr Leben, ihre Gedanken nutzen, um<br />

sich selber wie Münchhausen am eigenen<br />

Zopf aus dem Sumpf ihrer negativen<br />

Gedanken und Gefühle zu ziehen.<br />

Sie müsste ihr Leben durchdenken, aktive<br />

Pläne für die eigene Zukunft fassen,<br />

hinaustreten aus dem Dilemma der<br />

Schuldzuweisung und hinein in eine neue<br />

Phase der Verantwortung für sich selbst.<br />

So ist letztendlich sie die Wiedergeborene,<br />

die neue Kraft, da sie endlich Trauerarbeit<br />

geleistet hat, Abschied von den alten<br />

Illusionen genommen und nun endlich<br />

wirklich frei ist zu leben, ihr Leben zu<br />

leben.<br />

Sie ist dieses Kind, das in die Welt gekommen<br />

ist - mitten im Winter in der dunklen Nacht<br />

der Einsamkeit.<br />

Bevor sie zu Bett geht, die Glocken läuten<br />

schon zur Christmette, die sie sich nicht<br />

mehr antun wird, liest sie noch einmal das<br />

Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse,<br />

dessen Mittelteil ihr Trost und Hilfe zum<br />

Neu-Anfang gibt:<br />

...Wir sollten heiter Raum um Raum durchschreiten,<br />

an keinem wie an einer Heimat hängen,<br />

der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,<br />

er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.<br />

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise<br />

und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,<br />

nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,<br />

mag lähmender Gewöhnung sich entraffen...<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 30<br />

Und da fällt ihr auch noch ihr altes<br />

Poesiealbum ein, da stand doch noch so ein<br />

Spruch über den „ Weg“ drin. Als junges<br />

Mädchen und heranwachsende Frau hatte<br />

sie sich diesen Spruch immer als Leitmotiv<br />

gesetzt.<br />

Schnell springt sie noch mal aus dem Bett,<br />

sucht in ihren Jungmädchensachen und<br />

findet das Poesiealbum. Wieder im Bett liest<br />

sie mit Herzklopfen:<br />

Den Weg machst du beim Gehen<br />

Wanderer, Deine Fußstapfen sind der Weg, und<br />

nichts sonst.<br />

Wanderer, einen Weg gibt es nicht, den Weg<br />

machst du beim Gehen.<br />

Beim Gehen machst du den Weg, und blickst<br />

du zurück,<br />

so siehst du den Pfad, den du nie mehr wieder<br />

betreten musst.<br />

Wanderer, einen Weg gibt es nicht, nur Wirbel<br />

im Wasser des Meeres.<br />

Antonio Machado Y Ruiz<br />

Mit der Gewissheit, den Fuß auf ihren Weg<br />

zu setzen und voran zu schreiten, schläft<br />

sie an diesem Heiligen Abend getröstet und<br />

mit neuem Optimismus ein.


udi Bachmann-Voelkel<br />

Carolin war schon sehr müde. Es fiel<br />

ihr sichtlich schwer wach zu bleiben.<br />

Zweiundzwanzig Uhr fünfundvierzig<br />

schlug die Standuhr. Sonst musste sie um<br />

zwanzig Uhr im Bett liegen und eine halbe<br />

Stunde später das Licht ausschalten. Heute<br />

nicht. Sie war in diesem Frühjahr sechs<br />

geworden, in die Schule gekommen und<br />

durfte nun zum ersten Mal bis ins neue Jahr<br />

hinein wach bleiben. So richtig konnte sie<br />

sich gar nicht vorstellen, was daran so toll<br />

sein sollte bis Mitternacht auf zu bleiben,<br />

um sich dann alles erdenklich Gute zum<br />

neuen Jahr zu wünschen. Ihre Eltern, die<br />

Eltern ihrer Mutter, Oma Petra und Opa<br />

Karl aus Berlin, das Ehepaar Lichtner von<br />

nebenan und Tante Frieda, die von Freiburg<br />

angereist war, saßen im Wohnzimmer<br />

und erzählten von Dingen die Carolin nicht<br />

verstand, oder von Erlebnissen, die schon<br />

Ewigkeiten zurück lagen. Ihr war furchtbar<br />

langweilig. Sie schaute aus dem Fenster.<br />

Plötzlich: Strahlendes Lachen über ihrem<br />

Gesicht.<br />

„Mama, schau einmal. Es schneit!“<br />

„Was, das kann nicht sein“, meinte<br />

Tante Frieda, “gestern hat es doch noch<br />

gereg<strong>net</strong>.“<br />

„Doch, doch! Schau nur!“<br />

„Du hast ja recht, mein Schatz“, meinte Frau<br />

Convent, Carolins Mutter.<br />

„Das ist ganz toll“, sagte sie weiter, “dann<br />

können wir an diesem Wochenende<br />

vielleicht Schlitten fahren.“<br />

„Ja ….. Mama, mir ist langweilig.“<br />

„Geh bitte zu Papa in die Küche. Vielleicht<br />

spielt er etwas mit dir. Ich muss mich um<br />

unsere Gäste kümmern.“<br />

Carolin ging missmutig in die Küche. Ihr<br />

Vater stand am Küchenfenster, schaute<br />

ProSa<br />

Das Kellerfenster<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 31<br />

hinaus, und bemerkte zunächst gar nicht,<br />

dass sie das Zimmer betreten hatte.<br />

„Papa.“<br />

Herr Convent wurde aus seinen Gedanken<br />

gerissen und drehte sich zur Küchentür.<br />

„Ja, Carolin.“<br />

„Spielen wir etwas? Mir ist so langweilig<br />

und ich bin auch müde.“<br />

„Sollen wir nicht lieber nach draußen<br />

gehen? Hast du schon gesehen: Es schneit.<br />

Ein Spaziergang im Schnee ist gut gegen<br />

Langeweile und bestimmt auch gegen<br />

Müdigkeit.“<br />

„Oh ja!“<br />

„Dann musst du dich aber warm anziehen.<br />

Ich sage Mama inzwischen Bescheid.“<br />

Herr Convent und Carolin verabschiedeten<br />

sich. Gegenüber dem Haus lagen Wiesen<br />

und Felder. Die Schneeflocken tänzelten<br />

mittlerweile so dicht vor Carolins Nase,<br />

dass sie kaum zehn Schritte sehen konnte.<br />

Das flimmernde Wirrwarr wurde ab und zu<br />

durch das Licht der Straßenlaternen erhellt.<br />

Carolins Müdigkeit war wie weggeblasen<br />

und sie versuchte einzelne Schneeflocken<br />

mit dem offenen Mund einzufangen. Rechts,<br />

am Feldweg, kurz bevor sie auf das freie Feld<br />

kamen, stand ein älteres Mehrfamilienhaus.<br />

Aus einem Kellerfenster drang Licht. Carolin<br />

konnte in das dahinter liegende Zimmer<br />

schauen, da die Gardinen und der Vorhang<br />

nicht zugezogen waren. Sie sah einen alten<br />

Mann in der Stube am Tisch sitzen. Seine<br />

Augen waren geschlossen. Sein Kopf auf<br />

beide Hände, die Ellenbogen auf den Tisch<br />

gestützt.<br />

Carolin: „Papa!“<br />

„Ja, mein Schatz?“


„Schau mal. Dort unten im Keller. Ein alter<br />

Mann. Im Zimmer. An einem Tisch. Er sieht<br />

so nachdenklich aus. Ob er wohl traurig ist?<br />

Niemanden hat mit dem er erzählen kann?<br />

Ob er heute Abend alleine ist?“<br />

„Das kann schon sein. Möglicherweise<br />

ist seine Frau schon tot und seine Kinder<br />

wohnen weit weg? Es gibt viele Gründe,<br />

warum Menschen alleine leben.“<br />

„Du, Papa.“<br />

Ja?“<br />

„Eben schaut er zu uns.“<br />

Carolin lachte dem Mann zu und winkte. Er<br />

kam zum Fenster gelaufen und öff<strong>net</strong>e es.<br />

„Hallo, junges Fräulein. Guten Abend. Du<br />

machst wohl mit deinem Vater noch einen<br />

kleinen Spaziergang, damit die Zeit bis zum<br />

Jahreswechsel schneller vorbei geht? Und<br />

wenn es auch noch schneit, ist es doppelt so<br />

schön.“<br />

„Ja“, sagte Carolin und schaute dabei den<br />

Mann sehr ernst an.<br />

„Was schaust du mich denn so an?“<br />

„Hast du keine Frau mehr?“<br />

„Nein, die ist schon vor fünf Jahren gestorben.<br />

Mit dreiundachtzig Jahren. Sechzig Jahre<br />

waren wir verheiratet.“<br />

„Wie heißt du eigentlich“, fragte Carolin.<br />

„Temme heiße ich. Und du? Deinen Namen<br />

weiß ich ja auch noch nicht.“<br />

„Carolin heiße ich, Carolin Convent.“<br />

„Ein sehr schöner Name. Wie alt bist du<br />

denn?“<br />

„Ich bin sechs Jahre und du?“<br />

„Neunzig Jahre bin ich geworden. Vor vier<br />

Wochen.“<br />

„Hast du das gehört Papa? Neunzig Jahre!<br />

Fast dreimal so alt wie du.“<br />

„Ja, mein Schatz.“<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 32<br />

