Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Organ der<br />
Interessengemeinschaft<br />
deutschsprachiger<br />
Autoren e. V. (IGdA)<br />
ISSN 0930-7079<br />
33. Jahrgang <strong>2009</strong><br />
Ausgabe 4<br />
Einzelheft € 4,-
inhalt impressum<br />
EDITORIAL<br />
Gaby G. Blattl S. 3<br />
LYRIK<br />
A. Korte: Orangenfarben; C. Scheel: Unterwegs;<br />
W. Weiß: So golden; W. Volka: Haiku; K. Manke: Fenster;<br />
S. 5<br />
J.A.Stöckl: Grossstadt; G. Walz: Frostig; K. E. Hofmann: Im Winter;<br />
G. Walz: Schneesturm im Christbaum; H. Wolff:<br />
Ferngesteuerter Gast; U. Gressmann: Verwachten, Still is de<br />
Nacht, Winterdag; G. Jaekel: Aus einem Engel-Zyklus;<br />
T. Schmich: Auf dem Weihnachtsmarkt;<br />
C. Scheel: Nach dem Mauerfall<br />
PROSA S. 9<br />
Wie sich die Bilder gleichen G. Franze: S. 9<br />
Grenzübergang 1986 Ch. Engelmann: S. 11<br />
Berliner Mauer R. Weidauer: S. 12<br />
Das Geschenk E. Schanda S. 15<br />
Nun engeln sie wieder W. Ehrismann: S. 19<br />
Zu viel Weihnachten D. Buzatti/C. Scheel: S. 21<br />
Die letzte Weihnachtsgans I. Ott/S.Hinzmann S. 23<br />
Nikolaus, Klaubauf, Krampus & Co G. Hühn-Keller: S. 26<br />
Die etwas andere Weihnachtsgeschichte H. Schaller: S. 29<br />
Das Kellerfenster<br />
ESSAY<br />
R. Bachmann-Voelkel S. 32<br />
Ist Dichten lernbar? M. Andreotti S. 33<br />
Kitsch und Kunst I. M. Hörning S. 37<br />
IGdA<br />
Kleines Feuilleton S. 38<br />
Neue Mitglieder<br />
J.K. Kuppe: pfeil an die rippen<br />
M. H. Fischer: Kleiner Engel<br />
M. Stark: Zeit ohne Seele<br />
S. 40<br />
Aktivitäten der Mitglieder S. 41<br />
Bücherschau S. 42<br />
C. Matter: Moderne Literatur – ein neuer Zugang S. 42<br />
H. Knoll: Rätselbuch S. 43<br />
H. Knoll: Ich kenne gar kein Dezifit S. 43<br />
C. Scheel: Versöhnung S. 45<br />
Service S. 50<br />
G. Franze: Jahrestreffen <strong>2009</strong> S. 50<br />
K. Wirner: Protokoll <strong>2009</strong> S. 52<br />
G.G. Blattl: Ein paar Worte zum Festabend S. 54<br />
Interner Wettbewerb – Ergebnis S. 55<br />
Geburtstage und Leserbriefe S. 56<br />
MIT SPITZER FEDER BETRACHTET<br />
Georg Walz S. 57<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 2<br />
Redaktion der IGdA-aktuell:<br />
Angelika Zöllner (Lyrik u. Service)<br />
e-mail: angelika.zoellner@gmx.de)<br />
Gaby G. Blattl (Prosa)<br />
e-mail: gabyblattl@chello.at<br />
Renate Weidauer (Prosa)<br />
r-r.weidauer@free<strong>net</strong>.de<br />
Georg Walz (Mit spitzer Feder …)<br />
georgwalz@web.de<br />
Anschrift der Redaktion :<br />
IGdA-aktuell -Angelika Zöllner<br />
Imkerweg 11, 42279 Wuppertal<br />
Tel: 0202/526512<br />
Layout: Gaby G. Blattl<br />
Titelbild und Illustration:<br />
Mag. A. Wirski-Saini<br />
Fotos Frankenberg: Georg Walz<br />
Druck: Druckerei Meyer, Scheinfeld<br />
IGdA-aktuell<br />
- erscheint viermal pro Jahr<br />
Einzelpreis € 4.-zzügl. Porto<br />
Doppelnummer € 8.- zzgl. Porto<br />
Abonnement: € 21.-/Jahr<br />
Alle Rechte an den Beiträgen liegen<br />
bei den Autoren. Nachdruck nur mit<br />
ausdrücklicher Genehmigung der<br />
Redaktion. Namentlich gezeich<strong>net</strong>e<br />
Beiträge geben die Meinung der Autoren,<br />
nicht unbedingt die der Redaktion<br />
wieder.<br />
ISSN 0930-7079<br />
1. Vorsitzender:<br />
Othmar Seidner<br />
A-1020 Wien, Handelskai 224/5/9/59<br />
e-mail: othmar-seidner@chello.at<br />
Tel: 00431/9252565<br />
Geschäftsstelle:<br />
Gaby G. Blattl<br />
A-1230 Wien<br />
Anton- Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />
e-mail: gabyblattl@chello.at<br />
Tel: 00431/9671024<br />
Schatzmeister:<br />
Dr. Volker Wille<br />
D-30659 Hannover, Platanenhof 23<br />
e-mail: adl.wille@t-online.de<br />
Tel: 0511/652823<br />
Bankverbindung:<br />
Postbank Hannover, BLZ: 250 100 30<br />
Konto: 102088-302<br />
IBAN DE50 2501 0030 0102 0883 02<br />
BIC PBNKDEFF<br />
IGdA-Aktuell wird auf chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt.
Liebe Mitglieder,<br />
liebe Leser,<br />
ein nicht ganz einfaches, in Summe aber doch gutes Jahr liegt hinter uns. Viele Probleme<br />
konnten gelöst werden. Wie überall bleibt auch einiges unerledigt, sozusagen in der Warteschleife;<br />
einige Ihrer Anregungen werden nach und nach aufgenommen.<br />
Vorweg zwei Termine:<br />
Editorial<br />
Karin Manke organisiert zum zweiten Mal ein Frühlingstreffen in<br />
Berlin vom 6. – 9. Mai 2010 und<br />
Wilfried Auer hat sich bereiterklärt, das nächste Jahrestreffen in<br />
Schlüsselfeld vom 23. – 26. September 2010<br />
zu organisieren.<br />
Bitte merken Sie beide Termine vor. Es wäre schön, wenn wir möglichst viele Mitglieder<br />
und interessierte Gäste begrüßen dürften.<br />
Nun zu dieser Ausgabe:<br />
Erstaunlich wenige Einsendungen haben uns erreicht. Offenbar ist der Mauerfall vor 20<br />
Jahren – an dem wir nicht vorbeigehen wollten – kein Thema oder kaum eines für Lyriker.<br />
Auch Prosabeiträge sind rar, und wenn, befassen sie sich mit dem ‚vorher‘. So ist es diesmal<br />
wohl eher ein ‚Bericht-<strong>Heft</strong>‘ geworden. Auch das hat seine Berechtigung.<br />
Wir werden hin und wieder ein Thema durch mehrere Lyrik- und Prosa-Beiträge vertiefen,<br />
wie jetzt z. B. „Mauerfall“. Das werden wir rechtzeitig, in der jeweils vorherigen Ausgabe<br />
ankündigen, Sie gleichzeitig zur Mitarbeit (Beiträge einsenden) einladen und den Redaktionsschluss<br />
bekannt geben.<br />
Eine Problematik besteht leider immer noch: kein Archiv. Trotz großer Anstrengungen ist<br />
es auch <strong>2009</strong> nicht gelungen, Unterlagen von Jutta Miller-Waldner zu bekommen. Deshalb<br />
appelliere ich an Sie: Zeitungen – Dokumente – Almanach … was Sie abgeben wollen bzw.<br />
können (Dokumente selbstverständlich auch in Kopie) schicken Sie bitte an die Geschäftsstelle.<br />
Das gilt auch für Texte. Sie wissen: Gedichte an Angelika Zöllner, Prosa, Essay, etc. an die<br />
Geschäftsstelle. Wenn es Ihnen möglich ist, per email, auf Diskette oder CD.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 3<br />
Gaby G. Blattl<br />
Der Vorstand der IGdA wünscht Ihnen einen schönen,<br />
stimmungsvollen Advent, ein frohes Fest und einen guten Jahresbeginn<br />
für ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2010 !
anneliese Korte<br />
Orangefarben<br />
Orangefarben wie ein letzter Gruß<br />
Versinkt die Sonne<br />
Sommergesättigt hinter dem Deich<br />
In windstiller Dämmerung<br />
Spreizt ein Nachtvogel<br />
Sein seidenglänzendes Gefieder.<br />
Im verblassenden Licht<br />
Entgleitet er meinem Blick.<br />
Cordula Scheel<br />
Unterwegs<br />
Schatten dunkeln<br />
im Feuermohn<br />
unbekannt<br />
die Stufen<br />
Veränderungen<br />
im Geröll<br />
Erinnerung der Füße<br />
In kühler Luft<br />
eine schimmernde Spur<br />
zu den Anhöhen<br />
weiß die Schlehen<br />
dunkler die Schatten<br />
weiß ich noch<br />
wer du bist?<br />
(wir entschuldigen uns für den unzureichenden abdruck im<br />
letzten <strong>Heft</strong> und wiederholen den text) .<br />
lyriK<br />
Spätsommer, Herbstliches und danach<br />
Waltraud Weiß<br />
So golden<br />
Und so durchsichtig<br />
Und so zart<br />
Scheint die Herbstsonne<br />
Auf das Leben<br />
Altgewordene Schönheit<br />
Färbt sich langsam<br />
Ins Goldene<br />
Und wird zur Ewigkeit<br />
Und so durchsichtig<br />
Und so zart<br />
Berühren wir<br />
Mit alten Händen<br />
Den Himmel<br />
Sehnsuchtsbang<br />
Und hoffnungsfroh<br />
Mit beiden Händen<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 4<br />
Wenn sich die Himmelspforte öff<strong>net</strong><br />
Werden wir<br />
In den Arm genommen<br />
Und sind angekommen<br />
Willi Volka<br />
Wie wirbelt im Wind<br />
blattverspielt der Übermut.<br />
Bunt maskiert der Herbst.
Karin Manke<br />
Fenster<br />
An manchen Tagen<br />
sind die Fenster blind<br />
und verschwommen<br />
wie meine Augen –<br />
und trauen der Welt nur<br />
In mir – meinem Lichtweg zur Seele,<br />
die mir die Stille öff<strong>net</strong>.<br />
An manchen Tagen<br />
stehe ich lange am Fenster,<br />
nehme wahr und lass mich<br />
mit den Wolken forttreiben.<br />
Dann zieht’s mich raus –<br />
Aus mir –in die Welt,<br />
ins Fremde und Ferne.<br />
An manchen Tagen strömt Licht,<br />
viel Licht und Sonnenschein,<br />
durch mein Fenster herein.<br />
Staubkörner spiegeln die Strahlen –<br />
Einer Milchstraße gleich,<br />
die den Wohnraum durchquert.<br />
Alles Lebendige in mir<br />
Und außerhalb von mir<br />
Strömt aus dem Licht,<br />
durch meine Fenster,<br />
die abgrenzen und<br />
mich immer wieder<br />
mit dem Universum verbinden.<br />
lyriK<br />
Josef albert Stöckl<br />
Grossstadt<br />
Was bist Du nur<br />
für eine Königin !<br />
Mächtige und Reiche<br />
birgst Du<br />
in Deinen Mauern<br />
Heimatlose aber verbirgst Du<br />
unter Brücken und Bäumen.<br />
Gewalztes Blech<br />
strömt unaufhörlich<br />
durch Deine Adern.<br />
Ruhelos bist Du<br />
denn noch in der Dunkelheit<br />
pulsiert in Dir<br />
das Blut der Nächte<br />
bereichert vom Geruch<br />
von Lust und Leid.<br />
Schlaftrunken wie eine<br />
heimkehrende Geliebte<br />
taumelst Du<br />
dem jungen Morgen entgegen.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 5
Georg Walz<br />
Frostig<br />
Ratlosigkeit geht<br />
Zwischen den Tagen spazieren<br />
Sucht verlorene Zeit<br />
In der Ruhe im Park<br />
Schritte verhallen<br />
Im Heulen streunender Hunde<br />
Kälte der Luft<br />
Lässt die Gedanken beim Einatmen<br />
In der Nase gefrieren<br />
Herzschlag<br />
pocht in wilder Hast<br />
einsam die verlassene Straße entlang<br />
lehnt sich<br />
von Stund zu Stund<br />
an eiserne Pfeiler<br />
die an der Spitze das Dunkel erhellen<br />
Kräftige Arme<br />
Umarmen den Schneemann<br />
Der über den Zugang zum Garten wacht<br />
brennendes Holz bläst weißen Atem<br />
in kräuselnden Säulen über rote Dächer<br />
obgleich in der Wärme der Stube<br />
spärliche Sonnenstrahlen neue Kraft geben<br />
und müde Bäume<br />
die längst alle Blätter verloren<br />
ihre entblößten Arme<br />
Erwartungsvoll gegen neues Leben strecken<br />
lyriK<br />
Winter und Weihnacht<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 6<br />
Kornelia Eleonore Hofmann<br />
Im Winter<br />
Im Winter schwebt ein reifbesetztes<br />
Kleid im Geäst<br />
ich schweige<br />
bis der Wind mich heim jagt<br />
die Wolken erzittern, manchmal<br />
fliehen sie in das Wasser<br />
und finden Worte für alles<br />
diese Sprache verstehe ich nicht.<br />
sie wissen es<br />
und lachen auf offenem Feld<br />
Nebelland habe ich gesehen<br />
Georg Walz<br />
Schneesturm im Christbaum<br />
Nacht -<br />
denke ich Glockenklang<br />
es funkeln rote Sterne<br />
Kerzen flackern<br />
Bienenwachs<br />
tropft auf Harmonie<br />
im Gefolge der Weisen<br />
fällt Lametta in das Grün der Nadeln<br />
frischer Duft von Harz umhüllt<br />
die Ruhe spricht<br />
Hektik hält<br />
dagegen können Feiertage<br />
die Völlerei im Saufgelage<br />
übertreffen
Muße<br />
legt Mandelduft<br />
in Gesang der Chöre<br />
Freude in unbekümmertem Kinderlachen<br />
sorgt nach der Geburt für fröhlichen<br />
Ausklang.<br />
Hannelore Wolff<br />
Ferngestirnter Gast<br />
Neigt sich<br />
Ein unerschlossener Stern dir zu<br />
Setz bedächtig deine Schritte<br />
Überschattet sichtverklärt<br />
Der übrige Mut<br />
Kniet ein fremder Tag<br />
Vor dem Fensterkreuz<br />
Erschließe sein Ersinnen<br />
Lass Augenblicke da verweilen<br />
Wo Monde beflügelt<br />
Gewölk umgleiten<br />
Halt inne<br />
Wo gestirnter Regen<br />
Glühende Haut be<strong>net</strong>zt<br />
Lass ungeacht’ enteilen<br />
Den zweifelsträchtigen Blick<br />
Wo zügelscheue Zungen<br />
Deinen Traum entweihen.<br />
lyriK<br />
ursula Gressmann<br />
Verwachten<br />
In disse Tied, Advent,<br />
we wachten up uns Redder<br />
Jesus Christ, de Heiland.<br />
He sall und weer freeimaken<br />
vun Knojeree un Gebreken.<br />
Frede mit uns Heergott<br />
bedüded, dat geiht uns better.<br />
De Seel is denn neet so licht,<br />
as een Flinnerk un we möten<br />
uns Hart festhollen,<br />
umdat’t <strong>net</strong> offlegt.<br />
Still is de Nacht<br />
Noch is’t neet Dag,<br />
Maan un Steern<br />
över de Wulken lüchten.<br />
Still is den Welt.<br />
De Wind spöölt sein Musik.<br />
Wiet ofgelegen hör ik<br />
de Klocken gahn.<br />
Ruugfrost, dörsichtig<br />
as Glas, glinstert.<br />
Nu fleegen Engel dör<br />
de Nacht in disse stillste<br />
Stünne, keen Minsk<br />
mutt sück nu sörgen:<br />
Se flegen allerwegens.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 7
Winterdag<br />
Keen Klören, all witt,<br />
Ruugfröst up de Bomen,<br />
Swartdrussels as swarte<br />
Blössems in de Twiegen.<br />
Sneeiglinstern up de Felden,<br />
Sünn achter swarte Wulken.<br />
Ik hebb dien Hand in miene<br />
un frei me, da’t kold is<br />
un we uns tegensiedig<br />
warmhollen.<br />
Gerda Jaekel<br />
Aus einem Engel-Zyklus<br />
1 Engel der Barmherzigkeit<br />
2<br />
willst wieder leben<br />
aller Befürchtungen grau<br />
breitest ein weißes Tuch darüber<br />
kein Ruf gibt dir Auftrag<br />
wandelst nicht im Licht<br />
Engel der Freundlichkeit<br />
lächelst in den Morgen<br />
Wärme hüllt dich ein<br />
Trost bringt dein Licht<br />
Zieht mich selig hinan<br />
Strahlende Geborgenheit.<br />
lyriK<br />
Engel der Dankbarkeit<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 8<br />
3<br />
Wächter der Betrübten<br />
Weiß glänzt dein Mond<br />
Darunter sechs grüne Steine<br />
Mit ihrem hellen Glanz.<br />
(wir bedanken uns bei unserem Gast ursulaGressmann, die<br />
eine reihe von mundarttexten geschrieben hat, für diese zur<br />
Verfügung gestellten texte)<br />
theo Schmich<br />
Auf dem Weihnachtsmarkt<br />
Geschäftig-eilig<br />
Erwachsen-nüchtern<br />
Betrete ich den Weihnachtsmarkt –<br />
Auf einen raschen Schlenker nur<br />
Tauche ahnungslos<br />
Ganz ohne Vorbereitung<br />
Ins Land der Märchen, Träume ein –<br />
Das Herz sogleich schlägt<br />
Überglücklich jung<br />
Spielzeugautos, Puppen, Zinnfiguren<br />
Glitzerketten, bunter Christbaumschmuck<br />
Zuckeräpfel, Glühwein, Reibekuchen –<br />
Menschen<br />
Festtagsstimmung hüllt mich ein<br />
Und nimmt mich mit<br />
Tiefer in die Weihnachtszeit<br />
Mit jedem Schritt<br />
Zum Kind geworden<br />
Schwebe ich auf einer Wolke<br />
Seliger Erinnerung.
Cordula Scheel<br />
Nach dem Mauerfall<br />
wieder im Grenzland<br />
Sperrgebiet unbetretbar<br />
lange Jahre<br />
vermisst gemeldet<br />
die Kindheit.<br />
Erste Begegnung -<br />
Regen verwischt<br />
die Schwere<br />
die Kehle zu eng<br />
die Augen überflutet.<br />
Justiert die Waage<br />
der Gerechtigkeit<br />
leichter die Erinnerung<br />
erlöst gerückt<br />
an die Dankbarkeit<br />
lyriK / ProSa<br />
Zum zwanzigjährigen Mauerfall...<br />
Gabriela Franze<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 9<br />
Wie die Bilder sich gleichen<br />
- 20 Jahre deutsche Einheit -<br />
Gut, es war nicht alles schlecht. Aber<br />
dennoch: Endlich frei! Frei! Frei!!!<br />
Ich war siebenundzwanzig Jahre alt und<br />
bedauerte jeden einzelnen Wessi, weil<br />
er niemals wissen würde, wie restlos<br />
überwältigend sich das anfühlte. Bananen,<br />
Kiwis, Autos, Reisen – geschenkt. Aber<br />
sagen zu dürfen, was ich dachte, das war<br />
das Größte für mich. Es war, als hätte mir<br />
endlich jemand Leben eingehaucht. Ich<br />
fühlte, wie mein Herz klopfte, mein Hirn sich<br />
überschlug und mein Körper Endorphine<br />
am Fließband produzierte. Jemand hatte<br />
das Licht angeknipst. Es blendete meine<br />
Augen noch. An die Helligkeit musste ich<br />
mich erst gewöhnen.<br />
Nicht nur Deutschland, ganz Europa wuchs<br />
nach und nach zusammen. Kaum hatte ich<br />
die Währungsunion verdaut, mich an die<br />
neuen Münzen gewöhnt und mitgeschnitten,<br />
was Mehrwertsteuer, Freibetrag und<br />
Vorsteuerabzug bedeuteten, kamen neue<br />
DM-Scheine. Ich war bereits in Übung und<br />
nahm diese Hürde mit Leichtigkeit. Ein Jahr<br />
ohne Währungsreform ist kein Leben! Gott<br />
sei Dank wurde der Euro eingeführt! Mir<br />
hätte etwas gefehlt!<br />
„die Jungfer Europa ist verlobt mit dem schönen<br />
Genusse der Freiheit, sie liegen einander im arm<br />
und schwelgen im ersten Kusse.“<br />
Einen Wermutstropfen gab es allerdings.<br />
Das mit dem Sagen, was man denkt, hing<br />
irgendwie wiederum davon ab, was man<br />
dachte und wem man es sagte.<br />
Ich examinierte Vollblutidealistin stellte fest,<br />
dass Betonköpfigkeit und Ewiggestrigkeit
keine ostdeutschen Monopole waren.<br />
Nicht umsonst nannten wir die Wessis<br />
„Besserwessis“. Sie waren uns auch hierin<br />
überlegen. Ich hoffte, ausschließlich auf<br />
Großkarierte zu treffen, Nonkonformisten<br />
und Freidenker. Die gab es. Auch. Zuweilen.<br />
Aber es war im Grunde „noch immer das<br />
hölzerne Volk, noch immer ein rechter Winkel in<br />
jeder Bewegung und im Gesicht der eingefrorne<br />
dünkel“.<br />
Image war alles. Die Masse definierte sich<br />
überwiegend über den Schein statt über<br />
das Sein. Ich verstand die Wessis nicht. Sie<br />
hatten mit der Muttermilch aufgesogen, die<br />
freie Wahl aus Millionen von Möglichkeiten<br />
zu haben. Statt die Probleme auf dem Weg<br />
zum eigentlichen Sein zu meistern, sich ein<br />
Rückgrat anzuschaffen und mit Haltung<br />
durchs Leben zu gehen, duckten und<br />
schleimten sich die meisten auf dem Weg<br />
des geringsten Widerstandes in eine besser<br />
bezahlte Position, um vor ihren Nachbarn<br />
mit dem größeren Auto angeben zu können.<br />
Deutsche sind glücklich, wenn andere<br />
Deutsche neidisch auf sie sind. Das eint uns<br />
wirklich.<br />
„Sie stelzen noch immer so steif herum, so<br />
kerzengerade und geschniegelt, als hätten sie<br />
verschluckt den Stock, womit man sie einst<br />
geprügelt.“ Die körperliche Züchtigung ist<br />
längst abgeschafft. Aber in der seelischen<br />
setzt sie sich fort. Sie nennt sich jetzt<br />
Leistungsdruck, Markenjeans, Inter<strong>net</strong>handy<br />
und Cabrio zum Abi. Haste was, dann biste<br />
was, haste nüscht, dann wirste gemobbt.<br />
Erfolg ist sexy. Erfolg hat, wer mit der<br />
perfekten Kulisse perfekt ins Bild passt. Wer<br />
sind wir eigentlich?! Was haben wir nur<br />
aus unserer Freiheit gemacht?! Ich würde<br />
sagen, da sind auf beiden Seiten noch alle<br />
Möglichkeiten offen!<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 10<br />
An dieser Stelle bringe ich mich ins<br />
Spiel. Erinnern Sie sich: Examinierte<br />
Vollblutidealistin! Obendrein Sternzeichen<br />
Schütze! Schützen wollen die Welt<br />
verbessern. Ich auch. Vor allem ich! Die<br />
Welt baut auf mich! Zur Wende habe ich<br />
das Blut der Freiheit geleckt. Ein Schütze<br />
im Blutrausch fügt sich nicht. Er verbeißt<br />
sich, lässt nicht locker, kapituliert niemals!<br />
Durch Hindernisse ist er nicht aufzuhalten<br />
- im Gegenteil - er rennt sie um, aber mit<br />
einem Lächeln. Wozu sonst bin ich mit<br />
diesem abgrundtiefen Humor und diesem<br />
gottverdammten Schreibtalent geseg<strong>net</strong>?<br />
Absicht des Schöpfers! Ich bin ein moderner<br />
Till Eulenspiegel!<br />
„hier (im Kopf) hab ich die Spitzen, die feiner<br />
sind, als die von Brüssel und mecheln, und pack<br />
ich dereinst meine Spitzen aus, sie werden euch<br />
sticheln und hecheln.<br />
im Kopfe trag ich Bijouterien, der Zukunft<br />
Krondiamanten, die tempelkleinodien des neuen<br />
Gotts, des großen unbekannten.“<br />
Heute bin ich siebenundvierzig Jahre alt und<br />
lebe in Köln. Ich sächsle gegen jedes Image<br />
an, trete an gegen bürokratische Holzköpfe,<br />
Ignoranten und Krümelkacker. Wie eh und je.<br />
Aber die Menschen hier im Rheinland - wie<br />
soll ich sagen - oh Mann! - die Rheinländer<br />
sind irgendwie anders. Zum ersten Mal im<br />
Leben habe ich das Gefühl, dass das mit der<br />
besseren Welt machbar ist. Wenn nicht in<br />
Köln, wo sonst?!<br />
Ich war noch niemals in New York, ich war<br />
noch niemals auf Hawaii, ging noch nie<br />
durch San Franzisco in zerriss‘nen Jeans -<br />
aber ich bin seit Jahren frei!!!<br />
(Zitate aus Heinrich Heine „Deutschland - Ein<br />
Wintermärchen“ und Udo Jürgens „Ich war noch<br />
niemals in New York“)
Christiane Engelmann<br />
Im April 1985 heiratete unsere einzige<br />
Tochter. Wir hatten vor, ein schönes Familienfest<br />
zu feiern. Die Schwester unseres<br />
Schwiegersohnes war jedoch mit ihrer Familie<br />
einige Jahre zuvor aus der DDR in die BRD<br />
umgezogen. Strafe muss sein, sie bekam auf<br />
unseren Antrag hin keine Erlaubnis, an der<br />
Hochzeit ihres Bruders teilzu-nehmen. Die<br />
Einreise in die DDR wurde ihr verweigert.<br />
Da sie ihre Schwägerin und die dazugehörige<br />
Familie kennenlernen wollte, wir ebenfalls<br />
diesen Wunsch hatten, vereinbarten<br />
wir ein Familientreffen auf dem Boden der<br />
Tschechoslowakei, in Eger (Cheb). Aus Ost<br />
und West reisten alle der Familie zugehörigen<br />
Jungen und Alten an, wir verlebten<br />
frohe gemeinsame Stunden 1986 bei herrlichem<br />
Spätsommerwetter und trennten uns<br />
schweren Herzens wieder.<br />
Wir hatten in unserem Lada unsere hochschwangere<br />
Tochter mitgenommen, da er<br />
bequemer war als der Trabant des Schwiegersohnes.<br />
Im Trabant war der Bruder aus<br />
Leipzg mit angereist. Auf der Heimfahrt<br />
benutzten die beiden Männer, wieder Richtung<br />
Leipzig fahrend, einen anderen Grenzübergang<br />
als wir.<br />
Als wir im Dunklen die Grenze der DDR<br />
bei Reizenhain erreichten, schienen die<br />
Zollorgane regelrecht auf uns gewartet zu<br />
haben. Sie nahmen uns die Pässe ab und ließen<br />
uns dann eine halbe Stunde im Dunklen<br />
stehen, einfach so. Wir waren die Einzigen an<br />
der Grenze. Dann kamen sie zum Auto und<br />
fingen an, uns nach dem wohin und woher zu<br />
befragen. Da das Treffen mit Westdeutschen<br />
in der CSSR unerwünscht war, erzählten wir<br />
von einem Wochenendausflug, was ja auch<br />
stimmte. Nun mussten wir den Kofferraum<br />
öffnen, und da entdeckten die Zöllner einen<br />
Korb voller Südfrüchte, welche ein Hinweis<br />
auf Westkontakt waren. Sofort kam die Frage<br />
ProSa<br />
Grenzübergang 1986<br />
Ein Tatsachenbericht<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 11<br />
nach dem Spender des Obstes. Ich muss<br />
gestehen, dass ich die Beherrschung verlor<br />
und sehr laut und deutlich meine Meinung<br />
gesagt habe. Ich habe regelrecht gebrüllt,<br />
wie gerne ich diese Früchte für unsere<br />
schwangere Tochter in Dresden gekauft<br />
hätte, wenn es sie nur gäbe. Wie gern ich die<br />
westdeutschen Verwandten zur Hochzeit<br />
oder irgendwann im Jahr als Gäste in der<br />
DDR bewirtet hätte, wenn sie hätten kommen<br />
dürfen. Ich war sehr wütend und aufgeregt<br />
und habe sie noch darauf aufmerksam<br />
gemacht, dass unsere Tochter im Auto kurz<br />
vor der Entbindung sei und ihr Kind nicht in<br />
Reizenhain zur Welt kommen solle.<br />
Nachdem sich die Kontrollorgane noch einmal<br />
zurückgezogen und telefoniert hatten,<br />
durften wir nach Hause fahren, mit den Südfrüchten.<br />
Wir hatten fast zwei Stunden am<br />
Kontrollpunkt verbracht.<br />
Ich war dermaßen aufgebracht und ärgerlich,<br />
dass ich zu Hause Beruhigungsmittel<br />
schlucken musste.<br />
Diese Erlebnisse gehören mit in unser Leben<br />
und haben nicht dazu beigetragen, uns für<br />
die DDR und den praktizierten Sozialismus<br />
zu begeistern.
