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Arbeitsdruck Nr. 43 - Der Paritätische NRW

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Diskussion V<br />

Grundsicherung<br />

Als bedingungsloses Einkommen ?<br />

Seit vielen Jahren fordert der <strong>Paritätische</strong> eine Grundsicherung, die diesen Namen verdient – also eine<br />

existenzsichernde Grundsicherung. Nun gibt es eine politisch interessante Debatte um eine Grundsicherung<br />

in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens. Vor- und Nachteile dieses Gedankens erörtert<br />

Martin Debener, als zuständiger Sekretär des Facharbeitskreises Armut und Sozialhilfe im <strong>Paritätische</strong>n<br />

Landesverband.<br />

Unterschiedliche Vertreter der Theorie<br />

Die Idee, ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

(BGE) für alle Menschen in unserer<br />

Gesellschaft zu zahlen, ist für die Betroffenen<br />

auf den ersten Blick sicher sehr verlockend.<br />

Das Existenzminimum würde endlich klar<br />

definiert und der Druck auf Vermittlung in<br />

den „ersten” Arbeitsmarkt – auf Arbeitsplätze<br />

die es nicht gibt – hätte ein Ende. Besonders<br />

interessant ist, dass diese Forderung<br />

nicht nur von Betroffenenvertretern wie der<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen<br />

(BAG-SHI), sondern auch vom<br />

Chef der Drogeriemarktkette DM Götz Werner<br />

oder vom Direktor des Hamburger Welt-Wirtschafts-Instituts<br />

HWWI Thomas Straubhaar<br />

vertreten wird.<br />

Die Idee<br />

Mit der Einführung eines BGE würden nicht<br />

nur alle Erwerbslosen, sondern auch alle<br />

Erwerbstätigen, RentnerInnen, Kinder usw.<br />

also alle Mitglieder unserer Gesellschaft ein<br />

Grundeinkommen beziehen, – die Erwerbstätigen<br />

sogar zusätzlich zu ihrem Lohn. Hier<br />

fängt das Problem an, denn, so Rainer Roth<br />

von der FH Frankfurt,: „Dadurch wird das<br />

BGE zwangsläufig zur Lohnsubvention, zum<br />

Kombilohn (einer Kombination von Lohn und<br />

staatlichem Lohnzuschuss), der massive<br />

Lohnsenkungen möglich macht. Das ist das<br />

Hauptmotiv der Vertreter des Kapitals, die das<br />

BGE befürworten.” Unabhängig davon, ob<br />

man diese Einschätzung über das „Kapital”<br />

teilt oder nicht, scheint sicher, dass das BGE<br />

die Arbeitskosten senken würde und damit indirekt<br />

auch die Einkommen. Für die Beschäftigten<br />

hieße dies, dass sie von geringerem<br />

Lohn und zusätzlichem Grundeinkommen<br />

lebten, für die Erwerbslosen, dass ihnen nur<br />

noch das Grundeinkommen verbleibt.<br />

Die paritätische Forderung nach einer<br />

„existenzsichernden” Höhe des Grundein-<br />

arbeitsdruck 11/06<br />

kommens kann so ebenfalls nicht erreicht<br />

werden, denn das BGE soll über erheblich<br />

höhere Verbrauchssteuern finanziert werden.<br />

Außerdem sollen in der Theorie einiger Vertreter<br />

der Grundsicherung auch alle anderen<br />

Sozialleistungen abgeschafft werden, wie die<br />

Sozialversicherung, Wohn-, Kindergeld usw.<br />

Hier besteht die Begründung nicht nur in der<br />

Kostenersparnis, sondern auch im Bürokratieabbau.<br />

In der Folge müssten sich aber alle<br />

Menschen selbst um ihre Kranken- Renten-<br />

und Pflegeversicherung kümmern. Die aktuell<br />

Erwerbslosen hätten so zwar ein unabhängiges<br />

bedingungsloses Einkommen, müssten<br />

davon allerdings erheblich mehr Ausgaben<br />

bestreiten. Das Modell ist also so sinnlos.<br />

Mit freundlicher Genehmigung von Dieko Müller<br />

Ein existenzsicherndes Grundeinkommen<br />

kann man so nicht definieren. Denn vor allem<br />

die geforderte parallele Abschaffung der Sozialversicherung<br />

hätte gravierende Auswirkungen.<br />

Rainer Roth schildert: „Es geht bei dieser<br />

Art Entkopplung darum, die Finanzierung der<br />

Leistungen für Arbeitslose, RentnerInnen und<br />

Kranke möglichst stark von Beiträgen auf<br />

Steuermittel zu verlagern. Mit jedem Prozentpunkt<br />

gesenkter Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung<br />

würde sich der Gesamtprofit<br />

des Kapitals um 7,5 Mrd. Euro erhöhen.<br />

Schwerpunkt<br />

Martin Debener<br />

Auch Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburger<br />

Welt-Wirtschafts-Instituts HWWI,<br />

hebt als Folge des von ihm befürworteten<br />

bedingungslosen Grundeinkommens hervor:<br />

„In meinem Modell würde ich völlig abschaffen<br />

alles, was heute mit dem Etikett soziale<br />

Sicherungssysteme bezeichnet wird. Die<br />

brauchen wir ja dann nicht mehr, weil wir<br />

dieses Grundeinkommen haben,…”<br />

Existenzsicherndes (nicht bedingungsloses)<br />

Grundeinkommen<br />

Diesem Modell stellt der <strong>Paritätische</strong> seit Jahren<br />

die Forderung nach einer Grundsicherung<br />

für Bedürftige entgegen. Zu allererst sollte<br />

man die Kinder aus dem Leistungsbezug<br />

von SGB II und XII holen, indem dem das<br />

Kindergeld in einer Höhe gezahlt wird, die einen<br />

Leistungsbezug überflüssig macht. Nach<br />

und nach könnte dann eine steuerfinanzierte<br />

Grundsicherung für Erwerbslose und weitere<br />

Gruppen von Bedürftigen eingeführt werden.<br />

Diese Grundsicherung müsste immer verbunden<br />

sein mit weiteren sozialen Leistungen,<br />

die nicht nur auf den Arbeitsmarkt orientieren,<br />

wie Schuldnerberatung, Suchtberatung usw.<br />

Rainer Roth geht noch einen Schritt weiter.<br />

Er konkretisiert sein Modell einer Grundsicherung<br />

folgendermaßen: „In der Tat müsste<br />

Arbeitslosengeld gezahlt werden, ohne<br />

Einkommen anzurechnen, die nicht aus<br />

Erwerbstätigkeit stammen, ohne eigenes Vermögen<br />

und das Einkommen und Vermögen<br />

von Haushaltsangehörigen anzurechnen<br />

bzw. Unterhaltspflichten von Verwandten<br />

oder angebliche Pflichten eheähnlicher Partner<br />

einzufordern. In diesem Sinne kennt das<br />

Arbeitslosengeld I ebenfalls keine Bedürftigkeitsprüfung.<br />

Ein solches Arbeitslosengeld<br />

müsste allen Erwerbslosen für die gesamte<br />

Dauer der Arbeitslosigkeit gezahlt werden,<br />

ohne Anwartschaftszeiten oder vorheriges<br />

Arbeitseinkommen vorauszusetzen.”<br />

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