Carolin und ihr Vater unterhielten sich noch<br />

eine ganze Weile mit Herrn Temme. Die Zeit<br />

verging. Herr Convent schaute auf seine<br />

Armbanduhr.<br />

„Carolin, wir müssen nun aber langsam<br />

wieder nach Hause gehen. Es ist nur noch<br />

eine halbe Stunde bis Mitternacht.“<br />

„Schade ….. Auf Wiedersehen Herr Temme.<br />

Alles Gute im neuen Jahr“, meinte Carolin.<br />

„Alles Gute auch dir. Vielleicht kannst du<br />

mich ja im neuen Jahr ab und zu einmal<br />

besuchen, wenn es deine Eltern erlauben?“<br />

„Ja, bestimmt!“<br />

„Versprochen?“<br />

„Versprochen!“<br />

Herr Temme schloss das Fenster und zog die<br />

Gardinen und den Vorhang zu. Herr Convent<br />

und Carolin liefen schnellen Schrittes nach<br />

Hause. Sie kamen gerade noch zur rechten<br />

Zeit. Frau Convent hatte schon die Sektgläser<br />

gefüllt und für Carolin eine Apfelsaftschorle<br />

in das Sektglas getan, so dass es zumindest<br />

echt aussah. Alle prosteten sich zu. Allerlei<br />

gute Wünsche für das angebrochene Jahr<br />

wurden ausgetauscht. Tante Frieda fing<br />

an zu weinen. Das machte sie immer zum<br />

Jahreswechsel.<br />

„Es macht mich traurig“, so ihre Worte,<br />

„wenn mir bewusst wird, dass Jahr für Jahr<br />

unwiederbringlich vorbei geht. Schöne Jahre<br />

waren es, aber auch weniger schöne.“<br />

„Ja, ja, Tante Frieda“, meinte da Christine,<br />

„nun wollen wir aber wieder lachen.“<br />

Carolin blieb noch bis ein Uhr auf. Sie<br />

schlief am nächsten Tag fast den ganzen<br />

Vormittag. Die Tage vergingen. Der Winter<br />

wurde von der immer wärmer strahlenden<br />

Sonne vertrieben. Die Natur erwachte. Alles<br />

grünte und blühte. Die Menschen gingen<br />

ihrer Arbeit und ihren Vergnügen nach. In<br />

den Sommerferien fuhr Familie Convent an<br />

die Nordsee und in den Herbstferien ging<br />

man zum Wandern in die österreichischen<br />

Alpen. Die Jahreszeiten wechselten. Ehe<br />

sich Carolin versah, fielen die Blätter von<br />

den Bäumen, die Felder wurden abgeerntet,


später umgepflügt. Wiederum nach ein<br />

paar Wochen wurden die Christbäume<br />

geschmückt und das neue Jahr stand vor der<br />

Tür. Nun erinnerte sich Carolin wieder an<br />

den Silvesterabend im letzten Jahr und sie<br />

wurde verlegen.<br />

„Mama“, rief sie ihrer Mutter zu, die gerade<br />

im Schlafzimmerschrank etwas nachschaute,<br />

„darf ich mal kurz weg? Ich möchte nur<br />

etwas nachschauen, jemanden besuchen.“<br />

„Wohin willst du denn gehen?“<br />

„Das möchte ich nicht sagen, aber ich gehe<br />

nicht weit weg.“<br />

„Gut, aber sei bitte in einer viertel Stunde<br />

wieder zurück.“<br />

„Ja.“<br />

Carolin ging über die Straße, lief den Feldweg<br />

entlang, an der nächsten Abzweigung nach<br />

Mario andreotti<br />

prOSa / essay<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 33<br />

links und weiter, bis sie vor dem Haus<br />

stand. Dem Haus, in dem doch Herr Temme<br />

wohnte. Sie schaute zu dem Fenster, hinter<br />

dem er gesessen hatte, konnte ihn jedoch<br />

nicht sehen. Es brannte auch kein Licht. Nun<br />

schaute sie auf den Schildern der Klingelleiste<br />

nach, konnte jedoch keines entdecken, auf<br />

dem sein Name stand. Carolin drückte den<br />

untersten Klingelknopf und fragte, nachdem<br />

ihr geöff<strong>net</strong> worden war, nach Herrn<br />

Temme.<br />

„Der ist vor zwei Monaten gestorben,“ sagte<br />

man ihr.<br />

Carolin ging niedergeschlagen nach Hause.<br />

Frau Convent bemerkte, dass in Carolin<br />

etwas vorging, etwas geschehen sein musste.<br />

Sie wusste auch, dass sie ihr Zeit geben<br />

musste, bevor sie nachfragte, was geschehen<br />

war. Vielleicht wird sie es mir auch so<br />

erzählen, dachte Frau Convent, und setze<br />

ihre begonnene Arbeit fort.<br />

Ist Dichten lernbar?<br />

Über Sinn und Unsinn von Schreibseminaren<br />

In den letzten Jahrzehnten sind sie im deutschen<br />

Sprachraum, zunächst in Deutschland<br />

und dann auch in Österreich und in der<br />

Schweiz, wie Pilze aus dem Boden geschossen:<br />

die verschiedenen, keineswegs immer<br />

billigen Schreibwerkstätten, Seminare,<br />

Literaturkurse und Fernlehrinstitute für angehende<br />

Schriftstellerinnen und Schriftsteller.<br />

Dazu kamen und kommen eine steigende<br />

Zahl von Büchern und Zeitschriften, die<br />

dem Leser mehr oder weniger deutlich suggerieren,<br />

sie enthielten „todsichere“ Rezepte<br />

für ein gutes Schreiben. Das reicht dann<br />

von relativ neutralen Titeln, wie etwa dem<br />

„Verlegerbrief“, über Titel, die wie „Grundlagen<br />

und Technik der Schreibkunst“ schon<br />

handfester tönen, bis zu solchen, die unverhohlen<br />

versprechen, der Leser werde durch<br />

die Lektüre der betreffenden Publikation<br />

„garantiert schreiben lernen“. Dieses zunehmende<br />

Angebot an Schreibhilfen, allen voran<br />

an Schreibwerkstätten und „Kursen für<br />

kreatives Schreiben“, lässt einmal mehr die<br />

Frage aufkommen, ob sich denn das Dichten<br />

überhaupt lernen lasse. Es handelt sich um<br />

eine Frage, die fast so alt wie die Dichtung<br />

selber ist und die im Verlaufe der Literaturgeschichte<br />

ganz unterschiedlich beantwortet<br />

wurde.<br />

Ist Dichten also lernbar?<br />

Hätte man diese Frage einem Literaten etwa<br />

des l7.Jahrhunderts, also der Barockzeit,<br />

gestellt, so hätte er sehr wahrscheinlich leicht<br />

verwundert zur Antwort gegeben, natürlich<br />

sei das Dichten lernbar, und dies genau so<br />

exakt wie beispielsweise das Malen oder das<br />

Musizieren. Wozu habe man denn die Poetik,<br />

wenn nicht dazu, dem Poeten die Regeln<br />

für sein literarisches Handwerk zu liefern.<br />

Man war damals nämlich der Überzeugung,<br />

ein Autor schreibe nur dann gut, wenn er<br />

bestimmte, durch literarische Autoritäten<br />

vorgegebene Regeln strikt beachte. So hatte


eispielsweise ein Dramatiker, ob es ihm<br />

gefiel oder nicht, die berühmte Regel der<br />

drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung,<br />

die angeblich auf die Poetik des Aristoteles<br />

zurückging, zu befolgen. Tat er dies nicht,<br />

so war er literarisch, und nur allzu oft<br />

auch gesellschaftlich, geächtet. In der<br />

Literaturwissenschaft spricht man deshalb<br />

von einer normativen Poetik, von einer<br />

Poetik also, die glaubte, die Schriftstellerei<br />

sei ein Handwerk wie jedes andere, das man<br />

nach bestimmten Regeln zu betreiben habe.<br />

Ein extremes Beispiel für diese normative<br />

Auffassung der Poetik ist der vielzitierte<br />

Nürnberger Trichter von Philipp Harsdörffer,<br />

der als „Anweisung, die Teutsche Dicht- und<br />

Reimkunst in sechs Stunden einzugießen“<br />

gedacht war. Noch heute erinnern gewisse<br />

Lehrbücher der Dichtung, die sich mit<br />

ihren handfesten Schreibrezepten fast wie<br />

Kochbücher geben, an diesen Nürnberger<br />

Trichter.<br />

Dichten als subjektives Geschäft<br />

Gegen Ende des 18.Jahrhunderts,<br />

literaturgeschichtlich mit dem Beginn des<br />

Sturm und Drang, wandelt sich das Bild: Die<br />

überkommene Vorstellung, die Dichtung<br />

habe einem bestimmten Regelkanon zu<br />

gehorchen, wird zunehmend durch die<br />

Ansicht abgelöst, sie habe möglichst originell,<br />

möglichst schöpferisch zu sein. „Kreativität“<br />

und „Originalität“ - man denke etwa an<br />

die für die Stürmer und Dränger typische<br />

Wortschöpfung des „Originalgenies“ -<br />

werden zu den beiden Leitbegriffen,<br />

welche die Dichtung der folgenden zwei<br />

Jahrhunderte weithin bestimmen sollten.<br />

Womit dieser Wandel in der Auffassung von<br />

Kunst zusammenhängt, ist einigermaßen<br />

offensichtlich: Wo der abendländische<br />

Mensch, wie dies seit der Aufklärung der<br />

Fall ist, seine Individualität, aber auch<br />

seine Autonomie den „Dingen“ gegenüber<br />

„entdeckt“, da hat dies Rückwirkungen auf<br />

das Selbstverständnis der Autoren. Sie fühlen<br />

sich nun nicht mehr als jene, die literarische<br />

Texte nach einer bestimmten, vorgeformten<br />

„Regelpoetik“ machen, sondern als<br />

essay<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 34<br />

Menschen, die sich von ihrer schöpferischen<br />

Intuition, von einer Art Inspiration - die Nähe<br />

zur alten, religiös fundierten Vorstellung des<br />

„poeta vates“ ist offenkundig - leiten lassen.<br />

Noch ein Friedrich Dürrenmatt huldigte<br />

dieser gleichsam irrationalen Auffassung<br />

von Dichtung und vom Autor, wenn er im<br />

Hinblick auf seine Stücke immer wieder den<br />

„poetischen Einfall“ betonte.<br />

Der eben skizzierte Wandel im<br />

Dichtungsverständnis ist nun äußerst<br />

folgenreich: Hatte vorher die Ansicht<br />

bestanden, Dichten sei lehr- und lernbar,<br />

so trat seit dem Sturm und Drang mehr<br />

und mehr die Meinung zutage, sie sei ein<br />

derart subjektives Geschäft, dass sich dafür<br />

kaum auch nur einigermaßen verbindliche<br />

Normen aufstellen ließen. Damit war es auch<br />

mit der Vorstellung von der Lernbarkeit<br />

des literarischen Handwerks gründlich<br />

vorbei. Dies erklärt weitgehend, warum<br />

es im deutschen Sprachraum Schulen für<br />

Architekten, Bildhauer, Maler und Musiker,<br />

kaum aber solche für Schriftsteller gibt.<br />

In den USA und beispielsweise auch in<br />

Russland ist das bekanntlich ganz anders:<br />

Da existieren an den Universitäten neben<br />

den literaturwissenschaftlichen eigene<br />

Schriftstellerfakultäten, in denen angehende<br />

Autoren, angeleitet durch Praktiker ihres<br />

Faches, das Formwissen um alle dichterischen<br />

Gattungen im eigentlichen Sinne lernen. Bei<br />

uns aber hält man so etwas für eine Sünde<br />

wider den Heiligen Geist der Dichtung,<br />

warnt man in einer oftmals geradezu grotesk<br />

wirkenden Scheu vor Meistersinger-Dürre<br />

und Nürnberger Trichter.<br />

Dichten doch lernbar?<br />

Freilich hat sich in den letzten Jahren<br />

auch im deutschen Sprachraum ein<br />

gewisser Sinneswandel vollzogen:<br />

Neben Literaturhäusern, die regelmäßig<br />

Autorenkurse durchführen, sind vor allem<br />

in Deutschland und Österreich eigentliche<br />

Schreibschulen und Literaturinstitute, wie<br />

beispielsweise die „schule für dichtung“<br />

in Wien, die „Schreibschule Köln“ und<br />

das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig,


entstanden. Autorenaus- und -weiterbildung,<br />

Begriffe, die noch vor einigen Jahrzehnten<br />

völlig verpönt waren, sind plötzlich in. Selbst<br />

der Schweizerische Schriftstellerverband,<br />

der Verband der Autorinnen und Autoren<br />

der Schweiz, wie er neuerdings heißt, hat<br />

sich schon vor Jahren ernsthaft mit dem<br />

Gedanken befasst, seinen Mitgliedern<br />

Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

in Form einer eigentlichen Schreibschule<br />

anzubieten. Daraus entstanden ist das<br />

Schweizerische Literaturinstitut in Biel,<br />

das seit seiner Gründung im Jahr 2006 den<br />

dreijährigen Studiengang „Bachelor of<br />

Arts“ in Literarischem Schreiben anbietet.<br />

Einen ähnlichen Lehrgang hat auch die<br />

Fachhochschule für Angewandte Linguistik<br />

in Zürich vor drei Jahren eingerichtet.<br />

Diese jüngste Entwicklung hin zum<br />

Versuch, den Beruf des Schriftstellers<br />

zu professionalisieren, hängt unter<br />

anderem zweifellos mit dem veränderten<br />

Dichtungsverständnis der Moderne<br />

zusammen, wonach Poesie, anders als etwa<br />

in Klassik und Romantik, weniger Inspiration<br />

als vielmehr Machen bedeutet. Gottfried<br />

Benns berühmter Satz „Ein Gedicht entsteht<br />

überhaupt sehr selten - ein Gedicht wird<br />

gemacht“ 3 gilt nicht nur für die moderne<br />

Lyrik, sondern für die moderne Literatur,<br />

schon ihres betonten Kunstcharakters<br />

wegen, überhaupt. Das blieb nicht ohne<br />

Rückwirkung auf das Selbstverständnis<br />

der Autoren: Verstand sich der Autor<br />

seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert als<br />

selbstmächtiger Schöpfer eines autonomen<br />

Werkes, bei dem Inspiration und Kreativität<br />

die zentrale Rolle spielten, so versteht er sich<br />

heute zunehmend als bloßer Arrangeur, der<br />

in harter Schreibtischarbeit Texte produziert,<br />

mit literarischen Formen und Techniken<br />

‚experimentiert’. Daraus erklären sich die<br />

auffallend vielen intertextuellen Bezüge, wie<br />

sie gerade für moderne und postmoderne<br />

Werke typisch sind. Dies wiederum setzt<br />

voraus, dass sich die Schriftsteller unserer<br />

Tage gewisse Formen und Techniken lernend<br />

aneignen. Zu all dem hat sich bei der Mehrheit<br />

unter ihnen die Einsicht durchgesetzt,<br />

essay<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 35<br />

mit Begabung allein lasse sich heute den<br />

vielfältigen Kommunikationsanforderungen<br />

einer komplexen Gesellschaft nicht mehr<br />

ausreichend entsprechen.<br />

Stellen wir damit nochmals die<br />

unausweichliche Frage, die Gretchenfrage<br />

sozusagen, nach der Lehr- und Lernbarkeit<br />

des Dichtens und geben wir darauf, um jedes<br />

Missverständnis auszuschließen, gleich eine<br />

klare Antwort: Kein vernünftiger Autor, aber<br />

auch kein Literaturwissenschaftler glaubt<br />

heute im Ernst, dass Dichten ein bloßes,<br />

lernbares Handwerk sei. Allerdings finden<br />

sich, trotz dieser an sich unbestrittenen<br />

Erfahrung, noch und noch Schreibkurse<br />

und entsprechende Lehrmittel, die den<br />

Benützern weismachen wollen, jeder könne<br />

ein guter Schriftsteller werden, wenn er nur<br />

die richtige, vom betreffenden Institut oder<br />

Lehrmittel propagierte Methode verwende.<br />

Was leisten nun Schreibseminare?<br />

Fragen wir zunächst nochmals, was sie nicht<br />

leisten. Alfred Döblin, einer unserer größten<br />

Epiker des 20.Jahrhunderts, hat auf diese<br />

Frage indirekt eine geradezu klassische<br />

Antwort gegeben, als er im Jahre 1926 in einem<br />

Essay schrieb: „Die guten Dichter haben<br />

ihre Intuitionen; die machen alle Anleihen<br />

überflüssig, und den schlechten ist so oder<br />

so nicht zu helfen.“ Was Döblin damals in<br />

einem allgemeinen Sinne meinte, gilt gerade<br />

für Schreibseminare in besonderem Maße:<br />

sie vermögen - dies sei in aller Deutlichkeit<br />

gesagt - keine Begabungen, keine Genies zu<br />

züchten. Wer schriftstellerisch nun einmal<br />

untalentiert ist, den machen auch Kurse und<br />

Lehrmittel mit all ihren oftmals lautstark<br />

propagierten „technischen Kniffen“ nicht<br />

zum Erfolgsautor. Wäre dem nicht so,<br />

dann müsste jeder Germanist ex officio ein<br />

guter Dichter sein, nur weil er während<br />

seines Studiums alle möglichen Formen<br />

literarischen Gestaltens zu lernen hat.<br />

So ließe sich denn am grundsätzlichen Sinn<br />

von Schreibseminaren zweifeln. Doch dann<br />

hätte man mich gründlich missverstanden.<br />

Schreibseminare erfüllen durchaus ihren


Zweck, wenn es darum geht, den Teilnehmern<br />

bestimmte handwerkliche Techniken des<br />

Schreibens zu vermitteln. Literarisch begabt<br />

zu sein, braucht nämlich noch lange nicht<br />

zu heißen, die verschiedenen literarischen<br />

Kunstmittel auch schon zu beherrschen. Das<br />

gilt schon für traditionelle Schreibweisen,<br />

deren Techniken, in der Lyrik etwa die<br />

einzelnen metrischen Formen, im Roman<br />

die unterschiedlichen Erzählhaltungen,<br />

deren sich der Autor, will er erfolgreich<br />

schreiben, bewusst werden muss. Das gilt<br />

vor allem aber in Bezug auf spezifisch<br />

moderne Kunstmittel, wie beispielsweise<br />

neue erzählerische Verfahren, die sich ohne<br />

ein gezieltes Lernen und Üben - dazu haben<br />

sich von Döblin, über Brecht bis hin zu<br />

Günter Grass alle bedeutenden modernen<br />

Autoren immer wieder bekannt - kaum<br />

aneignen lassen. Und das gilt nicht weniger<br />

für Fragen, die sich rund um das Schreiben<br />

ergeben, auf solche der Schreibpsychologie,<br />

aber auch auf Fragen der Literaturkritik<br />

und des Verlagsvertrages. Man staunt<br />

diesbezüglich immer wieder, wie hilflos<br />

auch gestandene Autorinnen und Autoren<br />

wirken, wenn sie etwa mit verlags- oder mit<br />

urheberrechtlichen Problemen konfrontiert<br />

werden. Hier können Schreibseminare<br />

zweifellos eine Art „Hilfestellung“ leisten,<br />

vorausgesetzt freilich, dass ihre Leiterinnen<br />

und Leiter in den entsprechenden Bereichen<br />

ausgebildet sind. Damit allerdings hapert<br />

es noch weit herum: auf dem Gebiet der<br />

Schreibausbildung tummeln sich heute allzu<br />

viele, die über die notwendigen fachlichen<br />

Voraussetzungen nur in Ansätzen oder gar<br />

nicht verfügen. Das gilt häufig gerade auch<br />

für praktizierende Autorinnen und Autoren,<br />

wenn sie als Leiter von Schreibseminaren<br />

auftreten und dann, weil sie selber die<br />

verschiedenen Möglichkeiten literarischen<br />

Gestaltens nicht ausreichend kennen,<br />

ihre eigene Schreibweise zum einzigen<br />

Gradmesser literarischer Qualität machen.<br />

essay<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 36<br />

Schreibseminare als Orte der Begegnung<br />

Neben der Funktion der „Hilfestellung“ -<br />

mehr kann und darf es nicht sein - erfüllen<br />

Schreibseminare selbstverständlich noch<br />

weitere Funktionen, die mit Blick auf die<br />

besondere schriftstellerische Situation nicht<br />

unterschätzt werden dürfen. Da besteht<br />

für die Autorinnen und Autoren zunächst<br />

einmal die Möglichkeit, ihr poetisches Talent,<br />

im Vergleich mit andern Teilnehmern, relativ<br />

objektiv einzuschätzen. Man erlebt immer<br />

wieder, dass Autoren nach dem Besuch<br />

eines Schreibseminars feststellen, dass sie<br />

ihre Begabung überschätzt haben, und dann<br />

konsequenterweise einen andern Weg als<br />

den der Schriftstellerei einschlagen. Aber<br />

man erlebt zum Glück auch das Gegenteil:<br />

die Tatsache nämlich, dass Autorinnen und<br />

Autoren durch „Hilfestellungen“, ja durch<br />

gezielte Schreibtipps, ihre schriftstellerische<br />

Begabung erst richtig entdecken. Und<br />

schließlich darf der psychohygienische<br />

Wert von Schreibseminaren nicht vergessen<br />

werden, wenn man bedenkt, wie sehr<br />

Schreibende als klassische ‚Einzelkämpfer’<br />

mit ihren Texten häufig nicht nur bis zu deren<br />

Fertigstellung allein, sich selbst überlassen<br />

sind. Schreibseminare geben ihnen da einmal<br />

die Möglichkeit, während ein paar Tagen<br />

aus ihrer schriftstellerischen „Einsamkeit“<br />

auszubrechen und mit Gleichgesinnten -<br />

dies im wahrsten Sinne des Wortes - über<br />

ihre vielfältigen Probleme, die sie mit ihren<br />

Texten, aber auch mit Verlegern, Lektoren<br />

und Kritikern haben, zu diskutieren. Allein<br />

der Umstand, erfahren zu dürfen, dass<br />

diese Probleme von andern angehört und<br />

ernst genommen werden, ja, dass andere<br />

Autorinnen und Autoren mit ähnlichen<br />

Problemen zu kämpfen haben, dass man<br />

mit seinen Texten zudem eine gewisse<br />

Öffentlichkeit erreicht, auch wenn es vorerst<br />

nur die eines Seminars ist, tut dann oftmals<br />

gut.