enate Weidauer<br />
ProSa<br />
„Ich habe Angst, Mutti, ich möchte<br />
lieber wieder zurück fahren“ reagierte<br />
meine Tochter, fast 17jährig, auf die<br />
seltsame Atmosphäre am innerdeutschen<br />
Grenzübergang Rudolfstein/Hirschberg.<br />
Straffer Kommandoton überdeckte notdürftig<br />
Hilflosigkeit und Unsicherheit bei den<br />
diensttuenden Grenzern. Weder sie noch<br />
wir wussten, woran wir eigentlich waren<br />
an diesem 30. Oktober 1989 . In der DDR<br />
rumorte es.<br />
Wir beide waren im Auto auf dem Weg nach<br />
Westberlin, ein Wunsch meiner Tochter, die<br />
die Mauer in Berlin zum ersten Mal sehen<br />
wollte, denn die kurzen Hinweise im knapp<br />
gehaltenen Unterricht in Zeitgeschichte<br />
hatten diese Reise ausgelöst.<br />
„Ich kann mir das mit der Grenze, an der<br />
geschossen wird, und einer Mauer, quer<br />
durch eine Stadt, gar nicht richtig vorstellen.<br />
Das will ich sehen,“ hatte sie mir erklärt, als<br />
sie nach Schuljahresbeginn im September<br />
1989 diesen Wunsch äußerte. Die in Bayern<br />
schulfreien Tage um das Reformationsfest<br />
und Allerheiligen, Allerseelen boten eine<br />
Gelegenheit, nach Berlin zu fahren.<br />
1945 bis 52 im englischen Sektor Westberlins<br />
aufgewachsen, bin ich in Grunewald<br />
zur Oberschule gegangen und wollte<br />
ihr bei dieser Gelegenheit auch die Orte<br />
meiner Kindheit und unsere Wohnung in<br />
Schmargendorf zeigen.<br />
Auf der Autobahn fuhren wir in München<br />
am Meilen-Gedenkstein für „Berlin: 600 km“<br />
und dem Berliner Bären als Krönung waren<br />
vorbei und standen nun bei Rudolfstein, auf<br />
die Grenzabfertigung in die DDR wartend, in<br />
einer der Autoschlangen. Ein beklemmendes<br />
Gefühl beschlich uns. Uniformierte Grenzer,<br />
bewusst abweisend und unfreundlich, gingen<br />
die Reihen der Fahrzeuge kontrollierend<br />
entlang, strahlten Abwehr und Fremdheit<br />
aus, freundlichen Worten unzugänglich.<br />
Der Hals war uns wie zugeschnürt, der<br />
Berliner Mauer:<br />
Besuch im letzten Moment<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 12<br />
Kloß dahinter wurde dicker und dicker, wir<br />
wagten nicht einmal laut zu husten oder<br />
gar miteinander zu reden, im Blick dieser<br />
Uniformierten, die dort standen, Gewehr<br />
im Anschlag. Andere nahmen uns durch die<br />
Autofenster die Papiere ab, unwirsch und<br />
jedes Gespräch erstickend, ließen uns in<br />
Unwissenheit des Kommenden im Wagen<br />
zurück. Aussteigen verboten! Formulare<br />
waren auszufüllen, Transitantrag für die<br />
Einreisebewilligung, die Pässe wurden uns<br />
abgenommen sowie pro Person 25.- DM<br />
West als „Eintrittsgeld“ wie es heimlich<br />
genannt wurde. Umtausch West- in Ostgeld<br />
1 : 1. Unsere Papiere verschwanden durch<br />
kleine Luken, uneinsehbar, zur Bearbeitung<br />
(„Was machen die jetzt so lange damit?“)<br />
und dann hieß es warten. Wie lange? Das<br />
wusste keiner, niemand sprach mit anderen<br />
Wageninsassen, immer fürchtend, etwas<br />
Falsches zu tun. Angst hatte uns fest im<br />
Griff.<br />
In ungleichem Schneckentempo rückte Auto<br />
für Auto – es waren drei oder vier wartende<br />
Reihen – an die Absperrung vor. Uns klopfte<br />
das Herz oben im Hals, wir waren eingesperrt<br />
im Auto, malten uns Schreckensszenarien<br />
der Gefahr und Willkür aus. Die Atmosphäre<br />
des Ganzen, ein Gemisch aus Hilflosigkeit,<br />
befürchteter Gewalt, Kasernenton<br />
und körperlich fühlbarer Unfreiheit<br />
umgab uns lähmend. Und wir meinten,<br />
Unsicherheit auch auf der Gegenseite zu<br />
erkennen. Grenzbefestigungen, Schilder:<br />
DDR STAATSGRENZE und „Motoren<br />
abstellen!“, „Wagen nicht verlassen!“<br />
waren unsere einzige Lektüre, fürchteten<br />
wir doch, ein Buch zum Lesen in die Hand<br />
zu nehmen, es hätte auf dem Index der<br />
DDR stehen können, wer wusste das schon<br />
genau. Sorgfältig hatten wir es vermieden,<br />
Gedrucktes mit uns zu führen, nicht einmal<br />
Taschenkalender waren gestattet, da dort<br />
der 17. Juni als „Tag der Deutschen Einheit“<br />
ausgewiesen war – eine Provokation für das<br />
SED-Regime. Fanden NVP oder NVA solches
ei „Westlern“ drohten drastische Strafen,<br />
bis hin zu Gefängnis.<br />
Nach Rückgabe der Papiere und Kontrolle<br />
des Kofferraumes durften wir endlich<br />
weiterfahren, hinein in die DDR. Mit<br />
mulmigem Gefühl und unter Beachtung aller,<br />
auch sinnloser Vorschriften näherten wir uns<br />
– meist mit Tempo 80, 100 km/h waren selten<br />
auf den Autobahnen erlaubt – Westberlin.<br />
Keinesfalls anhalten und aussteigen!<br />
(Toilettenpause gestrichen) Nichts aus dem<br />
Wagen werfen (es könnte Westpropaganda<br />
sein)! Nicht nach links ausweichen, um bei<br />
Einfahrten Autos sicher auf die AB fahren zu<br />
lassen.<br />
Endlich erreichten wir Dreilinden, den<br />
DDR-Kontrollpunkt vor der Einfahrt nach<br />
Westberlin. Wieder die beängstigende<br />
Prozedur der Grenzkontrolle: Abgabe der<br />
Pässe und der Einreisegenehmigung mit<br />
Transiterlaubnis. Die darf keinesfalls verloren<br />
werden, sonst setzen die uns fest! Und wieder<br />
warten, warten – Taktik der DDR-Grenzer<br />
zur Einschüchterung der Reisenden. Auch<br />
hier die gleiche Atmosphäre der aggressiven<br />
Unsicherheit. Schließlich bekamen wir die<br />
Papiere mit Stempeln zurück und durften<br />
nach Westberlin hinein fahren. Wir atmeten<br />
tief durch, fühlten uns wieder in frei.<br />
Westberlin – Insel der Freiheit!<br />
Am nächsten Tag näherten wir uns am<br />
Reichstag von westlicher Seite her der<br />
Mauer. Meine Tochter wollte unbedingt auf<br />
die Aussichtsplattform, auf der seinerzeit<br />
Kennedy gestanden und mit Blick in den<br />
Osten seine historischen Worte: „Ich bin<br />
ein Berliner!“ gesagt hatte. Auch sie sah<br />
hinüber in den anderen Teil Deutschlands,<br />
spürte die Trennung durch die Mauer, sah<br />
auf die schwarzen Kreuze mit der weißen<br />
Beschriftung, die Namen der Toten an<br />
der Mauer, die ihr Freiheitsstreben mit<br />
dem Leben hatten bezahlen müssen – ein<br />
ergreifendes Erlebnis für eine 16Jährige.<br />
Erst recht lebte bei meiner Tochter das<br />
Gefühl der Beklemmung wieder auf,<br />
als mein Vetter, dank seines politischen<br />
Amtes – er war als Zehlendorfer Bezirksrat<br />
zeitweise Beauftragter für Steinstücken<br />
– mit uns in diese Westberliner Exklave*<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 13<br />
Steinstücken fuhr. Als einziges Zehlendorfer<br />
Territorium, also zu Westberlin gehörend,<br />
war sie, umgeben vom „Roten Meer“, dem<br />
Ostsektor, nur auf östlichem Gebiet, durch<br />
einen schmalen Korridor, ihre Lebensader,<br />
mit dem Westen verbunden. Er durfte nur<br />
mit Sondergenehmigung befahren werden,<br />
die hatte mein Vetter. Beidseits der schmalen<br />
Zufahrtsstraße standen hart, hoch und grau<br />
die Betonmauern, ein besonderer Teil der<br />
Berliner Mauer. Musste jemand schnell die<br />
Enklave* verlassen oder erreichen, war dies<br />
nur per alliiertem Hubschrauber möglich,<br />
denn der Luftraum über Gesamtberlin<br />
unterstand dem Alliierten Kontrollrat,<br />
bestehend aus den drei Westmächten und<br />
der UdSSR (seinerzeit Rechtsgrundlage für<br />
die Luftbrücke während der Blockade).<br />
Dieser Besuch im abgesperrten Steinstücken<br />
und der Anblick von Mauer als sichtbarer<br />
Grenze, mit Todesstreifen, ebenso auch<br />
die unsichtbare Grenze im Wasser, z. B. in<br />
der Mitte des Teltowkanals, prägten sich<br />
meiner Tochter unauslöschlich ein, so wie<br />
die Erinnerung an Angst und Beklemmung,<br />
die uns dort, auch auf der Rückfahrt,<br />
wieder befielen. Das Verhalten und die<br />
Stimmung der DDR-Grenzer war in den<br />
wenigen Tagen unseres Berlinaufenthaltes<br />
noch diffuser, unerklärlicher, eigentlich<br />
hilfloser geworden. Es lag etwas in der Luft,<br />
aber was? Zwar verfolgten wir im Radio<br />
und Fernsehen die kärglichen Nachrichten<br />
über Montagsdemonstrationen und<br />
Friedensgebete in Leipzig, doch ohne zu<br />
wissen, wie umfassend Protest und Aufruhr<br />
zu diesem Zeitpunkt bereits in der DDR<br />
waren Wir wussten nicht, dass es bereits die<br />
Agonie des Unterganges war. Noch konnte<br />
keiner ahnen, dass nur wenige Tage nach<br />
unserer Rückkehr die Mauer fallen und die<br />
DDR sich auflösen würde.<br />
Heute noch, nach 20 Jahren, ist meine längst<br />
erwachsene Tochter froh darüber, die Mauer<br />
noch als tödliche Realität erlebt zu haben.<br />
„Bloß vorstellen könnte ich sie mir nicht. Es<br />
ist gut, dass ich sie wirklich selbst gesehen<br />
habe, nicht nur davon gehört!“<br />
*Steinstücken = enklave vom Osten her gesehen, vom Westen her<br />
= Exklave
enate Weidauer<br />
Vor 20 Jahren – Mauerfall<br />
Die Wunde vernarbt,<br />
die Mauer gefallen,<br />
verjährt und<br />
abgebaut<br />
Wachttürme,<br />
Stacheldraht und<br />
Elektrozaun;<br />
Todesstreifen.<br />
Verheißungsvoll<br />
holte sich<br />
die Natur<br />
das Leben zurück<br />
an vielen Stellen,<br />
Todesstreifen ehemals.<br />
Todesschüsse -<br />
ebenfalls verjährt,<br />
vergessen?<br />
Zwanzig Jahre erst<br />
nach dem Mauerfall.<br />
Jetzt aber<br />
beginnt sie wieder<br />
zu wachsen<br />
die Mauer<br />
in den Köpfen<br />
der Menschen.<br />
lyriK<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 14
Erich Schanda<br />
»Du bist sicher, dass dieses – Spiel – auch<br />
funktioniert?«<br />
Mein Freund Harald blickte mich an, als<br />
sei ich nicht Herr meiner Sinne; nicht ganz<br />
zu Unrecht, wie ich angesichts der Situation<br />
einräumen musste.<br />
»Natürlich! Ich kenne doch meine Cousine<br />
lange genug. Sie wird dich begeistert wieder<br />
in ihre Arme nehmen. Alles wird gut, keine<br />
Sorge. Los jetzt!«<br />
Er reckte das Kinn vor, verschränkte seine<br />
Arme vor der Brust und nickte auffordernd<br />
in Richtung des bereits geöff<strong>net</strong>en Kartons,<br />
der zwischen Dutzenden anderen in seiner<br />
großen Garage stand. Irgendwie deplatziert<br />
wirkte er schon zwischen dem roten Ferrari<br />
und dem schwarzen Porsche, dessen<br />
imposanter Heckflügel als Ablage seiner<br />
Aktentasche diente. Vielleicht auch nur<br />
deswegen, weil er einerseits der mit Abstand<br />
größte Karton war und zum andern nicht in<br />
weihnachtliches Geschenkpapier eingehüllt<br />
war, sondern nur nüchtern, pappbraun und<br />
vergleichsweise lieblos auf seinen Inhalt<br />
zu warten schien – ähnlich einer weit offen<br />
stehenden Toilettentür auf einem zugigen<br />
Bahnhof. Und ebenso einladend.<br />
»Ich weiß wirklich nicht, ob ...«<br />
»Willst du sie wiederhaben oder nicht?<br />
Hast du den dummen Streit am Nikolaustag<br />
vom Zaun gebrochen oder nicht? Hast du<br />
einen besseren Vorschlag?«<br />
Resigniert schüttelte ich den Kopf und ging<br />
mit langsamen Schritten auf den hässlichen<br />
Karton zu.<br />
»Aber ich kann doch nicht in diesem ...«<br />
»Du musst!«, schnitt mir Harald brüsk das<br />
Wort ab. »Ich bin Unternehmer, wie du weißt.<br />
Ich kenne mich mit Schadensregulierung<br />
aus. Du bist nur Zahnarzt, beschäftigst dich<br />
ProSa<br />
Das Geschenk<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 15<br />
zuviel mir Ruinen und faulen Wurzeln. Deine<br />
Lebenserfahrung beschränkt sich auf zwei<br />
Zahnreihen, Kassen- und Privatpatienten<br />
und darüber hinaus nur noch auf Prophylaxe.<br />
Das hier, mein Freund, ist in gewisser Weise<br />
auch ein prophylaktischer Eingriff! Er<br />
wird dein gestörtes Liebesleben wieder in<br />
Ordnung bringen. Steig also endlich ein!«<br />
Gegen die Autorität und den imperativen<br />
Ton eines Firmenchefs kann man nur<br />
bestehen, wenn der Erstgenannte als Patient<br />
auf Einfühlsamkeit angewiesen ist. Im<br />
Augenblick war ich sein Patient. Seufzend<br />
schlüpfte ich also aus meinen Schuhen, zog<br />
den Mantel enger um mich und kletterte<br />
ich in den Karton, der früher einmal einen<br />
großen Farbfernseher beherbergt hatte und<br />
versuchte, mit angezogenen Knien eine<br />
halbwegs passable Sitzposition auf der<br />
Styroporschale einzunehmen.<br />
»Er ist viel zu klein«, protestierte ich<br />
schwach und halbherzig, doch Harald ging<br />
überhaupt nicht darauf ein. Entschlossen<br />
drückte er mich tiefer in den Karton und<br />
stülpte das abschließende Styroporpolster<br />
über mich.<br />
»Perfekt. Fast wie ein Zahnersatz für<br />
Elefanten. Geht doch wunderbar. In<br />
spätestens zwei Stunden packt sie dich<br />
aus. Also, mach es dir einstweilen bequem!<br />
Carola wird Augen machen!«<br />
»Was ist, wenn der Karton aufreißt? Ich<br />
bin doch viel zu schwer!«<br />
»Das Schlimmste, was passieren kann, ist,<br />
dass du ihr vor die Füße kullerst, wenn dich<br />
der Bote ablädt! Und jetzt Schluss – er muss<br />
ohnehin jeden Moment kommen!«<br />
»Ja, aber ...«<br />
Er schlug die beiden offenen Kartondeckel<br />
über mir zusammen. Schlagartig wurde es
dunkel um mich. Einen Moment überfiel mich<br />
Panik: Würde die Luft reichen? Was, wenn<br />
der Paketdienst in einen Unfall verwickelt<br />
würde? Wenn das Fahrzeug ausgerech<strong>net</strong><br />
am späten Nachmittag des Heiligen Abends<br />
in den Fluss stürzte? Oder gar in Flammen<br />
aufging?<br />
»Ja, ich komme sofort«, hörte ich Haralds<br />
dumpfe Stimme von außerhalb. Das<br />
schabende Geräusch des Klebebandrollers,<br />
mit dem er den Karton versandfertig machte,<br />
hörte auf. Seine Schritte entfernten sich. Das<br />
elektrische Garagentor wurde geöff<strong>net</strong>. Die<br />
Kette quietschte rhythmisch, seit Monaten<br />
quietschte sie schon. Ich konnte förmlich mit<br />
einem inneren Auge sehen, wie das Tor von<br />
der Kette nach oben gezogen wurde.<br />
»Alle Pakete heute ausliefern?«, hörte ich<br />
dann mit angehaltenem Atem die Stimme<br />
des Boten. Er sprach mit stark südländischem<br />
Akzent. Vermutlich ein Türke, dachte ich.<br />
Oder doch ein Pole? Egal. Hauptsache,<br />
Carola ...<br />
»Ja. Sind alle in Berlin abzuliefern«, erklärte<br />
Harald in meine Gedanken hinein. »Meine<br />
Sekretärin hat Paketzettel geschrieben. Aber<br />
dann bemerkte sie, dass heute nur noch private<br />
Zusteller ausliefern. Macht es Ihnen etwas<br />
aus, wenn Sie die Adressen abschreiben und<br />
mit Ihren Aufklebern auf die Kartons kleben?<br />
Sehen Sie: alle Kartons sind nummeriert und<br />
auf der Rückseite meiner Paketzettel steht<br />
die jeweilige Nummer ebenfalls. Sie können<br />
gar nichts falsch machen.«<br />
Undeutliches Gemurmel setzte ein.<br />
Schritte, die offenbar das Gebirge aus<br />
Kartons umwanderten und dann vor meiner<br />
Behausung zur Ruhe fanden.<br />
»Kostet mich aber viel Zeit. Ist schon fast<br />
vier Uhr...«<br />
»Klar, ich verstehe. Reicht das für den<br />
Zeitvertreib?«<br />
Ich kannte das Geräusch von Haralds<br />
Portemonnaie; ein kurzes, an ein scharfes<br />
Beil erinnerndes schnelles Ziehen am<br />
Reißverschluss, welches durch den dicken<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 16<br />
Karton jedoch nur dumpf zu vernehmen<br />
war. Der Schein, den er aus der Börse<br />
entnommen hatte, schien den Boten jedoch<br />
schnell überzeugt zu haben.<br />
»Alles klar, Boss!«<br />
»Perfekt. Die Rechnung geht an meine<br />
Firma? Sehr gut. Ich werde Sie weiterhin<br />
beauftragen, wenn Sie diesen Eilauftrag<br />
erledigt haben. Schließen Sie bitte das<br />
Garagentor, wenn Sie fertig sind? Danke. Ich<br />
muss jetzt los ...«<br />
Eine Autotür wurde geöff<strong>net</strong> und fiel<br />
gleich darauf mit einem satten und für<br />
diese Luxusklasse typischen »Flopp«<br />
wieder zu. Sicher hatte er zwischen Öffnen<br />
und Schließen seine Aktentasche vom<br />
Spoiler genommen und zielsicher auf den<br />
Beifahrersitz befördert, so wie er es immer<br />
zu tun pflegte. Sekunden später röhrte<br />
der Porsche auf und entfernte sich schnell.<br />
Angestrengt lauschte ich nach draußen,<br />
doch außer meinem eigenen Herzschlag war<br />
nichts zu hören.<br />
Wo war der verdammte Paketbote?<br />
Bestimmt nutzte er die Gelegenheit, in Haralds<br />
Ferrari Probe zu sitzen. Wahrscheinlich<br />
träumte er davon, ebenfalls als Schuhfabrikant<br />
in diesem Boliden durch Berlin zu<br />
dröhnen, von jungen und älteren Mädchen<br />
angelächelt zu werden, während ich in meiner<br />
unbequemen Haltung bereits Nackenschmerzen<br />
bekam. Entsetzt stellte ich fest,<br />
dass ich trotz der zunehmenden Kälte zu<br />
schwitzen begann. Ich versuchte, langsam<br />
und konzentriert zu atmen und meine Phantasien<br />
abzuschalten.<br />
Plötzlich wurde ich noch tiefer in mein<br />
Styroporlager gepresst. Der Kerl hatte<br />
sich auf meinen Karton gesetzt und war<br />
offenbar damit beschäftigt, die Adressen der<br />
Paketaufkleber in seine eigenen Formulare<br />
zu übertragen. Zu allem Überfluss begann<br />
er auch noch, eine mir fremde Melodie zu<br />
pfeifen und mit dem Absatz den Takt gegen<br />
den Karton zu klopfen. So ein Karton ist<br />
ein hervorragender Resonanzkörper und<br />
innerhalb kürzester Zeit befand ich mich in
einem Zustand lethargischer Jenseitsfreude,<br />
wie ihn nur ein langzeitgefolterter Mensch<br />
nachvollziehen kann, der endlich den<br />
erlösenden Genickschuss bekommt.<br />
Irgendwann hörte er auf und der lästige<br />
Druck über mir verschwand wieder. Der<br />
Bote schien fertig zu sein und klebte nun<br />
die Empfängerkarten auf die Kartons. Mein<br />
Karton schien der letzte zu sein, den er mit<br />
einem klatschenden Geräusch hinter meinem<br />
gebeugten Rücken reisefertig machte. Kurz<br />
danach rumpelte eine Sackkarre durch die<br />
Garage.<br />
Und dann lud er mich auf.<br />
Ich wurde zur Seite gekippt, unter Stöhnen<br />
und fremdsprachlichen Flüchen (ich hatte<br />
mich inzwischen dazu entschlossen, dass<br />
er doch Türke sein musste) in eine leichte<br />
Schräglage versetzt und dann einige<br />
Meter weit aus der Garage bis zu seinem<br />
Transporter gerollt, wo ich kurzerhand auf<br />
den Kopf gestellt wurde.<br />
Idiot, schoss es mir durch den Kopf,<br />
kannst du nicht lesen? Fragile! Handle with<br />
care! Nicht stürzen! Vermutlich war der Bote<br />
ein Emigrant aus Schwarzafrika. Obwohl –<br />
pfeifen und schreiben konnte er offenbar.<br />
Egal.<br />
Ich versuchte, wieder flach und bewusst<br />
zu atmen, schloss ergeben meine Augen,<br />
dachte an gewisse Stellungen mit Carola<br />
und wartete ab.<br />
Er stellte den Karton tatsächlich wieder<br />
aufrecht, so wie es auch die entsprechenden<br />
Beschreibungen auf dem Karton<br />
vorschrieben. Mittlerweile versuchte ich<br />
gar nicht mehr, die Augen zu öffnen, um<br />
die absolute Dunkelheit zu durchdringen,<br />
sondern verließ mich in immer stärkerem<br />
Maße auf meine anderen Sinne.<br />
Es war erstaunlich, selbst für einen<br />
Mediziner wie mich, festzustellen, wie schnell<br />
man auf einen scheinbar lebensnotwendigen<br />
Sinn verzichten kann. Die Nase übernahm<br />
plötzlich die Kontrolle über meine nächste<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 17<br />
Umwelt. Styropor hat einen ganz eigenen,<br />
unverwechselbaren Geruch in so einer<br />
Situation. Auch der Karton lebt – alle<br />
paar Zentimeter verströmt der Abfallstoff<br />
seine eigene Nuance, die zu beschreiben<br />
selbst die Phantasie eines Stephen King<br />
überstrapazieren dürfte. Über Heu, Blut und<br />
Schweiß bis hin zu diversen menschlichen<br />
Ausdünstungen und sogar anorganischen,<br />
metallischen Verbindungen wie verloren<br />
gegangenen Auspuffrohren oder dem<br />
typischen Ampèregeruch eines elektrischen<br />
Kurzschlusses – alles war seltsam intensiv zu<br />
erriechen. Und während sich das Fahrzeug<br />
in Bewegung setzte, irgendwelche Berliner<br />
Straßen durchquerte, an unsichtbaren roten<br />
Ampeln oder vor die Straße überquerenden<br />
Fußgängern stehen blieb und ruckelnd (das<br />
Getriebe schien Probleme mit dem ersten<br />
Gang zu haben) und widerspenstig wieder<br />
Fahrt aufnahm, dachte ich notgedrungen<br />
noch einmal über Erfolg und Misserfolg<br />
meiner Mission nach.<br />
Carola. Zufällig kennen und lieben gelernt<br />
auf einer Party meines Freundes Harald, wo<br />
er sie mir vorgestellt hatte. Drei Wochen lang<br />
das perfekte Glück. So lange, bis ich einer<br />
dummen Eingebung folgend versucht hatte,<br />
sie betrunken zu machen, um endlich ...<br />
»So schnell geht das nicht«, hatte sie mich<br />
wiederholt abgewehrt. »Ich möchte dich erst<br />
besser kennen, bevor ich mit dir schlafe. Das<br />
verstehst du doch sicher?«<br />
Ich hatte verständnisvoll genickt und ihr<br />
weiter eingeschenkt. So lange, bis sie auf<br />
meiner Couch eingeschlafen war. Doch als<br />
ich sie in mein Schlafzimmer tragen wollte,<br />
wachte sie schlagartig auf.<br />
Wenige Worte danach und eine schallende<br />
Ohrfeige später stand sie unten auf der<br />
Strasse und kletterte in das Taxi, ohne sich<br />
noch einmal umzudrehen. Sie ging nicht ans<br />
Telefon, beantwortete keine Mails und öff<strong>net</strong>e<br />
nie auf mein Läuten an ihrer Haustür.<br />
So wandte ich mich an ihren Cousin Harald.<br />
Er hatte schließlich den Vorschlag gemacht<br />
und mich zum Mitmachen überredet ...
Der Wagen bremste scharf und kam zum<br />
Stehen. Die Hecktür wurde geöff<strong>net</strong>. Kartons<br />
wurden zur Seite geschoben, dann setzte<br />
sich mein Karton ebenfalls in Bewegung.<br />
Schräglage, einige Meter über knirschenden<br />
Schnee, dann unsanft auf den Boden gestellt.<br />
Der Bote schien zu klingeln. Verzerrte Worte<br />
aus einer Sprechanlage waren zu hören.<br />
Ein Türöffner summte. Dann wurde ich<br />
wieder auf die Sackkarre gehievt und ins<br />
Innere des Hauses geschoben. Ich biss auf<br />
die Zähne. Nur noch wenige Minuten, dann<br />
war ich am Ziel. Zum ersten Mal in Carolas<br />
Wohnung, mit ihr allein! Das Fest der<br />
Freude konnte beginnen. Ich war in einer<br />
so erwartungsfrohen Stimmung, dass ich<br />
dem Boten sogar verzieh, mich die Treppe<br />
hinauf in den ersten Stock noch einmal<br />
richtig durchzuschütteln. Offenbar besaß die<br />
Sackkarre einen Radkranz aus drei oder vier<br />
Rädern auf jeder Seite und war demzufolge<br />
imstande, Lasten auch über Treppen hinweg<br />
zu bewegen. Vor Aufregung bekam ich<br />
Kopfschmerzen, konnte kaum noch etwas<br />
hören. Erst als eine Tür geöff<strong>net</strong> wurde und<br />
ich noch einige Meter weit geschoben wurde,<br />
kam ich auch innerlich wieder zur Ruhe.<br />
Entspannt atmete ich aus. Ich war am Ziel!<br />
Schritte auf einem Parkettboden näherten<br />
sich. Leise Weihnachtsmusik erfüllte mein<br />
Versteck. Vom Himmel hoch, da komm ich<br />
her...<br />
Sie blieb vor dem Karton stehen. Welche<br />
Gedanken mochte sie wohl jetzt haben? Wer<br />
käme auf die Idee, ihr einen Farbfernseher<br />
ins Haus zu schicken? Sicher studierte<br />
sie bereits den Paketzettel. Harald hatte<br />
in weiser Voraussicht natürlich meine<br />
Anschrift angegeben. Ob sie eine Ahnung<br />
überschleichen würde? Einen furchtbaren<br />
Augenblick lang wartete ich darauf, dass<br />
sie den Boten zurück beordern würde,<br />
um sich des Geschenkes sofort wieder zu<br />
entledigen.<br />
Nein, sie hatte beschlossen, es zu<br />
behalten.<br />
Ohne Vorwarnung durchstach eine<br />
Messerklinge den Kartondeckel, genau in<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 18<br />
der Mitte, und zog sich sägend durch den<br />
entstandenen Schlitz zwischen meinen Knien<br />
hindurch weiter auf mich zu. Spärliches<br />
Licht drang in das Innere, während die<br />
Klinge unbeirrt weiter auf mich zu eilte.<br />
Der einladende Duft nach Lebkuchen,<br />
Tannennadeln und Kerzenwachs folgte ihr<br />
nach. Ich holte noch einmal tief Luft. Dann<br />
stemmte ich mich nach oben, riss die Deckel<br />
auseinander und breitete die Arme aus,<br />
während der rote Morgenmantel von meinen<br />
Schultern rutschte.<br />
»Ho ho! Hier kommt das Geschenk des<br />
Herrn!«, rief ich in den Raum hinein, bemüht<br />
um ein strahlendes Lächeln. Meine Augen<br />
mussten sich erst an das Kerzenlicht des<br />
Weihnachtsbaumes gewöhnen.<br />
»Mein Gott!«, sagte die Frau mit dem<br />
Messer in der Hand, bevor sie zu Boden<br />
stürzte und dabei den brennenden Baum mit<br />
sich riss.<br />
»Ihr Kinderlein kommet«, plärrte es aus<br />
einem altmodischen Grammophon aus der<br />
Ecke.<br />
Zwei Tage saß ich in Untersuchungshaft.<br />
Grober Unfug, Hausfriedensbruch, Verstoß<br />
gegen das Transportsicherungsgesetz,<br />
fahrlässige Körperverletzung und Verstoß<br />
gegen die guten Sitten lauteten die<br />
Anklagepunkte, um nur die wichtigsten zu<br />
nennen.<br />
Der von mir eiligst herbei gerufene<br />
Notarzt konnte die alte Dame erfolgreich<br />
reanimieren. Schlimmer war der Schaden<br />
durch den ausgelösten Wohnungsbrand. Die<br />
Feuerwehr rückte mit drei Wagen an, obwohl<br />
ich geistesgegenwärtig den Brand mit einem<br />
Teppich ersticken konnte, nachdem ich die alte<br />
Dame in Sicherheit gebracht hatte. Trotzdem<br />
löschten die Feuerwehrleute ausgiebig nach.<br />
Das gab dem Parkett und dem teuren Perser<br />
den Rest. Harald und der Paketbote, der<br />
zwei der Aufkleber miteinander vertauscht<br />
hatte (die 6 und die 9), konnten schließlich<br />
den Richter davon überzeugen, dass es sich<br />
um ein tragisches Versehen gehandelt hatte.
