Arbeitsdruck Nr. 43 - Der Paritätische NRW
Arbeitsdruck Nr. 43 - Der Paritätische NRW
Arbeitsdruck Nr. 43 - Der Paritätische NRW
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Schwerpunkt<br />
Diskussion I<br />
Für die tabulose Schaffung eines<br />
„Integrationsarbeitsmarktes”<br />
<strong>Der</strong> dritte Arbeitsmarkt, die dauerhafte und subventionierte Beschäftigung von<br />
Menschen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt chancenlos sind, wird salonfähig.<br />
Karl-Heinz Theußen und Michael Seligmann beschreiben die Anforderungen an einen<br />
nachhaltig wirkenden Sonderarbeitsmarkt aus der Sicht eines Beschäftigungsträgers.<br />
Lesen Sie hier die Kurzfassung ihres Diskussionspapiers.<br />
Wenn der bislang erste Arbeitsmarkt für Millionen<br />
Menschen keine Jobs und auch keine<br />
Chancen mehr auf einen solchen bietet, der<br />
bislang zweite Arbeitsmarkt zur Baustelle verkommt<br />
(Rück- und Umbau für den Bundesfinanzminister),<br />
dann kommt der Zahlenfolge<br />
nach der dritte auf die politische Auktionsplattform.<br />
In manchen Diskussionsbeiträgen<br />
scheint bereits ein vierter auf – als nächstes<br />
stigmatisierendes Angebot.<br />
Die Furcht und die Tatsachen<br />
Über Jahre wurde auf den „Beipackzetteln”<br />
arbeitsmarktpolitischer Programme gebetsmühlenartig<br />
hauptsächlich vor den „Risiken<br />
und Nebenwirkungen” gewarnt. Ein nachgewiesener<br />
Arbeitsplatzabbau am ersten Arbeitsmarkt<br />
durch Arbeitsmarktpolitik ist bisher<br />
aber nicht belegbar, also reine Glaubenssache.<br />
Wirkliche Arbeitsplatzvernichtung findet<br />
an anderer Stelle und aus anderen Gründen<br />
statt, siehe BenQ, Allianz oder Airbus und die<br />
anderen alltäglichen Massenentlassungen.<br />
In der Arbeitsmarktpolitik ist es bislang wichtiger,<br />
auf die schier unmögliche Einhaltung<br />
fast schon tabuisierter Vorgaben wie Zusätzlichkeit,<br />
Wettbewerbsneutralität, Gemeinnützigkeit<br />
und öffentliches Interesse zu achten,<br />
als auf das Erreichen der eigentlichen Zielsetzung,<br />
der Arbeitsmarktintegration und der gesellschaftlichen<br />
Teilhabe. Wir schlagen daher<br />
vor, die Tabus zu missachten und das Ziel<br />
„Gesellschaftliche Integration durch Arbeit für<br />
Alle” zu verfolgen.<br />
Vom Wettbewerbsarbeitsmarkt<br />
Ausgeschlossene<br />
Die deutsche Gesellschaft ist durch Erwerbsarbeit<br />
geprägt. Bevölkerungsgruppen, die nicht<br />
in der Lage sind einer Erwerbsarbeit nachzugehen<br />
– Kinder und Jugendliche, RentnerInnen,<br />
Frauen in Erziehungs- und Pflegezeiten,<br />
Arbeitslose – haben ein geringeres politisches<br />
Gewicht als Unternehmen und Arbeitnehmende.<br />
Das Selbstbewusstsein jedes Einzelnen<br />
wird wesentlich durch diese Positionen bestimmt.<br />
Wer Erwerbsarbeit „gibt” und wer<br />
sie „nimmt” hat einen definierten Platz und<br />
davon abgeleitet auch seine/ihre Familienangehörigen.<br />
Wer keine Erwerbsarbeit hat<br />
oder sich nicht im „wohlverdienten” Ruhestand<br />
befindet, dessen Selbstwert sinkt, mit<br />
den bekannten psychischen und körperlichen<br />
Folgen. Selbst das arbeitgebernahe Institut<br />
der deutschen Wirtschaft in Köln kommt zu<br />
dem Schluss: „Damit belastet Arbeitslosigkeit<br />
sogar etwas stärker als Geldmangel”.<br />
<strong>Der</strong> Mensch lebt nicht vom Brot allein<br />
Alimentierte Grundsicherung ist nicht alles.<br />
Tätigsein gehört zum Wesen des Menschen<br />
dazu. Immer wieder sagen uns Menschen in<br />
Arbeitsgelegenheiten, dass sie diese Arbeit<br />
gerne länger leisten würden, bis sie eine<br />
Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden.<br />
Ein anerkannter Integrationsarbeitsmarkt<br />
sollte eine solche selbst gewünschte Teilhabe<br />
ermöglichen. Ziel eines Integrationsarbeitsmarktes<br />
ist die nicht stigmatisierende<br />
Integration der vom heutigen ersten Arbeits-<br />
Karl-Heinz Theußen<br />
Drei, zwei, eins – meins?<br />
Auktion Arbeitsmarkt!<br />
Dr. Michael Seligmann<br />
markt mit mittel- und langfristiger Prognose<br />
ausgeschlossenen Langzeitarbeitslosen als<br />
vollwertige Mitglieder in die Gesellschaft.<br />
Dieser Arbeitsmarkt verfolgt primär sozialpolitische<br />
Ziele mit einer arbeitsmarktlichen<br />
Ausrichtung.<br />
Plädoyer für einen ungeteilten<br />
Gesamtarbeitsmarkt<br />
Zukünftig sollte statt weiterer Grenzziehungen<br />
von einem ungeteilten Gesamtarbeitsmarkt<br />
ausgegangen werden. Zu diesem gehören<br />
erkennbare Teil- oder Sonderarbeitsmärkte.<br />
Folgender Umriss wird vorgeschlagen:<br />
1) <strong>Der</strong> Wettbewerbsarbeitsmarkt, der zumeist<br />
einen existenzsichernden Lohn ermöglicht.<br />
Die Regeln sind durch Tarifpolitik,<br />
Arbeits- und Wirtschaftsgesetzgebung<br />
usw. bestimmt. Öffentliche Ressourcen<br />
werden aus wirtschaftspolitischen Überlegungen<br />
fördernd eingesetzt.<br />
2) <strong>Der</strong> Brückenarbeitsmarkt, der auf einen<br />
Arbeitsmarkt mit Existenz sichernden Löhnen<br />
zielt. Hier finden sich zeitlich begrenzt<br />
subventionierte sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigungsinstrumente (§ 16 Abs.<br />
3 SGB II ABM / Entgeltvariante u.ä.), Mini<br />
Jobs, kleine Selbstständige u.ä. für diejenigen<br />
(Langzeit-) Arbeitslosen oder von<br />
(Langzeit-) Arbeitslosigkeit Bedrohten, die<br />
mittelfristig eine Chance auf den Übergang<br />
in den nicht alimentierten Arbeitsmarkt<br />
haben. Die politisch dafür zu setzenden<br />
2 arbeitsdruck 11/06