Schreibseminare - ja oder nein? Geht man<br />

von einem überkommenen, latent elitären<br />

Autorenverständnis aus (wer möchte<br />

nicht gerne zu den. Auserwählten, den<br />

Begnadeten gehören!), so wird man die Frage<br />

ohne zu zögern mit „nein“ beantworten.<br />

Ist man aber bereit einzugestehen, dass<br />

auch die Schriftstellerei ein Moment des<br />

Handwerklichen und damit des Lernbaren<br />

hat, dass sich beispielsweise eine ganze Reihe<br />

von Schreibtechniken rational aneignen<br />

irmengard M. Hörning<br />

Warum widme ich mich diesem Thema?<br />

Die Frage ist so wichtig für das Leben,<br />

das Überleben des Kunstschaffenden.<br />

Gibt es eine Möglichkeit, die Spreu vom Weizen<br />

zu trennen?<br />

In dieser Schrift möchte ich es versuchen, zumindest<br />

annähernd.<br />

Die Grenzen zwischen Kitsch und Kunst sind<br />

fließend:<br />

Es gibt keine eindeutige Festlegung; doch<br />

vom Sprachgebrauch her wird Kitsch von<br />

seiner Wirkung her bestimmt.<br />

Kitschige Darstellungen sind süßlich, niedlich,<br />

sentimental, seicht und oberflächlich,<br />

unecht und substanzlos.<br />

Viel schwieriger ist die Bestimmung von der<br />

Stilweise, von der Gestaltung her zu beurteilen.<br />

Kitsch ist ohne Eigenprägung, imitatorisch,<br />

nachahmend. Das Stoffliche herrscht vor. Er<br />

übernimmt unterschiedliche fremde Elemente<br />

und äußert sich in einer quantitativen Einstellung<br />

und täuscht Gehalte vor.<br />

Die Ursachen des Entstehens unechter, kitschiger<br />

Kunst können folgende Elemente<br />

sein:<br />

essay<br />

Kitsch und Kunst<br />

der Versuch eines Essays<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 37<br />

lassen, dann wird man gerade heute, inmitten<br />

einer Welt des Wandels und spezialisierter<br />

Berufe, den Schreibseminaren eine gewisse<br />

Berechtigung kaum absprechen können.<br />

Mario Andreotti, prof. Dr., ist Dozent für literarisches<br />

Schreiben an der Zürcher Fachhochschule für angewandte<br />

linguistik und Verfasser des Standardwerks die Struktur<br />

der modernen literatur (utB Band 1127, haupt Verlag<br />

Bern, Stuttgart, Wien), das eben in vierter, vollständig neu<br />

bearbeiteter und aktualisierter auflage erschienen ist.<br />

Ein falsches Verhältnis zur Kunst, lediglich<br />

ein Bedürfnis nach Geltung oder extremes<br />

Interesse am Geldverdienen. Auch kann die<br />

Verwirklichung bestimmter Tendenzen das<br />

Ziel sein: Kitsch soll der Ideologie dienen,<br />

soll volksnah sein, soll genussreich sein, soll<br />

schön sein; wobei Schönheit ein undefinierbarer<br />

Begriff zu sein scheint.<br />

Im Manierismus, Barock und Jugendstil finden<br />

sich genügend Beispiele, die nahe am<br />

Kitsch sind.<br />

Wie aber soll Kunst bezeich<strong>net</strong> werden?<br />

Es gibt von namhaften Künstlern genügend<br />

Hinweise zu echtem künstlerischen Schaffen;<br />

denn jeder ernsthafte Künstler wird vor<br />

der Frage stehen „Schaffe ich Kunst oder<br />

Kitsch?“<br />

Kunst zu erfassen, insoweit als fremde, störende<br />

Elemente auszuschießen sind. Es soll<br />

ein eigenständiges Thema gefunden werden,<br />

vergangenheitsbezogen oder zukunftsweisend<br />

mit erlebnismäßigem Aufnehmen<br />

der gegenwärtigen Dinge.<br />

Die Dichtung beispielsweise wird nicht<br />

mehr allein das Tun rhythmisieren, sie wird<br />

voraus sein! (Zitat Rimbaud bereits 1871)<br />

Ein Kunstwerk soll nicht nur geistvolle Ansichten,<br />

sondern auch Sinngehalte vermit


teln, es soll den Menschen ansprechen, sein<br />

Innerstes beeindrucken.<br />

Diffuses Umherirren soll entfallen; ein starker<br />

zielstrebiger Orientierungssinn soll der<br />

Kunst dienlich sein.<br />

In Essays, Programmschriften, Tagebüchern<br />

finden sich kunstästhetische Antworten: ich<br />

zitiere:<br />

Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst<br />

(1912)<br />

Nolde und Barlach, die Expressionisten: Das<br />

eigene Leben und selbsterlebtes Leben<br />

Paul Klee: Tagebücher<br />

Marc: Briefe, Aphorismen<br />

Macke: Gedanken zu Formen der Kunst und<br />

des Lebens<br />

Goethe: Über die Gegenstände der bildenden<br />

Kunst (Zeitschrift Propyläen)<br />

Adorno: Verschiedene Schriften zB. The<br />

Authoriarien Personality<br />

Man befrage auch Kunsthistoriker und deren<br />

Werke, wie zB. Jakob Burckhardt oder<br />

Winkelmann.<br />

Ich möchte aber nicht verschweigen, dass es<br />

unter Künstlern auch Vorurteile bzw. Fehlurteile<br />

gibt:<br />

Einige Zitate möchte ich anfügen:<br />

Grillparzer über Beethovens 9. Symphonie<br />

„Kurioses Zeug“<br />

Literatur-Nobelpreis<br />

für Herta Müller<br />

Eigentlich braucht man es nicht mehr zu<br />

berichten, die überraschende Verleihung des<br />

Literatur-Nobelpreises an die 1953 geborene<br />

Rumänin Herta Müller stieß auf selten<br />

ungeteilte Zustimmung. ‚Sie hat wirklich<br />

eine Geschichte zu erzählen’, heißt es, ‚mittels<br />

Verdichtung der Poesie und der Sachlichkeit<br />

der Prosa’ beschreibt sie ‚Landschaften der<br />

Heimatlosigkeit’. ‚Als ich ihre Bücher gelesen<br />

habe, hat mich das innerlich erschüttert’,<br />

sagte der Chef der Nobelpreis-Akademie<br />

Peter Englund. Müller schreibe ‚völlig<br />

essay / iGda<br />

Kleines Feuilleton<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 38<br />

Rossini über Webers Musik „verursacht<br />

Bauchgrimmen“<br />

Caroline von Schlegel über Schillers Glocke<br />

„…sind wir gestern mittags fast von den<br />

Stühlen gefallen vor Lachen“<br />

Hebbel über Stifters Nachsommer (3 Bände)<br />

„Wir glauben nichts zu riskieren, wenn wir<br />

demjenigen, der sie gelesen hat, die Krone<br />

von Polen versprechen“<br />

Auch die Presse scheut sich nicht, Kunstfragen<br />

fehlerhaft zu interpretieren:<br />

Die Münchner Neusten Nachrichten über<br />

den Blauen Reiter „unheilbar Irrsinnige oder<br />

bloße Bluffer“<br />

Der Berliner Börsenverein über Paul Klee<br />

„Max und Moritz-Zeichner“<br />

Und was ist mit Wilhelm Busch, ist er kein<br />

Künstler?<br />

„Können Sie, liebe Leser, nach meinen gutgemeinten<br />

Notizen nunmehr sagen, was<br />

Kitsch und was Kunst ist?“<br />

Ich möchte diese Frage offen lassen und<br />

wäre zufrieden, wenn Sie die positiven Werte<br />

der Kunst im Gegensatz zum Kitsch finden<br />

würden.<br />

dieser text wurde unter Verwendung des wissenschaftlichen<br />

Materials von dr. richard Hörning verfasst<br />

ehrlich, mit einer unglaublichen Intensität.<br />

Sie schreibt auch als jemand aus einer<br />

Minderheit, völlig ohne Rücksicht auf sich<br />

selbst.’ Ihr letztes Buch, die ‚Atemschaukel’,<br />

erst im August <strong>2009</strong> erschienen, war bald<br />

schwer zu bekommen. Er handelt von der<br />

Verfolgung der Rumäniendeutschen aus<br />

Siebenbürgen unter Stalin. Mittlerweile ist<br />

es wieder vorrätig und auch als Hörbuch ein<br />

erlebbarer Genuss mit dem Vorleser Ulrich<br />

Matthes.


Deutscher Buchpreis an<br />

Kathrin Schmidt<br />

Ebenso sympathisch berührte die Freude<br />

von der bescheidenen Kathrin Schmidt<br />

über die Verleihung des hochdotierten<br />

Deutschen Buchpreises. Sie erhielt ihn<br />

überraschend für ihren in wesentlichen<br />

Teilen autobiographischen Roman<br />

‚du stirbst nicht.’ Es ist die Geschichte<br />

von Helene Wesendahl, die nach einer<br />

Hirnblutung und vierzehntägigem Koma<br />

im Krankenhaus aufwacht. Die Frau erlebt<br />

ihren Körper und sich selbst als fremd,<br />

erkennt zunächst kaum etwas wieder und<br />

ringt sich doch zurück ins Leben. Dabei<br />

entdeckt sie, dass sie den Mann, der jetzt so<br />

liebevoll pflegt, eigentlich verlassen wollte.<br />

’Du stirbst nicht’, sagte Kathrin Schmidts<br />

Mann zu ihr, nachdem sie auf ihrem Balkon<br />

einfach umgefallen war. Seitdem ist sie nicht<br />

mehr dieselbe, sagt sie.<br />

Internationales Literaturfestival<br />

Berlin<br />

Das 10. internationale Literaturfestival Berlin<br />

mit dem Fokus Osteuropa wird vorbereitet,<br />

das vom 15.-26. September 2010 stattfinden<br />

wird. Erste Gespräche über das Programm<br />

konnten mit Autoren aus Osteuropa<br />

sowie mit ansässigen osteuropäischen<br />

Kulturinstitutionen und Botschaften geführt<br />

werden. Lesungen internationaler Autoren<br />

finden regelmäßig statt. Ende Oktober war<br />

die argentinische Autorin Elsa Osario (‚mein<br />

Name ist luz’ und ‚im Himmel tango’) zu hören.<br />

Mitte November führte der Schriftsteller Said<br />

durch einen Abend für die Verfolgten im<br />

Iran unter dem Motto: ‚Poesie ist Befreiung.’<br />

Es lasen die SchauspielerInnen Corinna<br />

Harfouch, Jutta Hoffmann, Jutta Lampe und<br />

B.K. Tragelehn iranische Literatur aus einem<br />

halben Jahrhundert der Unterdrückung.<br />

Das internationale Literaturfestival Berlin ist<br />

eine Veranstaltung der Peter-Weiß-Stiftung<br />

für Kunst und Politik e.V. und der Berliner<br />

Festspiele. Es steht unter der Schirmherrschaft<br />

der Deutschen UNESCO-Kommission und<br />

wird ermöglicht aus Mitteln des Hauptstadt-<br />

Kulturfonds.<br />

iGda<br />

Neue Buchreihe:<br />

‚Praxis der Sprachtherapie<br />

und Sprachheilpädagogik’.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 39<br />

Der Basler Buchhändler Ernst Reinhardt<br />

startete 1899 in München mit dem Kauf einer<br />

Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung.<br />

Bald verlagerte sich der Schwerpunkt vom<br />

Buchhandel zur Verlagsarbeit. Die ersten<br />

fünf Publikationen erschienen 1900 auf<br />

dem Gebiet der Theologie, Medizin und<br />

Sozialwissenschaften. Ab diesem Jahr gab<br />

es auch die Freundschaft mit der Dichterin<br />

Ricarda Huch.<br />

Die wachsende Ausbreitung des Verlages<br />

stieß an einen Widerstand im dritten Reich.<br />

Wie vielerorts wurden ab 1934 Bücher<br />

beschlagnahmt ‚wegen religiös und politisch<br />

unerwünschter inhalte und autoren’. Der<br />

Begründer Ernst Reinhardt selbst starb 1937<br />

an den Folgen eines Fahrradunfalls.<br />

In den Folgejahren entwickelte der Verlag<br />

pädagogisch-psychologische Reihen. Die<br />

bekannte Zeitschrift ‚psychologie in erziehung<br />

und unterricht’ entstand, der Bestseller<br />

‚Grundformen der angst’ von Fritz Riemann<br />

erschien, bald übersetzt in 13 Sprachen.<br />

Die Übernahme der erlebnispädagogischen<br />

Buchreihe ‚erleben & lernen’ bedeutete<br />

weiteres Ausbauen in diesem Themenbereich.<br />

Neben manchem anderen erschien ab<br />

2004 die Zeitschrift ‚Vierteljahresschrift<br />

für heilpädagogik und ihre nachbargebiete’.<br />

Um dem wachsenden Arbeitsfeld<br />

der Sprachtherapie, Logopädie und<br />

Sprachheilpädagogik gerecht zu werden,<br />

startete der Ernst Reinhardt Verlag ab Oktober<br />

<strong>2009</strong> nun mit der neuen Buchreihe: ‚Praxis<br />

der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik’.<br />

Angesprochen sind Sprachtherapeuten,<br />

Logopäden, Lehrer u.a.. an unterschiedlichen<br />

Einrichtungen.<br />

Infos: http://www.reinhardt-verlag.de/.<br />

Die ersten drei Bände der Reihe heißen:<br />

Iris Eicher: ‚Sprachtherapie planen, durchführen,<br />

evaluieren’.Karin Reber / Wilma Schönauer-<br />

Schneider: ‚Bausteine sprachheilpädagogischen<br />

unterrichts’. Barbara Rodrian: ‚Elterntraining<br />

Sprachförderung’.