Alles war wieder in Ordnung. Ich<br />
musste lediglich für den ganzen Schaden<br />
aufkommen und mich bei besagter Dame<br />
– einer im wahrsten Sinn des Wortes alten<br />
Stammkundin von Harald - entschuldigen.<br />
Ich habe sie natürlich zum Essen eingeladen,<br />
zusammen mit Harald.<br />
»Was ist denn nun mit Ihnen und der<br />
jungen Dame, der Sie sich als erotischer<br />
Weihnachtsmann schenken wollten?<br />
Ich meine, es ist schon etwas frivol, sich<br />
gleich nackt unter dem Nikolausmantel<br />
zu präsentieren, oder?«, fragte sie mich<br />
augenzwinkernd beim Nachtisch. Ich blickte<br />
etwas verlegen zu Boden, doch Harald klärte<br />
sie mit einem verschwörerischem Lächeln<br />
auf.<br />
»Ach, meine kleine Cousine Carola? Nun,<br />
wissen Sie – sie hat bereits einen neuen<br />
Freund, einen belgischen Medizinstudenten.<br />
Gérard. Er arbeitet übrigens neben seinem<br />
Studium als Kurierfahrer. Und wissen Sie,<br />
was das Unglaubliche ist?«<br />
»Nein, was denn?«<br />
In diesem Moment beschloss ich, ihm bei<br />
Walter Ehrismann<br />
ProSa<br />
Nun engeln sie wieder<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 19<br />
seinem nächsten Besuch in meiner Praxis<br />
ohne Betäubung einen Backenzahn zu<br />
extrahieren. Ich versuchte verzweifelt, einen<br />
Freundschaft beschwörenden Blickkontakt<br />
mit ihm herzustellen, doch er nahm mich<br />
gar nicht mehr wahr. Mit gekreuzten Armen<br />
saß er am Tisch und genoss die kleine,<br />
dramaturgische Pause.<br />
Die alte Dame blickte ihn auch<br />
erwartungsvoll an und beugte sich etwas<br />
nach vorn. Harald machte eine bedauernde<br />
Geste mit den Händen, die durch sein<br />
schadenfrohes Grinsen sofort der Lüge<br />
überführt wurde.<br />
»Wissen Sie, Gnädigste: Es ist derselbe<br />
Mann, der Ihnen am Heiligen Abend dieses<br />
...«, er musterte mich aus den Augenwinkeln<br />
und hatte sichtlich Mühe, nicht laut<br />
loszuprusten, »... Geschenk zugestellt hat.<br />
Zuletzt brachte Gerard Carolas Geschenk zu<br />
ihr und blieb gleich selbst da. Seitdem wohnt<br />
er wohl auch dort...«<br />
Während ich mich insgeheim fragte, warum<br />
so etwas immer nur mir passiert, winkte er<br />
lachend nach dem Ober und bestellte noch<br />
eine Flasche Chardonnay trocken.<br />
Da steh ich unterm Lichterraum<br />
Und möchte wohl was denken<br />
Ein Weihnachtslamento<br />
Vor wenigen Jahren leistete sich meine<br />
Stadt den Luxus, den Himmel über<br />
der Bahnhofstrasse neu zu ordnen und zu<br />
gestalten. Sie kennen Zürichs Luxusmeile?<br />
Ich spüre weder Zeit noch Raum<br />
Nebst dem Broadway die teuerste Einkaufstrasse<br />
der Welt. Sie führt vom Haupt-<br />
Und nichts, mich zu verschenken<br />
bahnhof an vielen Modegeschäften, dem<br />
Hier bin ich sehr verloren<br />
Hotel St. Gotthard mit seiner Austernbar,<br />
dem Baur en Ville, den Bankgebäuden<br />
Im Warten auf das Licht<br />
und der Confiserie Sprüngli vorbei zum<br />
See. Bislang erstrahlte sie im Advent unter<br />
Vielleicht doch auserkoren<br />
einem Baldachin leuchtender Punkte,<br />
So plötzlich diese Zuversicht<br />
kleine Glühlämpchen an Elektrokabeln, in<br />
unterschiedlicher Höhe und Länge aufge-<br />
J. E.<br />
hängt, den Sternenhimmel vortäuschend.
Das war ein Wintererlebnis! Aus der weiten<br />
Welt reisten Leute an, nur um diesen Lichterhimmel<br />
zu sehen. Man fühlte sich traumhaft<br />
wohl, wenn man nach oben blickte.<br />
In den Geschäftsauslagen war das<br />
ganze Weihnachtspersonal als Dekoration<br />
anwesend. Die Heiligen Drei Könige beim<br />
Juwelier, die Hirten hinter der Mortadella<br />
und dem Rollschinken, Josef und Maria<br />
mit Kind, von Seidenblusen und Schals<br />
umrahmt. Und viel Stroh. Und erst die<br />
Kinderaugen, wenn die Spielzeugeisenbahn<br />
bei Franz Carl Weber, von nickenden<br />
Schäfchen beladen, mitten durch den Stall<br />
fuhr. In einem Tordurchgang drei Mitglieder<br />
der Heilsarmee, den Spendenkessel vor sich<br />
und zur Gitarre mit dünner Stimme »Süßer<br />
die Glocken nie klingen« intonierend.<br />
Weihnachtsengel und der neue Velohelm.<br />
Engel mit lockigem Haar, daneben die Nikon<br />
mit Lametta. Alles auf engstem Raum.<br />
Wie alleine wir in dieser Zeit sind.<br />
Wie unergründlich ist unser Dasein. In einer<br />
kalten Nacht der Traum: Der Kampf mit<br />
dem Engel, den Jakob nicht loslässt, bis er<br />
geseg<strong>net</strong> wird, aber eine Wunde davonträgt.<br />
Ich habe große Scheu, Engel zu denken,<br />
gerade im Advent. Sie sind da, und doch<br />
nicht da, ihre Gewalt und Leichtigkeit ist<br />
nicht fassbar. Giotto hat es getan, und Blake.<br />
Bei ihm ist es das Abgründige, bei Giotto das<br />
Lichtvolle.<br />
Eine Findungskommission wurde von<br />
der City-Vereinigung der Geschäfte an der<br />
Bahnhofstrasse eingesetzt mit dem Auftrag,<br />
für Zürichs Edelstraße einen neuen Himmel<br />
zu erfinden. Das dauerte. Was dabei endlich<br />
herauskam, war der Eindruck einer sterilen,<br />
tiefgekühlten Aufbewahrungshalle. Vom<br />
Bahnhofplatz bis hinauf zum See hängen,<br />
hingen, muss man bald sagen, schmale,<br />
längliche Lichtquader, einer neben dem<br />
andern wie Eisstangen, die der Bierfuhrmann<br />
oder der Eismann früher anlieferten, auf<br />
groben Säcken über der Schulter getragen.<br />
Wellenartig flossen kalte, wirre Schatten- und<br />
Lichtspiele die Bahnhofstrasse hinauf und<br />
hinab, computergesteuert. Die Menschen<br />
erstarrten. Das ist vielleicht Kunst, äußerten<br />
sich viele in den Leserbriefspalten der<br />
Zeitungen, aber was hat das mit Weihnachten<br />
zu tun? Dann doch lieber die Kitschengel<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 20<br />
und den Lichterbaldachin. Vom nächsten<br />
Jahr an wieder alles, wie gehabt.<br />
Sich Engel denken. Zur Weihnachtszeit<br />
wird seit einigen Jahren in Zürich ein<br />
alter Tessiner Brauch neu belebt: Von der<br />
Hauptkirche herab, bei herein brechender<br />
Nacht, ruft, singt eine Frau Weihnachtsklagen<br />
(Lamenti) über Dächer und Sträßchen der<br />
Altstadt. Archaische Laute, die einen das<br />
Blut in den Adern gefrieren lassen.<br />
Ich komme durch ein schmales Tor<br />
bei der Kirche und gehe den Weg entlang der<br />
verschneiten Gräber. Die Schritte knirschen<br />
im ersten Schnee. Überall stehen Tempelchen<br />
mit Urnen und Seitenkapellen, Stelen und<br />
Altären aus orange- und ockerfarbigem<br />
Gestein, das wie Marmor wirkt,<br />
symbolträchtig aufgebrochene Grüfte, aber<br />
auch kalte, glatte Ottomanen, darauf halb<br />
hingestreckte, halb hochgelagerte schlafende<br />
Frauengestalten in faltenreichen, weißen<br />
Gewändern, Gestalten zwischen Tod und<br />
Traum, deren endgültiges Wiedererwachen<br />
nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Ein<br />
Handrücken ist wie in Trance an die Stirne<br />
gelegt, versucht, das Unfassbare aus dem<br />
Bewusstsein zu bannen.<br />
Ich bleibe stehen und betrachte lange<br />
diese Engelsfiguren, Mädchengestalten aus<br />
glattem Stein, mit schwerelosen Flügeln, die<br />
Hände bittend zum Himmel erhoben, unter<br />
ihren luftigen Gewändern in Andeutungen<br />
erste erwachende Reize, da die Figuren etwas<br />
zeitlos Erhabenes, Entrücktes ausstrahlen,<br />
die Gedanken und menschliches Sehnen<br />
weit hinaus führend in den endlosen<br />
Raum, wo das Irdische, auch wenn es nur<br />
angedeutete kleine, weiße Marmorbrüste<br />
und verborgene Venushügel sind, den<br />
Wunsch nach unbelasteter Unsterblichkeit,<br />
vom Geschlechtlichen unberührter<br />
Unendlichkeit wecken, einer makellosen,<br />
aber nie zu stillenden Sehnsucht, für immer<br />
in diese Sphären zu entschweben. Jedes der<br />
Gräber ist anders gestaltet, geharkter Kies<br />
hinter den tiefhängenden Absperrketten,<br />
die nur einen einzigen Sinn haben können,<br />
den Betrachter darauf einzustimmen, dass<br />
die Überwindung dieser kleinen Distanz<br />
zwischen Lebensweg und Totenplatz auf<br />
dem Zufall eines zu lange geratenen Schritts<br />
beruht. Frohe Weihnachten!
ProSa<br />
dino Buzatti (Übersetzung: Cordula Scheel)<br />
Erinnerst du dich noch, - fragte im Paradies<br />
der Tiere die Seele des kleinen Esels<br />
die Seele des Ochsen - erinnerst du dich zufällig<br />
noch an jene Nacht vor so vielen Jahren,<br />
als wir uns in einer Art Stall befanden<br />
und dort, ausgerech<strong>net</strong> in der Krippe ...<br />
- Lass mich nachdenken - Aber ja, -<br />
bestätigte der Ochse, - in der Krippe war<br />
ein neugeborenes Kind. Wie konnte ich das<br />
vergessen? Es war ein so schönes Kind.<br />
- Seither, wenn ich mich nicht irre, - sagte<br />
der Ochse - weißt du wie viele Jahre seither<br />
vergangen sind?<br />
- Was denkst du, ich mit meinem<br />
Ochsengedächtnis!<br />
- Fast zweitausend.<br />
- Du liebe Zeit.<br />
- Und, à propos, weißt du, wer dieses Kind<br />
war?<br />
- Woher soll ich das wissen? Es waren reisende<br />
Leute. Allerdings, es war ein wunderbares<br />
Kind. Es ist mir niemals aus dem Sinn<br />
gegangen, warum auch immer. Und ja, die<br />
Eltern schienen sehr einfache Leute zu sein.<br />
Sag mir, wer war es?<br />
Der Esel flüsterte etwas in das Ohr des<br />
Ochsen.<br />
- Aber nein! - sagte dieser verwirrt. - Wirklich?<br />
Du machst dich bestimmt über mich lustig.<br />
- Das ist die reine Wahrheit. Ich schwöre es ...<br />
Übrigens, ich hatte das sofort begriffen.<br />
- Ich nicht, das muss ich schon zugeben<br />
- sagte der Ochse. - Man sieht, dass du<br />
intelligenter bist. Mir ist nicht einmal der<br />
Verdacht gekommen. Obwohl, wenn ich es<br />
recht betrachte, das Kind war schon etwas<br />
Besonderes.<br />
Zu viel Weihnachten<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 21<br />
- Siehst du, seit damals feiern die Menschen<br />
jedes Jahr ein großes Fest zu Ehren seines<br />
Geburtstages. Es gibt für sie keine schöneren<br />
Tage. Wenn du sie sehen könntest. Es ist<br />
die Zeit der Fröhlichkeit, des Ausruhens, der<br />
Muße für die Seele, des Friedens, der Familienfreuden,<br />
man ist einander gut. Selbst die<br />
Mörder werden lammfromm. Sie nennen<br />
das Fest Weihnachten. Ach, lieber Freund,<br />
mir kommt da eine Idee. Soll ich dich nicht<br />
hinbringen, damit du sie sehen kannst?<br />
- Wen?<br />
- Die Menschen, die Weihnachten feiern.<br />
- Wo?<br />
- Unten auf der Erde natürlich.<br />
- Bist du schon dort gewesen?<br />
- Ich schaue jedes Jahr einmal schnell vorbei.<br />
Sie haben mir eine Spezialerlaubnis dafür<br />
gegeben. Aber ich denke, ich kann dir auch<br />
eine beschaffen. Immerhin haben wir beide<br />
uns damals auch einen kleinen Verdienst<br />
erworben.<br />
- Weil wir das Kind mit unserem Atem<br />
gewärmt haben?<br />
- Also los, komm, wenn du nicht das<br />
Beste verpassen willst. Genau heute ist<br />
Heiligabend.<br />
- Und wie soll das gehen?<br />
- Das ist schnell gemacht. Ich habe einen<br />
Vetter auf der Pass-Stelle.<br />
Sie bekamen einen Ausweis und reisten<br />
ab. Ganz sanft schwebten sie vom Himmel<br />
auf die Erde. Sie erblickten ein Licht. Sie<br />
schwebten darauf zu, und das Licht wurde<br />
zu einer Myriade von Lichtern, es war eine<br />
große Stadt. Und ecco der kleine Esel und der<br />
Ochse, wie sie sich unsichtbar auf den Straßen<br />
inmitten der Stadt bewegten. Da sie Geister
waren, fuhren die Autos, die Autobusse und<br />
die Straßenbahn durch sie hindurch, ohne<br />
ihnen weh zu tun und sie ihrerseits gingen<br />
unbekümmert durch Mauern hindurch, als<br />
wären diese aus Luft.<br />
So konnten sie in Ruhe alles betrachten.<br />
Wohin sie auch kamen, überall das gleiche<br />
Spektakel. Ein Kommen und Gehen, Kaufen<br />
und Einpacken, Schicken und Bekommen,<br />
Rufen und Antworten. Alle sahen unentwegt<br />
auf die Uhr, alle liefen, alle hatten Angst,<br />
nicht rechtzeitig zu kommen, und manch<br />
einer brach erschöpft zusammen unter der<br />
Sturzflut von Paketen, Broschüren, Papieren,<br />
Kalendern, Geschenken, Telegrammen,<br />
Briefen, Karten, Eintrittskarten usw.<br />
- Du hast mir gesagt - bemerkte der Ochse -<br />
es sei das Fest der Fröhlichkeit, des Friedens,<br />
der Erholung für Leib und Seele.<br />
- Ja, schon - antwortete der Esel. - Früher<br />
war es so. Aber, was willst du machen,<br />
seit einigen Jahren werden die Menschen,<br />
sobald Weihnachten herankommt, von einer<br />
geheimnisvollen Tarantel gestochen und<br />
verstehen nichts mehr. Höre ihnen nur zu.<br />
Der Ochse lauschte erstaunt. Auf den<br />
Straßen, in den Büros, in den Fabriken<br />
sprachen Männer und Frauen nur noch<br />
abgehackt miteinander und tauschten wie<br />
Automaten monotone Formeln aus. Frohe<br />
Weihnachten, alles Gute, alles Gute für sie,<br />
danke gleichfalls, gute Wünsche, alles Gute,<br />
frohes Fest, danke, alles Gute, alles Gute,<br />
alles Gute. Ein Stimmengewirr erfüllte die<br />
ganze Stadt.<br />
Es war ein eindrucksvolles Schauspiel:<br />
die tausend Lichter der Ladenfenster, der<br />
Schmuck, die Girlanden, die Tannenbäume<br />
und der unendliche Autostrom, das eilige<br />
Schwanken der Menschen, ihr Kommen<br />
und Gehen, Eintreten und Herauskommen,<br />
das Gedränge in den Geschäften, das<br />
Beladensein mit Paketen und Päckchen, alle<br />
waren sie ängstlich und gehetzt, als würden<br />
sie verfolgt. Der Esel schien sich über diesen<br />
Anblick zu amüsieren. Der Ochse hingegen<br />
sah sich voller Entsetzen um.<br />
- Hör mal, Freund Esel, du hast mir gesagt,<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 22<br />
dass du mir Weihnachten zeigen würdest.<br />
Und was ist das hier? Du musst dich geirrt<br />
haben. Ich will dir mal eines sagen: Dies hier<br />
ist ein Krieg.<br />
- Aber siehst du nicht, wie alle zufrieden<br />
sind?<br />
- Zufrieden? Mir scheinen sie verrückt<br />
zu sein. Sieh dir doch nur ihre verstörten<br />
Gesichter an. Ihre fieberhaften Augen.<br />
- Weil du ein Trottel vom Lande bist, mein<br />
lieber Ochse, weil du dich niemals aus dem<br />
Paradies herausbewegt hast. Du bist die<br />
modernen Menschen nicht gewohnt, daran<br />
liegt das. Sie müssen sich eben ihre Nerven<br />
ruinieren, um Spaß zu haben, um sich zu<br />
freuen, um sich glücklich zu fühlen.<br />
Der Ochse, als reiner Geist, machte einen<br />
hohen Sprung und hielt an einem Fenster<br />
im siebten Stockwerk an, um ein bisschen zu<br />
schauen. Und das Eselchen kam gutmütig<br />
hinterher.<br />
Sie sahen in ein reich möbliertes Zimmer,<br />
und im Zimmer an einem Tisch eine sehr<br />
beschäftigte Dame sitzen. Zu ihrer Linken<br />
auf dem Tisch befand sich ein Stapel, etwa<br />
einen halben Meter hoch, von Karten und<br />
Kärtchen in allen Farben, zu ihrer Rechten<br />
ein Stapel weißer Karten.<br />
Flink nahm die Dame eine der bunten<br />
Glückwunschkarten, betrachtete sie kurz,<br />
schlug in einem dicken Buch nach, schrieb<br />
etwas auf eine der weißen Karten, tat diese<br />
in einen Umschlag, schrieb etwas darauf<br />
und verschloss ihn. Dann nahm sie vom<br />
Stapel zu ihrer Linken eine weitere bunte<br />
Glückwunschkarte und begann von vorne.<br />
- Sie werden sie wohl wenigstens gut<br />
bezahlen für eine solche Arbeit - sagte der<br />
Ochse, - für eine solche Strafarbeit.<br />
- Was du dir so vorstellst, mein lieber Freund.<br />
Das ist eine ganz reiche Dame, aus der besten<br />
Gesellschaft.<br />
- Aber warum tut sie sich das an?<br />
- Sie tut sich nichts an. Sie beantwortet nur<br />
Glückwunschkarten.
- Glückwünsche? Wozu sind die gut?<br />
- Zu nichts, absolut nichts. Aber, warum auch<br />
immer, die heutigen Menschen haben dafür<br />
geradezu eine Manie entwickelt.<br />
Sie flogen zu einem weiter entfernten Fenster.<br />
Und auch hier gab es wieder Menschen, die<br />
voller Eifer und mit feuchter Stirn Karte um<br />
Karte schrieben.<br />
- Aber glauben sie daran? - Meinen sie das<br />
ernst? Wünschen sie ihren Nächsten wirklich<br />
so viel Gutes?<br />
Der Esel schwieg.<br />
- Sag‘ mir mal, du, der du so praktisch<br />
bist, - fragte der Ochse, immer noch wenig<br />
überzeugt, bist du ganz sicher, dass sie nicht<br />
alle verrückt sind?<br />
- Nein, nein, es ist nur Weihnachten.<br />
- Dann ist es zuviel Weihnachten. Erinnerst<br />
du dich an jene Nacht in Bethlehem, an den<br />
Stall, die Hirten, an jenes schöne Kind? Es war<br />
kalt, dort auch, aber ein Frieden herrschte,<br />
eine Zufriedenheit, es war ganz anders!<br />
Das vorweihnachtliche Einkaufsfieber<br />
war in die letzte Runde gekommen. Die<br />
nervösen Kunden, die es noch nicht geschafft<br />
hatten, Geschenke für ihre Familienangehörigen,<br />
Freunde und Bekannten zu besorgen,<br />
hetzten durch die Geschäfte, deren leer geräumten<br />
Regale und Vitrinen davon zeugten,<br />
dass durch diese Räume eine Armada<br />
von Käufern gerauscht war, die alles, was<br />
wertvoll und schön war, mit sich fortgerissen<br />
hatte. Das Konsum-Weihnachten war bereit,<br />
den Staffelstab an seinem Nachfolger, das<br />
religiöse Weihnachtsfest zu überreichen. Es<br />
fehlten nur noch ein paar Schritte, ein paar<br />
Meter, ein paar Stunden bis zur Übergabe.<br />
In der kroatischen Familie Kovač<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 23<br />
- Das ist wahr. Und die wunderbare Musik<br />
von weither, kaum zu hören.<br />
- Und auf dem Dach ein leichtes<br />
Flügelrauschen. Wer weiß, was das für Vögel<br />
waren.<br />
- Vögel! Du Dummkopf! Das waren Engel.<br />
- Und diese drei reichen Herren, die<br />
Geschenke brachten, erinnerst du dich an<br />
sie? Wie gut erzogen sie waren, wie leise sie<br />
sprachen, vornehme Leute. Könntest du dir<br />
vorstellen, wie das wäre, wenn sie plötzlich<br />
mitten in diesem Wirrwarr auftauchten?<br />
- Und der Stern? Erinnerst du dich nicht,<br />
was für eine besondere Art von Stern das<br />
war, genau über dem Stall? Wer weiß, ob er<br />
nicht immer noch dort ist. Die Sterne haben<br />
im Allgemeinen ein langes Leben.<br />
- Ich denke mir eher nicht - sagte der Ochse.<br />
- Für Sterne bleibt hier wenig Platz.<br />
Sie erhoben die Köpfe um nachzusehen, und<br />
wirklich, es war nichts zu sehen. Über der<br />
Stadt lag dichter Nebel.<br />
ivan ott Übersetzung: Silvija Hinzmann<br />
Die letzte Weihnachtsgans<br />
war alles bereit für das höchste christliche<br />
Fest, Weihnachten. Die Geschenke waren<br />
eingekauft und versteckt, damit sie von<br />
den Familienmitgliedern nicht vorzeitig<br />
gefunden wurden. Auf dem Balkon breitete<br />
sich die duftende Tanne aus, die in einem<br />
Ständer mit Wasser steckte, damit sie<br />
nicht austrock<strong>net</strong>e. Mutter Kovač hatte die<br />
letzten Lebensmittel und Getränke für den<br />
Heiligabend kurz vor dem Schließen des<br />
Supermarktes erledigt. Vollbeladen mit<br />
schweren Plastiktüten stapfte sie zum ersten<br />
Stock zu ihrer Wohnung hinauf, stellte die<br />
Einkaufstüten in der Küche ab und ließ<br />
sich völlig erschöpft in einem Sessel im<br />
Wohnzimmer fallen.
Kurz darauf kam ihr Mann Marko<br />
nach Hause, der seine Schicht in der Fabrik<br />
auch hinter sich gebracht hatte. Als er seine<br />
Frau sah, die von der Müdigkeit übermannt<br />
im Sessel eingenickt war, ging er in die<br />
Küche, packte die Tüten aus und legte die<br />
Lebensmittel in den Kühlschrank oder stellte<br />
sie auf die Regale in der Vorratskammer. Als<br />
er fertig war, öff<strong>net</strong>e er eine Flasche Bier und<br />
setzte sich zu seiner Frau. Sie blinzelte ihn<br />
an.<br />
„Ich habe die Weihnachtsgans nicht<br />
gesehen. Falls du sie in die Kühltruhe getan<br />
hast, solltest du sie jetzt herausnehmen, damit<br />
sie auftaut. Sonst bleiben wir womöglich<br />
noch ohne den Weihnachtsbraten.“<br />
Seine Frau wurde blass.<br />
„Oh je, die habe ich völlig vergessen!<br />
Ich wollte sie erst heute kaufen, weil die<br />
Kühltruhe so voll ist. Die Gans hätte da<br />
gar nicht mehr reingepasst. Die ganze Zeit<br />
habe ich überlegt, was ich noch besorgen<br />
muss. Und wegen der vielen Kleinigkeiten,<br />
die ich dann noch gekauft habe, hab‘ ich<br />
die wichtigste Sache vergessen“, vertraute<br />
sie ihrem Mann an. Sie verschwieg ihm<br />
allerdings dabei, dass sie eine Bekannte im<br />
Supermarkt getroffen und sie ein Weilchen<br />
getratscht hatten, worüber sie dann die Gans<br />
ganz vergaß. Nach dieser Beichte schaute sie<br />
auf die Uhr und sagte zu ihrem Mann:<br />
„Heute machen die Geschäfte früher<br />
zu, aber bis zum Mittagsladenschluss bleibt<br />
noch eine Stunde. Sei so gut, beeil dich in<br />
unseren Supermarkt und hol eine Gans. Ich<br />
bin so müde, dass ich nicht mehr auf den<br />
Beinen stehen kann.“<br />
Sie musste es Marko nicht zwei<br />
Mal sagen. Neben allen weihnachtlichen<br />
Leckereien wie die obligatorische Sarma<br />
mit geräucherten Rippchen und Speck, war<br />
ihm die Weihnachtsgans mit Mlinci doch<br />
viel lieber. Auch die Kinder mochten eher<br />
den Braten als Sarma, die sie mehrere Tage<br />
hintereinander würden essen müssen, weil<br />
Sarma bekanntlich aufgewärmt viel besser<br />
schmeckte. Er schnappte seinen Mantel,<br />
rannte die Treppe hinunter zum Haus hinaus<br />
und zu seinem Auto, das davor stand.<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 24<br />
Im letzten Moment erreichte er den<br />
Supermarkt. Nur noch wenige Kunden waren<br />
da. Die Lebensmittelregale waren fast leer<br />
geräumt und die gereizten Verkäuferrinnen<br />
waren dabei, die restlichen Waren<br />
wegzuräumen. Marko rannte zu der großen<br />
Kühltruhe mit Geflügel, Wild und Gemüse.<br />
Eine Frau beugte sich über den Kasten,<br />
verschwand fast mit dem Oberkörper darin<br />
und untersuchte dessen Inhalt. Auch Marko<br />
beugte sich vor. Was er darin erblickte, jagte<br />
seinen Blutdruck, der sowieso schon hoch<br />
war, noch mehr in die Höhe. Außer ein paar<br />
Päckchen Tiefkühlspinat, Möhrchen und<br />
Erbsen, befand sich in der Truhe nur noch eine<br />
einzige Gans. Marko stellte sich brav hinter<br />
der Frau an und wartete geduldig, dass sie<br />
sich entfernte. Doch sie hatte es nicht eilig.<br />
Marko wurde schwarz vor Augen, als sie<br />
ausgerech<strong>net</strong> nach der Gans griff. Sie nahm<br />
sie heraus und betrachtete sie neugierig von<br />
allen Seiten. Marko stellte eindeutig fest, dass<br />
es eine mickrige, magere Gans war, die zuvor<br />
von hunderten neugierigen Kundenhänden<br />
betastet worden war. Die tiefen Druckspuren<br />
ihrer Finger sprachen Bände.<br />
Die Frau drehte den armen Eisvogel<br />
noch ein paar Mal um, legte ihn dann,<br />
unzufrieden mit dessen Aussehen, in die<br />
Kühltruhe zurück. Markos Stirn erhellte sich.<br />
Ein Lächeln breitete sich augenblicklich über<br />
sein Gesicht, als er nach der Gans griff. Doch<br />
bevor noch sie seine Hände fassen konnten,<br />
packte die Frau, die immer noch vor ihm<br />
stand, plötzlich wieder danach. Sie hob sie<br />
unter die Nase, wohl um zu prüfen, ob sie<br />
nach dem so häufigem Herausnehmen und<br />
Betasten einen Geruch angenommen hatte.<br />
Sich ihres Qualitätsurteils nicht<br />
sicher, machte sie eine Bewegung, als würde<br />
sie die Gans zurücklegen. Schnell streckte<br />
Marko die Hände aus, um die Gans im Flug<br />
zu fangen, bevor sie den Boden der Truhe<br />
erreichte. Doch da drehte sich die Frau zu<br />
ihm um und sprach ihn an.<br />
„Ach, wären Sie so <strong>net</strong>t und halten mal<br />
kurz. Meine Finger sind schon ganz gefroren.<br />
Ich muss ein Taschentuch herausnehmen.“<br />
Das Lächeln auf Markos Gesicht<br />
gefror ebenfalls. Als er die eiskalte Gans in
den Fingern spürte, schoss ihm ein Gedanke<br />
durch den Kopf: Los, mach dich auf die<br />
Socken, auf zur Kasse! Sein Gefühl trieb ihn<br />
zur Flucht an, der Verstand jedoch befahl<br />
ihm zu bleiben. Was, wenn die Frau zu<br />
schreien anfinge? Die Leute würden denken,<br />
er sei ein Dieb, der die Frau bestohlen hatte.<br />
Nein. Es würde ihm gerade noch fehlen sich<br />
zu blamieren, ausgerech<strong>net</strong> an Heiligabend.<br />
Unwillig hielt er die Gans und als die Frau<br />
die Taschentücher herausnahm, gab er ihr<br />
seinen bescheidenen Weihnachtsbraten<br />
zurück.<br />
„Was meinen Sie? Soll ich diese arme,<br />
gemarterte Gans nehmen oder nicht?“<br />
Markos Gesicht erhellte sich.<br />
Seine Chancen, doch noch an den Braten<br />
zu kommen, stiegen plötzlich wieder.<br />
Er runzelte die Stirn und schnitt eine<br />
unzufriedene Grimasse und antwortete, wie<br />
aus der Kanone geschossen:<br />
„An Ihrer Stelle, liebe Frau, würde ich<br />
diese Gans, die Hunderte von Kunden nicht<br />
haben wollten, auch nicht nehmen. Sehen sie<br />
nur wie mager und abgegriffen sie ist. Das<br />
ist doch ein jämmerlicher Weihnachtsbraten.<br />
Nein, kaufen sie die bloß nicht!“<br />
„Sie haben recht“, sagte die Frau.<br />
„Das meine ich auch.“ Sie machte eine<br />
Bewegung, als würde sie die Gans in die<br />
Truhe zurücklegen.<br />
In der Angst, die Frau könnte es sich<br />
doch noch überlegen, unterstrich Marko sein<br />
Urteil mit einem weiteren Argument:<br />
„Sehen Sie nur den Preis. Es ist eine<br />
Unverschämtheit für diesen armen Vogel so<br />
viel zu verlangen. Der ist doch nicht mal die<br />
Hälfte Wert. Wird so oder so nicht verkauft.<br />
Außerdem wird der Laden in ein paar<br />
Minuten geschlossen.“<br />
Bei diesen Worten zuckte die Frau<br />
zusammen und, als ob ihr ein Licht der<br />
Vorsehung aufgegangen wäre, lächelte sie<br />
dankbar und antwortete dem verdutzten<br />
Marko:<br />
„Danke, daran habe ich gar nicht<br />
gedacht. Ich gehe gleich zum Geschäftsführer<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 25<br />
und frage ihn, ob er sie mir um die Hälfte<br />
verkauft.“ Sie drückte die schon zu<br />
genüge verdrückte Gans an ihre Brust und<br />
machte sich auf zu der Stelle, wo man den<br />
Geschäftsführer antreffen müsste.<br />
Marko verfluchte seine lose Zunge und<br />
verabschiedete sich in Gedanken von seinem<br />
Weihnachtsbraten. Was sollte er jetzt bloß<br />
seiner Frau sagen? Sollte er sie wegen ihrer<br />
Vergesslichkeit ausschimpfen oder ihr sein<br />
erfolgloses taktisches Spiel beichten? So oder<br />
so, die Weihnachtsgans konnte er vergessen.<br />
Zu allem Unglück wurden jetzt die Kunden<br />
über die Lautsprecher an die Kassen gebeten,<br />
da in ein paar Minuten geschlossen würde.<br />
Traurig ging er in Richtung Ausgang. Noch<br />
bevor er die Schiebetür erreichte, drehte er<br />
sich um und sah zum Ort seiner Niederlage,<br />
der Kühltruhe. Es war genau im richtigen<br />
Moment. Die Frau mit der Gans näherte sich<br />
der Truhe und ließ sie krachend hineinfallen.<br />
Marko drehte sich auf dem Absatz um und<br />
rannte wie von einer Rakete angetrieben zur<br />
Kühltruhe. Er wäre beinahe mit der Frau<br />
zusammengestoßen, hörte im Vorbeirennen<br />
nur ihre letzten Worte.<br />
„… wollte nicht den Preis<br />
nachlassen!“<br />
Marko war der Preis egal. Hauptsache, er<br />
hatte die letzte Weihnachtsgans ergattert.<br />
Auch der böse Blick der Kassiererin, die ihre<br />
Kasse endlich schließen wollte, war ihm egal.<br />
Das bekannte „Alle Jahre wieder...“ begleitete<br />
ihn zum Ausgang. Das war ihm nicht egal.<br />
So ein Einkauf passiert dir nie wieder,<br />
dachte er, als er seine Beute triumphierend<br />
im Kofferraum verstaute. Dann gab er Gas<br />
und verließ mit quietschenden Reifen das<br />
Kampffeld um die letzte Weihnachtsgans.
Gaby Hühn-Keller<br />
Als ich im Mai 1946 als vierjähriges Kind<br />
mit meinen Eltern aus Ungarn ausgesiedelt<br />
wurde, hatte ich sofort, schon im<br />
Aussiedlerzug, ein Problem: Ich konnte mit<br />
niemandem, außer mit ihnen sprechen. Erst<br />
jetzt hörte ich, dass meine Eltern mit den<br />
Mitausgesiedelten anders sprachen als mit<br />
mir. In Ungarn hatten wir zusammen mit der<br />
Schwester meiner ungarischen Mutter, deren<br />
Mann und den drei Kindern in einem dieser<br />
lang gestreckten burgenländischen Gehöfte<br />
gewohnt und ausschließlich ungarisch gesprochen.<br />
Meine Cousine und meine Cousins<br />
vermisste ich als Spielkameraden sehr.<br />
Wir lebten jetzt in Bayern, in einem Dorf in der<br />
Nähe von Landsberg am Lech. Täglich wurde<br />
ich vors Haus geschickt, damit ich andere<br />
Kinder treffe, um schnell deutsch zu lernen. Es<br />
gab auch viele Kinder. Aber, die so genannten<br />
Flüchtlingskinder sprachen ein Deutsch,<br />
wie man es im südlichen österreichischen<br />
Burgenland spricht, die bayerischen einen lokal<br />
begrenzten Lechraindialekt. Solcherlei feine<br />
Unterscheidungen kenne ich jetzt. Damals<br />
verstand ich noch gar nichts. Ich musste<br />
hinhören, aufpassen, den Gesichtsausdruck<br />
des Sprechenden studieren und überhaupt<br />
alle Zusammenhänge um das Gesprochene<br />
herum genau beobachten. Nach und nach<br />
blieb ein Wort oder Halbsatz hängen und ich<br />
erriet den Inhalt des Gehörten. Mit richtigem<br />
Verstehen hatte das noch nichts zu tun.<br />
Der Herbst 1947 war vorbei. Es hatte schon<br />
etwas geschneit, da begannen die Buben, die<br />
schon in die Schule gingen, etwas von einem<br />
Nikolaus zu erzählen: „I furcht mi itt“, sagte<br />
der bayerische Bub. Der Flüchtlingsbub sagte:<br />
„I fiacht mi aa <strong>net</strong>. Awa wan da Krampus<br />
kummt, scho.“ „Was isch’n a Krampus?“ der<br />
erste. „Dees iis da Schwoaze mit’m Sook. Dear<br />
nimmt di mit, mei Liawa, wanst <strong>net</strong> ziagst.“<br />
„Was fiar a Schwarzer, a Neger oder was?“<br />
„A Krampus hojt.“ Ein anderer bayerischer<br />
ProSa<br />
Nikolaus, Klaubauf, Krampus & Co.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 26<br />
Bub mischt sich ein: „Woasch waas, der<br />
muant vielleicht an Klaubauf.“ „Sog i ja eh,<br />
Krampus.“<br />
Ich, mit gespitzten Ohren immer zwischen<br />
drin, habe längst gespürt, dass sie alle<br />
furchtbar Angst hatten. Sie taten nur so, als<br />
machte ihnen nichts etwas aus. Mit dem<br />
Wort „Krampus“ war bei mir der Groschen<br />
gefallen. Und, da es schon zu dämmern<br />
begann, lief ich sofort nach Hause zu<br />
meiner Mutter. „Stell dir vor“, sprudelte es<br />
gleich in Ungarisch aus mir heraus, denn<br />
das ging mir viel schneller von der Zunge,<br />
„es gibt hier einen Krampus. Und der soll<br />
bald kommen. Die Buben sagen, sie hauen<br />
ihn um oder reißen ihm den Sack weg<br />
oder verstecken sich auf dem Heuboden.<br />
Aber sie haben Angst, das merke ich ganz<br />
genau. Es ist wie beim Tihamér.“ Tihamér<br />
war mein etwas älterer Cousin in Ungarn.<br />
Ein äußerst aufgewecktes Bürschlein,<br />
dessen Kreativität und Können noch nicht<br />
sinnbringend in Schulfächer kanalisiert<br />
war. Kindergarten gab es auch keinen. Ihm<br />
wurde oft mit dem Krampusz gedroht. Ich<br />
wusste vom Krampusz noch nichts. Nur so<br />
viel: ‘Mikolás és (und) Krampusz’ wurden<br />
immer gemeinsam erwähnt. Offensichtlich<br />
gehörten sie zusammen. Und jetzt sah ich<br />
die Szene wieder ganz genau vor mir.<br />
Tihamér prahlte: „Ich werde doch einen<br />
Krampusz nicht fürchten.“ Kurz darauf<br />
jedoch, beide Familien waren in der großen<br />
Wohnküche versammelt, hörte man ein<br />
Poltern, Stampfen, Glockenklingeln,<br />
Kettenrasseln auf das Haus zukommen.<br />
„Jaj, a Mikolás és a Krampusz“ kreischte<br />
Tihamér völlig hysterisch und verschwand<br />
auch schon unter dem großen Küchentisch.<br />
Angesteckt von seinem Geschrei, folgten<br />
ihm sein kleiner Bruder und ich. Wir<br />
kauerten uns mucksmäuschenstill neben<br />
ihn. Nur seine ältere Schwester blieb bei
den Erwachsenen. Der Lärm kam näher.<br />
Nun hörte man die Ketten an die Außentür<br />
schlagen. Nach drei, vier schweren Schritten<br />
pochten wuchtige Schläge an die Küchentür<br />
und schon ging sie auf. Herein traten<br />
zwei riesige, Furcht erregende Gestalten,<br />
gekleidet in Sackleinen und vielerlei Fell. Ich<br />
saß zu vorderst neben einem Tischbein und<br />
sah ihre Knüppel und einen großen Sack.<br />
Einer hatte einen langen grauen Bart, der<br />
andere ein mit Ruß verschmiertes schwarzes<br />
Gesicht und schwarze Hände. „Sind hier<br />
keine anderen Kinder im Haus?“ ertönte die<br />
tiefe Stimme des Bärtigen. „Ich sehe nur ein<br />
Mädchen. Wo ist der freche Bube, den der<br />
Krampusz sucht?“ Tihamér fing nun wieder<br />
an zu kreischen. Wir Kleinen stimmten ein.<br />
Der Krampusz bückte sich, griff mit seiner<br />
schwarzen Hand an mir vorbei und holte<br />
sich Tihamér zielsicher mit einem Ruck<br />
unter dem Tisch hervor und klemmte ihn<br />
unter die Achsel. Da zappelte er nun, kratzte<br />
und schlug um sich, um sich zu befreien und<br />
schrie ein ums andere Mal „Ich will mich<br />
bessern, ich will mich bessern.“ Wir Kleinen<br />
krochen weinend zu unseren Müttern, die<br />
uns auf den Arm nahmen. Der Mikolás half<br />
nun, den großen Sack zu öffnen. Schon steckte<br />
Tihamér halb drin, da schrieen alle: „Nein,<br />
nein, lass ihn da. Er will sich bessern.“ Der<br />
Krampusz ließ ihn noch ein wenig zappeln,<br />
dann stellte er ihn auf den Boden. Ruckzuck<br />
war Tihamér weg und verschwand unter<br />
dem Küchensofa. Während der Krampusz<br />
mit der Kette rasselte und herumschimpfte,<br />
dass man ihn nicht einmal die frechsten<br />
Buben mitnehmen lässt, kramte der Mikolás<br />
aus einem kleineren Sack Walnüsse und<br />
getrock<strong>net</strong>e Birnen heraus und legte sie<br />
auf den Tisch. Er mahnte dann die Kinder,<br />
immer brav zu sein und den Krampusz, sich<br />
endlich zu beruhigen. Er wünschte noch eine<br />
gute Vorweihnachtszeit, dann stapften die<br />
beiden mit Geglockel und Gerassel weg.<br />
„Kommt der Krampus auch hierher?“,<br />
wollte ich wissen, wieder ins Deutsche<br />
umschwenkend. „Ich weiß nicht, wie hier<br />
ist die Brauch“, antwortete meine Mutter in<br />
ihrem Deutsch. Ich hätte jetzt fragen müssen,<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 27<br />
was ein Brauch ist, weil ich das Wort nicht<br />
kannte. Aber ich war viel zu aufgeregt. „Und<br />
wenn er kommt, nimmt er dann nur freche<br />
Kinder mit oder auch brave oder überhaupt<br />
alle?“ „Letztes Jahr war die Mikulàs nicht<br />
da“, fuhr meine Mutter fort, „aber wenn ich<br />
recht sinne, habe ich eine umgehen gehert.“<br />
Mein Vater mischte sich ein: „Du kannst<br />
noch dreimal ruhig schlafen, bis es so weit<br />
ist. Wenn ein Nikolaus kommt, hört man<br />
ihn am Klingeln. Dann kommst du zu mir.<br />
Ich lasse nicht zu, dass er dich mitnimmt.“<br />
Langsam beruhigte ich mich. Ohne Wenn<br />
und Aber ging ich in den nächsten drei<br />
Abenden ins Bett. Das Zubettgehen war<br />
meine Schwachstelle.<br />
Der vierte Tag war gekommen. Ich spielte,<br />
wie immer, draußen. Die meisten Kinder<br />
waren in der Schule und die kleineren<br />
verbreiteten keine Angst. Gegen Abend<br />
ging ich zum Bauern Winterholler in den<br />
Stall. Dort gab es junge Kätzchen, die sich<br />
mit der alten Miezl um die Melkzeit im Stall<br />
einfanden. Die ließen gerne mit sich spielen.<br />
Da kam Seppl, der etwa zwanzigjährige<br />
Sohn des Bauern mit einem Korb Heu aus<br />
der Tenne und sagte: „Dasch du no drauß<br />
rumlofsch, heit kimmt dr Kloos. Dear<br />
kennt di doch mitnejma, wennsch dann<br />
hua geasch.“ Das hatte ich noch gar nicht<br />
bedacht und bekam einen fürchterlichen<br />
Schreck. Das sah er mir wohl an. „Bisch itt<br />
brav gwejsa?“ fragte er nach. „Doch, doch“,<br />
gab ich schnell zurück. „Ja, dann brauchsch o<br />
koa Angscht itt hawa.“ „Ich hab aber Angst“<br />
sagte ich weinerlich und versuchte, ihm die<br />
Geschichte von Tihamér so gut ich eben<br />
konnte, zu erzählen. Er hörte mir genau zu<br />
und ließ mich ausreden. Dann meinte er. „Ja,<br />
a diamol isch so a wülder Hund dabei. Aber<br />
wennsch schia betsch, tuat a dr nix. Und iaz<br />
hau ab, bevors naacht weard.“ Ich lief sofort<br />
nach Hause. Aber was hatte er eigentlich<br />
gesagt? Ich hatte etwas von einem „wilden<br />
Hund“ verstanden und von einem „schönen<br />
Bett“ oder ähnlich. Wollte er mir sagen,<br />
dass hier der Nikolaus außer dem Krampus<br />
sogar noch einen wilden Hund dabei hatte?<br />
Ich fürchtete ja sogar schon Winterhollers
kleinen Spitz. Und was war mit dem Bett.<br />
Meinte Seppl, ich müsste immer schia brav<br />
ins Bett gehen? Wusste jeder, auch der<br />
Nikolaus, dass ich ...? Ich setzte mich gleich<br />
neben meinen Vater, der die Zeitung las und<br />
fragte: „Weiß der Nikolaus überhaupt, dass<br />
ich jetzt in Petzenhausen wohne?“ Er schaute<br />
auf: „Das werden ihm irgendwelche kleinen<br />
Engel schon gesagt haben“. „Hörst du schon<br />
was klingeln?“ „Noch nicht. Ich lese dir<br />
jetzt vor, was gestern in Landsberg passiert<br />
ist. Und dann wollen wir zu Abend essen.“<br />
Ich merkte, er wollte mich ablenken. Und<br />
unversehens, ich wollte gerade wieder ohne<br />
Widerrede „schia ins Bett gehen“, klingelte<br />
eine kleine Glocke am Gartenzaun entlang.<br />
Der Ton kam auf die Haustür zu und schon<br />
klopfte es an unserer Küchentür. Mein Vater<br />
rief mit fester Stimme „herein“ und ein<br />
Nikolaus mit knielanger Kutte, um die Taille<br />
eine Art Kälberstrick, an dem eine kleine<br />
Kuhglocke hing, kam herein. Mit weißem<br />
Bart, einer Zipfelmütze auf dem Kopf, einem<br />
kleinen Sack in der einen und einer Rute in<br />
der anderen Hand, stand er direkt vor mir.<br />
Ist er allein? Kommt noch ein Krampus<br />
nach oder ein wilder Hund...?, schoss es mir<br />
gerade durch den Kopf, da fragte er mich,<br />
bemüht, hochdeutsch zu sprechen: „Wie<br />
heißt du?“ Ich sagte meinen Namen. „Aha. Ist<br />
sie brav?“ Er schaute zu meinen Eltern. „Ja,<br />
ja, sie ist brav“, gab mein Vater die Antwort.<br />
„Kannst du beten?“ Beten! Bett! beten? Was<br />
will er? Jetzt hat er mich! „Ich geh schon<br />
immer schia ins Bett,“ stotterte ich. „Ich will<br />
nicht wissen, ob du ins Bett gehst. Du sollst<br />
das „Vater unser“ beten.“ Vater unser ...?<br />
Ich schaute Hilfe suchend zu meinem Vater.<br />
Vielleicht war er gemeint. Meine Mutter sagte<br />
ja „unser Vater“, wenn sie in Deutsch von<br />
ihm sprach. Er reagierte nicht. „Ich, ich weiß<br />
nicht ...“, begann ich zögerlich. Nun hob der<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 28<br />
Nikolaus die Rute und fragte mit tadelnder<br />
Stimme: „Was, du kannst nicht das „Vater<br />
unser“ beten?“ „Halt, halt, Nikolaus“, griff<br />
mein Vater jetzt ein, „sie kann es wirklich<br />
nicht. Aber sie kann ein Abendgebet. Das<br />
allerdings in Ungarisch. Das könnte sie<br />
beten. Ich muss ihr aber erstmal sagen, um<br />
was es geht.“ „Gut, soll sie ungarisch beten.“<br />
Mein Vater erklärte mir nun, dass beten<br />
„imátkozni“ ist und dass der Nikolaus als<br />
frommer Mann mein Abendgebet hören<br />
möchte. Ich hatte begriffen und stellte mich<br />
ordentlich hin, faltete die Hände und begann<br />
laut und deutlich „O édes Istenem ...“ zu<br />
beten, bis das Gebet zu Ende war. Ich merkte,<br />
dass der Nikolaus gerührt war. Er sagte, so<br />
ein schönes Gebet hätte er noch nie gehört.<br />
Dann ging er zum Tisch und legte Äpfel,<br />
Haselnüsse und einen Lebkuchen mit einem<br />
schönen aufgeklebten Nikolausbild auf den<br />
Tisch. Nach einem „Guat Nacht mitnand“<br />
ging er.<br />
Ich seufzte vor Erleichterung. Man hörte noch<br />
das eine oder andere Geklingel. Die großen<br />
Wachhunde der reichen Bauern schlugen<br />
dabei an und zerrten an ihren Laufketten.<br />
Aber das gehörte zu den normalen<br />
Dorfgeräuschen. Lange betrachtete ich das<br />
Bild auf dem Lebkuchen. Der Nikolaus darauf<br />
hatte einen dunkelroten Mantel mit Kapuze<br />
und einen mit weißem Pelz verbrämten<br />
Kragen. Ein Sack voller Spielzeug stand vor<br />
ihm und er trug wunderschöne schwarze<br />
kniehohe Schaftstiefel. „Schau mal her“, sagte<br />
ich zu meinem Vater, der angefangen hatte,<br />
die Nüsse zu knacken, „dieser Nikolaus<br />
hier hat genau so schöne Stiefel wie sie der<br />
Opa in Ungarn hatte. Und die vom Nikolaus<br />
vorhin, die sahen aus wie die Stallstiefel vom<br />
Winterholler Seppl.“
Heidrun Schaller<br />
Eine etwas andere „Weihnachtsgeschichte“<br />
„Leise rieselt der Schnee“ und „Kling -<br />
Glöckchen - kilingelingeling“ haben sich in<br />
„Stille Nacht, Heilige Nacht“ und „ O Du<br />
Fröhliche“ emotional und zeitlich verdichtet<br />
, haben die Poren der Mitmenschlichkeit<br />
verkitscht, eine Illusion von Friede und<br />
Freude auf Erden erzeugt, das Alibi für<br />
Gedankenlosigkeit und Abgrenzung wieder<br />
mal perfekt geliefert.<br />
Das Familienfest hinter fest verschlossenen<br />
Türen. Ja, der Zusammenhang zwischen<br />
„ Fest“ und „fest-verschlossen“ wird<br />
offensichtlich.<br />
Selbst da, hinter diesen “fest“ verschlossenen<br />
Türen, wo man das „Fest der Liebe“ feiert<br />
, wird unter der oberflächlich heilen<br />
süßlichen Weihnachtsharmonie züngelnder<br />
Frust und wabernder Unfriede nur mühsam<br />
unterdrückt und kann sich bei der kleinsten<br />
Unaufmerksamkeit heftig entladen.<br />
Mit jeder verschlossenen Türe hinter der<br />
die Weihnachtsstimmung steigt, werden<br />
die, die nicht dazugehören, noch mehr<br />
ausgeschlossen.<br />
Wer sieht die Frau, die nach der Scheidung,<br />
das Kind musste dieses Jahr - man ist ja<br />
aufgeklärt, liberal, tolerant und so vernünftig<br />
und wechselt sich jedes Jahr ab - in die neue<br />
Familie des Mannes, sie ist zum ersten Mal<br />
nach der Scheidung ganz alleine, mit dem<br />
traurigen Blick, die ganz alleine zwischen<br />
all den Paaren und den Familien in der<br />
Heiligabendmesse sitzt ?<br />
Einsam, alleine und ihrer kummervollen<br />
Gedanken bewusst, ist sie aus ihrem<br />
Traum von Familienglück, aus diesem<br />
Traum vom Einssein, vom Familienkreis<br />
als Paradieszustand unsanft in der Realität<br />
erwacht.<br />
Sie fühlt sich nackt und isoliert von allen<br />
sozialen Kontakten, Möglichkeiten,<br />
Beziehungen. Keine Nähe, Geborgenheit ist<br />
für sie in dieser „ Heiligen Nacht „ bereit.<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 29<br />
Die unerbittlich vergehenden Sekunden,<br />
Minuten ticken die Energie aus ihrer<br />
Lebenskraft, hinterlassen ein Vakuum in<br />
dem keine Bewegung, Freude, Initiative,<br />
mehr möglich ist.<br />
Sie erlebt ihre Einsamkeit als schwere<br />
Last und Bürde und ist kaum noch fähig<br />
zu spüren, dass dieses Getrenntsein von<br />
der einlullenden Harmonie, von der<br />
Scheingeborgenheit ihre Chance ist zu<br />
eigenem Willen, zu Bewusstheit und aktiver<br />
Lebensgestaltung.<br />
Noch sieht sie auf ihrem Heimweg mit<br />
tränenfeuchtem Gesicht nur zu den<br />
hellerleuchteten Fenstern hinauf und fühlt<br />
schwarze, festverschlossene Türen, in dem<br />
Bewusstsein, herausgefallen zu sein aus der<br />
Welt der Lebenden, der Glücklichen.<br />
Doch dann huscht ihr ein Gedanke durch den<br />
Sinn, und schon diese gedankliche Bewegung,<br />
lässt das Vakuum zischend wieder mit Luft,<br />
Atemluft, Energie volllaufen.<br />
Bewegung wird wieder möglich.<br />
Ihr kommt der aufmüpfige Gedanke, diese<br />
heiligabend-seligen Menschen mit sich und<br />
ihrer Einsamkeit zu konfrontieren, einfach<br />
zu klingeln, an einer dieser Türen und zu<br />
sagen:<br />
„Im Namen dieses Weihnachtsheiligenabends,<br />
bitte ich um Teilhabe an ihrem<br />
Fest“ und sie malt sich in Gedanken aus,<br />
wie die Reaktionen der von ihr so betroffen<br />
gemachten sein könnten:<br />
„ Das tut mir leid, wir haben die<br />
Schwiegereltern zu Besuch, das geht leider<br />
nicht, aber warten Sie, ich bringe ihnen einen<br />
Schluck Wein an die Türe, damit sie sich<br />
stärken können.“ oder „Was fällt ihnen denn<br />
ein, wir sind doch nicht von der Wohlfahrt,<br />
scheren sie sich weg zu ihren eigenen<br />
Angelegenheiten, sonst muss ich die Polizei<br />
rufen“ oder „ Sie sind ganz alleine an diesem
Abend, das trifft sich gut, ich bin auch alleine,<br />
da können wir zusammen sitzen und diesen<br />
Abend begehen“ - doch alle diese oder<br />
auch ganz andere Reaktionen können nicht<br />
stattfinden, da sie nicht zu klingeln wagt. Ihr<br />
Gedanke scheint ihr im wirklichen, in ihrem<br />
so traurig, einsamen Leben unausführbar.<br />
So muss sie an diesem zähen, schmerzhaften<br />
Abend ihr Leben, ihre Gedanken nutzen, um<br />
sich selber wie Münchhausen am eigenen<br />
Zopf aus dem Sumpf ihrer negativen<br />
Gedanken und Gefühle zu ziehen.<br />
Sie müsste ihr Leben durchdenken, aktive<br />
Pläne für die eigene Zukunft fassen,<br />
hinaustreten aus dem Dilemma der<br />
Schuldzuweisung und hinein in eine neue<br />
Phase der Verantwortung für sich selbst.<br />
So ist letztendlich sie die Wiedergeborene,<br />
die neue Kraft, da sie endlich Trauerarbeit<br />
geleistet hat, Abschied von den alten<br />
Illusionen genommen und nun endlich<br />
wirklich frei ist zu leben, ihr Leben zu<br />
leben.<br />
Sie ist dieses Kind, das in die Welt gekommen<br />
ist - mitten im Winter in der dunklen Nacht<br />
der Einsamkeit.<br />
Bevor sie zu Bett geht, die Glocken läuten<br />
schon zur Christmette, die sie sich nicht<br />
mehr antun wird, liest sie noch einmal das<br />
Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse,<br />
dessen Mittelteil ihr Trost und Hilfe zum<br />
Neu-Anfang gibt:<br />
...Wir sollten heiter Raum um Raum durchschreiten,<br />
an keinem wie an einer Heimat hängen,<br />
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,<br />
er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.<br />
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise<br />
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,<br />
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,<br />
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen...<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 30<br />
Und da fällt ihr auch noch ihr altes<br />
Poesiealbum ein, da stand doch noch so ein<br />
Spruch über den „ Weg“ drin. Als junges<br />
Mädchen und heranwachsende Frau hatte<br />
sie sich diesen Spruch immer als Leitmotiv<br />
gesetzt.<br />
Schnell springt sie noch mal aus dem Bett,<br />
sucht in ihren Jungmädchensachen und<br />
findet das Poesiealbum. Wieder im Bett liest<br />
sie mit Herzklopfen:<br />
Den Weg machst du beim Gehen<br />
Wanderer, Deine Fußstapfen sind der Weg, und<br />
nichts sonst.<br />
Wanderer, einen Weg gibt es nicht, den Weg<br />
machst du beim Gehen.<br />
Beim Gehen machst du den Weg, und blickst<br />
du zurück,<br />
so siehst du den Pfad, den du nie mehr wieder<br />
betreten musst.<br />
Wanderer, einen Weg gibt es nicht, nur Wirbel<br />
im Wasser des Meeres.<br />
Antonio Machado Y Ruiz<br />
Mit der Gewissheit, den Fuß auf ihren Weg<br />
zu setzen und voran zu schreiten, schläft<br />
sie an diesem Heiligen Abend getröstet und<br />
mit neuem Optimismus ein.