Johanna Klara Kuppe<br />

Marion H. Fischer<br />

Mario andreotti<br />

Matthias Stark<br />

Johanna Klara Kuppe<br />

pfeil an die rippen<br />

gelegt geschenk knorriger<br />

bäume flieg wenn der<br />

bussard ruft flieg leicht<br />

zu atmen im rippengewölbe<br />

gesandt ins sonnengeflecht die<br />

wurzelhaare gelöst steigst<br />

du an atemsäulen hinauf in<br />

windbewachsene räume<br />

Marion H. Fischer<br />

Kleiner Engel<br />

Du schaust mich an –<br />

doch der Blick verrutscht,<br />

und findet die eigene Nase.<br />

Du streckst die Ärmchen aus –<br />

doch die Faust landet nur<br />

auf deinem linken Ohr.<br />

Wortlos nehme ich Dich in die Arme<br />

und spiele mit der Frage:<br />

Was Du wohl später liebst,<br />

und was aus Dir werden wird!<br />

So viele Antworten, so viele Tage!<br />

So, als ob Du es heute schon weißt,<br />

lächelst Du schelmisch im Schlaf.<br />

Kleiner Engel, nimm meine Hand,<br />

iGda<br />

Wir begrüssen unsere neuen Mitglieder sehr herzlich:<br />

ich schenke Dir Wärme<br />

und Zuversicht.<br />

Kuschle Dich an mein Herz,<br />

kleiner Mann,<br />

ich schreib ein kleines Stück Glück<br />

in Deine Seele hinein!<br />

Vertraue und fürchte Dich nicht,<br />

denn bei uns bist Du daheim.<br />

August 2003, Kevins Geburtstag<br />

Matthias Stark<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 40<br />

zeit ohne seele<br />

am bahnsteig des seins für kurzen halt<br />

fährt der zug des lebens nun ein<br />

auf der reise vom gestern ins morgen<br />

kein abteil scheint mehr frei zu sein<br />

augenpaare seelenlos hinter dem glas<br />

sekunden tropfen aus der bahnhofsuhr<br />

ein plätzchen erhaschen für ein leben<br />

ein paar stationen - ein stehplatz nur<br />

alle wollen noch mit auf die fahrt<br />

intellektuelle und intelligente mit geschick<br />

wissen umzugehen mit dem ellenbogen<br />

und immer wieder bleibt jemand zurück<br />

der zug fährt weiter für alle zeit<br />

nichts kann ihn halten für längere rast<br />

erst kurz vor dem aussteigen dann<br />

wird so mancher erlöst von der hast<br />

Mario andreotti<br />

- lesen Sie bitte unter ‚Essay‘


3. Nordhessischer Autorenpreis<br />

in Kassel<br />

zum Thema ‚Klartext‘ erhielten HANS<br />

HORN, Rainald Simon, Anke Laufer, Josef<br />

Herzog und Angelika Seithe. Die Initiatorinnen<br />

Kirsten Alers, Henrike Taupitz<br />

und Carmen Weidemann vergaben einen<br />

Sonderpreis für über 40-jähriges regionales<br />

literarisches Schaffen an HANS HORN,<br />

Schwalmstadt.<br />

Lesezeichen <strong>2009</strong>/2010 in Hildesheim<br />

HEIDRUN SCHALLER<br />

ist mit 2 Gedichten (von 25 ausgewählten<br />

aus 2000 TeilnehmerInnen) vertreten.<br />

Dichterische Lebensräume in den Straßen –<br />

ein Kunst- und Literaturprojekt vom Forum<br />

Literaturbüro e.V. Hildesheim – monumentale<br />

Gedichtbanner lassen Straßen und Plätze<br />

für 6 Monate zu einem Park der Poesie<br />

werden.<br />

‚Ich bin Nomadin und habe Schreiben (und<br />

Malen) als Medium für mich gefunden, um<br />

mich und meine Fremdheit in der Welt mit<br />

Worten zum Ausdruck zu bringen.‘<br />

Unvergessenes aus dem Leben von Müttern<br />

und Großmüttern – Kurzgeschichten<br />

iGda<br />

Aktivitäten der Mitglieder<br />

Unter diesem Titel fand am 24. Oktober<br />

<strong>2009</strong> in Zürich – Zentrum Karl der Große,<br />

eine vielbeachtete Lesung statt. Neben zahlreichen<br />

Autoren wurde aus dem Werk von<br />

WALTER EHRISMANN gelesen.<br />

PETER DREYLING gestaltete am 29.10.<strong>2009</strong><br />

einen Leseabend zum Thema ‚Kunst in Bewegung,<br />

Leben mit Farben und Worten‘ anlässlich<br />

der Kunstausstellung ‚alle Richtungen‘<br />

von Klaus Selz und Jochen Lebert.<br />

THOMAS RACKWITZ konnte in Berlin am<br />

4.11. <strong>2009</strong> im Rahmen eines Abends ‚105.<br />

Geburtstag des Dichters Walter Bauer‘ sein<br />

soeben erschienenes Buch ‚grenzland‘ einem<br />

interessierten Publikum präsentieren. (Rezension<br />

erscheint in der Ausgabe 1/2010)<br />

3. Abend ‚IGdA in Wien‘<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 41<br />

HELMA GIANNONE – IRMENTRAUD<br />

TER VEER – WENTILA DE LA MARRE<br />

Der dritte und für <strong>2009</strong> letzte literarischmusikalische<br />

Abend hat am 28.10. <strong>2009</strong> in<br />

Goldschmied’s Galerie Heinrich stattgefunden.<br />

Einerseits sollten Autoren die Möglichkeit<br />

haben, aus ihrem Schaffen vorzutragen,<br />

andererseits ist das Ziel, die Interessengemeinschaft<br />

in Wien einzuführen bzw. bekannt<br />

zu machen.<br />

Es wurde ein deutschsprachiger, internationaler<br />

Abend, woran die musikalische<br />

Begleitung wesentlichen Anteil hatte. Aus<br />

Den Haag war Irmentraud ter Veer zu uns<br />

gekommen, eine Dichterin, die nicht nur<br />

durch ihre geschulte Stimme, sondern die<br />

großartig gesetzten Worte sehr gut aufgenommen<br />

wurde. Wentila de la Marre war<br />

aus Graz angereist – ca. 3 Stunden Bahnfahrt<br />

je Strecke von Wien entfernt), um aus ihren<br />

Werken zu lesen. Verdientermaßen erhielt<br />

auch sie viel Zustimmung.<br />

Helma Giannone, kurz, knapp, klug, klar in<br />

ihren Beobachtungen traf im wahrsten Sinn<br />

des Wortes den Punkt.<br />

Abgerundet wurde durch Musik in der<br />

Kombination Horn-Klavier. Am Klavier die<br />

international bekannte Pianistin Johanna<br />

Horny-Neumann, das Musikprogramm zusammengestellt<br />

und großartig gespielt, der<br />

Wiener Philharmoniker Roland Horvath.<br />

Nur ein Ausschnitt: es erklangen ein schottisches<br />

Lied ebenso wie ‚Ein Künstlerleben‘<br />

von Strauss. Mit der inoffiziellen österreichischen<br />

Bundeshymne, ‚An der schönen blauen<br />

Donau‘ klang dieser Abend (fast) aus, der<br />

von einem interessierten Publikum – darunter<br />

Dietmar Grieser – sehr gut aufgenommen<br />

wurde. Ganz spontan trug Irmentraud<br />

ter Veer zum Abschluss eines der Gedichte<br />

aus ihrem Buch ‚Donau‘ vor.<br />

Ein besonderer Abend, der Interesse weckte<br />

und gezeigt hat, dass IGdA für Niveau<br />

steht.<br />

GGB


iGda<br />

Bücherschau<br />

Moderne Literatur - ein neuer Zugang<br />

Mund im verborgenen Spiegel, Reicht euch das Dunkel<br />

Knie vor der Säule des Hochmuts, nennt meinen Namen,<br />

Hand mit dem Gitterstab; führt mich vor ihn.<br />

Kann man dieses Gedicht als Kunst bezeichnen?<br />

Ist es gute Lyrik? Lassen sich die<br />

dunklen Andeutungen von Paul Celan („Ins<br />

Nebelhorn“, 1952) interpretieren? Mario Andreotti,<br />

Lehrbeauftragter für Sprach- und<br />

Literaturwissenschaft an der Universität St.<br />

Gallen, langjähriger Referent in der Fortbildung<br />

für Mittelschullehrkräfte, Mittelschullehrer<br />

in St. Gallen und anerkannter Experte<br />

für die Literatur der Moderne, behauptet: Ja!<br />

Und er tritt den Beweis in seinem fast 500seitigen<br />

Sachbuch über die Struktur der modernen<br />

Literatur überzeugend an.<br />

Die Grundfragen des Buches: Was ist moderne<br />

Literatur? Welche geistesgeschichtlichen<br />

Einflüsse wirkten auf die Moderne und welches<br />

sind die Merkmale und die Gattungsformen<br />

moderner Erzählprosa und Lyrik<br />

werden in dieser 4. vollständig neu bearbeiteten<br />

und aktualisierten Auflage mit dem<br />

Kapitel „Einige Kriterien guter literarischer<br />

Texte“, das vor allem für die Hand praktizierender<br />

Autoren gedacht ist, sowie mit einem<br />

gut 100-seitigen Glossar zu literarischen, linguistischen<br />

und philosophischen Grundbegriffen<br />

ergänzt, welches für sich allein schon<br />

ein nützliches Nachschlagewerk darstellt.<br />

Die stark erweiterte Neuauflage vom September<br />

<strong>2009</strong> stellt eine Fundgrube für eine<br />

riesige Anzahl modernster Texte dar, die<br />

hier erstmals wissenschaftlich eingeord<strong>net</strong><br />

und interpretiert werden. Die meisten Textbeispiele<br />

wurden aktualisiert, das jüngste<br />

Beispiel - ein Anagramm von Barbara Köhler<br />

- stammt vom April <strong>2009</strong>. Andreotti scheut<br />

nicht davor zurück, die literarische Subkultur,<br />

die seit Ende der 60er Jahre am Rande<br />

des offiziellen Literaturbetriebes entstand,<br />

zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen<br />

zu machen. So finden neben Pop-<br />

und Beatliteratur auch die jüngsten Entwicklungen<br />

in der Spät- und Postmoderne mit<br />

ihrem Schwerpunkt auf dem spoken word<br />

und der Performance wie Rap und Slam Po-<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 42<br />

etry ihre Beachtung. Der digitalen Literatur,<br />

die seit Mitte der 90er Jahre im Web entstand<br />

und die neuerdings mit dem Handy-Roman<br />

bereichert wurde, ist ein eigenes Kapitel gewidmet.<br />

So bekommt der interessierte Leser<br />

auch einen breiten Einblick in die aktuelle<br />

Jugendkultur und ihre Texte.<br />

Stärker als die vorherigen Auflagen orientiert<br />

sich der Autor an der praktischen Nutzbarkeit<br />

seines Buches. So wurde die Sprache<br />

vereinfacht, wissenschaftliche Begrifflichkeiten<br />

weitestmöglich vermieden bzw. gut verständlich<br />

erklärt, damit Autoren, aber auch<br />

alle übrigen literarisch Interessierten die<br />

Texte im Selbststudium bearbeiten können.<br />

Hilfreich sind hierfür die grafisch sehr gut<br />

aufbereiteten Überblicke am Ende jedes Kapitels<br />

zu Aspekten der modernen Literatur<br />

sowie die prägnante Gegenüberstellung von<br />

moderner und traditioneller Erzählprosa<br />

und Lyrik. Ein breiter Aufgabenteil mit aktuellsten<br />

Texten, anhand derer das neuerworbene<br />

Wissen überprüft, bzw. mit kreativen<br />

oder Suchaufgaben z.B. für Hyperfictions<br />

im Netz erweitert werden kann, rundet das<br />

Werk ab. Zu den einzelnen Arbeitsvorschlägen<br />

finden sich im Inter<strong>net</strong> unter www.utbmehr-wissen.de<br />

Lösungshinweise.<br />

Andreotti vermag sein profundes Wissen<br />

und seine unerschöpfliche Textkenntnis<br />

leicht verständlich auf den Punkt zu bringen<br />

und in einer präzisen, aber auch humorvollen<br />

Sprache dem Leser schmackhaft zu machen.<br />

Martin Walser empfiehlt den Strukturband<br />

als ein Buch, in dem er mehr fand, als<br />

er gesucht habe. „Mein Eindruck: ein Buch<br />

von unendlicher Brauchbarkeit.“<br />

Christiane Matter<br />

mario andreotti: Die Struktur der modernen literatur. neue<br />

Wege in der textinterpretation: erzählprosa und lyrik. mit<br />

einem Glossar zu literarischen, linguistischen und philosophischen<br />

Grundbegriffen. utB Band 1127, 4., vollst. neu bearb.<br />

und aktual. auflage <strong>2009</strong>. 488 S., 14 abb., ChF 29.90/eur<br />

16.90 (uVp). iSBn 978-3-8252-1127-1.


iGda<br />

Rätselbuch zu den Festen im Kirchenjahr<br />

Renate und Karl-Hermann Schneider<br />

Patmos Verlag, Düsseldorf, <strong>2009</strong>,<br />

Großformat, 168 S., ISBN 978-3491-75652-6<br />

Warum nicht auch ehemaligen IGdA-Mitgliedern<br />

die Ehre erweisen, die ihnen gebührt?!<br />

Karl-Hermann Schneider war lange<br />

Jahre in unserer Gemeinschaft tätig, hatte<br />

zeitweilig auch eine Funktion im Vorstand<br />

und erhielt – neben anderen „externen“<br />

Auszeichnungen – auch die Rudolf-Descher-<br />

Feder. Mit seiner tüchtigen Frau Renate, die<br />

auch noch als Lehrerin voll im Berufsleben<br />

steht, veröffentlichte er in den letzten Jahren<br />

ein religiöses Kinder-, Jugend- und Familienbuch<br />

nach dem anderen und die beiden<br />

haben damit solch einen Erfolg, dass ein<br />

Ende der Aufträge nicht in Sicht ist.<br />

Das letzte literarische Kind des rastlosen<br />

Ehepaars übertrifft seine Vorgänger durch<br />

eine wahre Flut an Rätseln, Bastelanleitungen,<br />

Puzzles, Rezepten gepaart mit kindgerecht<br />

aufgearbeiteter Geschichte, die auch<br />

Erwachsenen durchaus Neues, Wissenswertes<br />

zu vermitteln vermag. Es ist in 17 jahres-<br />

Hermann Wischnat<br />

Gereimtes und Ungereimtes, Ernstes und<br />

Unernstes, Verlag ‚Book on Demand‘<br />

Norderstedt, 80 S.,ISBN 978-3-8391-0546-7<br />

€ 10,-<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 43<br />

zeitlich angeord<strong>net</strong>e Kapitel unterteilt, die<br />

mit dem Advent und Weihnachten beginnen<br />

und mit Allerseelen und dem Heiligen<br />

Martin enden. Jedes dieser Kapitel vereint<br />

wiederum die jeweils passenden Bibelverse,<br />

Basteleien, Quizfragen, Bräuche und Rezepte,<br />

gibt den Erwachsenen durch ein bis<br />

drei Sterne Hinweise über die Schwierigkeit<br />

der Rätsel; und sollte die eine oder anderes<br />

„Nuss“ justament nicht zu knacken sein, so<br />

bieten die letzten fünf Seiten für alle offenen<br />

Fragen die richtige Lösung an. (Aber diese<br />

Seiten sollte man eigentlich als Testperson<br />

jeglichen Alters erst gar nicht benötigen und<br />

tunlichst abheften!)<br />

Renate Schneider hat auch noch die Illustrationen<br />

der Innenseiten selbst verfertigt und<br />

verdient damit ein Sonderlob. Leseproben<br />

zu bringen und wiederzugeben, ist wegen<br />

der Grafiken etwas schwierig. Deshalb fehlen<br />

diese und werden durch die Aufforderung<br />

ersetzt: Sehen Sie sich das Buch selbst<br />

an, erwerben Sie es und empfehlen Sie es<br />

weiter – jede und jeder wird großen Gewinn<br />

daraus ziehen!<br />

ich kenne gar kein dezifit<br />

Wie macht das bloß der Wischnat? Mit einer<br />

ähnlich lautenden Überschrift (nur da<br />

letzte Wort – der Firmenname – war anders)<br />

bewarb eine österreichische Fotofirma ihre<br />

Niedrigpreisschlager. Hermann Wischnat,<br />

einige Jahre auch ‚Erster‘ der IGdA und<br />

verdienstvoller Referent bei gar vielen Ta-<br />

Helmfried Knoll<br />

gungen unserer Gemeinschaft, landete einmal<br />

mehr einen literarischen Volltreffer: in<br />

Zeiten ausufernder und lebensbedrohender<br />

DEFIZITE beweist er uns, beweist er<br />

uns, dass er überhaupt kein DEZIFIT kenne.<br />

Nicht trocken, wissenschaftlich und<br />

statistisch besorgt er dies, sondern gereimt<br />

und ungereimt, ernst und SO unernst, dass<br />

der Leser immer wieder lauthals auflachen<br />

muss. Beispiele gefällig? Prosaisch z.B. S. 8<br />

ABSATZ<br />

Zuständig für<br />

Produktion und Absatz,<br />

macht er auf letztem kehrt und blieb<br />

auf ersterer sitzen.