udi Bachmann-Voelkel<br />
Carolin war schon sehr müde. Es fiel<br />
ihr sichtlich schwer wach zu bleiben.<br />
Zweiundzwanzig Uhr fünfundvierzig<br />
schlug die Standuhr. Sonst musste sie um<br />
zwanzig Uhr im Bett liegen und eine halbe<br />
Stunde später das Licht ausschalten. Heute<br />
nicht. Sie war in diesem Frühjahr sechs<br />
geworden, in die Schule gekommen und<br />
durfte nun zum ersten Mal bis ins neue Jahr<br />
hinein wach bleiben. So richtig konnte sie<br />
sich gar nicht vorstellen, was daran so toll<br />
sein sollte bis Mitternacht auf zu bleiben,<br />
um sich dann alles erdenklich Gute zum<br />
neuen Jahr zu wünschen. Ihre Eltern, die<br />
Eltern ihrer Mutter, Oma Petra und Opa<br />
Karl aus Berlin, das Ehepaar Lichtner von<br />
nebenan und Tante Frieda, die von Freiburg<br />
angereist war, saßen im Wohnzimmer<br />
und erzählten von Dingen die Carolin nicht<br />
verstand, oder von Erlebnissen, die schon<br />
Ewigkeiten zurück lagen. Ihr war furchtbar<br />
langweilig. Sie schaute aus dem Fenster.<br />
Plötzlich: Strahlendes Lachen über ihrem<br />
Gesicht.<br />
„Mama, schau einmal. Es schneit!“<br />
„Was, das kann nicht sein“, meinte<br />
Tante Frieda, “gestern hat es doch noch<br />
gereg<strong>net</strong>.“<br />
„Doch, doch! Schau nur!“<br />
„Du hast ja recht, mein Schatz“, meinte Frau<br />
Convent, Carolins Mutter.<br />
„Das ist ganz toll“, sagte sie weiter, “dann<br />
können wir an diesem Wochenende<br />
vielleicht Schlitten fahren.“<br />
„Ja ….. Mama, mir ist langweilig.“<br />
„Geh bitte zu Papa in die Küche. Vielleicht<br />
spielt er etwas mit dir. Ich muss mich um<br />
unsere Gäste kümmern.“<br />
Carolin ging missmutig in die Küche. Ihr<br />
Vater stand am Küchenfenster, schaute<br />
ProSa<br />
Das Kellerfenster<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 31<br />
hinaus, und bemerkte zunächst gar nicht,<br />
dass sie das Zimmer betreten hatte.<br />
„Papa.“<br />
Herr Convent wurde aus seinen Gedanken<br />
gerissen und drehte sich zur Küchentür.<br />
„Ja, Carolin.“<br />
„Spielen wir etwas? Mir ist so langweilig<br />
und ich bin auch müde.“<br />
„Sollen wir nicht lieber nach draußen<br />
gehen? Hast du schon gesehen: Es schneit.<br />
Ein Spaziergang im Schnee ist gut gegen<br />
Langeweile und bestimmt auch gegen<br />
Müdigkeit.“<br />
„Oh ja!“<br />
„Dann musst du dich aber warm anziehen.<br />
Ich sage Mama inzwischen Bescheid.“<br />
Herr Convent und Carolin verabschiedeten<br />
sich. Gegenüber dem Haus lagen Wiesen<br />
und Felder. Die Schneeflocken tänzelten<br />
mittlerweile so dicht vor Carolins Nase,<br />
dass sie kaum zehn Schritte sehen konnte.<br />
Das flimmernde Wirrwarr wurde ab und zu<br />
durch das Licht der Straßenlaternen erhellt.<br />
Carolins Müdigkeit war wie weggeblasen<br />
und sie versuchte einzelne Schneeflocken<br />
mit dem offenen Mund einzufangen. Rechts,<br />
am Feldweg, kurz bevor sie auf das freie Feld<br />
kamen, stand ein älteres Mehrfamilienhaus.<br />
Aus einem Kellerfenster drang Licht. Carolin<br />
konnte in das dahinter liegende Zimmer<br />
schauen, da die Gardinen und der Vorhang<br />
nicht zugezogen waren. Sie sah einen alten<br />
Mann in der Stube am Tisch sitzen. Seine<br />
Augen waren geschlossen. Sein Kopf auf<br />
beide Hände, die Ellenbogen auf den Tisch<br />
gestützt.<br />
Carolin: „Papa!“<br />
„Ja, mein Schatz?“
„Schau mal. Dort unten im Keller. Ein alter<br />
Mann. Im Zimmer. An einem Tisch. Er sieht<br />
so nachdenklich aus. Ob er wohl traurig ist?<br />
Niemanden hat mit dem er erzählen kann?<br />
Ob er heute Abend alleine ist?“<br />
„Das kann schon sein. Möglicherweise<br />
ist seine Frau schon tot und seine Kinder<br />
wohnen weit weg? Es gibt viele Gründe,<br />
warum Menschen alleine leben.“<br />
„Du, Papa.“<br />
Ja?“<br />
„Eben schaut er zu uns.“<br />
Carolin lachte dem Mann zu und winkte. Er<br />
kam zum Fenster gelaufen und öff<strong>net</strong>e es.<br />
„Hallo, junges Fräulein. Guten Abend. Du<br />
machst wohl mit deinem Vater noch einen<br />
kleinen Spaziergang, damit die Zeit bis zum<br />
Jahreswechsel schneller vorbei geht? Und<br />
wenn es auch noch schneit, ist es doppelt so<br />
schön.“<br />
„Ja“, sagte Carolin und schaute dabei den<br />
Mann sehr ernst an.<br />
„Was schaust du mich denn so an?“<br />
„Hast du keine Frau mehr?“<br />
„Nein, die ist schon vor fünf Jahren gestorben.<br />
Mit dreiundachtzig Jahren. Sechzig Jahre<br />
waren wir verheiratet.“<br />
„Wie heißt du eigentlich“, fragte Carolin.<br />
„Temme heiße ich. Und du? Deinen Namen<br />
weiß ich ja auch noch nicht.“<br />
„Carolin heiße ich, Carolin Convent.“<br />
„Ein sehr schöner Name. Wie alt bist du<br />
denn?“<br />
„Ich bin sechs Jahre und du?“<br />
„Neunzig Jahre bin ich geworden. Vor vier<br />
Wochen.“<br />
„Hast du das gehört Papa? Neunzig Jahre!<br />
Fast dreimal so alt wie du.“<br />
„Ja, mein Schatz.“<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 32<br />
Carolin und ihr Vater unterhielten sich noch<br />
eine ganze Weile mit Herrn Temme. Die Zeit<br />
verging. Herr Convent schaute auf seine<br />
Armbanduhr.<br />
„Carolin, wir müssen nun aber langsam<br />
wieder nach Hause gehen. Es ist nur noch<br />
eine halbe Stunde bis Mitternacht.“<br />
„Schade ….. Auf Wiedersehen Herr Temme.<br />
Alles Gute im neuen Jahr“, meinte Carolin.<br />
„Alles Gute auch dir. Vielleicht kannst du<br />
mich ja im neuen Jahr ab und zu einmal<br />
besuchen, wenn es deine Eltern erlauben?“<br />
„Ja, bestimmt!“<br />
„Versprochen?“<br />
„Versprochen!“<br />
Herr Temme schloss das Fenster und zog die<br />
Gardinen und den Vorhang zu. Herr Convent<br />
und Carolin liefen schnellen Schrittes nach<br />
Hause. Sie kamen gerade noch zur rechten<br />
Zeit. Frau Convent hatte schon die Sektgläser<br />
gefüllt und für Carolin eine Apfelsaftschorle<br />
in das Sektglas getan, so dass es zumindest<br />
echt aussah. Alle prosteten sich zu. Allerlei<br />
gute Wünsche für das angebrochene Jahr<br />
wurden ausgetauscht. Tante Frieda fing<br />
an zu weinen. Das machte sie immer zum<br />
Jahreswechsel.<br />
„Es macht mich traurig“, so ihre Worte,<br />
„wenn mir bewusst wird, dass Jahr für Jahr<br />
unwiederbringlich vorbei geht. Schöne Jahre<br />
waren es, aber auch weniger schöne.“<br />
„Ja, ja, Tante Frieda“, meinte da Christine,<br />
„nun wollen wir aber wieder lachen.“<br />
Carolin blieb noch bis ein Uhr auf. Sie<br />
schlief am nächsten Tag fast den ganzen<br />
Vormittag. Die Tage vergingen. Der Winter<br />
wurde von der immer wärmer strahlenden<br />
Sonne vertrieben. Die Natur erwachte. Alles<br />
grünte und blühte. Die Menschen gingen<br />
ihrer Arbeit und ihren Vergnügen nach. In<br />
den Sommerferien fuhr Familie Convent an<br />
die Nordsee und in den Herbstferien ging<br />
man zum Wandern in die österreichischen<br />
Alpen. Die Jahreszeiten wechselten. Ehe<br />
sich Carolin versah, fielen die Blätter von<br />
den Bäumen, die Felder wurden abgeerntet,
später umgepflügt. Wiederum nach ein<br />
paar Wochen wurden die Christbäume<br />
geschmückt und das neue Jahr stand vor der<br />
Tür. Nun erinnerte sich Carolin wieder an<br />
den Silvesterabend im letzten Jahr und sie<br />
wurde verlegen.<br />
„Mama“, rief sie ihrer Mutter zu, die gerade<br />
im Schlafzimmerschrank etwas nachschaute,<br />
„darf ich mal kurz weg? Ich möchte nur<br />
etwas nachschauen, jemanden besuchen.“<br />
„Wohin willst du denn gehen?“<br />
„Das möchte ich nicht sagen, aber ich gehe<br />
nicht weit weg.“<br />
„Gut, aber sei bitte in einer viertel Stunde<br />
wieder zurück.“<br />
„Ja.“<br />
Carolin ging über die Straße, lief den Feldweg<br />
entlang, an der nächsten Abzweigung nach<br />
Mario andreotti<br />
prOSa / essay<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 33<br />
links und weiter, bis sie vor dem Haus<br />
stand. Dem Haus, in dem doch Herr Temme<br />
wohnte. Sie schaute zu dem Fenster, hinter<br />
dem er gesessen hatte, konnte ihn jedoch<br />
nicht sehen. Es brannte auch kein Licht. Nun<br />
schaute sie auf den Schildern der Klingelleiste<br />
nach, konnte jedoch keines entdecken, auf<br />
dem sein Name stand. Carolin drückte den<br />
untersten Klingelknopf und fragte, nachdem<br />
ihr geöff<strong>net</strong> worden war, nach Herrn<br />
Temme.<br />
„Der ist vor zwei Monaten gestorben,“ sagte<br />
man ihr.<br />
Carolin ging niedergeschlagen nach Hause.<br />
Frau Convent bemerkte, dass in Carolin<br />
etwas vorging, etwas geschehen sein musste.<br />
Sie wusste auch, dass sie ihr Zeit geben<br />
musste, bevor sie nachfragte, was geschehen<br />
war. Vielleicht wird sie es mir auch so<br />
erzählen, dachte Frau Convent, und setze<br />
ihre begonnene Arbeit fort.<br />
Ist Dichten lernbar?<br />
Über Sinn und Unsinn von Schreibseminaren<br />
In den letzten Jahrzehnten sind sie im deutschen<br />
Sprachraum, zunächst in Deutschland<br />
und dann auch in Österreich und in der<br />
Schweiz, wie Pilze aus dem Boden geschossen:<br />
die verschiedenen, keineswegs immer<br />
billigen Schreibwerkstätten, Seminare,<br />
Literaturkurse und Fernlehrinstitute für angehende<br />
Schriftstellerinnen und Schriftsteller.<br />
Dazu kamen und kommen eine steigende<br />
Zahl von Büchern und Zeitschriften, die<br />
dem Leser mehr oder weniger deutlich suggerieren,<br />
sie enthielten „todsichere“ Rezepte<br />
für ein gutes Schreiben. Das reicht dann<br />
von relativ neutralen Titeln, wie etwa dem<br />
„Verlegerbrief“, über Titel, die wie „Grundlagen<br />
und Technik der Schreibkunst“ schon<br />
handfester tönen, bis zu solchen, die unverhohlen<br />
versprechen, der Leser werde durch<br />
die Lektüre der betreffenden Publikation<br />
„garantiert schreiben lernen“. Dieses zunehmende<br />
Angebot an Schreibhilfen, allen voran<br />
an Schreibwerkstätten und „Kursen für<br />
kreatives Schreiben“, lässt einmal mehr die<br />
Frage aufkommen, ob sich denn das Dichten<br />
überhaupt lernen lasse. Es handelt sich um<br />
eine Frage, die fast so alt wie die Dichtung<br />
selber ist und die im Verlaufe der Literaturgeschichte<br />
ganz unterschiedlich beantwortet<br />
wurde.<br />
Ist Dichten also lernbar?<br />
Hätte man diese Frage einem Literaten etwa<br />
des l7.Jahrhunderts, also der Barockzeit,<br />
gestellt, so hätte er sehr wahrscheinlich leicht<br />
verwundert zur Antwort gegeben, natürlich<br />
sei das Dichten lernbar, und dies genau so<br />
exakt wie beispielsweise das Malen oder das<br />
Musizieren. Wozu habe man denn die Poetik,<br />
wenn nicht dazu, dem Poeten die Regeln<br />
für sein literarisches Handwerk zu liefern.<br />
Man war damals nämlich der Überzeugung,<br />
ein Autor schreibe nur dann gut, wenn er<br />
bestimmte, durch literarische Autoritäten<br />
vorgegebene Regeln strikt beachte. So hatte
eispielsweise ein Dramatiker, ob es ihm<br />
gefiel oder nicht, die berühmte Regel der<br />
drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung,<br />
die angeblich auf die Poetik des Aristoteles<br />
zurückging, zu befolgen. Tat er dies nicht,<br />
so war er literarisch, und nur allzu oft<br />
auch gesellschaftlich, geächtet. In der<br />
Literaturwissenschaft spricht man deshalb<br />
von einer normativen Poetik, von einer<br />
Poetik also, die glaubte, die Schriftstellerei<br />
sei ein Handwerk wie jedes andere, das man<br />
nach bestimmten Regeln zu betreiben habe.<br />
Ein extremes Beispiel für diese normative<br />
Auffassung der Poetik ist der vielzitierte<br />
Nürnberger Trichter von Philipp Harsdörffer,<br />
der als „Anweisung, die Teutsche Dicht- und<br />
Reimkunst in sechs Stunden einzugießen“<br />
gedacht war. Noch heute erinnern gewisse<br />
Lehrbücher der Dichtung, die sich mit<br />
ihren handfesten Schreibrezepten fast wie<br />
Kochbücher geben, an diesen Nürnberger<br />
Trichter.<br />
Dichten als subjektives Geschäft<br />
Gegen Ende des 18.Jahrhunderts,<br />
literaturgeschichtlich mit dem Beginn des<br />
Sturm und Drang, wandelt sich das Bild: Die<br />
überkommene Vorstellung, die Dichtung<br />
habe einem bestimmten Regelkanon zu<br />
gehorchen, wird zunehmend durch die<br />
Ansicht abgelöst, sie habe möglichst originell,<br />
möglichst schöpferisch zu sein. „Kreativität“<br />
und „Originalität“ - man denke etwa an<br />
die für die Stürmer und Dränger typische<br />
Wortschöpfung des „Originalgenies“ -<br />
werden zu den beiden Leitbegriffen,<br />
welche die Dichtung der folgenden zwei<br />
Jahrhunderte weithin bestimmen sollten.<br />
Womit dieser Wandel in der Auffassung von<br />
Kunst zusammenhängt, ist einigermaßen<br />
offensichtlich: Wo der abendländische<br />
Mensch, wie dies seit der Aufklärung der<br />
Fall ist, seine Individualität, aber auch<br />
seine Autonomie den „Dingen“ gegenüber<br />
„entdeckt“, da hat dies Rückwirkungen auf<br />
das Selbstverständnis der Autoren. Sie fühlen<br />
sich nun nicht mehr als jene, die literarische<br />
Texte nach einer bestimmten, vorgeformten<br />
„Regelpoetik“ machen, sondern als<br />
essay<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 34<br />
Menschen, die sich von ihrer schöpferischen<br />
Intuition, von einer Art Inspiration - die Nähe<br />
zur alten, religiös fundierten Vorstellung des<br />
„poeta vates“ ist offenkundig - leiten lassen.<br />
Noch ein Friedrich Dürrenmatt huldigte<br />
dieser gleichsam irrationalen Auffassung<br />
von Dichtung und vom Autor, wenn er im<br />
Hinblick auf seine Stücke immer wieder den<br />
„poetischen Einfall“ betonte.<br />
Der eben skizzierte Wandel im<br />
Dichtungsverständnis ist nun äußerst<br />
folgenreich: Hatte vorher die Ansicht<br />
bestanden, Dichten sei lehr- und lernbar,<br />
so trat seit dem Sturm und Drang mehr<br />
und mehr die Meinung zutage, sie sei ein<br />
derart subjektives Geschäft, dass sich dafür<br />
kaum auch nur einigermaßen verbindliche<br />
Normen aufstellen ließen. Damit war es auch<br />
mit der Vorstellung von der Lernbarkeit<br />
des literarischen Handwerks gründlich<br />
vorbei. Dies erklärt weitgehend, warum<br />
es im deutschen Sprachraum Schulen für<br />
Architekten, Bildhauer, Maler und Musiker,<br />
kaum aber solche für Schriftsteller gibt.<br />
In den USA und beispielsweise auch in<br />
Russland ist das bekanntlich ganz anders:<br />
Da existieren an den Universitäten neben<br />
den literaturwissenschaftlichen eigene<br />
Schriftstellerfakultäten, in denen angehende<br />
Autoren, angeleitet durch Praktiker ihres<br />
Faches, das Formwissen um alle dichterischen<br />
Gattungen im eigentlichen Sinne lernen. Bei<br />
uns aber hält man so etwas für eine Sünde<br />
wider den Heiligen Geist der Dichtung,<br />
warnt man in einer oftmals geradezu grotesk<br />
wirkenden Scheu vor Meistersinger-Dürre<br />
und Nürnberger Trichter.<br />
Dichten doch lernbar?<br />
Freilich hat sich in den letzten Jahren<br />
auch im deutschen Sprachraum ein<br />
gewisser Sinneswandel vollzogen:<br />
Neben Literaturhäusern, die regelmäßig<br />
Autorenkurse durchführen, sind vor allem<br />
in Deutschland und Österreich eigentliche<br />
Schreibschulen und Literaturinstitute, wie<br />
beispielsweise die „schule für dichtung“<br />
in Wien, die „Schreibschule Köln“ und<br />
das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig,
entstanden. Autorenaus- und -weiterbildung,<br />
Begriffe, die noch vor einigen Jahrzehnten<br />
völlig verpönt waren, sind plötzlich in. Selbst<br />
der Schweizerische Schriftstellerverband,<br />
der Verband der Autorinnen und Autoren<br />
der Schweiz, wie er neuerdings heißt, hat<br />
sich schon vor Jahren ernsthaft mit dem<br />
Gedanken befasst, seinen Mitgliedern<br />
Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
in Form einer eigentlichen Schreibschule<br />
anzubieten. Daraus entstanden ist das<br />
Schweizerische Literaturinstitut in Biel,<br />
das seit seiner Gründung im Jahr 2006 den<br />
dreijährigen Studiengang „Bachelor of<br />
Arts“ in Literarischem Schreiben anbietet.<br />
Einen ähnlichen Lehrgang hat auch die<br />
Fachhochschule für Angewandte Linguistik<br />
in Zürich vor drei Jahren eingerichtet.<br />
Diese jüngste Entwicklung hin zum<br />
Versuch, den Beruf des Schriftstellers<br />
zu professionalisieren, hängt unter<br />
anderem zweifellos mit dem veränderten<br />
Dichtungsverständnis der Moderne<br />
zusammen, wonach Poesie, anders als etwa<br />
in Klassik und Romantik, weniger Inspiration<br />
als vielmehr Machen bedeutet. Gottfried<br />
Benns berühmter Satz „Ein Gedicht entsteht<br />
überhaupt sehr selten - ein Gedicht wird<br />
gemacht“ 3 gilt nicht nur für die moderne<br />
Lyrik, sondern für die moderne Literatur,<br />
schon ihres betonten Kunstcharakters<br />
wegen, überhaupt. Das blieb nicht ohne<br />
Rückwirkung auf das Selbstverständnis<br />
der Autoren: Verstand sich der Autor<br />
seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert als<br />
selbstmächtiger Schöpfer eines autonomen<br />
Werkes, bei dem Inspiration und Kreativität<br />
die zentrale Rolle spielten, so versteht er sich<br />
heute zunehmend als bloßer Arrangeur, der<br />
in harter Schreibtischarbeit Texte produziert,<br />
mit literarischen Formen und Techniken<br />
‚experimentiert’. Daraus erklären sich die<br />
auffallend vielen intertextuellen Bezüge, wie<br />
sie gerade für moderne und postmoderne<br />
Werke typisch sind. Dies wiederum setzt<br />
voraus, dass sich die Schriftsteller unserer<br />
Tage gewisse Formen und Techniken lernend<br />
aneignen. Zu all dem hat sich bei der Mehrheit<br />
unter ihnen die Einsicht durchgesetzt,<br />
essay<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 35<br />
mit Begabung allein lasse sich heute den<br />
vielfältigen Kommunikationsanforderungen<br />
einer komplexen Gesellschaft nicht mehr<br />
ausreichend entsprechen.<br />
Stellen wir damit nochmals die<br />
unausweichliche Frage, die Gretchenfrage<br />
sozusagen, nach der Lehr- und Lernbarkeit<br />
des Dichtens und geben wir darauf, um jedes<br />
Missverständnis auszuschließen, gleich eine<br />
klare Antwort: Kein vernünftiger Autor, aber<br />
auch kein Literaturwissenschaftler glaubt<br />
heute im Ernst, dass Dichten ein bloßes,<br />
lernbares Handwerk sei. Allerdings finden<br />
sich, trotz dieser an sich unbestrittenen<br />
Erfahrung, noch und noch Schreibkurse<br />
und entsprechende Lehrmittel, die den<br />
Benützern weismachen wollen, jeder könne<br />
ein guter Schriftsteller werden, wenn er nur<br />
die richtige, vom betreffenden Institut oder<br />
Lehrmittel propagierte Methode verwende.<br />
Was leisten nun Schreibseminare?<br />
Fragen wir zunächst nochmals, was sie nicht<br />
leisten. Alfred Döblin, einer unserer größten<br />
Epiker des 20.Jahrhunderts, hat auf diese<br />
Frage indirekt eine geradezu klassische<br />
Antwort gegeben, als er im Jahre 1926 in einem<br />
Essay schrieb: „Die guten Dichter haben<br />
ihre Intuitionen; die machen alle Anleihen<br />
überflüssig, und den schlechten ist so oder<br />
so nicht zu helfen.“ Was Döblin damals in<br />
einem allgemeinen Sinne meinte, gilt gerade<br />
für Schreibseminare in besonderem Maße:<br />
sie vermögen - dies sei in aller Deutlichkeit<br />
gesagt - keine Begabungen, keine Genies zu<br />
züchten. Wer schriftstellerisch nun einmal<br />
untalentiert ist, den machen auch Kurse und<br />
Lehrmittel mit all ihren oftmals lautstark<br />
propagierten „technischen Kniffen“ nicht<br />
zum Erfolgsautor. Wäre dem nicht so,<br />
dann müsste jeder Germanist ex officio ein<br />
guter Dichter sein, nur weil er während<br />
seines Studiums alle möglichen Formen<br />
literarischen Gestaltens zu lernen hat.<br />
So ließe sich denn am grundsätzlichen Sinn<br />
von Schreibseminaren zweifeln. Doch dann<br />
hätte man mich gründlich missverstanden.<br />
Schreibseminare erfüllen durchaus ihren
Zweck, wenn es darum geht, den Teilnehmern<br />
bestimmte handwerkliche Techniken des<br />
Schreibens zu vermitteln. Literarisch begabt<br />
zu sein, braucht nämlich noch lange nicht<br />
zu heißen, die verschiedenen literarischen<br />
Kunstmittel auch schon zu beherrschen. Das<br />
gilt schon für traditionelle Schreibweisen,<br />
deren Techniken, in der Lyrik etwa die<br />
einzelnen metrischen Formen, im Roman<br />
die unterschiedlichen Erzählhaltungen,<br />
deren sich der Autor, will er erfolgreich<br />
schreiben, bewusst werden muss. Das gilt<br />
vor allem aber in Bezug auf spezifisch<br />
moderne Kunstmittel, wie beispielsweise<br />
neue erzählerische Verfahren, die sich ohne<br />
ein gezieltes Lernen und Üben - dazu haben<br />
sich von Döblin, über Brecht bis hin zu<br />
Günter Grass alle bedeutenden modernen<br />
Autoren immer wieder bekannt - kaum<br />
aneignen lassen. Und das gilt nicht weniger<br />
für Fragen, die sich rund um das Schreiben<br />
ergeben, auf solche der Schreibpsychologie,<br />
aber auch auf Fragen der Literaturkritik<br />
und des Verlagsvertrages. Man staunt<br />
diesbezüglich immer wieder, wie hilflos<br />
auch gestandene Autorinnen und Autoren<br />
wirken, wenn sie etwa mit verlags- oder mit<br />
urheberrechtlichen Problemen konfrontiert<br />
werden. Hier können Schreibseminare<br />
zweifellos eine Art „Hilfestellung“ leisten,<br />
vorausgesetzt freilich, dass ihre Leiterinnen<br />
und Leiter in den entsprechenden Bereichen<br />
ausgebildet sind. Damit allerdings hapert<br />
es noch weit herum: auf dem Gebiet der<br />
Schreibausbildung tummeln sich heute allzu<br />
viele, die über die notwendigen fachlichen<br />
Voraussetzungen nur in Ansätzen oder gar<br />
nicht verfügen. Das gilt häufig gerade auch<br />
für praktizierende Autorinnen und Autoren,<br />
wenn sie als Leiter von Schreibseminaren<br />
auftreten und dann, weil sie selber die<br />
verschiedenen Möglichkeiten literarischen<br />
Gestaltens nicht ausreichend kennen,<br />
ihre eigene Schreibweise zum einzigen<br />
Gradmesser literarischer Qualität machen.<br />
essay<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 36<br />
Schreibseminare als Orte der Begegnung<br />
Neben der Funktion der „Hilfestellung“ -<br />
mehr kann und darf es nicht sein - erfüllen<br />
Schreibseminare selbstverständlich noch<br />
weitere Funktionen, die mit Blick auf die<br />
besondere schriftstellerische Situation nicht<br />
unterschätzt werden dürfen. Da besteht<br />
für die Autorinnen und Autoren zunächst<br />
einmal die Möglichkeit, ihr poetisches Talent,<br />
im Vergleich mit andern Teilnehmern, relativ<br />
objektiv einzuschätzen. Man erlebt immer<br />
wieder, dass Autoren nach dem Besuch<br />
eines Schreibseminars feststellen, dass sie<br />
ihre Begabung überschätzt haben, und dann<br />
konsequenterweise einen andern Weg als<br />
den der Schriftstellerei einschlagen. Aber<br />
man erlebt zum Glück auch das Gegenteil:<br />
die Tatsache nämlich, dass Autorinnen und<br />
Autoren durch „Hilfestellungen“, ja durch<br />
gezielte Schreibtipps, ihre schriftstellerische<br />
Begabung erst richtig entdecken. Und<br />
schließlich darf der psychohygienische<br />
Wert von Schreibseminaren nicht vergessen<br />
werden, wenn man bedenkt, wie sehr<br />
Schreibende als klassische ‚Einzelkämpfer’<br />
mit ihren Texten häufig nicht nur bis zu deren<br />
Fertigstellung allein, sich selbst überlassen<br />
sind. Schreibseminare geben ihnen da einmal<br />
die Möglichkeit, während ein paar Tagen<br />
aus ihrer schriftstellerischen „Einsamkeit“<br />
auszubrechen und mit Gleichgesinnten -<br />
dies im wahrsten Sinne des Wortes - über<br />
ihre vielfältigen Probleme, die sie mit ihren<br />
Texten, aber auch mit Verlegern, Lektoren<br />
und Kritikern haben, zu diskutieren. Allein<br />
der Umstand, erfahren zu dürfen, dass<br />
diese Probleme von andern angehört und<br />
ernst genommen werden, ja, dass andere<br />
Autorinnen und Autoren mit ähnlichen<br />
Problemen zu kämpfen haben, dass man<br />
mit seinen Texten zudem eine gewisse<br />
Öffentlichkeit erreicht, auch wenn es vorerst<br />
nur die eines Seminars ist, tut dann oftmals<br />
gut.
Schreibseminare - ja oder nein? Geht man<br />
von einem überkommenen, latent elitären<br />
Autorenverständnis aus (wer möchte<br />
nicht gerne zu den. Auserwählten, den<br />
Begnadeten gehören!), so wird man die Frage<br />
ohne zu zögern mit „nein“ beantworten.<br />
Ist man aber bereit einzugestehen, dass<br />
auch die Schriftstellerei ein Moment des<br />
Handwerklichen und damit des Lernbaren<br />
hat, dass sich beispielsweise eine ganze Reihe<br />
von Schreibtechniken rational aneignen<br />
irmengard M. Hörning<br />
Warum widme ich mich diesem Thema?<br />
Die Frage ist so wichtig für das Leben,<br />
das Überleben des Kunstschaffenden.<br />
Gibt es eine Möglichkeit, die Spreu vom Weizen<br />
zu trennen?<br />
In dieser Schrift möchte ich es versuchen, zumindest<br />
annähernd.<br />
Die Grenzen zwischen Kitsch und Kunst sind<br />
fließend:<br />
Es gibt keine eindeutige Festlegung; doch<br />
vom Sprachgebrauch her wird Kitsch von<br />
seiner Wirkung her bestimmt.<br />
Kitschige Darstellungen sind süßlich, niedlich,<br />
sentimental, seicht und oberflächlich,<br />
unecht und substanzlos.<br />
Viel schwieriger ist die Bestimmung von der<br />
Stilweise, von der Gestaltung her zu beurteilen.<br />
Kitsch ist ohne Eigenprägung, imitatorisch,<br />
nachahmend. Das Stoffliche herrscht vor. Er<br />
übernimmt unterschiedliche fremde Elemente<br />
und äußert sich in einer quantitativen Einstellung<br />
und täuscht Gehalte vor.<br />
Die Ursachen des Entstehens unechter, kitschiger<br />
Kunst können folgende Elemente<br />
sein:<br />
essay<br />
Kitsch und Kunst<br />
der Versuch eines Essays<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 37<br />
lassen, dann wird man gerade heute, inmitten<br />
einer Welt des Wandels und spezialisierter<br />
Berufe, den Schreibseminaren eine gewisse<br />
Berechtigung kaum absprechen können.<br />
Mario Andreotti, prof. Dr., ist Dozent für literarisches<br />
Schreiben an der Zürcher Fachhochschule für angewandte<br />
linguistik und Verfasser des Standardwerks die Struktur<br />
der modernen literatur (utB Band 1127, haupt Verlag<br />
Bern, Stuttgart, Wien), das eben in vierter, vollständig neu<br />
bearbeiteter und aktualisierter auflage erschienen ist.<br />
Ein falsches Verhältnis zur Kunst, lediglich<br />
ein Bedürfnis nach Geltung oder extremes<br />
Interesse am Geldverdienen. Auch kann die<br />
Verwirklichung bestimmter Tendenzen das<br />
Ziel sein: Kitsch soll der Ideologie dienen,<br />
soll volksnah sein, soll genussreich sein, soll<br />
schön sein; wobei Schönheit ein undefinierbarer<br />
Begriff zu sein scheint.<br />
Im Manierismus, Barock und Jugendstil finden<br />
sich genügend Beispiele, die nahe am<br />
Kitsch sind.<br />
Wie aber soll Kunst bezeich<strong>net</strong> werden?<br />
Es gibt von namhaften Künstlern genügend<br />
Hinweise zu echtem künstlerischen Schaffen;<br />
denn jeder ernsthafte Künstler wird vor<br />
der Frage stehen „Schaffe ich Kunst oder<br />
Kitsch?“<br />
Kunst zu erfassen, insoweit als fremde, störende<br />
Elemente auszuschießen sind. Es soll<br />
ein eigenständiges Thema gefunden werden,<br />
vergangenheitsbezogen oder zukunftsweisend<br />
mit erlebnismäßigem Aufnehmen<br />
der gegenwärtigen Dinge.<br />
Die Dichtung beispielsweise wird nicht<br />
mehr allein das Tun rhythmisieren, sie wird<br />
voraus sein! (Zitat Rimbaud bereits 1871)<br />
Ein Kunstwerk soll nicht nur geistvolle Ansichten,<br />
sondern auch Sinngehalte vermit
teln, es soll den Menschen ansprechen, sein<br />
Innerstes beeindrucken.<br />
Diffuses Umherirren soll entfallen; ein starker<br />
zielstrebiger Orientierungssinn soll der<br />
Kunst dienlich sein.<br />
In Essays, Programmschriften, Tagebüchern<br />
finden sich kunstästhetische Antworten: ich<br />
zitiere:<br />
Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst<br />
(1912)<br />
Nolde und Barlach, die Expressionisten: Das<br />
eigene Leben und selbsterlebtes Leben<br />
Paul Klee: Tagebücher<br />
Marc: Briefe, Aphorismen<br />
Macke: Gedanken zu Formen der Kunst und<br />
des Lebens<br />
Goethe: Über die Gegenstände der bildenden<br />
Kunst (Zeitschrift Propyläen)<br />
Adorno: Verschiedene Schriften zB. The<br />
Authoriarien Personality<br />
Man befrage auch Kunsthistoriker und deren<br />
Werke, wie zB. Jakob Burckhardt oder<br />
Winkelmann.<br />
Ich möchte aber nicht verschweigen, dass es<br />
unter Künstlern auch Vorurteile bzw. Fehlurteile<br />
gibt:<br />
Einige Zitate möchte ich anfügen:<br />
Grillparzer über Beethovens 9. Symphonie<br />
„Kurioses Zeug“<br />
Literatur-Nobelpreis<br />
für Herta Müller<br />
Eigentlich braucht man es nicht mehr zu<br />
berichten, die überraschende Verleihung des<br />
Literatur-Nobelpreises an die 1953 geborene<br />
Rumänin Herta Müller stieß auf selten<br />
ungeteilte Zustimmung. ‚Sie hat wirklich<br />
eine Geschichte zu erzählen’, heißt es, ‚mittels<br />
Verdichtung der Poesie und der Sachlichkeit<br />
der Prosa’ beschreibt sie ‚Landschaften der<br />
Heimatlosigkeit’. ‚Als ich ihre Bücher gelesen<br />
habe, hat mich das innerlich erschüttert’,<br />
sagte der Chef der Nobelpreis-Akademie<br />
Peter Englund. Müller schreibe ‚völlig<br />
essay / iGda<br />
Kleines Feuilleton<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 38<br />
Rossini über Webers Musik „verursacht<br />
Bauchgrimmen“<br />
Caroline von Schlegel über Schillers Glocke<br />
„…sind wir gestern mittags fast von den<br />
Stühlen gefallen vor Lachen“<br />
Hebbel über Stifters Nachsommer (3 Bände)<br />
„Wir glauben nichts zu riskieren, wenn wir<br />
demjenigen, der sie gelesen hat, die Krone<br />
von Polen versprechen“<br />
Auch die Presse scheut sich nicht, Kunstfragen<br />
fehlerhaft zu interpretieren:<br />
Die Münchner Neusten Nachrichten über<br />
den Blauen Reiter „unheilbar Irrsinnige oder<br />
bloße Bluffer“<br />
Der Berliner Börsenverein über Paul Klee<br />
„Max und Moritz-Zeichner“<br />
Und was ist mit Wilhelm Busch, ist er kein<br />
Künstler?<br />
„Können Sie, liebe Leser, nach meinen gutgemeinten<br />
Notizen nunmehr sagen, was<br />
Kitsch und was Kunst ist?“<br />
Ich möchte diese Frage offen lassen und<br />
wäre zufrieden, wenn Sie die positiven Werte<br />
der Kunst im Gegensatz zum Kitsch finden<br />
würden.<br />
dieser text wurde unter Verwendung des wissenschaftlichen<br />
Materials von dr. richard Hörning verfasst<br />
ehrlich, mit einer unglaublichen Intensität.<br />
Sie schreibt auch als jemand aus einer<br />
Minderheit, völlig ohne Rücksicht auf sich<br />
selbst.’ Ihr letztes Buch, die ‚Atemschaukel’,<br />
erst im August <strong>2009</strong> erschienen, war bald<br />
schwer zu bekommen. Er handelt von der<br />
Verfolgung der Rumäniendeutschen aus<br />
Siebenbürgen unter Stalin. Mittlerweile ist<br />
es wieder vorrätig und auch als Hörbuch ein<br />
erlebbarer Genuss mit dem Vorleser Ulrich<br />
Matthes.
Deutscher Buchpreis an<br />
Kathrin Schmidt<br />
Ebenso sympathisch berührte die Freude<br />
von der bescheidenen Kathrin Schmidt<br />
über die Verleihung des hochdotierten<br />
Deutschen Buchpreises. Sie erhielt ihn<br />
überraschend für ihren in wesentlichen<br />
Teilen autobiographischen Roman<br />
‚du stirbst nicht.’ Es ist die Geschichte<br />
von Helene Wesendahl, die nach einer<br />
Hirnblutung und vierzehntägigem Koma<br />
im Krankenhaus aufwacht. Die Frau erlebt<br />
ihren Körper und sich selbst als fremd,<br />
erkennt zunächst kaum etwas wieder und<br />
ringt sich doch zurück ins Leben. Dabei<br />
entdeckt sie, dass sie den Mann, der jetzt so<br />
liebevoll pflegt, eigentlich verlassen wollte.<br />
’Du stirbst nicht’, sagte Kathrin Schmidts<br />
Mann zu ihr, nachdem sie auf ihrem Balkon<br />
einfach umgefallen war. Seitdem ist sie nicht<br />
mehr dieselbe, sagt sie.<br />
Internationales Literaturfestival<br />
Berlin<br />
Das 10. internationale Literaturfestival Berlin<br />
mit dem Fokus Osteuropa wird vorbereitet,<br />
das vom 15.-26. September 2010 stattfinden<br />
wird. Erste Gespräche über das Programm<br />
konnten mit Autoren aus Osteuropa<br />
sowie mit ansässigen osteuropäischen<br />
Kulturinstitutionen und Botschaften geführt<br />
werden. Lesungen internationaler Autoren<br />
finden regelmäßig statt. Ende Oktober war<br />
die argentinische Autorin Elsa Osario (‚mein<br />
Name ist luz’ und ‚im Himmel tango’) zu hören.<br />
Mitte November führte der Schriftsteller Said<br />
durch einen Abend für die Verfolgten im<br />
Iran unter dem Motto: ‚Poesie ist Befreiung.’<br />
Es lasen die SchauspielerInnen Corinna<br />
Harfouch, Jutta Hoffmann, Jutta Lampe und<br />
B.K. Tragelehn iranische Literatur aus einem<br />
halben Jahrhundert der Unterdrückung.<br />
Das internationale Literaturfestival Berlin ist<br />
eine Veranstaltung der Peter-Weiß-Stiftung<br />
für Kunst und Politik e.V. und der Berliner<br />
Festspiele. Es steht unter der Schirmherrschaft<br />
der Deutschen UNESCO-Kommission und<br />
wird ermöglicht aus Mitteln des Hauptstadt-<br />
Kulturfonds.<br />
iGda<br />
Neue Buchreihe:<br />
‚Praxis der Sprachtherapie<br />
und Sprachheilpädagogik’.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 39<br />
Der Basler Buchhändler Ernst Reinhardt<br />
startete 1899 in München mit dem Kauf einer<br />
Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung.<br />
Bald verlagerte sich der Schwerpunkt vom<br />
Buchhandel zur Verlagsarbeit. Die ersten<br />
fünf Publikationen erschienen 1900 auf<br />
dem Gebiet der Theologie, Medizin und<br />
Sozialwissenschaften. Ab diesem Jahr gab<br />
es auch die Freundschaft mit der Dichterin<br />
Ricarda Huch.<br />
Die wachsende Ausbreitung des Verlages<br />
stieß an einen Widerstand im dritten Reich.<br />
Wie vielerorts wurden ab 1934 Bücher<br />
beschlagnahmt ‚wegen religiös und politisch<br />
unerwünschter inhalte und autoren’. Der<br />
Begründer Ernst Reinhardt selbst starb 1937<br />
an den Folgen eines Fahrradunfalls.<br />
In den Folgejahren entwickelte der Verlag<br />
pädagogisch-psychologische Reihen. Die<br />
bekannte Zeitschrift ‚psychologie in erziehung<br />
und unterricht’ entstand, der Bestseller<br />
‚Grundformen der angst’ von Fritz Riemann<br />
erschien, bald übersetzt in 13 Sprachen.<br />
Die Übernahme der erlebnispädagogischen<br />
Buchreihe ‚erleben & lernen’ bedeutete<br />
weiteres Ausbauen in diesem Themenbereich.<br />
Neben manchem anderen erschien ab<br />
2004 die Zeitschrift ‚Vierteljahresschrift<br />
für heilpädagogik und ihre nachbargebiete’.<br />
Um dem wachsenden Arbeitsfeld<br />
der Sprachtherapie, Logopädie und<br />
Sprachheilpädagogik gerecht zu werden,<br />
startete der Ernst Reinhardt Verlag ab Oktober<br />
<strong>2009</strong> nun mit der neuen Buchreihe: ‚Praxis<br />
der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik’.<br />
Angesprochen sind Sprachtherapeuten,<br />
Logopäden, Lehrer u.a.. an unterschiedlichen<br />
Einrichtungen.<br />
Infos: http://www.reinhardt-verlag.de/.<br />
Die ersten drei Bände der Reihe heißen:<br />
Iris Eicher: ‚Sprachtherapie planen, durchführen,<br />
evaluieren’.Karin Reber / Wilma Schönauer-<br />
Schneider: ‚Bausteine sprachheilpädagogischen<br />
unterrichts’. Barbara Rodrian: ‚Elterntraining<br />
Sprachförderung’.
Johanna Klara Kuppe<br />
Marion H. Fischer<br />
Mario andreotti<br />
Matthias Stark<br />
Johanna Klara Kuppe<br />
pfeil an die rippen<br />
gelegt geschenk knorriger<br />
bäume flieg wenn der<br />
bussard ruft flieg leicht<br />
zu atmen im rippengewölbe<br />
gesandt ins sonnengeflecht die<br />
wurzelhaare gelöst steigst<br />
du an atemsäulen hinauf in<br />
windbewachsene räume<br />
Marion H. Fischer<br />
Kleiner Engel<br />
Du schaust mich an –<br />
doch der Blick verrutscht,<br />
und findet die eigene Nase.<br />
Du streckst die Ärmchen aus –<br />
doch die Faust landet nur<br />
auf deinem linken Ohr.<br />
Wortlos nehme ich Dich in die Arme<br />
und spiele mit der Frage:<br />
Was Du wohl später liebst,<br />
und was aus Dir werden wird!<br />
So viele Antworten, so viele Tage!<br />
So, als ob Du es heute schon weißt,<br />
lächelst Du schelmisch im Schlaf.<br />
Kleiner Engel, nimm meine Hand,<br />
iGda<br />
Wir begrüssen unsere neuen Mitglieder sehr herzlich:<br />
ich schenke Dir Wärme<br />
und Zuversicht.<br />
Kuschle Dich an mein Herz,<br />
kleiner Mann,<br />
ich schreib ein kleines Stück Glück<br />
in Deine Seele hinein!<br />
Vertraue und fürchte Dich nicht,<br />
denn bei uns bist Du daheim.<br />
August 2003, Kevins Geburtstag<br />
Matthias Stark<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 40<br />
zeit ohne seele<br />
am bahnsteig des seins für kurzen halt<br />
fährt der zug des lebens nun ein<br />
auf der reise vom gestern ins morgen<br />
kein abteil scheint mehr frei zu sein<br />
augenpaare seelenlos hinter dem glas<br />
sekunden tropfen aus der bahnhofsuhr<br />
ein plätzchen erhaschen für ein leben<br />
ein paar stationen - ein stehplatz nur<br />
alle wollen noch mit auf die fahrt<br />
intellektuelle und intelligente mit geschick<br />
wissen umzugehen mit dem ellenbogen<br />
und immer wieder bleibt jemand zurück<br />
der zug fährt weiter für alle zeit<br />
nichts kann ihn halten für längere rast<br />
erst kurz vor dem aussteigen dann<br />
wird so mancher erlöst von der hast<br />
Mario andreotti<br />
- lesen Sie bitte unter ‚Essay‘
3. Nordhessischer Autorenpreis<br />
in Kassel<br />
zum Thema ‚Klartext‘ erhielten HANS<br />
HORN, Rainald Simon, Anke Laufer, Josef<br />
Herzog und Angelika Seithe. Die Initiatorinnen<br />
Kirsten Alers, Henrike Taupitz<br />
und Carmen Weidemann vergaben einen<br />
Sonderpreis für über 40-jähriges regionales<br />
literarisches Schaffen an HANS HORN,<br />
Schwalmstadt.<br />
Lesezeichen <strong>2009</strong>/2010 in Hildesheim<br />
HEIDRUN SCHALLER<br />
ist mit 2 Gedichten (von 25 ausgewählten<br />
aus 2000 TeilnehmerInnen) vertreten.<br />
Dichterische Lebensräume in den Straßen –<br />
ein Kunst- und Literaturprojekt vom Forum<br />
Literaturbüro e.V. Hildesheim – monumentale<br />
Gedichtbanner lassen Straßen und Plätze<br />
für 6 Monate zu einem Park der Poesie<br />
werden.<br />
‚Ich bin Nomadin und habe Schreiben (und<br />
Malen) als Medium für mich gefunden, um<br />
mich und meine Fremdheit in der Welt mit<br />
Worten zum Ausdruck zu bringen.‘<br />
Unvergessenes aus dem Leben von Müttern<br />
und Großmüttern – Kurzgeschichten<br />
iGda<br />
Aktivitäten der Mitglieder<br />
Unter diesem Titel fand am 24. Oktober<br />
<strong>2009</strong> in Zürich – Zentrum Karl der Große,<br />
eine vielbeachtete Lesung statt. Neben zahlreichen<br />
Autoren wurde aus dem Werk von<br />
WALTER EHRISMANN gelesen.<br />
PETER DREYLING gestaltete am 29.10.<strong>2009</strong><br />
einen Leseabend zum Thema ‚Kunst in Bewegung,<br />
Leben mit Farben und Worten‘ anlässlich<br />
der Kunstausstellung ‚alle Richtungen‘<br />
von Klaus Selz und Jochen Lebert.<br />
THOMAS RACKWITZ konnte in Berlin am<br />
4.11. <strong>2009</strong> im Rahmen eines Abends ‚105.<br />
Geburtstag des Dichters Walter Bauer‘ sein<br />
soeben erschienenes Buch ‚grenzland‘ einem<br />
interessierten Publikum präsentieren. (Rezension<br />
erscheint in der Ausgabe 1/2010)<br />
3. Abend ‚IGdA in Wien‘<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 41<br />
HELMA GIANNONE – IRMENTRAUD<br />
TER VEER – WENTILA DE LA MARRE<br />
Der dritte und für <strong>2009</strong> letzte literarischmusikalische<br />
Abend hat am 28.10. <strong>2009</strong> in<br />
Goldschmied’s Galerie Heinrich stattgefunden.<br />
Einerseits sollten Autoren die Möglichkeit<br />
haben, aus ihrem Schaffen vorzutragen,<br />
andererseits ist das Ziel, die Interessengemeinschaft<br />
in Wien einzuführen bzw. bekannt<br />
zu machen.<br />
Es wurde ein deutschsprachiger, internationaler<br />
Abend, woran die musikalische<br />
Begleitung wesentlichen Anteil hatte. Aus<br />
Den Haag war Irmentraud ter Veer zu uns<br />
gekommen, eine Dichterin, die nicht nur<br />
durch ihre geschulte Stimme, sondern die<br />
großartig gesetzten Worte sehr gut aufgenommen<br />
wurde. Wentila de la Marre war<br />
aus Graz angereist – ca. 3 Stunden Bahnfahrt<br />
je Strecke von Wien entfernt), um aus ihren<br />
Werken zu lesen. Verdientermaßen erhielt<br />
auch sie viel Zustimmung.<br />
Helma Giannone, kurz, knapp, klug, klar in<br />
ihren Beobachtungen traf im wahrsten Sinn<br />
des Wortes den Punkt.<br />
Abgerundet wurde durch Musik in der<br />
Kombination Horn-Klavier. Am Klavier die<br />
international bekannte Pianistin Johanna<br />
Horny-Neumann, das Musikprogramm zusammengestellt<br />
und großartig gespielt, der<br />
Wiener Philharmoniker Roland Horvath.<br />
Nur ein Ausschnitt: es erklangen ein schottisches<br />
Lied ebenso wie ‚Ein Künstlerleben‘<br />
von Strauss. Mit der inoffiziellen österreichischen<br />
Bundeshymne, ‚An der schönen blauen<br />
Donau‘ klang dieser Abend (fast) aus, der<br />
von einem interessierten Publikum – darunter<br />
Dietmar Grieser – sehr gut aufgenommen<br />
wurde. Ganz spontan trug Irmentraud<br />
ter Veer zum Abschluss eines der Gedichte<br />
aus ihrem Buch ‚Donau‘ vor.<br />
Ein besonderer Abend, der Interesse weckte<br />
und gezeigt hat, dass IGdA für Niveau<br />
steht.<br />
GGB
iGda<br />
Bücherschau<br />
Moderne Literatur - ein neuer Zugang<br />
Mund im verborgenen Spiegel, Reicht euch das Dunkel<br />
Knie vor der Säule des Hochmuts, nennt meinen Namen,<br />
Hand mit dem Gitterstab; führt mich vor ihn.<br />
Kann man dieses Gedicht als Kunst bezeichnen?<br />
Ist es gute Lyrik? Lassen sich die<br />
dunklen Andeutungen von Paul Celan („Ins<br />
Nebelhorn“, 1952) interpretieren? Mario Andreotti,<br />
Lehrbeauftragter für Sprach- und<br />
Literaturwissenschaft an der Universität St.<br />
Gallen, langjähriger Referent in der Fortbildung<br />
für Mittelschullehrkräfte, Mittelschullehrer<br />
in St. Gallen und anerkannter Experte<br />
für die Literatur der Moderne, behauptet: Ja!<br />
Und er tritt den Beweis in seinem fast 500seitigen<br />
Sachbuch über die Struktur der modernen<br />
Literatur überzeugend an.<br />
Die Grundfragen des Buches: Was ist moderne<br />
Literatur? Welche geistesgeschichtlichen<br />
Einflüsse wirkten auf die Moderne und welches<br />
sind die Merkmale und die Gattungsformen<br />
moderner Erzählprosa und Lyrik<br />
werden in dieser 4. vollständig neu bearbeiteten<br />
und aktualisierten Auflage mit dem<br />
Kapitel „Einige Kriterien guter literarischer<br />
Texte“, das vor allem für die Hand praktizierender<br />
Autoren gedacht ist, sowie mit einem<br />
gut 100-seitigen Glossar zu literarischen, linguistischen<br />
und philosophischen Grundbegriffen<br />
ergänzt, welches für sich allein schon<br />
ein nützliches Nachschlagewerk darstellt.<br />
Die stark erweiterte Neuauflage vom September<br />
<strong>2009</strong> stellt eine Fundgrube für eine<br />
riesige Anzahl modernster Texte dar, die<br />
hier erstmals wissenschaftlich eingeord<strong>net</strong><br />
und interpretiert werden. Die meisten Textbeispiele<br />
wurden aktualisiert, das jüngste<br />
Beispiel - ein Anagramm von Barbara Köhler<br />
- stammt vom April <strong>2009</strong>. Andreotti scheut<br />
nicht davor zurück, die literarische Subkultur,<br />
die seit Ende der 60er Jahre am Rande<br />
des offiziellen Literaturbetriebes entstand,<br />
zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen<br />
zu machen. So finden neben Pop-<br />
und Beatliteratur auch die jüngsten Entwicklungen<br />
in der Spät- und Postmoderne mit<br />
ihrem Schwerpunkt auf dem spoken word<br />
und der Performance wie Rap und Slam Po-<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 42<br />
etry ihre Beachtung. Der digitalen Literatur,<br />
die seit Mitte der 90er Jahre im Web entstand<br />
und die neuerdings mit dem Handy-Roman<br />
bereichert wurde, ist ein eigenes Kapitel gewidmet.<br />
So bekommt der interessierte Leser<br />
auch einen breiten Einblick in die aktuelle<br />
Jugendkultur und ihre Texte.<br />
Stärker als die vorherigen Auflagen orientiert<br />
sich der Autor an der praktischen Nutzbarkeit<br />
seines Buches. So wurde die Sprache<br />
vereinfacht, wissenschaftliche Begrifflichkeiten<br />
weitestmöglich vermieden bzw. gut verständlich<br />
erklärt, damit Autoren, aber auch<br />
alle übrigen literarisch Interessierten die<br />
Texte im Selbststudium bearbeiten können.<br />
Hilfreich sind hierfür die grafisch sehr gut<br />
aufbereiteten Überblicke am Ende jedes Kapitels<br />
zu Aspekten der modernen Literatur<br />
sowie die prägnante Gegenüberstellung von<br />
moderner und traditioneller Erzählprosa<br />
und Lyrik. Ein breiter Aufgabenteil mit aktuellsten<br />
Texten, anhand derer das neuerworbene<br />
Wissen überprüft, bzw. mit kreativen<br />
oder Suchaufgaben z.B. für Hyperfictions<br />
im Netz erweitert werden kann, rundet das<br />
Werk ab. Zu den einzelnen Arbeitsvorschlägen<br />
finden sich im Inter<strong>net</strong> unter www.utbmehr-wissen.de<br />
Lösungshinweise.<br />
Andreotti vermag sein profundes Wissen<br />
und seine unerschöpfliche Textkenntnis<br />
leicht verständlich auf den Punkt zu bringen<br />
und in einer präzisen, aber auch humorvollen<br />
Sprache dem Leser schmackhaft zu machen.<br />
Martin Walser empfiehlt den Strukturband<br />
als ein Buch, in dem er mehr fand, als<br />
er gesucht habe. „Mein Eindruck: ein Buch<br />
von unendlicher Brauchbarkeit.“<br />
Christiane Matter<br />
mario andreotti: Die Struktur der modernen literatur. neue<br />
Wege in der textinterpretation: erzählprosa und lyrik. mit<br />
einem Glossar zu literarischen, linguistischen und philosophischen<br />
Grundbegriffen. utB Band 1127, 4., vollst. neu bearb.<br />
und aktual. auflage <strong>2009</strong>. 488 S., 14 abb., ChF 29.90/eur<br />
16.90 (uVp). iSBn 978-3-8252-1127-1.
iGda<br />
Rätselbuch zu den Festen im Kirchenjahr<br />
Renate und Karl-Hermann Schneider<br />
Patmos Verlag, Düsseldorf, <strong>2009</strong>,<br />
Großformat, 168 S., ISBN 978-3491-75652-6<br />
Warum nicht auch ehemaligen IGdA-Mitgliedern<br />
die Ehre erweisen, die ihnen gebührt?!<br />
Karl-Hermann Schneider war lange<br />
Jahre in unserer Gemeinschaft tätig, hatte<br />
zeitweilig auch eine Funktion im Vorstand<br />
und erhielt – neben anderen „externen“<br />
Auszeichnungen – auch die Rudolf-Descher-<br />
Feder. Mit seiner tüchtigen Frau Renate, die<br />
auch noch als Lehrerin voll im Berufsleben<br />
steht, veröffentlichte er in den letzten Jahren<br />
ein religiöses Kinder-, Jugend- und Familienbuch<br />
nach dem anderen und die beiden<br />
haben damit solch einen Erfolg, dass ein<br />
Ende der Aufträge nicht in Sicht ist.<br />
Das letzte literarische Kind des rastlosen<br />
Ehepaars übertrifft seine Vorgänger durch<br />
eine wahre Flut an Rätseln, Bastelanleitungen,<br />
Puzzles, Rezepten gepaart mit kindgerecht<br />
aufgearbeiteter Geschichte, die auch<br />
Erwachsenen durchaus Neues, Wissenswertes<br />
zu vermitteln vermag. Es ist in 17 jahres-<br />
Hermann Wischnat<br />
Gereimtes und Ungereimtes, Ernstes und<br />
Unernstes, Verlag ‚Book on Demand‘<br />
Norderstedt, 80 S.,ISBN 978-3-8391-0546-7<br />
€ 10,-<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 43<br />
zeitlich angeord<strong>net</strong>e Kapitel unterteilt, die<br />
mit dem Advent und Weihnachten beginnen<br />
und mit Allerseelen und dem Heiligen<br />
Martin enden. Jedes dieser Kapitel vereint<br />
wiederum die jeweils passenden Bibelverse,<br />
Basteleien, Quizfragen, Bräuche und Rezepte,<br />
gibt den Erwachsenen durch ein bis<br />
drei Sterne Hinweise über die Schwierigkeit<br />
der Rätsel; und sollte die eine oder anderes<br />
„Nuss“ justament nicht zu knacken sein, so<br />
bieten die letzten fünf Seiten für alle offenen<br />
Fragen die richtige Lösung an. (Aber diese<br />
Seiten sollte man eigentlich als Testperson<br />
jeglichen Alters erst gar nicht benötigen und<br />
tunlichst abheften!)<br />
Renate Schneider hat auch noch die Illustrationen<br />
der Innenseiten selbst verfertigt und<br />
verdient damit ein Sonderlob. Leseproben<br />
zu bringen und wiederzugeben, ist wegen<br />
der Grafiken etwas schwierig. Deshalb fehlen<br />
diese und werden durch die Aufforderung<br />
ersetzt: Sehen Sie sich das Buch selbst<br />
an, erwerben Sie es und empfehlen Sie es<br />
weiter – jede und jeder wird großen Gewinn<br />
daraus ziehen!<br />
ich kenne gar kein dezifit<br />
Wie macht das bloß der Wischnat? Mit einer<br />
ähnlich lautenden Überschrift (nur da<br />
letzte Wort – der Firmenname – war anders)<br />
bewarb eine österreichische Fotofirma ihre<br />
Niedrigpreisschlager. Hermann Wischnat,<br />
einige Jahre auch ‚Erster‘ der IGdA und<br />
verdienstvoller Referent bei gar vielen Ta-<br />
Helmfried Knoll<br />
gungen unserer Gemeinschaft, landete einmal<br />
mehr einen literarischen Volltreffer: in<br />
Zeiten ausufernder und lebensbedrohender<br />
DEFIZITE beweist er uns, beweist er<br />
uns, dass er überhaupt kein DEZIFIT kenne.<br />
Nicht trocken, wissenschaftlich und<br />
statistisch besorgt er dies, sondern gereimt<br />
und ungereimt, ernst und SO unernst, dass<br />
der Leser immer wieder lauthals auflachen<br />
muss. Beispiele gefällig? Prosaisch z.B. S. 8<br />
ABSATZ<br />
Zuständig für<br />
Produktion und Absatz,<br />
macht er auf letztem kehrt und blieb<br />
auf ersterer sitzen.