Oder – gereimt – S. 34<br />

Drachenbau<br />

oder von Freund zu Freund<br />

Dem Freunde klagt Fritz frank und frei,<br />

dass seine Frau ein Drache sei.<br />

Der Freund, der seinen Fritz durchschaut,<br />

fragt augenzwinkernd: „Selbst gebaut?“<br />

Dem (verballhornenden) Buchtitel angemessen<br />

ist auf S. 62<br />

Unwirsche Erkenntnis<br />

Als ich mich mit dem Max vergleichte.<br />

Der auch den Fiedelbogen streichte,<br />

bemerkte ich bedauernd doch,<br />

dass er den Bogen besser stroch.<br />

Ich warf ihn weg. Max fiedelt noch.<br />

iGda<br />

Selbstkritische Anmerkung: „De Dichter (?)<br />

hat hier anscheinend nicht nur mit dem Fiedelbogen<br />

Schwierigkeiten.“<br />

Ich strich mir gleich bei der ersten Lektüre<br />

13 der 96 Beiträge als zitatwürdig an; fürchte<br />

jedoch a) dass sie in voller Länge den Umfang<br />

der Besprechung für ein 80 Seiten starkes<br />

Bändchen sprengen und b) die Lektüre<br />

durch (hoffentlich möglichst viele!) Käufer<br />

beeinflussen könnte. Da aber Hermann<br />

Wischnat ALLE Register zieht (auch Schüttelreime,<br />

literarisches ‚Textdesign‘, Kampf<br />

dem ‚Engleutsch‘ – s. „modern learning“ auf<br />

S. 70), ist es einfach unabdingbar, dass der<br />

Käufer auch ALLES liest und genussvoll in<br />

sich aufnimmt.<br />

Im abschließenden Essay „Ein komisches Gedicht?“<br />

wird der gebürtige Ostpreuße, der<br />

in einer Vielzahl höchst unterschiedlicher<br />

Berufe seine Fähigkeiten bewiesen hat, zum<br />

Lehrer und Referenten und fordert von seinen<br />

Lesern Antwort auf mancherlei Fragen.<br />

(Siehe auch „IGdA-aktuell“ 2/3-<strong>2009</strong>!) Mit 73<br />

Jahren ist Hermann Wischnat als nunmehr<br />

freier Schriftsteller in seinem Lebensherbst<br />

angekommen.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 44<br />

So möge denn auch „SCHÖNER HERBST“<br />

(S. 44) diese Buchbesprechung mit des Autors<br />

eigenen Worten abrunden:<br />

Schöner Herbst<br />

Ich stehe im Lebensherbst.<br />

Und da, das gehört sich,<br />

denkt man nach<br />

über sich und so.<br />

Neulich fiel mit dabei ein:<br />

Mensch, du vergisst ja das Ernten.<br />

Na, da habe ich aber die Ärmel<br />

Hochgekrempelt.<br />

Nicht schlecht, die Ernte.<br />

Und jetzt bereite ich den Acker<br />

Für die nächste Aussaat vor. Also,<br />

was einem beim Nachdenken<br />

alles einfällt!<br />

Mir geht’s einfach gut.<br />

PS: Im Gegensatz zum Hindu-Gott WischnU<br />

hat Hermann WischnAT zwar keinen dunkelblauen<br />

Körper und nur zwei arme, statt<br />

deren vier und thront weder auf einem Adler<br />

noch auf einer Lotusblume, sondern nur auf<br />

seinen vier Buchstaben; dafür aber ist er ein<br />

Erdenbürger, den man einfach mögen muss.<br />

Helmfried Knoll<br />

Hermann Wischnat


herausgegeben von Waltraud Weiss, wort und<br />

mensch VErlaG<br />

Köln – <strong>2009</strong>, 1. auflage, preis: 17,80 €<br />

Gedanken zu Versöhnung –<br />

Ein Schritt zum Frieden - Anthologie -<br />

iGda<br />

Ein großes Thema, gewiss, doch wie häufig<br />

schon behandelt, nach Herz und Schmerz<br />

klingt das Wort Versöhnung, nach Tränen<br />

vielleicht im gefälligen Zeilenumbruch. Ist<br />

dieses neue Buch zur Versöhnung wirklich<br />

notwendig?<br />

Das kommt darauf an. Wer sein Vorurteil<br />

bestätigt sehen möchte, selber weit entfernt<br />

ist, an Versöhnung zu arbeiten, sollte<br />

Waltraud Weiss’ Anthologie schnell aus<br />

der Hand legen. Denn hier geschieht und<br />

erfährt der Leser weit mehr als das, was alle<br />

Welt zu kennen meint und zu dem nichts<br />

Neues zu sagen wäre.<br />

Versöhnung – Ein Schritt zum Frieden, dieses<br />

Buch stiftet mit seiner Lyrik und Prosa,<br />

mit seinen einfühlsamen Bildern zum Lesen<br />

an.<br />

Ich zitiere:<br />

und jetzt kommen die und wollen sich<br />

mit mir wieder vertragen.<br />

Da kennen die mich aber schlecht.<br />

Wenn bei mir Schluss ist,<br />

ist bei mir Schluss<br />

(Hermann Wischnat)<br />

den Krieg nicht in Frieden lassen<br />

das ist der Traum der Versöhnung<br />

Versöhnung – Anthologie –<br />

Lyrik . Prosa . Bilder<br />

(Peter Würl)<br />

(Bettina Witte)<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 45<br />

lasst uns die grenzpfähle umpflügen<br />

(angelika Zöllner)<br />

Gegen den Krieg …<br />

wenn wir uns die Hände reichen<br />

Und uns miteinander verbinden<br />

Dann sind wir<br />

Grenzenlos<br />

E i n s<br />

(Waltraud Weiss)<br />

Irgendwann ist jeder Mensch vor die Wahl<br />

gestellt, wofür er sich entscheidet, schreibt<br />

Joachim Fest in Bürgerlichkeit als Lebensform,<br />

fürs Vergangene oder fürs Kommende.<br />

Das leben aufzählen<br />

in machtstücken<br />

kaltgründig<br />

die zukunft verlieren<br />

oder<br />

versöhnend<br />

die hand reichen<br />

(angelika Zöllner)<br />

Diese Entscheidung hängt von den unterschiedlichsten<br />

Faktoren ab, fährt Joachim<br />

Fest fort, von gesellschaftlichen, politischen,<br />

vom Temperament, von der Erziehung und<br />

natürlich auch von der Zeitstimmung. Hinzukommt,<br />

möchte ich anfügen, die Rolle<br />

der Geschlechter. Nicht ohne Grund räumt<br />

Waltraud Weiss einen breiten Raum zum<br />

Thema Versöhnung gerade den Frauen ein.<br />

Sie bleiben seltener als Männer bei den großen<br />

Theorien stehen, sie ziehen beherzter<br />

die praktischen Konsequenzen daraus, sind<br />

heute mutiger als früher. Noch Mommsen,<br />

der Historiker, konnte schreiben: „Im Grunde<br />

besteht die Menschheit nur aus Kriegen,<br />

Friedenszeiten sind nur Atempausen.“


Gegen diese Feststellung wendet sich die<br />

Anthologie: Versöhnung – ein Schritt zum<br />

Frieden ganz entschieden. Natürlich sind<br />

wir alle von unseren Vergangenheiten geprägt,<br />

aber es ist an uns, sie zu Erfahrungen<br />

zu verarbeiten, die weiter führen. Wenn eine<br />

Verbrüderung aussichtslos erscheint, die<br />

Männer nicht zur Versöhnung finden, baut<br />

Waltraud Weiss auf die Kraft der Frauen,<br />

Frieden zu schaffen,<br />

Ver-töchterung ist Hoffnung<br />

Die weiße Taube lacht und singt -<br />

wo Frieden ist, ist Hoffnung<br />

(Maria Sassin)<br />

Trotzdem / Ist Hoffen / Immer ein Schimmer<br />

(Waltraud Weiss)<br />

Verschieden die Stimmen der alphabetisch<br />

geord<strong>net</strong>en Autoren, unterschiedlich dadurch<br />

auch die Themen der Versöhnungen,<br />

eine Tatsache, die den Leser davor bewahrt,<br />

zuviel von „einer Sorte“ hintereinander zu<br />

lesen. Um christliche Versöhnung geht es,<br />

um die Würde des Bettlers, um Liebende,<br />

Eltern und Kinder, um Heimatvertriebene,<br />

Fremde, um die Aussöhnung mit dem<br />

jüdischen Volk. Selten wird Herz-Schmerz<br />

ausgebreitet, verständlicherweise vor allem<br />

von den sehr berührenden Schülerstimmen,<br />

auch hier geht es um Vertrauen, um das Zugehen<br />

auf einander, ohne auf die eigenen<br />

Befindlichkeiten zu achten. Versöhnung ein<br />

langer Prozess, nicht immer gelingt sie. Oft<br />

sind Zusammenhänge erst aufzudecken, immer<br />

braucht es die Bereitschaft, einander zu<br />

verstehen, nicht zuletzt sich selbst.<br />

Da fällt mir ein …<br />

so als Frage: Sollte ich<br />

mich erst mal mit mir selbst versöhnen?<br />

(Hermann Wischnat)<br />

Sehr poetisch wirbt die Erzählung Rapunzel<br />

um Versöhnung, um die Einsicht, dass die<br />

eigene Verbitterung überwunden werden<br />

kann: Hand in Hand machten wir uns auf<br />

den Weg (S. T. Raile).<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 46<br />