Oder – gereimt – S. 34<br />
Drachenbau<br />
oder von Freund zu Freund<br />
Dem Freunde klagt Fritz frank und frei,<br />
dass seine Frau ein Drache sei.<br />
Der Freund, der seinen Fritz durchschaut,<br />
fragt augenzwinkernd: „Selbst gebaut?“<br />
Dem (verballhornenden) Buchtitel angemessen<br />
ist auf S. 62<br />
Unwirsche Erkenntnis<br />
Als ich mich mit dem Max vergleichte.<br />
Der auch den Fiedelbogen streichte,<br />
bemerkte ich bedauernd doch,<br />
dass er den Bogen besser stroch.<br />
Ich warf ihn weg. Max fiedelt noch.<br />
iGda<br />
Selbstkritische Anmerkung: „De Dichter (?)<br />
hat hier anscheinend nicht nur mit dem Fiedelbogen<br />
Schwierigkeiten.“<br />
Ich strich mir gleich bei der ersten Lektüre<br />
13 der 96 Beiträge als zitatwürdig an; fürchte<br />
jedoch a) dass sie in voller Länge den Umfang<br />
der Besprechung für ein 80 Seiten starkes<br />
Bändchen sprengen und b) die Lektüre<br />
durch (hoffentlich möglichst viele!) Käufer<br />
beeinflussen könnte. Da aber Hermann<br />
Wischnat ALLE Register zieht (auch Schüttelreime,<br />
literarisches ‚Textdesign‘, Kampf<br />
dem ‚Engleutsch‘ – s. „modern learning“ auf<br />
S. 70), ist es einfach unabdingbar, dass der<br />
Käufer auch ALLES liest und genussvoll in<br />
sich aufnimmt.<br />
Im abschließenden Essay „Ein komisches Gedicht?“<br />
wird der gebürtige Ostpreuße, der<br />
in einer Vielzahl höchst unterschiedlicher<br />
Berufe seine Fähigkeiten bewiesen hat, zum<br />
Lehrer und Referenten und fordert von seinen<br />
Lesern Antwort auf mancherlei Fragen.<br />
(Siehe auch „IGdA-aktuell“ 2/3-<strong>2009</strong>!) Mit 73<br />
Jahren ist Hermann Wischnat als nunmehr<br />
freier Schriftsteller in seinem Lebensherbst<br />
angekommen.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 44<br />
So möge denn auch „SCHÖNER HERBST“<br />
(S. 44) diese Buchbesprechung mit des Autors<br />
eigenen Worten abrunden:<br />
Schöner Herbst<br />
Ich stehe im Lebensherbst.<br />
Und da, das gehört sich,<br />
denkt man nach<br />
über sich und so.<br />
Neulich fiel mit dabei ein:<br />
Mensch, du vergisst ja das Ernten.<br />
Na, da habe ich aber die Ärmel<br />
Hochgekrempelt.<br />
Nicht schlecht, die Ernte.<br />
Und jetzt bereite ich den Acker<br />
Für die nächste Aussaat vor. Also,<br />
was einem beim Nachdenken<br />
alles einfällt!<br />
Mir geht’s einfach gut.<br />
PS: Im Gegensatz zum Hindu-Gott WischnU<br />
hat Hermann WischnAT zwar keinen dunkelblauen<br />
Körper und nur zwei arme, statt<br />
deren vier und thront weder auf einem Adler<br />
noch auf einer Lotusblume, sondern nur auf<br />
seinen vier Buchstaben; dafür aber ist er ein<br />
Erdenbürger, den man einfach mögen muss.<br />
Helmfried Knoll<br />
Hermann Wischnat
herausgegeben von Waltraud Weiss, wort und<br />
mensch VErlaG<br />
Köln – <strong>2009</strong>, 1. auflage, preis: 17,80 €<br />
Gedanken zu Versöhnung –<br />
Ein Schritt zum Frieden - Anthologie -<br />
iGda<br />
Ein großes Thema, gewiss, doch wie häufig<br />
schon behandelt, nach Herz und Schmerz<br />
klingt das Wort Versöhnung, nach Tränen<br />
vielleicht im gefälligen Zeilenumbruch. Ist<br />
dieses neue Buch zur Versöhnung wirklich<br />
notwendig?<br />
Das kommt darauf an. Wer sein Vorurteil<br />
bestätigt sehen möchte, selber weit entfernt<br />
ist, an Versöhnung zu arbeiten, sollte<br />
Waltraud Weiss’ Anthologie schnell aus<br />
der Hand legen. Denn hier geschieht und<br />
erfährt der Leser weit mehr als das, was alle<br />
Welt zu kennen meint und zu dem nichts<br />
Neues zu sagen wäre.<br />
Versöhnung – Ein Schritt zum Frieden, dieses<br />
Buch stiftet mit seiner Lyrik und Prosa,<br />
mit seinen einfühlsamen Bildern zum Lesen<br />
an.<br />
Ich zitiere:<br />
und jetzt kommen die und wollen sich<br />
mit mir wieder vertragen.<br />
Da kennen die mich aber schlecht.<br />
Wenn bei mir Schluss ist,<br />
ist bei mir Schluss<br />
(Hermann Wischnat)<br />
den Krieg nicht in Frieden lassen<br />
das ist der Traum der Versöhnung<br />
Versöhnung – Anthologie –<br />
Lyrik . Prosa . Bilder<br />
(Peter Würl)<br />
(Bettina Witte)<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 45<br />
lasst uns die grenzpfähle umpflügen<br />
(angelika Zöllner)<br />
Gegen den Krieg …<br />
wenn wir uns die Hände reichen<br />
Und uns miteinander verbinden<br />
Dann sind wir<br />
Grenzenlos<br />
E i n s<br />
(Waltraud Weiss)<br />
Irgendwann ist jeder Mensch vor die Wahl<br />
gestellt, wofür er sich entscheidet, schreibt<br />
Joachim Fest in Bürgerlichkeit als Lebensform,<br />
fürs Vergangene oder fürs Kommende.<br />
Das leben aufzählen<br />
in machtstücken<br />
kaltgründig<br />
die zukunft verlieren<br />
oder<br />
versöhnend<br />
die hand reichen<br />
(angelika Zöllner)<br />
Diese Entscheidung hängt von den unterschiedlichsten<br />
Faktoren ab, fährt Joachim<br />
Fest fort, von gesellschaftlichen, politischen,<br />
vom Temperament, von der Erziehung und<br />
natürlich auch von der Zeitstimmung. Hinzukommt,<br />
möchte ich anfügen, die Rolle<br />
der Geschlechter. Nicht ohne Grund räumt<br />
Waltraud Weiss einen breiten Raum zum<br />
Thema Versöhnung gerade den Frauen ein.<br />
Sie bleiben seltener als Männer bei den großen<br />
Theorien stehen, sie ziehen beherzter<br />
die praktischen Konsequenzen daraus, sind<br />
heute mutiger als früher. Noch Mommsen,<br />
der Historiker, konnte schreiben: „Im Grunde<br />
besteht die Menschheit nur aus Kriegen,<br />
Friedenszeiten sind nur Atempausen.“
Gegen diese Feststellung wendet sich die<br />
Anthologie: Versöhnung – ein Schritt zum<br />
Frieden ganz entschieden. Natürlich sind<br />
wir alle von unseren Vergangenheiten geprägt,<br />
aber es ist an uns, sie zu Erfahrungen<br />
zu verarbeiten, die weiter führen. Wenn eine<br />
Verbrüderung aussichtslos erscheint, die<br />
Männer nicht zur Versöhnung finden, baut<br />
Waltraud Weiss auf die Kraft der Frauen,<br />
Frieden zu schaffen,<br />
Ver-töchterung ist Hoffnung<br />
Die weiße Taube lacht und singt -<br />
wo Frieden ist, ist Hoffnung<br />
(Maria Sassin)<br />
Trotzdem / Ist Hoffen / Immer ein Schimmer<br />
(Waltraud Weiss)<br />
Verschieden die Stimmen der alphabetisch<br />
geord<strong>net</strong>en Autoren, unterschiedlich dadurch<br />
auch die Themen der Versöhnungen,<br />
eine Tatsache, die den Leser davor bewahrt,<br />
zuviel von „einer Sorte“ hintereinander zu<br />
lesen. Um christliche Versöhnung geht es,<br />
um die Würde des Bettlers, um Liebende,<br />
Eltern und Kinder, um Heimatvertriebene,<br />
Fremde, um die Aussöhnung mit dem<br />
jüdischen Volk. Selten wird Herz-Schmerz<br />
ausgebreitet, verständlicherweise vor allem<br />
von den sehr berührenden Schülerstimmen,<br />
auch hier geht es um Vertrauen, um das Zugehen<br />
auf einander, ohne auf die eigenen<br />
Befindlichkeiten zu achten. Versöhnung ein<br />
langer Prozess, nicht immer gelingt sie. Oft<br />
sind Zusammenhänge erst aufzudecken, immer<br />
braucht es die Bereitschaft, einander zu<br />
verstehen, nicht zuletzt sich selbst.<br />
Da fällt mir ein …<br />
so als Frage: Sollte ich<br />
mich erst mal mit mir selbst versöhnen?<br />
(Hermann Wischnat)<br />
Sehr poetisch wirbt die Erzählung Rapunzel<br />
um Versöhnung, um die Einsicht, dass die<br />
eigene Verbitterung überwunden werden<br />
kann: Hand in Hand machten wir uns auf<br />
den Weg (S. T. Raile).<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 46<br />
Leichtfüßig kommt die Versöhnung auf einem<br />
Spaziergang daher, WUT meldet die<br />
Galle, der Magen will nichts mehr runterschlucken<br />
und der hohe Blutdruck, siehe da,<br />
wird als Folge fehlender Versöhnung diagnostiziert<br />
(Greta Scheida). Nur scheinbar ein<br />
Leichtgewicht ist auch das gelungene Gedicht<br />
Möwenkaffeeklatsch. Mühelos übersetzt<br />
es eine starke Aussage in Bilder, nichts<br />
muss direkt gesagt werden:<br />
Das sehen die Möwen<br />
der Bansiner Brücke auch<br />
Sie sind still – wie ich –<br />
Und genießen die Sonne und das Licht –<br />
Das Gedicht will sprechen, ansprechen, aussprechen,<br />
sagt Rose Ausländer. Es ist kein<br />
Ruheplatz. Das gilt ebenso für manche Prosa<br />
und sicher für Waltraud Weiss’ Anthologie<br />
Versöhnung – Ein Schritt zum Frieden. Das<br />
Buch hat eine wichtige Stimme und will gehört<br />
werden.<br />
Zugehen auf einander<br />
sieben mal siebenundsiebzig Mal<br />
(Maria Sassin)<br />
Cordula Scheel
Wettbewerbe<br />
1 15. MDR Literaturwettbewerb 2010<br />
Der Mitteldeutsche Rundfunk schreibt den<br />
15. Wettbewerb aus. Er ist eine Einladung<br />
für deutschsprachige AutorInnen, die<br />
bereits Literarisches veröffentlicht<br />
haben, sich mit einer unveröffentlichten<br />
Kurzgeschichte/, Short Story zu beteiligen.<br />
Die Auszeichnung ist dotiert und bietet die<br />
Möglichkeit, seinen/ihren Text im Rundfunk<br />
vorzustellen. Die Länge des Textes ist auf<br />
15 Leseminuten - ca. 6 Seiten, 30 Zeilen ä 60<br />
Anschläge oder rund 11.000 Zeichen incl.<br />
Leerzeichen - begrenzt. Beizulegen sind<br />
eine Vita betr. Veröffentlichungen und die<br />
Adresse plus Emailadresse. Keinen Namen<br />
auf dem Manuskript eintragen!<br />
Preise: 5.000 Euro; 2.000 Euro und 1.500<br />
Euro. Die anderen Teilnehmer an der<br />
Endrunde erhalten ein Honorar. Alle<br />
eingeladenen Teilnehmer (öffentliches<br />
Lesen vor einer Jury) lesen in der<br />
Finalrunde am 3. Mai 2010 in Leipzig.<br />
Reisekosten werden übernommen. Im<br />
Anschluss findet eine honorierte Lesereise<br />
in die Städte Köthen (4. Mai), Sangerhausen<br />
(5. Mai) und Chemnitz (6. Mai) statt. Ca.<br />
25 der Kurzgeschichten werden in einer<br />
Anthologie veröffentlicht. Die Rechte<br />
werden gegen ein Honorar für zwei<br />
Jahre dem Rotbuch-Verlag übertragen.<br />
Zusendungen in doppelter Ausfertigung<br />
(Computerdruck) an: Mitteldeutscher<br />
Rundfunk, Figaro, Postfach 100122, 06140<br />
Halle. Kennwort: Literaturwettbewerb.<br />
Infos: http://www.mdr.de/mdr-figaro/<br />
literatur/6791084.html.<br />
Einsendeschluss: 31. 01. 2010.<br />
iGda<br />
Service<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 47<br />
2 Haiku und Senryû Preis - Dulcinea<br />
Der Haiku und Senryû Preis wird<br />
von der Literaturzeitschrift Dulzinea<br />
vergeben. Er versteht sich als Förderpreis.<br />
Textgrundlage für die gegenwärtige<br />
Auswahl sind die veröffentlichten Texte<br />
der <strong>Heft</strong>ausgabe Dulcinea 15. Jeder<br />
Ausgabe sind ein Lyrikpreis und ein Haiku<br />
und Senryû Preis zugeord<strong>net</strong>. An den<br />
Ausschreibungen der <strong>Heft</strong>ausgaben kann<br />
sich jeder Autor beteiligen. Die Preisträger<br />
bestimmt die Redaktion. Die Themen<br />
sind frei interpretierbar, das Eingehen auf<br />
Themenrandbereiche ist erwünscht.<br />
Preise: Lyrik: 1.000 Euro; Haiku- und<br />
Senryû-Preis - 250 Euro.<br />
’Moderne Herbstlyrik’ für Dulzinea 15,<br />
Gedichte und/oder Haiku/Senryû-Texte,<br />
können als Emailanhang - redaktion@<br />
dulzinea.de) - und auf dem Postweg -<br />
Dulzinea, Zeitschrift für Lyrik und Bild,<br />
Postfach 1927, D-36009 Fulda - eingereicht<br />
werden.<br />
Infos: www.dulzinea.de.<br />
Einsendeschluss: 30. 04. 2010<br />
3 Künstlerhaus Schirnding<br />
- ‚grenzenlos’ - Schreibwettbewerb<br />
Unter dem Thema ‚grenzenlos’ veranstaltet<br />
das Künstlerhaus Schirnding einen<br />
Schreibwettbewerb für Jugendliche von<br />
11 bis 16 Jahren. Der / die Verfasser/<br />
in muss den Wohnsitz in Bayern haben.<br />
Eine Geschichte oder ein Gedicht sind<br />
einzureichen, die nicht mehr als eine Seite<br />
(30 Zeilen) betragen dürfen.<br />
Hauptpreis: 200 Euro als Buch/Media-<br />
Geschenkgutschein. Veröffentlichung des<br />
Textes in der Regionalpresse mit Interview<br />
und Foto. Zwei Nebenpreise zu 100 bzw. 50<br />
Euro.<br />
Einreichungen mit Geheimwort, ohne<br />
Verfassername. Adresse und Geheimwort<br />
sind im verschlossenen Umschlag
eizulegen. Alle Preisträger werden vom<br />
Künstlerhaus Schirnding eingeladen und<br />
im Rahmen einer Veranstaltung dem<br />
Publikum vorgestellt.<br />
Das Künstlerhaus wird im nächsten Jahr<br />
einen Schreibwettbewerb für Kinder von<br />
6 – 10 Jahren durchführen und plant,<br />
den Schirndinger Kinder- und Jugend<br />
Schreibwettbewerb in den nächsten Jahren<br />
-alternierend - fortzusetzen. Einsendungen<br />
an: Rathaus Schirnding‚grenzenlos’ –<br />
Schreibwettbewerb, Hauptstrasse 5, 95706<br />
Schirnding.<br />
Infos: http://www.kuenstlerhausschirnding.de.<br />
Einsendeschluss: 31. 03. 2010.<br />
4 André Guide-Übersetzerpreis deutschfranzösisch.<br />
Der 1997 eingerichtete André-Gide-Preis<br />
zeich<strong>net</strong> literarische Übersetzungen aus<br />
dem Deutschen und dem Französischen<br />
aus. Die DVA-Stiftung verfolgt mit diesem<br />
Programm das Ziel, den Dialog zwischen<br />
beiden Ländern zu stärken. ‚Ohne Kenntnis<br />
literarischer Schlüsselwerke kann es keine<br />
fruchtbaren geistigen Wechselwirkungen<br />
geben’.<br />
Der Preis von 10 000 Euro für eine<br />
Übersetzung aus dem Deutschen und<br />
dem Französischen wird verliehen für<br />
die herausragende Übersetzung eines<br />
literarischen Werkes der erzählenden Prosa<br />
oder der Lyrik. Er kann entweder eine<br />
bereits veröffentlichte Übersetzung oder ein<br />
Übersetzungsprojekt auszeichnen, für das<br />
ein Verlagsvertrag besteht.<br />
Die Ausschreibung richtet sich an<br />
Übersetzer unter 50 Jahren, die bereits<br />
Übersetzungen veröffentlicht haben. Die<br />
Kandidaten (oder ihr Verlag) reichen je<br />
ein Exemplar des Originalbuches und<br />
der Übersetzung ein und fügen folgende<br />
Unterlagen in 7-facher Ausfertigung bei:<br />
Lebenslauf und Veröffentlichungsliste,<br />
Beschreibung des Werkes und seiner<br />
Bedeutung im Ursprungsland ( 1 - 2 Seiten),<br />
bei Vorlage einer noch nicht veröffentlichten<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 48<br />
Übersetzung außerdem Übersetzungsprobe<br />
eines Schlüsselabschnitts von ca. 10<br />
Seiten mit Kopie der Passage des<br />
Originaltexts. Angabe des Verlags, bei<br />
dem die Übersetzung erscheinen wird<br />
(Vertragskopie). Sendungen an: DVA-<br />
Stiftung, André-Gide-Preis, Heidehofstraße<br />
31, 70184 Stuttgart.<br />
Infos: http://dva-stiftung.bosch-stiftung.de/<br />
content/language1/html/9739.asp.<br />
Einsendeschluss : 5. 12. <strong>2009</strong>.<br />
5 KAAS & KAPPES -<br />
12. Niederländisch-Deutscher Kinder-<br />
und Jugenddramatikerpreis in Duisburg<br />
Die Stadt Duisburg verleiht im Rahmen<br />
des Deutsch-Niederländischen Kinder- und<br />
Jugendtheater-Festivals KAAS & KAPPES<br />
am 07. März 2010 den 12. niederländischdeutschen<br />
Autorenpreis für Kinder- und<br />
Jugendtheater. ‚Der Autorenwettbewerb<br />
verfolgt das Ziel, dramatische Literatur für<br />
Kinder und Jugendliche zu fördern und<br />
Autoren und Theatermacher zu Arbeiten<br />
für diese Zielgruppe zu ermutigen.’<br />
Preisgeld insgesamt: 7500 Euro. Die<br />
Jury besteht aus niederländischen und<br />
deutschen Theaterfachleuten. Der Text<br />
muss in der Urform niederländisch oder<br />
deutsch geschrieben<br />
und darf nicht vor Januar <strong>2009</strong><br />
veröffentlicht oder aufgeführt worden<br />
sein. Neben Stücken einzelner AutorInnen<br />
können auch gemeinsam erarbeitete<br />
Texte am Wettbewerb teilnehmen. Pro<br />
Autor ist nur ein Text zugelassen. Texte<br />
in 5-facher Ausfertigung schicken an:<br />
Helmuth Hensen, Schwarzenberger Str.<br />
147, D-47226 Duisburg, Tel. +49-203/283-<br />
8485, E-mail: info@kaasundkappes.de.<br />
Die Preisverleihung findet am Tag der<br />
Autoren, dem 07.03.2010, im Rahmen des<br />
KAAS&KAPPES Theaterfestivals um 16.00<br />
Uhr in Duisburg im KOM´MA - Theater<br />
statt.<br />
Infos: http://www.kaasundkappes.de.<br />
Einsendeschluss: 15.12.<strong>2009</strong>.
6 Jugendtheaterpreis<br />
Baden-Württemberg 2010<br />
2. Teil - Projekt-Stipendium<br />
Gesucht werden Projekte, bei welchen eine<br />
Autorin/ein Autor in Zusammenarbeit mit<br />
einem Theater aus Baden-Württemberg ein<br />
Stück entwickelt. Einzureichen sind ein<br />
Dossier über das geplante Projekt, eine Autorenvita,<br />
eine Liste der bisherigen Stücke-<br />
Veröffentlichungen und eine Erklärung des<br />
kooperierenden Theaters, das entstehende<br />
Stück innerhalb von zwei Jahren nach der<br />
Preisvergabe zur Uraufführung bringen<br />
zu wollen. Stipendiumsgeld: 5000 Euro.<br />
Manuskripte sollen als Word- oder pdf-Dokument<br />
(nur in Ausnahmefällen auf Papier,<br />
dann in dreifacher Ausfertigung) gesendet<br />
werden an:info@jugendtheaterpreis-bw.de<br />
oder Junges Ensemble Stuttgart, Jugendtheaterpreis<br />
Baden-Württemberg, Christian<br />
Schönfelder, Eberhardtstr. 61 a, 70173<br />
Stuttgart.<br />
Infos: http://www.jugendtheaterpreis-bw.<br />
de/index.php?id=9.<br />
Einsendeschluß: 31.12.<strong>2009</strong>.<br />
7 7Gedichtwettbewerb ‚Träume und Taten’<br />
‚Was ist aus unseren Hoffnungen<br />
geworden? Sind die Träume abgelegt in<br />
einem entlegenen Fach? Welchen Wandel<br />
hält das Leben bereit? Wo sind Ideen<br />
Wirklichkeit geworden?’ Literarische<br />
Qualität ist ausdrücklich erwünscht.<br />
Einsendungen in deutscher Sprache zum<br />
Thema ‚Träume’ sind erbeten, gerne auch<br />
aus dem Ausland. Dem Wettbewerb<br />
angeschlossen ist eine Spezialaufgabe mit<br />
dem Thema „politische Gedichte“ (Taten).<br />
Viele Bücher und Sachpreise sind<br />
zu gewinnen. Dazu gehört die<br />
Veröffentlichung der Gewinnergedichte<br />
und zahlreicher weiterer. Max. 20<br />
Gedichte dürfen eingereicht werden. Bitte<br />
die vollständige Adresse angeben und<br />
die E-Mail-Adresse aktuell halten. Alle<br />
literarischen Einsendungen per Email an:<br />
gedichte@literaturpodium.de.<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 49<br />
(Postadresse für Nachfragen: Märkischer<br />
Literaturkreis, zu Hdn. Katrin Erika,<br />
Köpenicker Str. 11, 15537 Gosen in<br />
Kooperation mit weiteren Verlagen/<br />
literarischen Gruppen).<br />
Infos: www.literaturpodium.de.<br />
Einsendeschluss: 25. 02. 2010.<br />
Anthologien<br />
Wettbewerb ‚Busenfreundschaften’<br />
Eine neue Anthologie sucht der Wort<br />
und Mensch Verlag in Köln. Geschichten,<br />
Gedichte oder Fotos können eingereicht<br />
werden zum Thema Frauenfreundschaften.<br />
Erfreuliches, Unerfreuliches,<br />
Wunderschönes, Besonderes – auch<br />
Beiträge von Männern zum Thema<br />
werden gerne gesehen. ‚Beobachtungen,<br />
Emotionen, Erlebnisse’ können dabei<br />
Schlüsselerlebnisse sein.<br />
Die Bedingungen sind wie immer.<br />
Sollten Beiträge veröffentlicht werden,<br />
wird die Abnahme von 10 Büchern zum<br />
Autorenpreis erwartet. Ein Exemplar ist<br />
frei. Texte - höchstens 5 Buchseiten – sind<br />
bevorzugt per Mailanhang und ohne<br />
jede Formatierung erbeten an :verlag@<br />
wortundmensch.de. Manuskripte per<br />
Post an: Waltraud Weiß, Wort und Mensch<br />
Verlag, Ingendorfer Weg 71, 50829 Köln,<br />
Tel. 0221/503012.<br />
Infos: www.wortundmensch.de,<br />
Einsendeschluss: 28. 02. 2010.<br />
Stipendien<br />
2010 - ‚Struwwelpippi kommt zur Springprozession’<br />
Die Kinder- und Jugendbuchautorenresidenz<br />
”Struwwelpippi kommt zur Springprozession“<br />
wird zum 9. Mal vom Centre<br />
national de littérature und von der Stadt<br />
Echternach in Zusammenarbeit mit dem
Ministère de la Culture - Luxembourg ausgeschrieben.<br />
Echternach, eine 5.000-Einwohnerstadt<br />
in der Luxemburger Schweiz, ist eine der<br />
ältesten Christianisierungs- und Kulturstätten<br />
Europas. Der irische Wandermönch<br />
Willibrord gründete hier 698 eine Abtei,<br />
die im 10. und 11. Jh. ein bedeutendes<br />
Scriptorium hervorbrachte. Gesucht wird<br />
ein(e) deutschsprachige(r) Kinder- und<br />
JugendbuchautorIn‚ ‚der/die bereit ist, für<br />
die Dauer von einem Monat (9. 5. - 6. 6.<br />
2010) in Echternach zu arbeiten und dabei<br />
ein sprachliches Umfeld, das ... von<br />
Lëtzebuergesch, Deutsch und Französisch<br />
gekennzeich<strong>net</strong> ist, zu erkunden.’ Der Aufenthalt<br />
fällt zusammen mit der alljährlichen<br />
Springprozession zu Ehren des hl. Willibrord,<br />
einem mittelalterlichen Brauch, der<br />
bis zum heutigen Tag nichts an Attraktivität<br />
verloren hat. Gleichzeitig findet das Festival<br />
International de Musique Echternach<br />
statt.<br />
Stipendiumsgeld: 5000 Euro, eine Pauschale<br />
für Reise- und Aufenthaltskosten.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 50<br />
Vor Ort kann auf organisatorische Betreuung<br />
vor Ort zurückgegriffen werden.<br />
Für die Dauer der Residenz besteht Präsenzpflicht<br />
sowie Teilnahme am kulturellen<br />
Leben. Er/sie soll dabei eine öffentliche<br />
Veranstaltung in Echternach sowie mehrere<br />
Lesungen an Luxemburger Schulen bestreiten,<br />
mit den Lehren über Literatur diskutieren,<br />
Kontakt aufnehmen zu Autorenkollegen<br />
usw.. Es wird erwartet, dass der<br />
Echternach-Aufenthalt seinen konkreten<br />
Niederschlag in einer Erzählung findet.<br />
Bewerber übersenden unter dem Kennwort<br />
”Struwwelpippi kommt zur Springprozession“<br />
eine Auswahl ihrer Veröffentlichungen,<br />
ein CV (mit Foto) und eine umfassende<br />
Vita an: Centre national de littérature, 2,<br />
rue Emmanuel Servais, L-7565 Mersch, Tel.:<br />
00352-3269551.<br />
Infos: http://struwwelpippi.literaturarchiv.<br />
lu/pages/ausschreibung-2010.php oder:<br />
www.literaturarchiv.lu.<br />
Einsendeschluss : 31. 12. <strong>2009</strong>.<br />
Jahrestreffen der IGdA<br />
Ein Blick zurück und zwei nach vorn<br />
Als ich mich im September 2008 in<br />
Geiselwind bereit erklärte, das Jahrestreffen<br />
<strong>2009</strong> für die IGdA-Mitglieder<br />
in Frankenberg zu organisieren, ahnte ich<br />
nicht, dass ich das aus 500 km Entfernung<br />
zum Veranstaltungsort würde tun müssen<br />
- von Köln aus, wohin mich das Leben<br />
wegen eines neuen Jobs verschlagen hatte.<br />
Ich hatte große Pläne, wollte den Teilnehmern<br />
erkenntnisreiche und erlebnisreiche<br />
Tage organisieren und plötzlich zerrannen<br />
mir Zeit und Möglichkeiten zwischen den<br />
Fingern. Viel zu schnell nahte die Stunde<br />
„X“. Ich hatte Lampenfieber. Würde alles<br />
klappen? Einen Tag vor Beginn des Treffens<br />
hatte ich endlich einen neuen Musiker für<br />
unsere Feierstunde engagieren können -<br />
iGda<br />
der eigentliche hatte ohne abzusagen abgesagt.<br />
Zunächst ging schief, was schief gehen<br />
kann. Und dann das Wunder: Auf einmal<br />
fügte sich alles. Mir halfen ortsansässige<br />
Freunde, die Stadtverwaltung und die<br />
IGdA-Mitglieder selbst! Allen, allen, allen<br />
Dank, Dank, Dank!<br />
Hermann Wischnat und Karin Manke, die<br />
Lyrik- und Prosa-Workshop-Leiter, die großzügig<br />
und nobel die Programmänderungen<br />
akzeptiert und mitgetragen haben, dürfen<br />
diesen Satz gerne als Paradebeispiel für<br />
Fehlformulierungen benutzen. Nur Aufzählungen,<br />
weder Prädikat noch Subjekt oder<br />
Objekt und stattdessen ein Ausrufezeichen.<br />
Ich weiß: Es schreit zum Himmel! Aber diese<br />
Formulierung drückt am besten meinen
Gemütszustand aus. Ich danke beiden nicht<br />
nur für ihre Haltung sondern auch für die<br />
Perfektion der gelieferten Leistung. Alle<br />
Anwesenden empfanden die Workshops<br />
als Gewinn für ihr künstlerisches Schaffen.<br />
Höchstes Lob aus berufenen Mündern.<br />
Wir sind ein Verein, den Mitglieder aus insgesamt<br />
acht Ländern bilden. Ich kann mir<br />
ungefähr vorstellen, warum wir auf die Anwesenheit<br />
von Bernhard Blumenthal aus<br />
den USA, Maria Bengsson Stier aus Schweden<br />
oder Ingrid Varnhorst Brown aus Frankreich<br />
verzichten mussten. Aber wo waren<br />
all die Mitglieder aus Freiburg, München,<br />
Augsburg, Baden-Baden, Düsseldorf, Saarbrücken,<br />
Emden, Solingen, Braunschweig,<br />
Hof oder Herne?! Oder wenigstens die aus<br />
dem nahen Chemnitz, Dresden, Stolpen<br />
oder Leipzig?! Ich hätte mich wahnsinnig<br />
gefreut, so vielen wie möglich eine Plattform<br />
des Zueinanderfindens und der Kommunikation<br />
bieten zu können. Alles war für alle<br />
Bedürfnisse gerichtet. Stattdessen blieben<br />
wir eine überschaubare Gruppe von nicht<br />
ganz zwanzig Mitgliedern. Wie gerne hätte<br />
ich viel mehr von uns einmal persönlich<br />
kennengelernt! Ich hoffe, dass sich das im<br />
kommenden Jahr in Schlüsselfeld-Elsendorf<br />
bei Wilfried Auer, der unser 43. Jahrestreffen<br />
ausrichten wird, ändert. Ein Verein lebt<br />
durch seine Mitglieder. Es ist schwierig genug,<br />
über so große Strecken hinweg agieren<br />
und interagieren zu müssen. Bauen Sie Ihre<br />
Scheu ab! Wir brauchen und wollen jeden<br />
von Ihnen. Jeder von Ihnen bildet eine einzigartige<br />
Facette der IGdA. Wie viele haben<br />
hervorragende Texte in der IGdA-aktuell<br />
veröffentlicht - und wie schön wäre es für<br />
die anderen, den Menschen hinter den Texten<br />
einmal kennenzulernen. Dies ist ohne<br />
jegliches Ressentiment mein ausdrücklicher<br />
Wunsch für 2010!<br />
Umso mehr habe ich mich über diejenigen<br />
gefreut, die meiner Einladung gefolgt sind.<br />
„Nanu, wer ist denn das? Den kennst du<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 51<br />
noch gar nicht?!“, dachte ich, als unser neues<br />
Mitglied Theo Schmich aus Essen eintraf<br />
und vom ersten bis zum letzten Abend alle<br />
an die Wand las. Herzlichen Dank für Ihr<br />
Kommen und - auf ein Neues!<br />
Allerdings erhielt er beim Lesen heftige<br />
Konkurrenz von Renate Weidauer aus Puchheim<br />
bei München, Hermann Wischnat aus<br />
Bad Laer, Helmfried Knoll, dem Ehrenmitglied<br />
der IGdA aus Wien und der Rudolf-<br />
Descher-Preisträgerin <strong>2009</strong>, Gaby Hühn-<br />
Keller aus Friedberg bei Augsburg.<br />
Volker Wille und Konrad Wirner kamen von<br />
weither, obwohl sie in ihrem Zeitplan nur einen<br />
einzigen Tag „locker“ machen konnten.<br />
Wie schön, dass Ihr dennoch da wart! Eine<br />
große Freude war für mich die Anwesenheit<br />
eines Überraschungsgastes: Kornelia Eleonore<br />
Hofmann, Preisträgerin des Internen<br />
Lyrikwettbewerbs „Steinerner Wald“.<br />
Besonderen Dank dir, meine liebe Anneliese<br />
Korte. Du hast für uns alle ein großes persönliches<br />
Opfer gebracht und bist trotz allem<br />
angereist, um die Frankenberger Grundschule<br />
einmal richtig aufzumischen. Dass<br />
dies ein voller Erfolg geworden ist, berichtet<br />
die Presse mit begeisterten Worten und ich<br />
soll dir von all den Steppkes und den Lehrern<br />
herzliche Grüße ausrichten! Alles Gute<br />
dir. Meine Gedanken begleiten dich.<br />
Georg Walz, Rainer Hengsbach-Parcham,<br />
Ricarda Peter, Gaby G. Blattl und - last not<br />
least unser erster Vorsitzender Othmar Seidner:<br />
Ich lege hiermit fest, dass wir uns beim<br />
nächsten Treffen wiedersehen! Notfalls ersetzen<br />
wir den Chianti durch Merlot oder<br />
Dornfelder - aber die Abende mit euch vermisse<br />
ich einfach zu sehr!<br />
Warum wir diese Treffen veranstalten? Der<br />
alte Briest hätte gesagt: „Das ist ein weites<br />
Feld...“ Es gibt eine Million Gründe. Jeder<br />
von uns hat seinen favorisierten Grund.<br />
Die Presse fand blumenreiche Metaphern:
„Frankenberg wird zum Mekka der Literaten“.<br />
Auf den Punkt bringen möchte ich es<br />
mit den Worten einer Gruppe junger Leute,<br />
die - gepierct und tätowiert vom Scheitel bis<br />
zur Sohle - rein zufällig in unsere öffentliche<br />
Lesung in der Winzerstube Korkenzieher<br />
geschneit ist: „Wir wären nie von uns<br />
aus zu einer Lesung gegangen. Wir haben<br />
gedacht, das ist wie Deutschunterricht. Wir<br />
haben geglaubt, dass es furchtbar langweilig<br />
sein würde, jemandem zuzuhören, wie<br />
er Gedichte vorliest. Wir finden das jetzt selber<br />
eigenartig - aber es hat uns richtig gut<br />
gefallen!“<br />
Interessengemeinschaft deutschsprachiger<br />
Autoren e.V. - VR 1829<br />
Protokoll der Jahreshauptversammlung<br />
vom 11. September <strong>2009</strong><br />
im AKZENT-Landhotel Frankenberg, 09669<br />
Frankenberg in Sachsen<br />
Die Versammlung beginnt um 16 Uhr. Der 1.<br />
Vorsitzende, Herr Othmar Seidner, erklärt,<br />
dass die Mitgliederversammlung nicht beschlußfähig<br />
ist. Auf seinen Vorschlag entscheiden<br />
die anwesenden 15 Mitglieder einstimmig,<br />
die Versammlung um 15 Minuten<br />
zu vertagen.<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 52<br />
Uns allen ist es Lust und Bedürfnis zu schreiben.<br />
Das Schreiben ist der Samen, das Publikum<br />
der Boden, der den Samen aufnimmt.<br />
Das eine ist ohne das andere nichts wert. In<br />
diesem Sinne.<br />
Ihre und Eure<br />
protokoll<br />
Gabriela Franze<br />
TOP 1 Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden<br />
Der 1. Vorsitzende begrüßt gegen 16.20 Uhr<br />
die anwesenden 15 Mitglieder. Es folgt ein<br />
Totengedenken.<br />
TOP 2 Feststellung der satzungsgemäßen<br />
Einladung und Beschlußfähigkeit<br />
Die Versammlung bestätigt die satzungsgemäße<br />
Einladung und Beschlußfähigkeit. Auf<br />
Vorschlag des 1. Vorsitzenden wird der bisherige<br />
Punkt 10 aus gegebenem Anlaß ans<br />
Ende der Tagesordnung gesetzt. Die beiden<br />
Rechnungsprüfer werden also nicht unter<br />
Punkt 10 gewählt, sondern unter Punkt 13.