Leichtfüßig kommt die Versöhnung auf einem<br />

Spaziergang daher, WUT meldet die<br />

Galle, der Magen will nichts mehr runterschlucken<br />

und der hohe Blutdruck, siehe da,<br />

wird als Folge fehlender Versöhnung diagnostiziert<br />

(Greta Scheida). Nur scheinbar ein<br />

Leichtgewicht ist auch das gelungene Gedicht<br />

Möwenkaffeeklatsch. Mühelos übersetzt<br />

es eine starke Aussage in Bilder, nichts<br />

muss direkt gesagt werden:<br />

Das sehen die Möwen<br />

der Bansiner Brücke auch<br />

Sie sind still – wie ich –<br />

Und genießen die Sonne und das Licht –<br />

Das Gedicht will sprechen, ansprechen, aussprechen,<br />

sagt Rose Ausländer. Es ist kein<br />

Ruheplatz. Das gilt ebenso für manche Prosa<br />

und sicher für Waltraud Weiss’ Anthologie<br />

Versöhnung – Ein Schritt zum Frieden. Das<br />

Buch hat eine wichtige Stimme und will gehört<br />

werden.<br />

Zugehen auf einander<br />

sieben mal siebenundsiebzig Mal<br />

(Maria Sassin)<br />

Cordula Scheel


Wettbewerbe<br />

1 15. MDR Literaturwettbewerb 2010<br />

Der Mitteldeutsche Rundfunk schreibt den<br />

15. Wettbewerb aus. Er ist eine Einladung<br />

für deutschsprachige AutorInnen, die<br />

bereits Literarisches veröffentlicht<br />

haben, sich mit einer unveröffentlichten<br />

Kurzgeschichte/, Short Story zu beteiligen.<br />

Die Auszeichnung ist dotiert und bietet die<br />

Möglichkeit, seinen/ihren Text im Rundfunk<br />

vorzustellen. Die Länge des Textes ist auf<br />

15 Leseminuten - ca. 6 Seiten, 30 Zeilen ä 60<br />

Anschläge oder rund 11.000 Zeichen incl.<br />

Leerzeichen - begrenzt. Beizulegen sind<br />

eine Vita betr. Veröffentlichungen und die<br />

Adresse plus Emailadresse. Keinen Namen<br />

auf dem Manuskript eintragen!<br />

Preise: 5.000 Euro; 2.000 Euro und 1.500<br />

Euro. Die anderen Teilnehmer an der<br />

Endrunde erhalten ein Honorar. Alle<br />

eingeladenen Teilnehmer (öffentliches<br />

Lesen vor einer Jury) lesen in der<br />

Finalrunde am 3. Mai 2010 in Leipzig.<br />

Reisekosten werden übernommen. Im<br />

Anschluss findet eine honorierte Lesereise<br />

in die Städte Köthen (4. Mai), Sangerhausen<br />

(5. Mai) und Chemnitz (6. Mai) statt. Ca.<br />

25 der Kurzgeschichten werden in einer<br />

Anthologie veröffentlicht. Die Rechte<br />

werden gegen ein Honorar für zwei<br />

Jahre dem Rotbuch-Verlag übertragen.<br />

Zusendungen in doppelter Ausfertigung<br />

(Computerdruck) an: Mitteldeutscher<br />

Rundfunk, Figaro, Postfach 100122, 06140<br />

Halle. Kennwort: Literaturwettbewerb.<br />

Infos: http://www.mdr.de/mdr-figaro/<br />

literatur/6791084.html.<br />

Einsendeschluss: 31. 01. 2010.<br />

iGda<br />

Service<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 47<br />

2 Haiku und Senryû Preis - Dulcinea<br />

Der Haiku und Senryû Preis wird<br />

von der Literaturzeitschrift Dulzinea<br />

vergeben. Er versteht sich als Förderpreis.<br />

Textgrundlage für die gegenwärtige<br />

Auswahl sind die veröffentlichten Texte<br />

der <strong>Heft</strong>ausgabe Dulcinea 15. Jeder<br />

Ausgabe sind ein Lyrikpreis und ein Haiku<br />

und Senryû Preis zugeord<strong>net</strong>. An den<br />

Ausschreibungen der <strong>Heft</strong>ausgaben kann<br />

sich jeder Autor beteiligen. Die Preisträger<br />

bestimmt die Redaktion. Die Themen<br />

sind frei interpretierbar, das Eingehen auf<br />

Themenrandbereiche ist erwünscht.<br />

Preise: Lyrik: 1.000 Euro; Haiku- und<br />

Senryû-Preis - 250 Euro.<br />

’Moderne Herbstlyrik’ für Dulzinea 15,<br />

Gedichte und/oder Haiku/Senryû-Texte,<br />

können als Emailanhang - redaktion@<br />

dulzinea.de) - und auf dem Postweg -<br />

Dulzinea, Zeitschrift für Lyrik und Bild,<br />

Postfach 1927, D-36009 Fulda - eingereicht<br />

werden.<br />

Infos: www.dulzinea.de.<br />

Einsendeschluss: 30. 04. 2010<br />

3 Künstlerhaus Schirnding<br />

- ‚grenzenlos’ - Schreibwettbewerb<br />

Unter dem Thema ‚grenzenlos’ veranstaltet<br />

das Künstlerhaus Schirnding einen<br />

Schreibwettbewerb für Jugendliche von<br />

11 bis 16 Jahren. Der / die Verfasser/<br />

in muss den Wohnsitz in Bayern haben.<br />

Eine Geschichte oder ein Gedicht sind<br />

einzureichen, die nicht mehr als eine Seite<br />

(30 Zeilen) betragen dürfen.<br />

Hauptpreis: 200 Euro als Buch/Media-<br />

Geschenkgutschein. Veröffentlichung des<br />

Textes in der Regionalpresse mit Interview<br />

und Foto. Zwei Nebenpreise zu 100 bzw. 50<br />

Euro.<br />

Einreichungen mit Geheimwort, ohne<br />

Verfassername. Adresse und Geheimwort<br />

sind im verschlossenen Umschlag


eizulegen. Alle Preisträger werden vom<br />

Künstlerhaus Schirnding eingeladen und<br />

im Rahmen einer Veranstaltung dem<br />

Publikum vorgestellt.<br />

Das Künstlerhaus wird im nächsten Jahr<br />

einen Schreibwettbewerb für Kinder von<br />

6 – 10 Jahren durchführen und plant,<br />

den Schirndinger Kinder- und Jugend<br />

Schreibwettbewerb in den nächsten Jahren<br />

-alternierend - fortzusetzen. Einsendungen<br />

an: Rathaus Schirnding‚grenzenlos’ –<br />

Schreibwettbewerb, Hauptstrasse 5, 95706<br />

Schirnding.<br />

Infos: http://www.kuenstlerhausschirnding.de.<br />

Einsendeschluss: 31. 03. 2010.<br />

4 André Guide-Übersetzerpreis deutschfranzösisch.<br />

Der 1997 eingerichtete André-Gide-Preis<br />

zeich<strong>net</strong> literarische Übersetzungen aus<br />

dem Deutschen und dem Französischen<br />

aus. Die DVA-Stiftung verfolgt mit diesem<br />

Programm das Ziel, den Dialog zwischen<br />

beiden Ländern zu stärken. ‚Ohne Kenntnis<br />

literarischer Schlüsselwerke kann es keine<br />

fruchtbaren geistigen Wechselwirkungen<br />

geben’.<br />

Der Preis von 10 000 Euro für eine<br />

Übersetzung aus dem Deutschen und<br />

dem Französischen wird verliehen für<br />

die herausragende Übersetzung eines<br />

literarischen Werkes der erzählenden Prosa<br />

oder der Lyrik. Er kann entweder eine<br />

bereits veröffentlichte Übersetzung oder ein<br />

Übersetzungsprojekt auszeichnen, für das<br />

ein Verlagsvertrag besteht.<br />

Die Ausschreibung richtet sich an<br />

Übersetzer unter 50 Jahren, die bereits<br />

Übersetzungen veröffentlicht haben. Die<br />

Kandidaten (oder ihr Verlag) reichen je<br />

ein Exemplar des Originalbuches und<br />

der Übersetzung ein und fügen folgende<br />

Unterlagen in 7-facher Ausfertigung bei:<br />

Lebenslauf und Veröffentlichungsliste,<br />

Beschreibung des Werkes und seiner<br />

Bedeutung im Ursprungsland ( 1 - 2 Seiten),<br />

bei Vorlage einer noch nicht veröffentlichten<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 48<br />

Übersetzung außerdem Übersetzungsprobe<br />

eines Schlüsselabschnitts von ca. 10<br />

Seiten mit Kopie der Passage des<br />

Originaltexts. Angabe des Verlags, bei<br />

dem die Übersetzung erscheinen wird<br />

(Vertragskopie). Sendungen an: DVA-<br />

Stiftung, André-Gide-Preis, Heidehofstraße<br />

31, 70184 Stuttgart.<br />

Infos: http://dva-stiftung.bosch-stiftung.de/<br />

content/language1/html/9739.asp.<br />

Einsendeschluss : 5. 12. <strong>2009</strong>.<br />

5 KAAS & KAPPES -<br />

12. Niederländisch-Deutscher Kinder-<br />

und Jugenddramatikerpreis in Duisburg<br />

Die Stadt Duisburg verleiht im Rahmen<br />

des Deutsch-Niederländischen Kinder- und<br />

Jugendtheater-Festivals KAAS & KAPPES<br />

am 07. März 2010 den 12. niederländischdeutschen<br />

Autorenpreis für Kinder- und<br />

Jugendtheater. ‚Der Autorenwettbewerb<br />

verfolgt das Ziel, dramatische Literatur für<br />

Kinder und Jugendliche zu fördern und<br />

Autoren und Theatermacher zu Arbeiten<br />

für diese Zielgruppe zu ermutigen.’<br />

Preisgeld insgesamt: 7500 Euro. Die<br />

Jury besteht aus niederländischen und<br />

deutschen Theaterfachleuten. Der Text<br />

muss in der Urform niederländisch oder<br />

deutsch geschrieben<br />

und darf nicht vor Januar <strong>2009</strong><br />

veröffentlicht oder aufgeführt worden<br />

sein. Neben Stücken einzelner AutorInnen<br />

können auch gemeinsam erarbeitete<br />

Texte am Wettbewerb teilnehmen. Pro<br />

Autor ist nur ein Text zugelassen. Texte<br />

in 5-facher Ausfertigung schicken an:<br />

Helmuth Hensen, Schwarzenberger Str.<br />

147, D-47226 Duisburg, Tel. +49-203/283-<br />

8485, E-mail: info@kaasundkappes.de.<br />

Die Preisverleihung findet am Tag der<br />

Autoren, dem 07.03.2010, im Rahmen des<br />

KAAS&KAPPES Theaterfestivals um 16.00<br />

Uhr in Duisburg im KOM´MA - Theater<br />

statt.<br />

Infos: http://www.kaasundkappes.de.<br />

Einsendeschluss: 15.12.<strong>2009</strong>.


6 Jugendtheaterpreis<br />

Baden-Württemberg 2010<br />

2. Teil - Projekt-Stipendium<br />

Gesucht werden Projekte, bei welchen eine<br />

Autorin/ein Autor in Zusammenarbeit mit<br />

einem Theater aus Baden-Württemberg ein<br />

Stück entwickelt. Einzureichen sind ein<br />

Dossier über das geplante Projekt, eine Autorenvita,<br />

eine Liste der bisherigen Stücke-<br />

Veröffentlichungen und eine Erklärung des<br />

kooperierenden Theaters, das entstehende<br />

Stück innerhalb von zwei Jahren nach der<br />

Preisvergabe zur Uraufführung bringen<br />

zu wollen. Stipendiumsgeld: 5000 Euro.<br />

Manuskripte sollen als Word- oder pdf-Dokument<br />

(nur in Ausnahmefällen auf Papier,<br />

dann in dreifacher Ausfertigung) gesendet<br />

werden an:info@jugendtheaterpreis-bw.de<br />

oder Junges Ensemble Stuttgart, Jugendtheaterpreis<br />

Baden-Württemberg, Christian<br />

Schönfelder, Eberhardtstr. 61 a, 70173<br />

Stuttgart.<br />

Infos: http://www.jugendtheaterpreis-bw.<br />

de/index.php?id=9.<br />

Einsendeschluß: 31.12.<strong>2009</strong>.<br />

7 7Gedichtwettbewerb ‚Träume und Taten’<br />

‚Was ist aus unseren Hoffnungen<br />

geworden? Sind die Träume abgelegt in<br />

einem entlegenen Fach? Welchen Wandel<br />

hält das Leben bereit? Wo sind Ideen<br />

Wirklichkeit geworden?’ Literarische<br />

Qualität ist ausdrücklich erwünscht.<br />

Einsendungen in deutscher Sprache zum<br />

Thema ‚Träume’ sind erbeten, gerne auch<br />

aus dem Ausland. Dem Wettbewerb<br />

angeschlossen ist eine Spezialaufgabe mit<br />

dem Thema „politische Gedichte“ (Taten).<br />

Viele Bücher und Sachpreise sind<br />

zu gewinnen. Dazu gehört die<br />

Veröffentlichung der Gewinnergedichte<br />

und zahlreicher weiterer. Max. 20<br />

Gedichte dürfen eingereicht werden. Bitte<br />

die vollständige Adresse angeben und<br />

die E-Mail-Adresse aktuell halten. Alle<br />

literarischen Einsendungen per Email an:<br />

gedichte@literaturpodium.de.<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 49<br />

(Postadresse für Nachfragen: Märkischer<br />

Literaturkreis, zu Hdn. Katrin Erika,<br />

Köpenicker Str. 11, 15537 Gosen in<br />

Kooperation mit weiteren Verlagen/<br />

literarischen Gruppen).<br />

Infos: www.literaturpodium.de.<br />

Einsendeschluss: 25. 02. 2010.<br />

Anthologien<br />

Wettbewerb ‚Busenfreundschaften’<br />

Eine neue Anthologie sucht der Wort<br />

und Mensch Verlag in Köln. Geschichten,<br />

Gedichte oder Fotos können eingereicht<br />

werden zum Thema Frauenfreundschaften.<br />

Erfreuliches, Unerfreuliches,<br />

Wunderschönes, Besonderes – auch<br />

Beiträge von Männern zum Thema<br />

werden gerne gesehen. ‚Beobachtungen,<br />

Emotionen, Erlebnisse’ können dabei<br />

Schlüsselerlebnisse sein.<br />

Die Bedingungen sind wie immer.<br />

Sollten Beiträge veröffentlicht werden,<br />

wird die Abnahme von 10 Büchern zum<br />

Autorenpreis erwartet. Ein Exemplar ist<br />

frei. Texte - höchstens 5 Buchseiten – sind<br />

bevorzugt per Mailanhang und ohne<br />

jede Formatierung erbeten an :verlag@<br />

wortundmensch.de. Manuskripte per<br />

Post an: Waltraud Weiß, Wort und Mensch<br />

Verlag, Ingendorfer Weg 71, 50829 Köln,<br />

Tel. 0221/503012.<br />

Infos: www.wortundmensch.de,<br />

Einsendeschluss: 28. 02. 2010.<br />

Stipendien<br />

2010 - ‚Struwwelpippi kommt zur Springprozession’<br />

Die Kinder- und Jugendbuchautorenresidenz<br />

”Struwwelpippi kommt zur Springprozession“<br />

wird zum 9. Mal vom Centre<br />

national de littérature und von der Stadt<br />

Echternach in Zusammenarbeit mit dem


Ministère de la Culture - Luxembourg ausgeschrieben.<br />

Echternach, eine 5.000-Einwohnerstadt<br />

in der Luxemburger Schweiz, ist eine der<br />

ältesten Christianisierungs- und Kulturstätten<br />

Europas. Der irische Wandermönch<br />

Willibrord gründete hier 698 eine Abtei,<br />

die im 10. und 11. Jh. ein bedeutendes<br />

Scriptorium hervorbrachte. Gesucht wird<br />

ein(e) deutschsprachige(r) Kinder- und<br />

JugendbuchautorIn‚ ‚der/die bereit ist, für<br />

die Dauer von einem Monat (9. 5. - 6. 6.<br />

2010) in Echternach zu arbeiten und dabei<br />

ein sprachliches Umfeld, das ... von<br />

Lëtzebuergesch, Deutsch und Französisch<br />

gekennzeich<strong>net</strong> ist, zu erkunden.’ Der Aufenthalt<br />

fällt zusammen mit der alljährlichen<br />

Springprozession zu Ehren des hl. Willibrord,<br />

einem mittelalterlichen Brauch, der<br />

bis zum heutigen Tag nichts an Attraktivität<br />

verloren hat. Gleichzeitig findet das Festival<br />

International de Musique Echternach<br />

statt.<br />

Stipendiumsgeld: 5000 Euro, eine Pauschale<br />

für Reise- und Aufenthaltskosten.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 50<br />

Vor Ort kann auf organisatorische Betreuung<br />

vor Ort zurückgegriffen werden.<br />

Für die Dauer der Residenz besteht Präsenzpflicht<br />

sowie Teilnahme am kulturellen<br />

Leben. Er/sie soll dabei eine öffentliche<br />

Veranstaltung in Echternach sowie mehrere<br />

Lesungen an Luxemburger Schulen bestreiten,<br />

mit den Lehren über Literatur diskutieren,<br />

Kontakt aufnehmen zu Autorenkollegen<br />

usw.. Es wird erwartet, dass der<br />

Echternach-Aufenthalt seinen konkreten<br />

Niederschlag in einer Erzählung findet.<br />

Bewerber übersenden unter dem Kennwort<br />

”Struwwelpippi kommt zur Springprozession“<br />

eine Auswahl ihrer Veröffentlichungen,<br />

ein CV (mit Foto) und eine umfassende<br />

Vita an: Centre national de littérature, 2,<br />

rue Emmanuel Servais, L-7565 Mersch, Tel.:<br />

00352-3269551.<br />

Infos: http://struwwelpippi.literaturarchiv.<br />

lu/pages/ausschreibung-2010.php oder:<br />

www.literaturarchiv.lu.<br />

Einsendeschluss : 31. 12. <strong>2009</strong>.<br />

Jahrestreffen der IGdA<br />

Ein Blick zurück und zwei nach vorn<br />

Als ich mich im September 2008 in<br />

Geiselwind bereit erklärte, das Jahrestreffen<br />

<strong>2009</strong> für die IGdA-Mitglieder<br />

in Frankenberg zu organisieren, ahnte ich<br />

nicht, dass ich das aus 500 km Entfernung<br />

zum Veranstaltungsort würde tun müssen<br />

- von Köln aus, wohin mich das Leben<br />

wegen eines neuen Jobs verschlagen hatte.<br />

Ich hatte große Pläne, wollte den Teilnehmern<br />

erkenntnisreiche und erlebnisreiche<br />

Tage organisieren und plötzlich zerrannen<br />

mir Zeit und Möglichkeiten zwischen den<br />

Fingern. Viel zu schnell nahte die Stunde<br />

„X“. Ich hatte Lampenfieber. Würde alles<br />

klappen? Einen Tag vor Beginn des Treffens<br />

hatte ich endlich einen neuen Musiker für<br />

unsere Feierstunde engagieren können -<br />

iGda<br />

der eigentliche hatte ohne abzusagen abgesagt.<br />

Zunächst ging schief, was schief gehen<br />

kann. Und dann das Wunder: Auf einmal<br />

fügte sich alles. Mir halfen ortsansässige<br />

Freunde, die Stadtverwaltung und die<br />

IGdA-Mitglieder selbst! Allen, allen, allen<br />

Dank, Dank, Dank!<br />

Hermann Wischnat und Karin Manke, die<br />

Lyrik- und Prosa-Workshop-Leiter, die großzügig<br />

und nobel die Programmänderungen<br />

akzeptiert und mitgetragen haben, dürfen<br />

diesen Satz gerne als Paradebeispiel für<br />

Fehlformulierungen benutzen. Nur Aufzählungen,<br />

weder Prädikat noch Subjekt oder<br />

Objekt und stattdessen ein Ausrufezeichen.<br />

Ich weiß: Es schreit zum Himmel! Aber diese<br />

Formulierung drückt am besten meinen


Gemütszustand aus. Ich danke beiden nicht<br />

nur für ihre Haltung sondern auch für die<br />

Perfektion der gelieferten Leistung. Alle<br />

Anwesenden empfanden die Workshops<br />

als Gewinn für ihr künstlerisches Schaffen.<br />

Höchstes Lob aus berufenen Mündern.<br />

Wir sind ein Verein, den Mitglieder aus insgesamt<br />

acht Ländern bilden. Ich kann mir<br />

ungefähr vorstellen, warum wir auf die Anwesenheit<br />

von Bernhard Blumenthal aus<br />

den USA, Maria Bengsson Stier aus Schweden<br />

oder Ingrid Varnhorst Brown aus Frankreich<br />

verzichten mussten. Aber wo waren<br />

all die Mitglieder aus Freiburg, München,<br />

Augsburg, Baden-Baden, Düsseldorf, Saarbrücken,<br />

Emden, Solingen, Braunschweig,<br />

Hof oder Herne?! Oder wenigstens die aus<br />

dem nahen Chemnitz, Dresden, Stolpen<br />

oder Leipzig?! Ich hätte mich wahnsinnig<br />

gefreut, so vielen wie möglich eine Plattform<br />

des Zueinanderfindens und der Kommunikation<br />

bieten zu können. Alles war für alle<br />

Bedürfnisse gerichtet. Stattdessen blieben<br />

wir eine überschaubare Gruppe von nicht<br />

ganz zwanzig Mitgliedern. Wie gerne hätte<br />

ich viel mehr von uns einmal persönlich<br />

kennengelernt! Ich hoffe, dass sich das im<br />

kommenden Jahr in Schlüsselfeld-Elsendorf<br />

bei Wilfried Auer, der unser 43. Jahrestreffen<br />

ausrichten wird, ändert. Ein Verein lebt<br />

durch seine Mitglieder. Es ist schwierig genug,<br />

über so große Strecken hinweg agieren<br />

und interagieren zu müssen. Bauen Sie Ihre<br />

Scheu ab! Wir brauchen und wollen jeden<br />

von Ihnen. Jeder von Ihnen bildet eine einzigartige<br />

Facette der IGdA. Wie viele haben<br />

hervorragende Texte in der IGdA-aktuell<br />

veröffentlicht - und wie schön wäre es für<br />

die anderen, den Menschen hinter den Texten<br />

einmal kennenzulernen. Dies ist ohne<br />

jegliches Ressentiment mein ausdrücklicher<br />

Wunsch für 2010!<br />

Umso mehr habe ich mich über diejenigen<br />

gefreut, die meiner Einladung gefolgt sind.<br />

„Nanu, wer ist denn das? Den kennst du<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 51<br />

noch gar nicht?!“, dachte ich, als unser neues<br />

Mitglied Theo Schmich aus Essen eintraf<br />

und vom ersten bis zum letzten Abend alle<br />

an die Wand las. Herzlichen Dank für Ihr<br />

Kommen und - auf ein Neues!<br />

Allerdings erhielt er beim Lesen heftige<br />

Konkurrenz von Renate Weidauer aus Puchheim<br />

bei München, Hermann Wischnat aus<br />

Bad Laer, Helmfried Knoll, dem Ehrenmitglied<br />

der IGdA aus Wien und der Rudolf-<br />

Descher-Preisträgerin <strong>2009</strong>, Gaby Hühn-<br />

Keller aus Friedberg bei Augsburg.<br />

Volker Wille und Konrad Wirner kamen von<br />

weither, obwohl sie in ihrem Zeitplan nur einen<br />

einzigen Tag „locker“ machen konnten.<br />

Wie schön, dass Ihr dennoch da wart! Eine<br />

große Freude war für mich die Anwesenheit<br />

eines Überraschungsgastes: Kornelia Eleonore<br />

Hofmann, Preisträgerin des Internen<br />

Lyrikwettbewerbs „Steinerner Wald“.<br />

Besonderen Dank dir, meine liebe Anneliese<br />

Korte. Du hast für uns alle ein großes persönliches<br />

Opfer gebracht und bist trotz allem<br />

angereist, um die Frankenberger Grundschule<br />

einmal richtig aufzumischen. Dass<br />

dies ein voller Erfolg geworden ist, berichtet<br />

die Presse mit begeisterten Worten und ich<br />

soll dir von all den Steppkes und den Lehrern<br />

herzliche Grüße ausrichten! Alles Gute<br />

dir. Meine Gedanken begleiten dich.<br />

Georg Walz, Rainer Hengsbach-Parcham,<br />

Ricarda Peter, Gaby G. Blattl und - last not<br />

least unser erster Vorsitzender Othmar Seidner:<br />

Ich lege hiermit fest, dass wir uns beim<br />

nächsten Treffen wiedersehen! Notfalls ersetzen<br />

wir den Chianti durch Merlot oder<br />

Dornfelder - aber die Abende mit euch vermisse<br />

ich einfach zu sehr!<br />

Warum wir diese Treffen veranstalten? Der<br />

alte Briest hätte gesagt: „Das ist ein weites<br />

Feld...“ Es gibt eine Million Gründe. Jeder<br />

von uns hat seinen favorisierten Grund.<br />

Die Presse fand blumenreiche Metaphern:


„Frankenberg wird zum Mekka der Literaten“.<br />

Auf den Punkt bringen möchte ich es<br />

mit den Worten einer Gruppe junger Leute,<br />

die - gepierct und tätowiert vom Scheitel bis<br />

zur Sohle - rein zufällig in unsere öffentliche<br />

Lesung in der Winzerstube Korkenzieher<br />

geschneit ist: „Wir wären nie von uns<br />

aus zu einer Lesung gegangen. Wir haben<br />

gedacht, das ist wie Deutschunterricht. Wir<br />

haben geglaubt, dass es furchtbar langweilig<br />

sein würde, jemandem zuzuhören, wie<br />

er Gedichte vorliest. Wir finden das jetzt selber<br />

eigenartig - aber es hat uns richtig gut<br />

gefallen!“<br />

Interessengemeinschaft deutschsprachiger<br />

Autoren e.V. - VR 1829<br />

Protokoll der Jahreshauptversammlung<br />

vom 11. September <strong>2009</strong><br />

im AKZENT-Landhotel Frankenberg, 09669<br />

Frankenberg in Sachsen<br />

Die Versammlung beginnt um 16 Uhr. Der 1.<br />

Vorsitzende, Herr Othmar Seidner, erklärt,<br />

dass die Mitgliederversammlung nicht beschlußfähig<br />

ist. Auf seinen Vorschlag entscheiden<br />

die anwesenden 15 Mitglieder einstimmig,<br />

die Versammlung um 15 Minuten<br />

zu vertagen.<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 52<br />

Uns allen ist es Lust und Bedürfnis zu schreiben.<br />

Das Schreiben ist der Samen, das Publikum<br />

der Boden, der den Samen aufnimmt.<br />

Das eine ist ohne das andere nichts wert. In<br />

diesem Sinne.<br />

Ihre und Eure<br />

protokoll<br />

Gabriela Franze<br />

TOP 1 Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden<br />

Der 1. Vorsitzende begrüßt gegen 16.20 Uhr<br />

die anwesenden 15 Mitglieder. Es folgt ein<br />

Totengedenken.<br />

TOP 2 Feststellung der satzungsgemäßen<br />

Einladung und Beschlußfähigkeit<br />

Die Versammlung bestätigt die satzungsgemäße<br />

Einladung und Beschlußfähigkeit. Auf<br />

Vorschlag des 1. Vorsitzenden wird der bisherige<br />

Punkt 10 aus gegebenem Anlaß ans<br />

Ende der Tagesordnung gesetzt. Die beiden<br />

Rechnungsprüfer werden also nicht unter<br />

Punkt 10 gewählt, sondern unter Punkt 13.


TOP 3 Bericht des 1. Vorsitzenden<br />

Der 1. Vorsitzende berichtet über das Frühjahrstreffen<br />

in Berlin und seine bisher erfolglosen<br />

Versuche, das Archiv der Interessengemeinschaft<br />

deutschsprachiger Autoren von<br />

seiner Vorgängerin zu erhalten und bittet<br />

die Herren Helmfried Knoll und Hermann<br />

Wischnat um ihre Hilfe. Die beiden Mitglieder<br />

werden Frau Jutta Miller-Waldner per<br />

Einschreibebrief mit Rückschein auffordern,<br />

das Archiv an die IGdA zurückzugeben.<br />

Eine Kopie des Briefes erhält der Vorstand.<br />

TOP 4 Bericht der Geschäftsführerin<br />

Die Geschäftsführerin, Frau Gaby G. Blattl,<br />

berichtet von 13 Austritten und 13 Neueintritten<br />

und nennt als derzeitigen Mitgliederstand<br />

der IGdA 173 Mitgliedern. Sie erklärt,<br />

dass die Zeitung „IGdA-aktuell“ unter der<br />

neuen Redaktion auf einem guten Weg sei.<br />

TOP 5 Bericht des Schatzmeisters<br />

Es folgt der Kassenbericht für 2008 durch<br />

den Schatzmeister Herrn Dr. Volker Wille.<br />

Er vergleicht u.a. auch den Kassenstand des<br />

Jahres 2008 mit den Kassenständen aus den<br />

Kassenberichten der Jahre 2006 und 2007,<br />

die von den ehemaligen Kassenprüfern Frau<br />

Gesina M. Jaeckle und Herrn Peter Dreyling<br />

inzwischen geprüft wurden, und erklärt,<br />

dass die Kassenlage des Vereins trotz der<br />

Einsparmaßnahmen weiterhin angespannt<br />

ist.<br />

TOP 6 Entlastung und Bericht der Kassenprüfer<br />

Die Prüfung des Kassenberichts 2008 werden<br />

die neu zu wählenden Kassenprüfer vornehmen<br />

und auf der Jahreshauptversammlung<br />

2010 hierzu berichten. Siehe<br />

auch TOP 11 und TOP 13.<br />

TOP 7 Aussprache über die Berichte<br />

Es folgt eine lebhafte Diskussion.<br />

iGda<br />

TOP 8 Entlastung des Vorstands<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 53<br />

Zur Frage der Entlastung der Vorstandschaft<br />

weist der Protokollführer Konrad<br />

Wirner auf einen Satz des Protokolls der<br />

Jahreshauptversammlung 2008 hin, bei der<br />

über eine Prüfung der Kassenberichte der<br />

Jahre 2006 und 2007 nicht berichtet werden<br />

konnte, weil die anwesende Kassenprüferin<br />

Frau Gesina M. Jaeckle auf eine Frage des<br />

Versammlungsleiters erklärte, dass sie nur<br />

zusammen mit dem abwesenden Kassenprüfer<br />

Herrn Peter Dreyling einen Bericht<br />

abgeben kann. Dieser Satz in den TOP 7 und<br />

TOP 8 des Protokolls vom 14.10.2008 lautet:<br />

„Nach längerer Diskussion über die Entlastung<br />

des Vorstands für 2006 und 2007 wird<br />

folgendes einstimmig - bei Enthaltung der<br />

Betroffenen - beschlossen: Der Vorstand<br />

wird vorbehaltlich der ausstehenden Kassenprüfungsberichte<br />

entlastet.“<br />

Ein Antrag zur Entlastung der Vorstandschaft<br />

nach dem aktuellen Kassenbericht<br />

wird nicht gestellt, und der erste Vorsitzende<br />

kommt zum nächsten Tagesordnungspunkt.<br />

Der Protokollführer hält diese Fortführung<br />

der Tagesordnung und das Schweigen der<br />

15 anwesenden Mitglieder für eine formlose<br />

Entscheidung der Versammelten, wie bei<br />

der Jahreshauptversammlung 2008 zu verfahren.<br />

Siehe auch TOP 11 und TOP 13.<br />

TOP 9 Vorstellung der neuen 2. Vorsitzenden<br />

nach dem Ausscheiden von<br />

Professor Dinter<br />

Der 1. Vorsitzende stellt die neue 2. Vorsitzende,<br />

Frau Gabriela Franze, Rosenweg 8,<br />

D-09669 Frankenberg/Sachsen, vor. Frau<br />

Franke wurde satzungsgemäß durch den<br />

Vorstand gewählt. Ihre Wahl erfolgte bei einer<br />

Enthaltung einstimmig.


TOP 10 Verleihung der Rudolf-Descher-<br />

Feder an Gaby Hühn-Keller<br />

Frau Gaby Hühn-Keller wird die Rudolf-<br />

Descher-Feder am 12.09.<strong>2009</strong> bei einem öffentlichen<br />

Festakt im AKZENT-Landhotels<br />

Frankenberg/Sachsen erhalten.<br />

TOP 11 Tagungsort der Jahreshauptversammlung<br />

2010<br />

Die Jahreshauptversammlung 2010 soll vom<br />

23. bis 26. September im fränkischen Schlüsselfeld<br />

stattfinden.<br />

TOP 12 Verschiedenes<br />

Beschlüsse: Streichung des Nachwuchspreises<br />

für mindestens zwei Jahre wegen kaum<br />

preiswürdiger Einsendungen und die Wiedereinrichtung<br />

eines Almanachs.<br />

TOP 13 Wahl der Kassenprüfer<br />

Als Kassenprüfer werden einstimmig - bei<br />

Enthaltung der Betroffenen - gewählt:<br />

1. Frau Renate Weidauer, Alpenstr. 19,<br />

D-82178 Puchheim<br />

2. Konrad Wirner, Marktsteinach, Kirchberg<br />

27, D-97453 Schonungen<br />

Die neuen Kassenprüfer haben im Anschluß<br />

an die Jahreshauptversammlung mit der<br />

Prüfung des Kassenberichts 2008 (TOP 5) begonnen<br />

und wollen diese Anfang des Jahres<br />

2010 zusammen mit der Prüfung des Kassenberichts<br />

<strong>2009</strong> fortsetzen und beenden<br />

Gegen 18.00 Uhr erklärt der 1. Vorsitzende<br />

Othmar Seidner die Jahreshauptversammlung<br />

<strong>2009</strong> für beendet.<br />

Schonungen, den 16. Oktober <strong>2009</strong><br />

(Konrad Wirner)<br />

Protokollführer<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 54<br />

Ein paar Worte zum Festabend<br />

Der mit Spannung erwartete Festabend war<br />

da! Nach einem bestens organisierten Ausflug<br />

nach Dresden kam ‚der‘ Abend.<br />

Gabriela Franze hatte auch hier trefflich geplant,<br />

Kornelia Eleonore Hofmann war gekommen,<br />

um zumindest diesen Höhepunkt<br />

des Treffens zu erleben.<br />

Helmfried Knoll leitete gemeinsam mit der<br />

Organisatorin den Abend freudvoll ein, Musik<br />

erklang und – es war gut!<br />

Wie bereits im letzten Jahr durfte ich den<br />

Abend moderieren. Es war Helmfried Knoll,<br />

der als Ehrenmitglied ebenso, wie als geschätzter<br />

Autor den Abend literarisch mit<br />

einer kleinen Lesung begann. Danach lasen<br />

und sprachen Ricarda Peters, Theo Schmich<br />

(sein Text wird in einer der nächsten Ausgaben<br />

erscheinen), Renate Weidauer; Hermann<br />

Wischnat bekannte, er hätte gar kein<br />

Dezifit (siehe die Rezension von Helmfried<br />

Knoll) und Gabriela Franze ließ mit Musik<br />

in die Pause überleiten.<br />

Bis zu diesem Moment wusste Gaby Hühn-<br />

Keller nicht, wer die Laudatio halten würde.<br />

In lockerem Erzählton sprach Gabriela Franze<br />

einen sehr persönlichen Text, der in einer<br />

schönen Würdigung der in diesem Jahr mit<br />

der Descher-Feder ausgezeich<strong>net</strong>en Dichterin<br />

und Malerin mündete. Überraschung<br />

und Freude waren gleich groß. Gaby Hühn-<br />

Keller hielt eine großartige Lesung, in der<br />

sie einen schönen Bogen aus ihrem Werk zu<br />

Gehör brachte.