TOP 3 Bericht des 1. Vorsitzenden<br />
Der 1. Vorsitzende berichtet über das Frühjahrstreffen<br />
in Berlin und seine bisher erfolglosen<br />
Versuche, das Archiv der Interessengemeinschaft<br />
deutschsprachiger Autoren von<br />
seiner Vorgängerin zu erhalten und bittet<br />
die Herren Helmfried Knoll und Hermann<br />
Wischnat um ihre Hilfe. Die beiden Mitglieder<br />
werden Frau Jutta Miller-Waldner per<br />
Einschreibebrief mit Rückschein auffordern,<br />
das Archiv an die IGdA zurückzugeben.<br />
Eine Kopie des Briefes erhält der Vorstand.<br />
TOP 4 Bericht der Geschäftsführerin<br />
Die Geschäftsführerin, Frau Gaby G. Blattl,<br />
berichtet von 13 Austritten und 13 Neueintritten<br />
und nennt als derzeitigen Mitgliederstand<br />
der IGdA 173 Mitgliedern. Sie erklärt,<br />
dass die Zeitung „IGdA-aktuell“ unter der<br />
neuen Redaktion auf einem guten Weg sei.<br />
TOP 5 Bericht des Schatzmeisters<br />
Es folgt der Kassenbericht für 2008 durch<br />
den Schatzmeister Herrn Dr. Volker Wille.<br />
Er vergleicht u.a. auch den Kassenstand des<br />
Jahres 2008 mit den Kassenständen aus den<br />
Kassenberichten der Jahre 2006 und 2007,<br />
die von den ehemaligen Kassenprüfern Frau<br />
Gesina M. Jaeckle und Herrn Peter Dreyling<br />
inzwischen geprüft wurden, und erklärt,<br />
dass die Kassenlage des Vereins trotz der<br />
Einsparmaßnahmen weiterhin angespannt<br />
ist.<br />
TOP 6 Entlastung und Bericht der Kassenprüfer<br />
Die Prüfung des Kassenberichts 2008 werden<br />
die neu zu wählenden Kassenprüfer vornehmen<br />
und auf der Jahreshauptversammlung<br />
2010 hierzu berichten. Siehe<br />
auch TOP 11 und TOP 13.<br />
TOP 7 Aussprache über die Berichte<br />
Es folgt eine lebhafte Diskussion.<br />
iGda<br />
TOP 8 Entlastung des Vorstands<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 53<br />
Zur Frage der Entlastung der Vorstandschaft<br />
weist der Protokollführer Konrad<br />
Wirner auf einen Satz des Protokolls der<br />
Jahreshauptversammlung 2008 hin, bei der<br />
über eine Prüfung der Kassenberichte der<br />
Jahre 2006 und 2007 nicht berichtet werden<br />
konnte, weil die anwesende Kassenprüferin<br />
Frau Gesina M. Jaeckle auf eine Frage des<br />
Versammlungsleiters erklärte, dass sie nur<br />
zusammen mit dem abwesenden Kassenprüfer<br />
Herrn Peter Dreyling einen Bericht<br />
abgeben kann. Dieser Satz in den TOP 7 und<br />
TOP 8 des Protokolls vom 14.10.2008 lautet:<br />
„Nach längerer Diskussion über die Entlastung<br />
des Vorstands für 2006 und 2007 wird<br />
folgendes einstimmig - bei Enthaltung der<br />
Betroffenen - beschlossen: Der Vorstand<br />
wird vorbehaltlich der ausstehenden Kassenprüfungsberichte<br />
entlastet.“<br />
Ein Antrag zur Entlastung der Vorstandschaft<br />
nach dem aktuellen Kassenbericht<br />
wird nicht gestellt, und der erste Vorsitzende<br />
kommt zum nächsten Tagesordnungspunkt.<br />
Der Protokollführer hält diese Fortführung<br />
der Tagesordnung und das Schweigen der<br />
15 anwesenden Mitglieder für eine formlose<br />
Entscheidung der Versammelten, wie bei<br />
der Jahreshauptversammlung 2008 zu verfahren.<br />
Siehe auch TOP 11 und TOP 13.<br />
TOP 9 Vorstellung der neuen 2. Vorsitzenden<br />
nach dem Ausscheiden von<br />
Professor Dinter<br />
Der 1. Vorsitzende stellt die neue 2. Vorsitzende,<br />
Frau Gabriela Franze, Rosenweg 8,<br />
D-09669 Frankenberg/Sachsen, vor. Frau<br />
Franke wurde satzungsgemäß durch den<br />
Vorstand gewählt. Ihre Wahl erfolgte bei einer<br />
Enthaltung einstimmig.
TOP 10 Verleihung der Rudolf-Descher-<br />
Feder an Gaby Hühn-Keller<br />
Frau Gaby Hühn-Keller wird die Rudolf-<br />
Descher-Feder am 12.09.<strong>2009</strong> bei einem öffentlichen<br />
Festakt im AKZENT-Landhotels<br />
Frankenberg/Sachsen erhalten.<br />
TOP 11 Tagungsort der Jahreshauptversammlung<br />
2010<br />
Die Jahreshauptversammlung 2010 soll vom<br />
23. bis 26. September im fränkischen Schlüsselfeld<br />
stattfinden.<br />
TOP 12 Verschiedenes<br />
Beschlüsse: Streichung des Nachwuchspreises<br />
für mindestens zwei Jahre wegen kaum<br />
preiswürdiger Einsendungen und die Wiedereinrichtung<br />
eines Almanachs.<br />
TOP 13 Wahl der Kassenprüfer<br />
Als Kassenprüfer werden einstimmig - bei<br />
Enthaltung der Betroffenen - gewählt:<br />
1. Frau Renate Weidauer, Alpenstr. 19,<br />
D-82178 Puchheim<br />
2. Konrad Wirner, Marktsteinach, Kirchberg<br />
27, D-97453 Schonungen<br />
Die neuen Kassenprüfer haben im Anschluß<br />
an die Jahreshauptversammlung mit der<br />
Prüfung des Kassenberichts 2008 (TOP 5) begonnen<br />
und wollen diese Anfang des Jahres<br />
2010 zusammen mit der Prüfung des Kassenberichts<br />
<strong>2009</strong> fortsetzen und beenden<br />
Gegen 18.00 Uhr erklärt der 1. Vorsitzende<br />
Othmar Seidner die Jahreshauptversammlung<br />
<strong>2009</strong> für beendet.<br />
Schonungen, den 16. Oktober <strong>2009</strong><br />
(Konrad Wirner)<br />
Protokollführer<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 54<br />
Ein paar Worte zum Festabend<br />
Der mit Spannung erwartete Festabend war<br />
da! Nach einem bestens organisierten Ausflug<br />
nach Dresden kam ‚der‘ Abend.<br />
Gabriela Franze hatte auch hier trefflich geplant,<br />
Kornelia Eleonore Hofmann war gekommen,<br />
um zumindest diesen Höhepunkt<br />
des Treffens zu erleben.<br />
Helmfried Knoll leitete gemeinsam mit der<br />
Organisatorin den Abend freudvoll ein, Musik<br />
erklang und – es war gut!<br />
Wie bereits im letzten Jahr durfte ich den<br />
Abend moderieren. Es war Helmfried Knoll,<br />
der als Ehrenmitglied ebenso, wie als geschätzter<br />
Autor den Abend literarisch mit<br />
einer kleinen Lesung begann. Danach lasen<br />
und sprachen Ricarda Peters, Theo Schmich<br />
(sein Text wird in einer der nächsten Ausgaben<br />
erscheinen), Renate Weidauer; Hermann<br />
Wischnat bekannte, er hätte gar kein<br />
Dezifit (siehe die Rezension von Helmfried<br />
Knoll) und Gabriela Franze ließ mit Musik<br />
in die Pause überleiten.<br />
Bis zu diesem Moment wusste Gaby Hühn-<br />
Keller nicht, wer die Laudatio halten würde.<br />
In lockerem Erzählton sprach Gabriela Franze<br />
einen sehr persönlichen Text, der in einer<br />
schönen Würdigung der in diesem Jahr mit<br />
der Descher-Feder ausgezeich<strong>net</strong>en Dichterin<br />
und Malerin mündete. Überraschung<br />
und Freude waren gleich groß. Gaby Hühn-<br />
Keller hielt eine großartige Lesung, in der<br />
sie einen schönen Bogen aus ihrem Werk zu<br />
Gehör brachte.
Die Spannung knisterte, denn noch wusste<br />
(außer mir) niemand, wer denn im Internen<br />
Wettbewerb gewonnen hätte. Mit großer<br />
Freude nannten wir den 3., 2. Platz. Zur großen<br />
Überraschung war es Kornelia Eleonore<br />
Hofmann, deren Gedicht die meisten Stimmen<br />
bzw. Punkte erhalten hatte.<br />
Die Idee, die eingesandten Gedichte in der<br />
Zeitung zu veröffentlichen, damit alle interessierten<br />
Mitglieder abstimmen können,<br />
wurde gut angenommen und wird beibehalten.<br />
Erst in letzter Minute, am Tag des Festabends,<br />
stand das Ergebnis fest und blieb bis<br />
zu diesem Abend Geheimnis. Zu meinem<br />
Bedauern würde die Verfasserin des Siegergedichtes<br />
nicht anwesend sein. In diese<br />
Überlegung hinein läutete das Telefon und<br />
Kornelia Eleonore Hofmann meldete sich<br />
an. Es war ihr möglich gewesen, zumindest<br />
an diesem Abend zu uns zu kommen. Groß<br />
war die Überraschung, als sie hörte, dass ihr<br />
Gedicht die meisten Punkte erhalten hatte.<br />
Ergebnis der Abstimmung:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
Nr. 8 Kornelia Eleonore Hofmann:<br />
Bäume groß wie Riesen<br />
Nr. 4 Theo Schmich: Säulen aus Stein<br />
Nr. 5 Renate Weidauer: Versteinerte<br />
Bäume<br />
Nr. 14 Eckhard Erxleben: angst<br />
Nr. 9 Gaby Hühn-Keller: An den Versteinerten<br />
Wald von Chemnitz und<br />
Nr. 3 Wilfried A. Faust: Steinerner<br />
Wald<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 55<br />
Musik klang aus, viele zufriedene Gesichter,<br />
eine nun schon entspannte Organisatorin,<br />
die nach dem Ausscheiden von Prof. Dinter<br />
nicht nur 2. Vorsitzende geworden ist, sondern<br />
der auch höchstes Lob für die hervorragende<br />
Organisation ausgesprochen werden<br />
muss und der Ausblick auf das Jahrestreffen<br />
2010 in Schlüsselfeld ließen den Abend bei<br />
guten Gesprächen ausklingen.<br />
Interner Wettbewerb <strong>2009</strong> - STEINERNER WALD<br />
6.<br />
7.<br />
8.<br />
9.<br />
GGB<br />
Nr. 7 Cordula Scheel: Ihr steinernen<br />
Bäume<br />
Nr. 10 Hermann Wischnat: Der alte<br />
Schachtelhalm<br />
Nr. 2 Wilfried A. Faust: Steinerner<br />
Wald<br />
Nr. 13 Willi Volka: Stammbuch<br />
10. Nr. 6 Renate Weidauer: Versteinerte<br />
Bäume<br />
11. Nr. 11 Anna Maria Sauseng: Waldsterben<br />
und Gaby G. Blattl: Dicht der<br />
Wald<br />
12. Nr. 12 Willi Volka: Und und und<br />
Kornelia Eleonore Hofmann<br />
Wir gratulieren Kornelia Eleonore<br />
Hofmann, Theo Schmich und Renate<br />
Weidauer sehr herzlich!
Runde Geburtstage <strong>2009</strong><br />
70 Jahre<br />
Seidner Othmar, Wien<br />
Weiß Waltraud, Köln<br />
75 Jahre<br />
Hoppe Elfriede, Wesel<br />
Korte Anneliese, Trassenheide / Berlin<br />
Ott Ivan, Fellbach<br />
Volta Irma-Löffler, Wien<br />
80 Jahre<br />
Rühlicke Rolf, Hamburg,<br />
Stucky Oskar, Bachenbülach/Schweiz<br />
85 Jahre<br />
Maria Margaretha, Malmö/Schweden<br />
Klevinghaus Wilma, Erkrath<br />
Leserbriefe<br />
Herzlichen Glückwunsch!<br />
…ich weiß nicht, ob es Mitglieder gibt, die<br />
wirklich das ganze <strong>Heft</strong> lesen. Ich habe nun<br />
das ganze <strong>Heft</strong> gelesen. Viel, viel zu lesen,<br />
zu verarbeiten, zu notieren, zu bedenken.<br />
Was vor allem? Nun, das ist sicher subjektiv<br />
verschieden, bei jedem. Mein Favorit ist<br />
Hermann Wischnat, da bleibe ich länger<br />
im Nachdenken, Forschen, vielleicht sogar<br />
Lernen! Ge- bzw. erfreut habe ich mich<br />
am Artikel von Renate Weidauer, klar, das<br />
ist persönlich! Und dann? Gute Lyrik, zu<br />
wenig, d.h. – für mich – zu viel Prosa. Viele<br />
Autor/innen sind doppelt belegt, finde ich<br />
nicht gerecht. Bei ‚Liebe Waltraud‘ von<br />
Ingrid Benada habe ich mich – fälschlicherweise<br />
– angesprochen gefühlt. Sehr schön<br />
die Geschichte von Denis Gustavus ‚Als ich<br />
noch klein war‘, gut aufgebaut. ..<br />
Waltraud Weiß<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 56<br />
…vielen Dank für die letzte Ausgabe der<br />
IGdA-aktuell, die ich mit großem Interesse<br />
gelesen habe. Wieviel Mühe für die Verantwortlichen<br />
darin steckt, kann ich einigermaßen<br />
ermessen – ich hoffe, dass genug<br />
Freude und erfüllendes zurückkommt.<br />
Anmerkung der Redaktion:<br />
Dr. Gabriele hippel-Schäfer<br />
Sehr gut angenommen wurde der Essay<br />
von Walter Ehrismann. Wir werden uns<br />
bemühen, dem Sektor ‚Essay‘ verstärkt Augenmerk<br />
zu geben.<br />
Allgemein bemängelt wird, dass manche<br />
Autor/innen öfter bzw. doppelt in einer<br />
Ausgabe erscheinen. Über Gerechtigkeit<br />
will ich an dieser Stelle nicht diskutieren.<br />
Die Antwort darauf ist ganz einfach: wir<br />
können nur aus Beiträgen auswählen, die<br />
wir haben. Je mehr Einsendungen wir bekommen<br />
(Zuständigkeiten Siehe S. 2) desto<br />
besser können wir auswählen.<br />
Die Zeitung erhält positive Worte. Am<br />
Layout arbeite ich weiter. Es soll in Zukunft<br />
wieder mehr Bilder geben. Wenn Sie Grafiken,<br />
Bilder oder Fotos haben, die schwarzweiß<br />
zu drucken möglich sind, bitte um<br />
Zusendung. Nach und nach werden wir<br />
gerne davon Gebrauch machen.<br />
Gaby G. Blattl
Federwelt<br />
iGda<br />
mit spitzer Feder betrachtet<br />
Eine professionelle Literaturzeitschrift für<br />
Autorinnen und Autoren. Gemacht von<br />
Profis, nicht ausschließlich nur für Profis.<br />
Angehende und noch nicht im Literaturbetrieb<br />
etablierte Autoren werden mit einer<br />
Fülle von hilfreichen und interessanten Informationen<br />
im Zweimonatsrhythmus versorgt.<br />
Viele fühlen sich in der heutigen Zeit<br />
zum Schreiben berufen, viele haben auch<br />
das dazu notwendige Talent. Jedoch Talent<br />
allein ist für den Erfolg nicht ausreichend.<br />
Unerlässlich ist das Erlernen und ständige<br />
Verfeinern des Handwerkes Schreiben,<br />
ebenso wie eine umfassende Kenntnis des<br />
literarischen Betriebes und seines Umfeldes.<br />
Hier nun greift seit Jahren äußerst<br />
erfolgreich das Konzept der Federwelt.<br />
Vom <strong>Heft</strong>format etwas kleiner als DIN A4<br />
weckt bereits die äußere Aufmachung mit einem<br />
ansprechenden farbigen Cover die Neugierde.<br />
Hochkarätiges Styling, wie Farbdruck<br />
des Innenteils, Strukturierung der Texte und<br />
gut gestaltetes Layout, setzt sich im Inneren<br />
des <strong>Heft</strong>es fort. Selbstverständlich ist auch<br />
das bedruckte Papier angepasst und von<br />
guter Qualität. Doch die beste Verpackung<br />
ist nichts ohne den entsprechenden Inhalt.<br />
Informelle Artikel nehmen den Hauptteil,<br />
der jeweiligen Ausgabe ein. Fachlich kompetente<br />
Autoren schreiben in unterhaltsamer<br />
Weise über aktuelle Themen. Vielfache<br />
Informationen und Erfahrungen werden<br />
abgebildet, ergänzt durch aktuelle Ratgeber,<br />
die den Schreiballtag betreffen und<br />
rund um das Schreiben handwerkliche<br />
Tipps und Tricks vermitteln. Dabei wird<br />
kein schriftstellerisches Thema tabuisiert<br />
oder ausgespart. Eine gelungene Symbiose<br />
die lehrreich ist, ohne auf die Leserinnen<br />
und Leser belehrend zu wirken.<br />
Einen zweiten wichtigen Informationsteil<br />
bildet die Vorstellung interessanter Per-<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 57<br />
sönlichkeiten. Verleger, Lektoren, Autoren,<br />
Jurymitgliedern und Gewinner von<br />
Literaturwettbewerbern, um nur einige zu<br />
nennen, werden interviewt. Es entstehen<br />
Einblicke, in den hart umkämpften Literaturbetrieb,<br />
oft auch hinter die Kulissen,<br />
die sonst nur Insidern zugänglich sind.<br />
Der Fokus ist auf die Zielgruppen sehr breit<br />
angelegt. Deshalb müssen immer wieder<br />
Zugeständnisse an die Auswahl der Themen<br />
gemacht werden. Welcher Leser erwartet,<br />
dass eine Zeitschrift von der ersten bis zur<br />
letzten Seite brauchbare Texte nur für ihn<br />
bereithält? Und das mit dem Brauchbaren<br />
ist ohnehin so eine Sache. Schaden richten<br />
auch scheinbar überflüssige und teils bekannte<br />
Informationen keinen an. Abgerundet<br />
wird der informelle Teil jeweils durch<br />
Buchvorstellungen (Digest und einer Einzelrezension),<br />
wie auch die Vorstellung einer<br />
ausgewählten Literaturzeitschrift. Hier<br />
wird auch auf hilfreiche Sachbücher für Autoren<br />
hingewiesen, die den Rezensenten lesenwert<br />
erscheinen.<br />
Erstaunlich einfach, aber immer den Kern<br />
der Frage treffend, sind die Antworten, die<br />
in der Kummerecke auf Leseranfragen gegeben<br />
werden. Kolumnen, wie der Rezitationskurs,<br />
die Serie „Punkten im Lektorat“<br />
und die Glosse finden ihre Leser und bilden<br />
eine weitere wichtige Ergänzung des literarischen<br />
Spektrums.<br />
Dem ausführlichen informellen Teil steht in angemessenem<br />
Maße Primärliteratur zur Seite.<br />
Erste Schritte und Erfolge durch Publikation<br />
von Prosa und Lyrik. Die Texte von<br />
Neulingen werden den Texten bereits arrivierter<br />
Autoren gleichgestellt. Ich lese sie<br />
immer wieder gerne, die Kurzprosa und<br />
freue mich jedes Mal über den guten literarischen<br />
Geschmack der Redakteurin.<br />
Schade ist, dass die speziellen literarischen<br />
Vorlieben des verantwortlichen Lyrikredakteurs,<br />
meiner Meinung nach, etwas<br />
einseitig ausgerichtet sind. Trotzdem wird
letztendlich auch in diesem Bereich eine<br />
gute und relativ bunte Mischung des Lyrik<br />
schaffenden Nachwuchses abgebildet.<br />
Der Terminkalender gibt einen Überblick über<br />
ausgewählte Wettbewerbe, Ausschreibungen,<br />
Stipendien, Seminare und Anthologien.<br />
In den ergänzenden Kurzmeldungen findet<br />
sich aktuell Interessantes und Wissenswertes<br />
zum Literaturbetrieb und seiner Macher.<br />
Alles in allem informiert die Federwelt<br />
breit und umfassend. Nur manchmal, aufgrund<br />
der begrenzten Seitenzahl und der<br />
Themenvielfalt, etwas allzu knapp. Doch<br />
auch das Anreißen von Themen hat einen<br />
durchaus positiven Effekt. Aufmerksamkeit<br />
wird geweckt und all diejenigen, die<br />
sich tief greifender mit einem bestimmten<br />
Sachverhalt auseinandersetzen müssen,<br />
erhalten erste wertvolle Hinweise.<br />
Die Federwelt ist eine wahre Fundgrube<br />
und ein unerlässliches Lese-Muss alle zwei<br />
Monate für gewiefte Autorinnen und Autoren.<br />
(gw)<br />
Georg Walz<br />
iGda<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 58<br />
Kontaktadresse:<br />
Federwelt – Zeitschrift für Autorinnen und<br />
Autoren<br />
website: www.federwelt.de<br />
Redaktion: Sandra Uschtrin<br />
Taxisstr.15, D - 80637 München<br />
E-Mail: redaktion@federwelt.de<br />
Preis: 5,50 Euro<br />
Gründung: 1998<br />
erscheint: zweimonatlich<br />
Auflage: 1800<br />
ISSN 1439-8362<br />
Format und Seitenzahl: ca. 19 cm x 27 cm,<br />
60 S.<br />
veröffentlicht: Artikel, Kurzprosa und<br />
Lyrik, Interviews, Rezensionen, Kolumnen,<br />
Terminkalender<br />
Hinweise für Autoren: Lyrik- und Prosabeiträge<br />
sind willkommen, Fachartikel nur<br />
nach vorhergehender Absprache
J<br />
iGda<br />
Renate Weidauer Gabriela Franze<br />
Jahrestreffen Frankenberg <strong>2009</strong><br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 59
Interessengemeinschaft<br />
deutschsprachiger Autoren e.V.<br />
Das Forum für Ihre Texte<br />
www.igda.<strong>net</strong> www.igda.<strong>net</strong>/blog/*<br />
TREFFEN<br />
mit Autorenlesungen<br />
LITERATuRPREISE<br />
rudolf-Descher-Feder<br />
und<br />
nachwuchspreis der iGda<br />
WERKSTATTGESPRäCHE<br />
VERöFFENTLICHUNGEN<br />
in iGda-aktuell und iGda-almanach<br />
PRäSENTATION<br />
unserer Mitglieder im inter<strong>net</strong><br />
1967 gegründet<br />
Informationsmaterial erhalten Sie bei der Geschäftsstelle<br />
der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren (IGdA) e.V.<br />
Gaby G. Blattl<br />
Anton Baumgartner Str. 44/C3/2503 A-1230 Wien<br />
� +43 (1) 967 10 24<br />
info@igda.<strong>net</strong> oder gabyblattl@chello.at