Die Spannung knisterte, denn noch wusste<br />

(außer mir) niemand, wer denn im Internen<br />

Wettbewerb gewonnen hätte. Mit großer<br />

Freude nannten wir den 3., 2. Platz. Zur großen<br />

Überraschung war es Kornelia Eleonore<br />

Hofmann, deren Gedicht die meisten Stimmen<br />

bzw. Punkte erhalten hatte.<br />

Die Idee, die eingesandten Gedichte in der<br />

Zeitung zu veröffentlichen, damit alle interessierten<br />

Mitglieder abstimmen können,<br />

wurde gut angenommen und wird beibehalten.<br />

Erst in letzter Minute, am Tag des Festabends,<br />

stand das Ergebnis fest und blieb bis<br />

zu diesem Abend Geheimnis. Zu meinem<br />

Bedauern würde die Verfasserin des Siegergedichtes<br />

nicht anwesend sein. In diese<br />

Überlegung hinein läutete das Telefon und<br />

Kornelia Eleonore Hofmann meldete sich<br />

an. Es war ihr möglich gewesen, zumindest<br />

an diesem Abend zu uns zu kommen. Groß<br />

war die Überraschung, als sie hörte, dass ihr<br />

Gedicht die meisten Punkte erhalten hatte.<br />

Ergebnis der Abstimmung:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

Nr. 8 Kornelia Eleonore Hofmann:<br />

Bäume groß wie Riesen<br />

Nr. 4 Theo Schmich: Säulen aus Stein<br />

Nr. 5 Renate Weidauer: Versteinerte<br />

Bäume<br />

Nr. 14 Eckhard Erxleben: angst<br />

Nr. 9 Gaby Hühn-Keller: An den Versteinerten<br />

Wald von Chemnitz und<br />

Nr. 3 Wilfried A. Faust: Steinerner<br />

Wald<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 55<br />

Musik klang aus, viele zufriedene Gesichter,<br />

eine nun schon entspannte Organisatorin,<br />

die nach dem Ausscheiden von Prof. Dinter<br />

nicht nur 2. Vorsitzende geworden ist, sondern<br />

der auch höchstes Lob für die hervorragende<br />

Organisation ausgesprochen werden<br />

muss und der Ausblick auf das Jahrestreffen<br />

2010 in Schlüsselfeld ließen den Abend bei<br />

guten Gesprächen ausklingen.<br />

Interner Wettbewerb <strong>2009</strong> - STEINERNER WALD<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

9.<br />

GGB<br />

Nr. 7 Cordula Scheel: Ihr steinernen<br />

Bäume<br />

Nr. 10 Hermann Wischnat: Der alte<br />

Schachtelhalm<br />

Nr. 2 Wilfried A. Faust: Steinerner<br />

Wald<br />

Nr. 13 Willi Volka: Stammbuch<br />

10. Nr. 6 Renate Weidauer: Versteinerte<br />

Bäume<br />

11. Nr. 11 Anna Maria Sauseng: Waldsterben<br />

und Gaby G. Blattl: Dicht der<br />

Wald<br />

12. Nr. 12 Willi Volka: Und und und<br />

Kornelia Eleonore Hofmann<br />

Wir gratulieren Kornelia Eleonore<br />

Hofmann, Theo Schmich und Renate<br />

Weidauer sehr herzlich!


Runde Geburtstage <strong>2009</strong><br />

70 Jahre<br />

Seidner Othmar, Wien<br />

Weiß Waltraud, Köln<br />

75 Jahre<br />

Hoppe Elfriede, Wesel<br />

Korte Anneliese, Trassenheide / Berlin<br />

Ott Ivan, Fellbach<br />

Volta Irma-Löffler, Wien<br />

80 Jahre<br />

Rühlicke Rolf, Hamburg,<br />

Stucky Oskar, Bachenbülach/Schweiz<br />

85 Jahre<br />

Maria Margaretha, Malmö/Schweden<br />

Klevinghaus Wilma, Erkrath<br />

Leserbriefe<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

…ich weiß nicht, ob es Mitglieder gibt, die<br />

wirklich das ganze <strong>Heft</strong> lesen. Ich habe nun<br />

das ganze <strong>Heft</strong> gelesen. Viel, viel zu lesen,<br />

zu verarbeiten, zu notieren, zu bedenken.<br />

Was vor allem? Nun, das ist sicher subjektiv<br />

verschieden, bei jedem. Mein Favorit ist<br />

Hermann Wischnat, da bleibe ich länger<br />

im Nachdenken, Forschen, vielleicht sogar<br />

Lernen! Ge- bzw. erfreut habe ich mich<br />

am Artikel von Renate Weidauer, klar, das<br />

ist persönlich! Und dann? Gute Lyrik, zu<br />

wenig, d.h. – für mich – zu viel Prosa. Viele<br />

Autor/innen sind doppelt belegt, finde ich<br />

nicht gerecht. Bei ‚Liebe Waltraud‘ von<br />

Ingrid Benada habe ich mich – fälschlicherweise<br />

– angesprochen gefühlt. Sehr schön<br />

die Geschichte von Denis Gustavus ‚Als ich<br />

noch klein war‘, gut aufgebaut. ..<br />

Waltraud Weiß<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 56<br />

…vielen Dank für die letzte Ausgabe der<br />

IGdA-aktuell, die ich mit großem Interesse<br />

gelesen habe. Wieviel Mühe für die Verantwortlichen<br />

darin steckt, kann ich einigermaßen<br />

ermessen – ich hoffe, dass genug<br />

Freude und erfüllendes zurückkommt.<br />

Anmerkung der Redaktion:<br />

Dr. Gabriele hippel-Schäfer<br />

Sehr gut angenommen wurde der Essay<br />

von Walter Ehrismann. Wir werden uns<br />

bemühen, dem Sektor ‚Essay‘ verstärkt Augenmerk<br />

zu geben.<br />

Allgemein bemängelt wird, dass manche<br />

Autor/innen öfter bzw. doppelt in einer<br />

Ausgabe erscheinen. Über Gerechtigkeit<br />

will ich an dieser Stelle nicht diskutieren.<br />

Die Antwort darauf ist ganz einfach: wir<br />

können nur aus Beiträgen auswählen, die<br />

wir haben. Je mehr Einsendungen wir bekommen<br />

(Zuständigkeiten Siehe S. 2) desto<br />

besser können wir auswählen.<br />

Die Zeitung erhält positive Worte. Am<br />

Layout arbeite ich weiter. Es soll in Zukunft<br />

wieder mehr Bilder geben. Wenn Sie Grafiken,<br />

Bilder oder Fotos haben, die schwarzweiß<br />

zu drucken möglich sind, bitte um<br />

Zusendung. Nach und nach werden wir<br />

gerne davon Gebrauch machen.<br />

Gaby G. Blattl


Federwelt<br />

iGda<br />

mit spitzer Feder betrachtet<br />

Eine professionelle Literaturzeitschrift für<br />

Autorinnen und Autoren. Gemacht von<br />

Profis, nicht ausschließlich nur für Profis.<br />

Angehende und noch nicht im Literaturbetrieb<br />

etablierte Autoren werden mit einer<br />

Fülle von hilfreichen und interessanten Informationen<br />

im Zweimonatsrhythmus versorgt.<br />

Viele fühlen sich in der heutigen Zeit<br />

zum Schreiben berufen, viele haben auch<br />

das dazu notwendige Talent. Jedoch Talent<br />

allein ist für den Erfolg nicht ausreichend.<br />

Unerlässlich ist das Erlernen und ständige<br />

Verfeinern des Handwerkes Schreiben,<br />

ebenso wie eine umfassende Kenntnis des<br />

literarischen Betriebes und seines Umfeldes.<br />

Hier nun greift seit Jahren äußerst<br />

erfolgreich das Konzept der Federwelt.<br />

Vom <strong>Heft</strong>format etwas kleiner als DIN A4<br />

weckt bereits die äußere Aufmachung mit einem<br />

ansprechenden farbigen Cover die Neugierde.<br />

Hochkarätiges Styling, wie Farbdruck<br />

des Innenteils, Strukturierung der Texte und<br />

gut gestaltetes Layout, setzt sich im Inneren<br />

des <strong>Heft</strong>es fort. Selbstverständlich ist auch<br />

das bedruckte Papier angepasst und von<br />

guter Qualität. Doch die beste Verpackung<br />

ist nichts ohne den entsprechenden Inhalt.<br />

Informelle Artikel nehmen den Hauptteil,<br />

der jeweiligen Ausgabe ein. Fachlich kompetente<br />

Autoren schreiben in unterhaltsamer<br />

Weise über aktuelle Themen. Vielfache<br />

Informationen und Erfahrungen werden<br />

abgebildet, ergänzt durch aktuelle Ratgeber,<br />

die den Schreiballtag betreffen und<br />

rund um das Schreiben handwerkliche<br />

Tipps und Tricks vermitteln. Dabei wird<br />

kein schriftstellerisches Thema tabuisiert<br />

oder ausgespart. Eine gelungene Symbiose<br />

die lehrreich ist, ohne auf die Leserinnen<br />

und Leser belehrend zu wirken.<br />

Einen zweiten wichtigen Informationsteil<br />

bildet die Vorstellung interessanter Per-<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 57<br />

sönlichkeiten. Verleger, Lektoren, Autoren,<br />

Jurymitgliedern und Gewinner von<br />

Literaturwettbewerbern, um nur einige zu<br />

nennen, werden interviewt. Es entstehen<br />

Einblicke, in den hart umkämpften Literaturbetrieb,<br />

oft auch hinter die Kulissen,<br />

die sonst nur Insidern zugänglich sind.<br />

Der Fokus ist auf die Zielgruppen sehr breit<br />

angelegt. Deshalb müssen immer wieder<br />

Zugeständnisse an die Auswahl der Themen<br />

gemacht werden. Welcher Leser erwartet,<br />

dass eine Zeitschrift von der ersten bis zur<br />

letzten Seite brauchbare Texte nur für ihn<br />

bereithält? Und das mit dem Brauchbaren<br />

ist ohnehin so eine Sache. Schaden richten<br />

auch scheinbar überflüssige und teils bekannte<br />

Informationen keinen an. Abgerundet<br />

wird der informelle Teil jeweils durch<br />

Buchvorstellungen (Digest und einer Einzelrezension),<br />

wie auch die Vorstellung einer<br />

ausgewählten Literaturzeitschrift. Hier<br />

wird auch auf hilfreiche Sachbücher für Autoren<br />

hingewiesen, die den Rezensenten lesenwert<br />

erscheinen.<br />

Erstaunlich einfach, aber immer den Kern<br />

der Frage treffend, sind die Antworten, die<br />

in der Kummerecke auf Leseranfragen gegeben<br />

werden. Kolumnen, wie der Rezitationskurs,<br />

die Serie „Punkten im Lektorat“<br />

und die Glosse finden ihre Leser und bilden<br />

eine weitere wichtige Ergänzung des literarischen<br />

Spektrums.<br />

Dem ausführlichen informellen Teil steht in angemessenem<br />

Maße Primärliteratur zur Seite.<br />

Erste Schritte und Erfolge durch Publikation<br />

von Prosa und Lyrik. Die Texte von<br />

Neulingen werden den Texten bereits arrivierter<br />

Autoren gleichgestellt. Ich lese sie<br />

immer wieder gerne, die Kurzprosa und<br />

freue mich jedes Mal über den guten literarischen<br />

Geschmack der Redakteurin.<br />

Schade ist, dass die speziellen literarischen<br />

Vorlieben des verantwortlichen Lyrikredakteurs,<br />

meiner Meinung nach, etwas<br />

einseitig ausgerichtet sind. Trotzdem wird


letztendlich auch in diesem Bereich eine<br />

gute und relativ bunte Mischung des Lyrik<br />

schaffenden Nachwuchses abgebildet.<br />

Der Terminkalender gibt einen Überblick über<br />

ausgewählte Wettbewerbe, Ausschreibungen,<br />

Stipendien, Seminare und Anthologien.<br />

In den ergänzenden Kurzmeldungen findet<br />

sich aktuell Interessantes und Wissenswertes<br />

zum Literaturbetrieb und seiner Macher.<br />

Alles in allem informiert die Federwelt<br />

breit und umfassend. Nur manchmal, aufgrund<br />

der begrenzten Seitenzahl und der<br />

Themenvielfalt, etwas allzu knapp. Doch<br />

auch das Anreißen von Themen hat einen<br />

durchaus positiven Effekt. Aufmerksamkeit<br />

wird geweckt und all diejenigen, die<br />

sich tief greifender mit einem bestimmten<br />

Sachverhalt auseinandersetzen müssen,<br />

erhalten erste wertvolle Hinweise.<br />

Die Federwelt ist eine wahre Fundgrube<br />

und ein unerlässliches Lese-Muss alle zwei<br />

Monate für gewiefte Autorinnen und Autoren.<br />

(gw)<br />

Georg Walz<br />

iGda<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 58<br />

Kontaktadresse:<br />

Federwelt – Zeitschrift für Autorinnen und<br />

Autoren<br />

website: www.federwelt.de<br />

Redaktion: Sandra Uschtrin<br />

Taxisstr.15, D - 80637 München<br />

E-Mail: redaktion@federwelt.de<br />

Preis: 5,50 Euro<br />

Gründung: 1998<br />

erscheint: zweimonatlich<br />

Auflage: 1800<br />

ISSN 1439-8362<br />

Format und Seitenzahl: ca. 19 cm x 27 cm,<br />

60 S.<br />

veröffentlicht: Artikel, Kurzprosa und<br />

Lyrik, Interviews, Rezensionen, Kolumnen,<br />

Terminkalender<br />

Hinweise für Autoren: Lyrik- und Prosabeiträge<br />

sind willkommen, Fachartikel nur<br />

nach vorhergehender Absprache


J<br />

iGda<br />

Renate Weidauer Gabriela Franze<br />

Jahrestreffen Frankenberg <strong>2009</strong><br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 59


Interessengemeinschaft<br />

deutschsprachiger Autoren e.V.<br />

Das Forum für Ihre Texte<br />

www.igda.<strong>net</strong> www.igda.<strong>net</strong>/blog/*<br />

TREFFEN<br />

mit Autorenlesungen<br />

LITERATuRPREISE<br />

rudolf-Descher-Feder<br />

und<br />

nachwuchspreis der iGda<br />

WERKSTATTGESPRäCHE<br />

VERöFFENTLICHUNGEN<br />

in iGda-aktuell und iGda-almanach<br />

PRäSENTATION<br />

unserer Mitglieder im inter<strong>net</strong><br />

1967 gegründet<br />

Informationsmaterial erhalten Sie bei der Geschäftsstelle<br />

der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren (IGdA) e.V.<br />

Gaby G. Blattl<br />

Anton Baumgartner Str. 44/C3/2503 A-1230 Wien<br />

� +43 (1) 967 10 24<br />

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